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Es ist nicht wahr, daß die Thora den Juden den Wucher gestattet. Der berühmte Satz im 23. Kapitel des V. Buches Mosis, Vers 19 und 20 besagt bloß, daß das Nehmen von Zinsen überhaupt von seinem Bruder, d. h. vom Juden, verboten, das Zinsennehmen von Fremden jedoch gestattet ist. Auch andere Stellen des Alten Testaments, Ezechiel Kapitel 18, Vers 8 und 9, Psalm 15, 5 loben denjenigen, der keine Zinsen nimmt. Es ist ein großer Unterschied zwischen Prozentnehmen und Wucher.
Auch die Rabbiner empfehlen, selbst Götzendienern Geld ohne Zinsen zu leihen. Im Schulchan-Aruch Choschen Mischpat 34, 29 steht: »Will ein Wucherer die Fähigkeit zur Zeugenschaft wieder erlangen, so muß er seine Schuldscheine von selbst zerreißen und vollständig von seinem bösen Wandel umkehren, so daß er nicht einmal von einem Nichtjuden Zins nehmen will«; und Rabbi Isserles sagt, »daß er nicht einmal so viel Zins vom Nichtjuden nehmen dürfe, als er zu seiner Ernährung bedarf«. Und tatsächlich tritt uns in der Geschichte der Juden vor Christus, sowie in der ganzen Geschichte der Diaspora kein Fall jüdischen Wuchers entgegen. Kein römischer, kein griechischer Schriftsteller, keiner von jenen, die über die Juden spotteten und soviel Gehässiges und Unwahres über sie geschrieben, erzählt uns von jüdischen Wucherern; aber mehr noch, Jerusalem und später das römische Reich fallen, die Juden werden in aller Herren Länder zerstreut, und es vergeht ein Jahrtausend, ohne daß wir von jüdischem Wucher etwas hören. Ich habe bereits an einer anderen Stelle dieses Werkes erwähnt, daß auch die Kirchenväter des ersten Jahrtausends n. Chr., von denen sich eine große Anzahl sehr eingehend mit den Juden beschäftigt, und über welche sie alles niedergeschrieben haben, was sich über dieselben nur Ungünstiges sagen läßt, von einem Wucher der Juden nichts zu berichten wissen, daß selbst der Antisemitenkatechismus, der sorgfältigst alles zusammengestellt hat, was sich über den Wucher der Juden sagen läßt, vor dem 12. Jahrhundert n. Chr. keine Stellen über den Wucher der Juden vorbringt. Aus diesem Schweigen so vieler gelehrter Judenfeinde während eines Zeitraumes von zwölf Jahrhunderten läßt sich mit apodiktischer Gewißheit schließen, daß die Juden vor dem 12. Jahrhundert überhaupt keinen Wucher betrieben haben.
Es ist nun leider eine Tatsache, die man den Antisemiten einfach als wahr zugeben muß, daß der Wucher seit ungefähr sechs Jahrhunderten und auch noch heute das eigentliche Nationallaster der Juden geworden und geblieben ist. Der Prozentsatz der Wucherer ist bei den Juden ein verhältnismäßig viel größerer als bei den Nichtjuden. Wer heute Geld braucht und es auf Wucher ausleihen will, der weiß, an wen er sich zu wenden hat. Unzählige Existenzen sind durch jüdische Wucherer zugrunde gerichtet worden, das ist eine Wahrheit, die sich nicht leugnen läßt, jedoch eine Erklärung verlangt. Gerade diese Erklärung ist aber sehr leicht und die Heranzüchtung so vieler Söhne Jakobs zu Wucherern ist besonders durchsichtig. Die Christen waren es, welche die Juden gezwungen haben, Wucher zu treiben. Ich sage gezwungen und nicht verleitet. Die Juden im Mittelalter waren in eine Lage versetzt, entweder zu wuchern oder zu verhungern; die Juden waren im Mittelalter ausgeschlossen von allen Ämtern, Würden, akademischen Graden, von den Zünften und Innungen, vom Handwerk und von den meisten Zweigen des Handels. Sie hatten keine andere Wahl, wenn sie nicht verhungern wollten, als Schacher und Wucher zu betreiben, denn den wenigen ihnen erlaubten anderen Beschäftigungen, als da sind: das Wechsel- und Bankgeschäft, Edelsteinhandel usw. konnte sich ja nur eine geringe Zahl widmen. Auch erlaubten die Gesetze mehrerer Staaten den Juden den Wucher ausdrücklich. Die großen Landesherren erlaubten aber nicht bloß den Juden, zu wuchern, sondern ließen die Juden für ihre Kosten Wucher betreiben. Das Odium des Wuchertreibens überließen sie den Juden, die Wucherfrüchte steckten sie aber selbst ein, indem sie, wenn sie Geld brauchten, die Juden zwangen, ihnen die Früchte ihres Wuchers herauszugeben.
