J. F. Cooper
Der letzte Mohikaner - Gekürzte Jugendbuchversion
J. F. Cooper

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18. Kapitel

Der seltsame Indianer entpuppte sich als David Gamut, der Meister des Psalmengesanges. Falkenauge gab nun das verabredete Zeichen, das Krächzen einer Krähe, und bald waren alle um David versammelt.

»Wir sehen gerne, daß Ihr gesund und wohlbehalten seid«, sprach der Kundschafter. »Nun sagt uns, was aus den Mädchen geworden ist?«

»Sie sind in der Gefangenschaft der Heiden«, erwiderte David. »Aber sie befinden sich wohl und sind gesund.«

»Wo ist Magua, der Schurke?« fragte der Kundschafter weiter.

»Er ist heute mit seinen Leuten auf die Jagd gegangen. Die ältere Schwester hat er zu einem benachbarten Stamme gebracht, dessen Hütten jenseits der schwarzen Felsen liegen. Das jüngere Mädchen muß bei den Weibern der Huronen bleiben.«

»Warum läßt man Euch so unbewacht herumgehen?« erkundigte sich Falkenauge.

»Wenig Ruhm gebühret mir«, erwiderte David, »doch die Macht des Psalmengesanges hat selbst auf die Gemüter der Heiden Einfluß gewonnen, und ich darf gehen und kommen, wie ich will.«

Der Kundschafter lachte und sagte: »Die Indianer fügen einem Geistesschwachen kein Leid zu. Warum aber seid Ihr nicht den gleichen Weg zurückgegangen und habt Nachricht nach Fort ›Edward‹ gebracht?«

Der Kundschafter verlangte damit von David eine Leistung, die er sicherlich unter keinen Umständen vollbracht hätte.

»Wenn ich mich auch sehr nach gepflegten menschlichen Behausungen zurücksehne, so konnte ich doch keinesfalls die beiden Mädchen, die meiner Obhut anvertraut wurden, allein zurücklassen.«

Selbst der Kundschafter war von den schlichten Worten des Psalmensängers sehr gerührt und gab ihm die verlorene Stimmpfeife zurück. David mußte nun über die Erlebnisse bei den Wilden berichten.

Magua hatte auf dem Berge gewartet, bis sich ein günstiger Augenblick zum Rückzuge bot. Dann hatte er den Weg längst des Horikan eingeschlagen. Da der Hurone den Weg genau kannte und wußte, daß keine Gefahr der Verfolgung drohte, drang er nur langsam vor. Aus der Erzählung Davids erwies sich, daß seine Gegenwart mehr geduldet als gewünscht wurde. Nachts wurde größte Vorsicht gegenüber den Gefangenen angewandt, um ihre Flucht zu verhindern. An der Quelle ließ man die Pferde laufen. Bei der Ankunft im Lager seines Volkes trennte Magua die Gefangenen. Kora wurde zu einem Stamme gesandt, der in einem benachbarten Tale wohnte.

Die Mohikaner und der Kundschafter hatten aufmerksam der Erzählung zugehört.

»Saht ihr die Messerform des Stammes, bei dem sich Kora aufhält?« fragte der Kundschafter.

David konnte sich darauf nicht besinnen. Er hatte aber bei den Kriegern des Stammes eine seltsame Kriegsbemalung festgestellt.

»War es das Zeichen einer Schlange?« fragte schnell der Kundschafter.

»Fast so. Es sah eher nach einer Schildkröte aus.«

»Howgh!« riefen die Mohikaner gleichzeitig. Eingehend unterhielten sich der Kundschafter und die beiden Mohikaner in delawarischer Mundart. Einmal hob Chingachgook den Arm und ließ einen Finger auf seiner Brust ruhen. Da bemerkte Duncan, daß das eben erwähnte Tier auf der gewölbten Brust des Häuptlings zu sehen war.

Nach diesem Gespräche erklärte der Jäger: »Wir haben soeben etwas festgestellt, das uns nützlich oder auch schädlich sein kann. Chingachgook stammt aus dem Blute der Delawaren und ist der große Häuptling der Schildkröte. Es ist ein gefährlicher Weg, den wir betreten. Ein Freund, der sein Gesicht abgewandt hat, ist oft blutdürstiger als ein Feind, der auf Skalpe ausgeht.«

Diese Bemerkung stimmte alle nachdenklich.

»Es wäre am besten«, sprach Falkenauge, »wir ließen den Psalmensänger wieder in das Lager zurückkehren und den Mädchen sagen, daß wir in ihrer Nähe sind. Zur gegebenen Zeit rufen wir ihn durch ein verabredetes Zeichen wieder zu uns.«

»Halt!« rief Heyward, »ich will ihn begleiten.«

»Ihr?« fragte Falkenauge erstaunt. »Wollt Ihr die Sonne nicht mehr scheinen sehen?«

»David ist ein lebendiger Beweis, daß die Huronen nicht immer blutdürstig sind. Auch ich kann, notfalls, den Narren spielen, wenn es gilt, die Mädchen zu befreien.«

Falkenauge sah den jungen Mann einen Augenblick mit sprachloser Verwunderung an. Der kühne Plan beeindruckte offenbar den Kundschafter. Falkenauge kannte den Scharfsinn der Indianer zu gut, um nicht die Gefahr eines solchen Unternehmens vorher zu wissen. Doch war es ihm unklar, was er zu diesem plötzlichen Entschluß sagen sollte. Statt sich also dem Plane Duncans entgegenzustemmen, schlug plötzlich seine Stimmung um.

»Kommt!« sprach er, »Chingachgook hat viele Farben bei sich. Er soll Euch bemalen und schnell hat er aus Euch einen Narren gemacht.«

Duncan gehorchte, und der Mohikaner, der der Unterredung zugehört hatte, unterzog sich gern dieser Arbeit. Nachdem Heyward bemalt worden war, gab ihm der Kundschafter manchen guten Rat, verabredete Signale und bezeichnete den Ort, wo sie sich treffen wollten. Der Abschied, besonders Munros von seinem jungen Freunde, war schwer. Der Kundschafter führte Heyward beiseite und teilte ihm mit, daß er den General unter dem Schutze Chingachgooks an einem sicheren Orte unterbringen wolle. Er und Unkas wollten bei dem Stamme, der mit den Delawaren verwandt war, Nachforschungen anstellen. Dann drückte Falkenauge Duncans Hand, und der junge Mann machte sich mit David auf den Weg zum Lager der Wilden. Viele Wünsche für ein gutes Gelingen seines Planes begleiteten ihn.

Nachdem sie fast in einem Halbkreis um den Teich gegangen waren, verließen sie den Lauf des Wassers und erstiegen eine kleine Anhöhe. In einer knappen halben Stunde kamen sie am Rande einer zweiten Lichtung an und entdeckten fünfzig bis sechzig Hütten, die roh aus Baumstämmen, Zweigen und Erde aufgebaut waren. Es war das Lager der Huronen. Beide gingen jetzt ohne weiteres Zögern in der hereinbrechenden Dämmerung den Hütten der Wilden zu.


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