Bekanntlich verbietet das kanonische Recht das Zinsennehmen überhaupt, unter Berufung auf die oben angeführte Stelle des Alten Testamentes. Aus diesem Grunde ließ man, um dieses Gesetz nicht zu übertreten, die Juden wuchern, und hatten sich diese vollgesogen, so nahm man ihnen das Geld weg mit der Motivierung, daß dieses Geld unrechtmäßig erworben und den armen Christen durch Wucher abgezapft sei. Jene aber, denen das Geld weggenommen war, sahen es natürlich nie mehr wieder; es floß in ganz andere Taschen, nämlich in die Taschen jener, welche die Juden beschützten. Ich möchte hier den geehrten Leser ganz besonders darauf aufmerksam machen, daß die durch das kanonische Recht den Christen anbefohlene Enthaltung vom Zinsennehmen und die infolgedessen durchgeführte Dressierung der Juden, die Zinsen an Stelle der Christen einzutreiben, direkt aus dem oben zitierten Gesetze des Moses entspringt, das Ganze also wieder eine Folge des Gesetzes der jüdischen Thora, also der jüdischen Religion ist.
Man kann sich leicht denken, wie die Juden zum Wucher ermuntert werden mußten, wenn sie beständig von den Christen zu hören bekamen: »Wir Christen dürfen leider keine Zinsen nehmen, ihr aber dürft es ja; also bitte tut es doch (und dann teilen wir brüderlich). Übrigens ist zu bemerken, daß auch die Christen früher den Wucher im großartigen Maßstabe betrieben. Man lese hierüber das sehr interessante Kapitel über Geldwechsel und Wucher in Johannes Janssens »Geschichte des deutschen Volkes« I. Band, Seite 476. Janssen schreibt: »Mit der Vertreibung der Juden war der Wuchergeist keineswegs ausgerottet, er ging vielmehr auf die christlichen Wucherer über und bildete sich in deren Händen infolge des Welthandels und des allgemeinen Luxus zu einem wahren Wucher aus.«
Professor J. Baum schreibt: » Nahe an tausend Jahre verstrichen seit der Entstehung des Christentums, ohne daß unter den Juden auch nur eine Spur von Wucher vorhanden gewesen wäre. Denn einerseits waren sie durch die strafenden Schläge des Schicksals, welche die allgerechte, weltleitende Vorsehung stets zu ihrem strafvollstreckenden Boten macht, wieder zu den Satzungen der göttlichen Lehre Mosis zurückgekehrt; andererseits aber kamen sie mit den Nichtjuden fast in keinerlei näheren Verkehr und hätten es bei der zeitig eingenommenen, ganz untergeordneten, rechtlosen Stellung nicht gewagt. Dagegen aber hat die Christenheit überall stark gewuchert.«
Dr. M. Schleiden in seinem Werke »Romantik des Martyriums bei den Juden im Mittelalter« bemerkt: »Als den Juden ihr Grundbesitz geraubt, ihr Vermögen geplündert, als ihnen durch die wahnwitzigste Tyrannei der christlichen Gesetze jede Beschäftigung untersagt war, durch welche sie ihr Leben fristen konnten, als sie sogar durch die Gesetze selbst auf den Wucher als das einzig ihnen erlaubte Gewerbe hingewiesen wurden, da ließ Verzweiflung sie dies Mittel ergreifen.«
Dr. M. Güdemann schreibt in seiner »Geschichte des Erziehungswesens«:
»Die nächsten Folgen der Kreuzzüge äußerten sich auf dem Gebiete der bürgerlichen Tätigkeit der Juden, ihres Erwerbszweiges und Berufslebens. Der Welthandel, den sie bisher fast allein beherrscht hatten wurde ihnen aus der Hand genommen. Teilweise vollzog sich diese Wendung von selber, indem die Christen den durch die Kreuzzüge mit dem Oriente angeknüpften Verkehr nun auch für Handelszwecke ausbeuteten; andererseits drängte die Gesetzgebung und die Eifersucht der christlichen Kaufleute, welche sich in Genossenschaften zusammenschlossen, die Juden planmäßig von ihrem bisherigen Erwerbszweige, dem Großhandel, ab. An seine Stelle trat nun der Kleinhandel, der Schacher. Hatte jener etwas Freies, den Blick Erweiterndes und auf das Großes Lenkendes, so war und machte dieser kleinlich, knechtisch, ärmlich, spitzfindig. – – Indessen konnten die Juden auf die Dauer mit dem ärmlichen Broterwerb des Kleinhandels sich nicht begnügen; ihre angeborene Findigkeit und der natürliche Drang, in der Welt sich zu behaupten, der durch die Gegenbestrebungen, sie daraus zu verdrängen, nur befeuert wurde, lenkte ihre Blicke auf einen anderen Erwerbszweig, der jenem Drange allerdings Befriedigung gewährte: das Geldgeschäft und den Wucher. Verstand man ehemals unter Juden soviel wie Kaufleute im edleren Sinne (mercatores, negotiatores), so ist der Name jetzt gleichbedeutend mit Pfandnehmern und Geldgebern. Das Geldgeschäft und der Wucher wurde für die Juden die Quelle ihres Bestandes, aber zugleich auch die Quelle zahlreicher Unbilden. Man brauchte sie, deshalb haßte und verfolgte man sie.« Sehr richtig sagt Stobbe: »Dem Wucher verdankte es der Jude im Mittelalter, daß ihm trotz allen nationalen Hasses und religiöser Unduldsamkeit fast überall der Aufenthalt gestattet wurde, ihm hatte er es aber auch zuzuschreiben, wenn von Zeit zu Zeit sich jene Unduldsamkeit in grauenerregender Weise wieder Luft machte.« Man muß deshalb die Juden beklagen, nicht, wie es oft geschieht, anklagen; aber diejenigen, welche ihnen diesen Erwerbszweig als den einzigen übrig ließen, oder sie in Verfolgung desselben aus Eigennutz bestärkten, trifft ein doppelter Vorwurf. »Weltliche und geistliche Fürsten wetteiferten in jeder Art der Erpressung und drängten dadurch die Juden zum Gelderwerb«. »Es ist ja,« – klagt ein Schriftsteller des 13. Jahrhunderts – »stehende Gewohnheit der christlichen Machthaber, daß sie von dem Juden zehnmal so viel verlangen, als er besitzt, um ihn zu schrecken und zu ängstigen, damit er sich mit der Auslösung beeile.« – »Sie töten die Juden lieber,« – sagt ein anderer aus derselben Zeit – »ehe daß sie umsonst sie freigeben.« Als man einmal mit der Auslösung eines Juden zu lange gesäumt hatte, sagte der »Herr«, der ihn gefangen gehalten: »Er ist gestorben, und ich habe befohlen, den Leichnam den Hunden vorzuwerfen.« Die Juden mußten also nach Geld trachten, um nur ihr Leben und ihre Freiheit zu schützen. – – So wenig trotzdem gebilligt werden kann, daß die Juden den Versuchungen nachgaben, so hieße es in einer Schrift, welche, wie diese, die vergleichende Betrachtung sich zum Ziele gesetzt hat, Licht und Schatten ungleich verteilen, wenn mit Stillschweigen übergangen würde, daß auch von den Christen der Wucher in hervorragender Weise betrieben wurde, daß überhaupt Geldgier und Habsucht alle Kreise ergriffen hatte, wie denn seit den Kreuzzügen durch das Kriegshandwerk und die Veräußerlichung der Religiosität eine Verwilderung der Sitten eingerissen war, die von den zeitgenössischen Schriftstellern und Dichtern unverhohlen eingestanden und gegeißelt ward. Als Bernhard von Clairvaux im Jahre 1146 während des zweiten Kreuzzuges von der Verfolgung der Juden abmahnte, wies er darauf hin, daß die christlichen Wucherer, die man eigentlich gar nicht Christen nennen könne, es noch schlimmer trieben als die Juden. (Pejus judaizare dolemus Christianos foeneratores, si tamen Christianos, et non magis baptizatos Judaeos convenit appellare.)
Luther sagt in seiner ihm eigentümlichen derben Weise:
»Unsere Narren, die Papisten, Bischöfe, Sophisten und Mönche, haben bisher also mit den Juden verfahren, daß, wer ein guter Christ gewesen, hätte wohl mögen ein Jude werden. Und wenn ich ein Jude gewesen wäre und hätte solche Tölpel und Knebel den Christenglauben regieren und lehren gesehen, so wäre ich eher eine Sau geworden, als ein Christ. Denn sie haben mit den Juden gehandelt, als wären es Hunde und nicht Menschen, haben nichts mehr tun können, als sie schelten. Sie sind Blutsfreunde, Vetter und Bruder unseres Herrn; darum, wenn man sich des Blutes und Fleisches rühmen soll, so gehören die Juden Christo mehr an, denn wir. Ich bitte daher meine lieben Papisten, wenn sie müde geworden, mich Ketzer zu schimpfen, daß sie nun anfangen, mich einen Juden zu schelten. – –
Darum wäre mein Rat, daß man säuberlich mit ihnen umgehe; aber nun wir mit Gewalt sie treiben und gehen mit Lügenteiding und geben ihnen schuld, sie müßten Christenblut haben, daß sie nicht stinken, und weiß nicht, was des Narrenkrams mehr ist, – auch daß man ihnen verbietet, unter uns zu arbeiten, hantieren und andere menschliche Gemeinschaft haben, damit man sie zu wuchern treibt, wie sollen sie zu uns kommen? Will man ihnen helfen, so muß man nicht des Papstes, sondern der christlichen Liebe Gesetz an ihnen üben und sie freundlich aufnehmen mit lassen werden und arbeiten, damit sie Ursache und Raum gewinnen, bei uns und um uns zu sein.
Diese Wut (den Judenhaß) verteidigen auch einige sehr abgeschmackte Theologen und reden ihr das Wort, indem sie aus großem Hochmut daherplaudern: die Juden wären der Christen Knechte und dem Kaiser unterworfen. Ich bitte euch darum, sagt mir: wer wird zu unserer Religion übertreten, wenn es auch der allersanftmütigste und allergeduldigste Mensch wäre, wenn er sieht, daß sie so grausam und feindselig und nicht allein nicht christlich, sondern mehr als viehisch von uns traktiert werden? – Die meisten Passionsprediger – in der Osterwoche – tun nichts anders, als daß sie der Juden Mutwillen, die sie an Christo verübet, sehr schwer und groß machen und die Herzen der Gläubigen wider sie verbittern.« –
Professor Dr. Jacob Moleschott, Senator des Königreichs Italien, sagt: »Ist es doch nur als eine Nachwirkung der Inquisition zu verstehen, was wir an der Scheide des neunzehnten Jahrhunderts seit vielen Jahren erleben und immer wieder neu erleben.
Alba ließ in Belgien die Ketzer zu Hunderten vor ihren eigenen Türen aufhängen und bedrückte das edelste Volk der Erde, indem er ihm sein erstes Blut und sein Geld, das zweite Blut, höhnisch und marternd abzapfte.
Die Antisemiten des neunzehnten Jahrhunderts kümmern sich nicht um die Gewissen, nicht um fremde, nicht um das eigene; sie fallen über die Häuser her, sie brennen und sengen, verjagen die Menschen, als wärens Herden lästiger Tiere, sie beneiden und verfolgen ihren Mitmenschen, wenn er sie an Geist oder Glück überstrahlt.
Die Schmach ist um so größer, weil Staatsmänner und Machthaber mitmachen, Priester, welche die Botschaft der Liebe bringen sollten, vergessen, daß Jesu ein Jude war, Lehrer des Rechts und der Bildung verleugnen, daß wir den Juden wie den Griechen die reichsten Quellen unsrer Menschlichkeit, den eigentlichen Menschenadel, verdanken.
Sie ist geradezu schrecklich, weil sie mit ihrer neidischen Wut sogar einen Teil der sonst so edelmütigen Jugend vergiftet hat. Sie ist doppelt empfindlich, weil die sogenannte christlich-germanische Partei, Lessings und Nathans vergessend, mit den Slawen streitet um das traurige Vorrecht, die Niedertracht einer ungeschichtlichen Gesinnung zu betätigen.
Ist es der Juden Schuld, daß sie durchschnittlich begabter, edler, gemütswärmer sind als ihr? Mußte es nicht so kommen, daß jene begabten, unermüdlich strebenden, aufopfernd liebenden Menschen – Menschen wie ihr – nachdem man sie Jahrhunderte lang aus der Menschengemeinschaft, aus dem Schutz der Liebe und der freien Bewerbung verdrängt, verhöhnt, verpönt, verfolgt und mißhandelt hat, alle ihre Kraft, ihre Lust und ihre Liebe zusammennahmen, um sich dennoch den Boden zu erwerben, den der Mensch unter den Füßen haben muß, um ein menschenwürdiges Dasein zu leben und zu geben?
Man wirft ihnen Eitelkeit vor, und man vergißt, daß der christliche Staat Genossenschaften ernährt, deren teuerstes Streben auf gegenseitige Beweihrauchung hinausläuft.
Man spricht von ihrer Härte, als hätte man nie das Beispiel eines christlichen Bankiers erlebt, der rücksichtslos die kleinen Familien dem Elend preisgibt, um seinen Zinspfennig zu erpressen, oder das ihm anvertraute Gut unterschlägt, wenn es sich darum handelt, auch nur für kürzere Zeit den Schein seiner Ehrenhaftigkeit zu retten.
Soll es ihnen zum Nachteil angerechnet werden, daß sie in der Regel genügsamer, sparsamer, vorsichtiger, klüger und ausdauernder sind als die meisten, die, wie man sagt, minder weichen Rassen angehören? daß sie, auf ein enges Gebiet der menschlichen Tätigkeit verwiesen, im Erwerben, im Helfen, im Nachdenken erfolgreicher und größer wurden als viele Christen, die ihre Begabung über ein weiteres Gebiet zerstreuten und zersplitterten?«
Daß es reiche Juden gibt, bezweifelt niemand. Das aber ist unwahr, daß in irgendeinem Lande das Vermögen der Juden größer ist, als jenes der Christen. Die größten Vermögen der Welt, die in Amerika, gehören Nicht-Juden. Wer das nicht glauben will, dem rate ich, die interessanten Studien von M. C. Varigny zu lesen: »Les grandes fortunes en Angleterre und Les grandes fortunes aux Etats-Unis«. Der Autor gibt eine in England im Jahre 1884 publizierte Liste der zwölf reichsten Personen der Welt wieder. Sie enthält vier große amerikanische Spekulanten, einen einzigen Bankier – gleichzeitig der einzige Jude in der Liste –, einen amerikanischen Journalisten, zwei große amerikanische Geschäftsleute und vier Mitglieder des englischen Adels. Die Namen nach der Reihenfolge der Größe des Vermögens sind folgende: Jay Gould, J. W. Mackay, Rothschild, C. Vanderbilt, J. P. Jones, Herzog von Westminster, John J. Astor, W. Steward, J. G. Bennett, Herzog von Sutherland, Herzog von Northumberland, Marquis de Bute.
Andere, von Varigny genannte Krösuse sind der Herzog von Portland, Sir David Baxter, M. J. Williams, M. J. P. Heywood, Baring, Langsworthy, Stephen Girard, W. Phipps, Thomas Brassey, S. Cunard und viele andere. Die Lektüre dieser Artikel ist den Antisemiten wie den Sozialdemokraten aufs wärmste zu empfehlen, weil sie daraus entnehmen müssen – vorausgesetzt, daß sie es mit der Wahrheit ernst nehmen –:
Über die Konfession und die Geschichte der Millionäre Südafrikas fehlen mir leider nähere Details. Zu erwähnen ist noch die große Zahl steinreicher, mehrfacher Millionäre unter den russischen Kaufleuten namentlich Moskaus, die den ganzen Handel mit und durch Zentralasien in Händen haben und die keine Juden sind. 1901 (A. d. H.). Bei uns in Österreich ist der reichste Mann kein Jude. Erst das zweitgrößte Vermögen gehört einem Juden. Vielleicht kommt als drittes im Range noch eines hinzu, das auch einem Juden gehört, dann aber folgen eine Reihe großer Vermögen, die Nicht-Juden gehören. Man blickt nun auf die nicht sehr zahlreichen jüdischen Krösusse und donnert gegen die reichen Juden. Von den Millionen armer Juden, die in der größten Armut leben, den jüdischen Kutschern, Taglöhnern (in Marmaros gibt es Juden, die als Taglöhner bei ruthenischen Bauern dienen), den jüdischen Lastträgern usw. usw., von denen spricht niemand. Wer sich vom Elende und der schauerlichen Armut der Juden überzeugen will, der fahre einmal nach Warschau und nach anderen Städten in Rußland und Polen. Sperrt man nun diesen Unglücklichen mehrere Berufszweige ab, so bleibt ihnen die angenehme Wahl, entweder zu verhungern oder Geld zu verdienen auf was immer für eine Art. Die Mehrzahl wählt selbstverständlich das Letztere, was auch die Mehrzahl der Christen, nur mit viel weniger Geschicklichkeit, tun würde. In diesem Schweigen liegt somit Entstellung, – halbe Wahrheit, also Unwahrheit.
Die Juden sind nicht geschickter (oder unehrlicher, wie die Antisemiten sagen würden) als die Griechen und Armenier, Parsis, Araber, Banyas und Chinesen, im Gegenteil, sie erscheinen schwächer als die genannten Handelsvölker. Wenn daher unsere Christen aus Haß und Abneigung es den Juden nicht nachtun können oder wollen, so rate ich ihnen, es den Griechen und Armeniern gleich zu machen, und kein Jude wird ihnen jemals ein Haar krümmen.
Was aber die größere Unehrlichkeit der Juden betrifft, so frage ich jede Hausfrau, jeden Grundbesitzer, jeden Geschäftsmann, ob die Christen nicht im großen ganzen sich von den Juden in nichts unterscheiden. Man denke an die Holz- und Wilddiebstähle, an unzählige falsche Rechnungen, geheimes Akzeptieren von Provisionen und Ähnliches und wird zum wahren und doch so einfachen Truism wiederkehren: »Es gibt gute und schlechte Menschen, bei Christen und Juden in gleicher Proportion.« Daß die Fehler, Vergehen und Verbrechen bei einem Handel treibenden Volke gewöhnlich mit dem Handel in einem Kausalnexus stehen werden, ist natürlich. Die Antisemiten sagen, die Juden beherrschen die Welt und die Politik. Das ist nicht wahr, aus einem höchst einfachen Grunde, weil es eine Unmöglichkeit ist. Es gibt im ganzen nur neun Millionen Juden, nach einigen sogar nur sieben Millionen. Nehmen wir neun Millionen, als die richtige Zahl: Davon kommen eine Million auf Asien oder Afrika, bleiben acht Millionen, ca. vier auf Rußland, bleiben vier Millionen für das übrige Europa, Amerika und Australien. Nehmen Sie Kinder und Weiber weg, bleiben maximum zwei Millionen, darunter nach Tausenden zählende Arme, ja Bettelarme, die 500 Millionen Christen in Europa, Amerika und Australien beherrschen sollten! Auf einen einzigen herrschenden Juden kämen dann 250 beherrschte Christen. Machen wir die Rechnung für Österreich-Ungarn, wo 1,860,106 Juden auf 41,057,603 Christen kommen, also 23 Christen auf einen Juden. Nun herrschen aber von diesen 1,860,106 Juden Weiber und Kinder sicher nicht, bleiben somit höchstens ein Jude für 69 Christen. Aber wie schwach müssen dann diese Christen sein! Die brauchen gerade die Juden als Lehrer.
Die gewaltigen Fortschritte in Ungarn fallen in auffallender Weise zusammen mit der Emanzipation und Freiheit der Juden, so daß man versucht sein könnte, sie in einen Kausalnexus zu bringen. Einer Blüte und Macht ersten Ranges erfreute sich Großbritannien unter dem Ministerium des semitischen Lord Beaconsfield. Spanien blühte, als es dort den Juden gut ging; als sie weggejagt waren, begann der Zerfall.
Graf Nicolaus Bethlen schrieb am 26. Juni 1870 in der »Diplomatischen Wochenschrift« folgendes: »Das Vaterland« in Wien hat vor kurzem über die Juden in Wien einen Artikel veröffentlicht, der von unserer Seite, die wir, als Enkel der protestantischen Rebellen, denn doch keine Juden sind, eine Erwiderung verdient. Das Blatt meint, auf jedem Gebiete (sei es Politik, Literatur, Kunst, Handel und Industrie) nehmen die Juden in Wien eine hervorragende Stellung ein, und ihr Einfluß ist in Wien überall maßgebend. Man möge daher – sagt das »Vaterland« – die Juden aus Wien hinaustreiben.
Wenn die Partei des »Vaterland« je ans Ruder kommt und ihre Drohungen effektuieren wollte, so bitten wir, alle aus Wien hinausgeworfenen Juden uns nach Pest zu schicken.
Die Juden sind durch ihr Talent und ihre Tätigkeit ein bedeutender Faktor der Zivilisation geworden, und wir können sie in Pest brauchen.
In Pest selbst finden wir zwei Städte. Der eine Teil von Pest gleicht einer europäischen Handelsstadt – es ist die Stadt der Juden. Der andere gleicht einem großen Dorfe der Wüste – es ist die Stadt der Magyaren. Alles, was in Pest als ein Werk der Zivilisation, als ein Zeichen der europäischen Kultur betrachtet werden kann, ist durch jüdischen Geist und jüdisches Geld zustande gebracht worden. Würde es in Pest keine Juden geben, so würde die Landeshauptstadt auf dem Niveau des großen Debreczin stehen, und die Komitatshelden würden in ihrem eigenen Staub und Kot ersticken.
– – Sobald man die ungarische Journalistik auf das Niveau jener von anderen zivilisierten Nationen erheben wollte, war man gezwungen, ein halbes Dutzend Juden zu importieren, damit die Trägheit in der Technik der Blätter teilweise beseitigt und die journalistischen Formen entwickelt werden.
Auf welches Gebiet des öffentlichen Lebens wir auch sehen, überall finden wir die Juden emsig arbeiten und gegen den alten Geist der Finsternis im Kriege begriffen. Mehr Juden, mehr Licht!«
Seither sind über 30 Jahre vergangen, die Ungarn sind längst wirtschaftlich mündig geworden und haben dieselbe Stufe der Kultur erklommen, wie die übrigen zivilisierten Staaten. Daß aber die Juden in vielen Dingen ihre Erzieher waren und sehr dazu beigetragen haben sie auf ihre jetzige Höhe zu bringen, ist sicher.
Der Antisemitismus ist eine krankhafte Erscheinung, und es ist sehr zu bedauern, daß er einen Punkt bildet im Programm der sonst so tüchtigen und vortrefflichen christlich-sozialen Partei. Das Krankhafte an ihm scheint mir darin zu liegen, daß jene, die sich zu seinen Grundsätzen bekennen, eine große Zahl von Erscheinungen und Ereignissen des gesellschaftlichen Lebens als verschiedene Wirkungen einer einzigen Ursache statt sehr vieler und mannigfaltiger Ursachen auffassen, in unserem Falle also das Judentum als die Ursache aufstellen von einer Menge gesellschaftlicher Übelstände. Es beruht dies auf Denkträgheit oder Denkunfähigkeit, indem es natürlich beim Denken und Urteilen viel bequemer und leichter ist, alles, was man nicht gleich erklären kann, alles, was man nicht begreift, auf eine und dieselbe Ursache zurückzuführen.
Wie oft begegnet man Halbgebildeten, bei denen es zur Manie geworden ist, alles, was auf der Welt geschieht und ihnen nicht recht und gut vorkommt, als Werk der Geistlichkeit, namentlich der Jesuiten auszuposaunen! Welche Lügen hat man nicht gegen diesen für die katholische Kirche so glorreichen und bedeutendsten aller Orden ausgestreut, gegen diesen größten aller Orden, dem die römische Kirche es allein verdankt, daß die Reformation Österreich, Frankreich, Spanien, Portugal und Italien nicht überflutet, und welcher im 17. Jahrhundert das ganze chinesische Reich ohne Schwertstreich und Blutvergießen für die römische Kirche gewonnen hätte, wenn nicht seine Gegner aus Eifersucht und Unverstand ihm in den Arm gefallen wären. Stirbt ein Landesfürst, ein Kardinal, der ihnen nicht hold war, gleich entsteht ein Riesengetratsche und das Gerücht verbreitet sich: »Natürlich, die Jesuiten haben ihn umgebracht.« Die Leute, die solche Unwahrheiten ausstreuen, haben ihre Zwecke, aber daß sie Tausende und Abertausende finden, die es ihnen glauben, das ist das Unglaubliche dabei.
Bei jenen nun, die nicht antiklerikal und kirchenfeindlich sind, müssen die Juden, bei anderen wieder die Freimaurer herhalten, um alles zu erklären, was geschieht. Es stirbt ein Staatsoberhaupt, der den Juden nicht grün war: wer muß ihn vergiftet haben? Natürlich die Juden. Es geschehen eine Reihe von Eisenbahnunglücken, Attentaten, Volksunruhen. Wer soll dahinter stecken? Die Freimaurer. Nun sind aber Juden und Freimaurer bekanntlich der denkbar größte Gegensatz der Jesuiten und der Geistlichkeit, doch das geniert die »Denker« nicht! Dies ist wieder ein Beweis dafür, wie leicht der Mensch glaubt, was sein Herz, sein Wille den Intellekt zu glauben zwingt. Ist er im Herzen ein Feind irgend einer Religions- oder sonstigen Gesellschaft, so führt er alles, aber auch alles auf deren angebliche Machinationen zurück.
Wie die Völker in ihrer Kindheit die Naturkräfte, Tugenden, Laster usw. personifizierten, was auf den starken polytheistischen Zug in der menschlichen Natur hinweist, so personifizieren auch heute die Ungebildeten ihre Freuden und Leiden, deren Ursprung sie sich nicht anders als anthropomorphisch vorstellen können, indem sie deren Ursprung auf bestimmte Menschen oder Gesellschaften zurückführen.
Es gibt einen vernünftigen Antisemitismus. Er besteht darin, das Volk derart zu erziehen, daß es den Juden geschäftlich vollkommen gewachsen sei. Betrachten wir die Armenier. Kein Jude kann einen Armenier übervorteilen. Sie sind großartige Geschäftsleute. Erwähnt sei hier gleich, daß in Konstantinopel jeder Armenier, ja sogar jedes armenische Kind, drei Sprachen spricht: Armenisch, das verhaßte Türkisch und Griechisch, die Sprache ihrer gefährlichen Konkurrenten. Daß in England und Nordamerika der Jude gegen den Angelsachsen nicht aufkommen kann, ebensowenig wie in Griechenland und in der Levante gegen den Griechen, ist bekannt. Aber wir sind eben keine Engländer, aber sollten wir es nicht einmal zur wirtschaftlichen Vorsicht und Routine von Griechen und Armeniern bringen können?
Wenn Juden für Armenier, Angelsachsen, Griechen, Banyas, Chinesen, Araber unschädlich, dagegen für Deutsche, Magyaren, Polen, Russen, Franzosen, Slovaken, Tschechen usw. schädlich sind, so kann nach allen Gesetzen der Logik die Bedingung für das Eintreten des Schadens nicht bei den Juden liegen, sondern sie muß in einer besonderen Rezeptivität, in ganz bestimmten Eigenschaften der Geschädigten begründet sein. Wenn Edouard Drumont und seine Gesinnungs- und Parteigenossen Recht haben, so wird Frankreich gänzlich von Juden beherrscht, also 42½ Millionen von 206 000 Menschen. Meinetwegen; aber dann möchte ich denn doch mir zu fragen erlauben, woher es denn kommt, daß die 42 000 Juden von Konstantinopel eine so geringe Rolle spielen, warum überhaupt die 500 000 Juden im türkischen Reiche so wenig mächtig sind?
Nach dem bereits erwähnten Statesman's Year Book für das Jahr 1900 und der Encyklopädia Britannica ist die Zahl und Verteilung der Juden der Erde wie folgt:
Benanntlich | Anzahl |
Großbritannien und Irland, ohne London | 25 700 |
London | 67 500 |
Indien | 19 194 |
Kapkolonie | 3 900 |
New South Wales | 5 484 |
Queensland | 809 |
Südaustralien | 840 |
Tasmanien | 84 |
Victoria | 6 459 |
Westaustralien | 62 |
Abessinien (Falaschas) (80–200000) | 140 000 |
Argentinische Republik | 7 000 |
Österreich | 1 143 000 |
Ungarn | 725 222 |
Belgien | 4000 |
Dänemark | 4 080 |
Frankreich | 206 530 |
Transport | 2 972 748 |
Tunis | 45 000 |
Deutsches Reich | 567 884 |
Griechenland | 5 792 |
Italien | 38 000 |
Luxemburg | 1 054 |
Marokko | 150 000 |
Niederlande | 12 775 |
Orange | 113 |
Persien | 35 000 |
Peru | 498 |
Rumänien | 300 000 |
Portugal | 1 000 |
Rußland | 3 000 000 |
Serbien | 4 652 |
Transvaal | 10 000 |
Spanien | 402 |
Schweden und Norwegen | 3 402 |
Schweiz | 8 069 |
Türkei | 500 000 |
Bulgarien | 28 307 |
Ägypten | 25 200 |
Arabien | 15 000 |
Vereinigte Staaten von Amerika | 130 496 |
___________ | |
7 242 508 |
Nach Israel Davis, Artikel Jews, in der Encyklopädia Britannica ergeben sich nur folgende Zahlen der Gesamtbevölkerung der Erde:
Europa | 5 000 000 |
Asien | 200 000 |
AsiAfrika | 700 000 |
Amerika | 300 000 |
Australien | 200 00 |
_________ | |
6 220 000 |
Die Hälfte der Judenheit entfällt auf Rußland. Interessant wäre es zu wissen, wieviel von diesen Juden in jedem einzelnen Lande herrschende Juden sind, und wieviel nicht herrschende; zu letzteren darf man wohl Weiber und Kinder rechnen. Übrigens ist es wohl überflüssig, beim Anblick dieser Liste auf das Thema »Judenherrschaft« weiter einzugehen.
In einer Gesellschaft war einst von einem kräftigen, in den besten Jahren stehenden Ehemanne die Rede, von welchem man erzählte, daß seine kleine, schwache, nicht mehr junge Frau ihn täglich betrüge, prügele und ohrfeige. Einige der Anwesenden bedauerten den unglücklichen Pantoffelhelden aufs tiefste und konnten keine Worte finden ihrem Mitleid gebührenden Ausdruck zu verleihen, ja einzelne waren nahe daran Tränen zu vergießen; nur einer aus der Gesellschaft zeigte nicht die geringste Rührung. Ob seiner Hartherzigkeit getadelt, sagte er ruhig: »Schade um jeden Schlag, der daneben geht!«
Hier ist der Ort, einen beliebten Trick aufzudecken, der im Begriffe »Judenpresse« steckt; ein Ausdruck, der in vielen klerikalen Schriften immerfort wiederkehrt.
Es gibt eine Judenpresse, von Juden für Juden geschrieben, aber an die denkt man nie, wenn man in antisemitischen Kreisen diesen Ausdruck gebraucht. Als zur Judenpresse gehörig erwähne ich nur die hebräischen Blätter Esperanza (Smyrna), Haam (Kolomea), Habazeleth (Jerusalem), Hamagid l'Israel (Krakau), Hasaron (Lemberg), Ha Zefirah (Warschau), Kol Machsike Hadas (Lemberg), Telegraph und Tiempo (Konstantinopel). Von nicht hebräischen Blättern, die den Interessen der Juden zu dienen den Zweck haben, gibt es eine Unzahl. Erwähnt sei hier bloß der Univers israélite (Paris), die Schriften der Société des études juives, Jewish World (London), Zeitung für das wahre Judentum (Lemberg), Ungarischer Israelit (Budapest), Mitteilungen des israelitischen Lehrervereines in Böhmen (Prag), Jüdisches Echo (Czernowitz), Der jüdische Cantor (Bromberg), Jüdisches Familienblatt, Jüdische Zeitung, Jüdisches Volksblatt (in hebräischen Lettern gedruckt in Lemberg respektive Tysmienica), der Israelit in Lemberg, Allgemeine israelitische Wochenschrift (Berlin), Corriere israelitico (Triest), El progreso mit hebräischen Lettern (Wien).
Dies ist ein Teil der wirklichen Judenpresse, von Juden für Juden geschrieben.
Was aber Antisemiten gewöhnlich Judenpresse nennen, das gehört durchaus nicht zu den hier genannten Literaturprodukten. Der gläubige Christ versteht unter dem Worte Judenpresse alle jene Zeitschriften, die nach seiner Auffassung auf Unglauben, Philosophie, Negierung jeder Art von Offenbarung, Antipathie gegen positive Religion überhaupt beruhen. Dann soll er aber nicht sagen Judenpresse, sondern atheistische, philosophische, rationalistische, ungläubige, heidnische Presse. Sagt er Judenpresse, so ist dies eine Begriffsverwirrung.
Die Schreiber in den rationalistischen, ungläubigen, heidnischen Zeitschriften mögen zum großen Teile Juden sein der Abstammung nach, dem Glauben nach sind sie es aber nach christlich- und jüdischgläubiger Auffassung nicht, sie sind Ungläubige, Rationalisten, Theisten oder Atheisten. Diese Blätter verbreiten ebensosehr den Unglauben an das Alte, als den an das Neue Testament. Orthodoxe gläubige Juden haben für den christlichen Heiland bekanntlich nur Gefühle des wütendsten Hasses, wie sie im berüchtigten Toldoth Jeschu dargestellt sind, während aufgeklärte, rationalistische Juden ihm zujubeln und in ihm eine der höchsten Blüten der jüdischen Nation lieben und bewundern, trotz gleichzeitiger Abneigung gegen jede existierende Kirche.
Ein strenggläubiger Jude, einer von den Chassidim, wird über die Artikel einer ungläubigen Zeitung nicht minder empört sein, als ein gläubiger Katholik. Als ich im Jahre 1881 den Rabbi von Sadagora besuchte und mit seinen Söhnen in der hebräischen Bibliothek saß, fragten mich dieselben, welcher Partei mein Vater angehöre. Ich erwiderte, er sei Mitglied der konservativen Partei, derselben, welcher auch der polnische Rabbiner S. damals im Reichsrate angehörte. Sie bemerkten hierauf: »Ja natürlich, alle, die Religion haben, müssen zusammenhalten«. Die Zivilehe in Ungarn haben zum großen Teile sogenannte Juden zustande gebracht, aber echte, gläubige, orthodoxe Juden sind dieser Institution dennoch äußerst feindlich gesinnt, da sie einen Versuch vorstellt, Israel mit den Goim zu verschmelzen. Man lese das neunzehnte Kapitel des Buches Esra! Schröder in seinen Satzungen und Gebräuchen des talmudisch-rabbinischen Judentums, Bremen 1851, Seite 463 schreibt: »Bei Verlobungen mit Personen von anderer Religion ist die Sache von den Rabbinen so entschieden: Wenn die Verlobung in allen anderen Punkten auch richtig wäre, aber der Bräutigam, der von anderer Religion ist, hätte versprochen, sich beschneiden zu lassen, und umgekehrt, wenn die Braut, die von anderer Religion ist, hätte versprochen, Jüdin zu werden, ohne das Versprechen zu halten, so ist die Verlobung nichtig.«
Man vergesse nie folgendes: Wenn man die orthodoxen Juden fragen würde, was ihnen lieber ist, vollkommene Gleichstellung mit den Christen auf Grund unbedingter Konfessionslosigkeit oder Verfolgung aller Art; die ungeheure Mehrzahl würde letzteres wählen. Wenn man sie fragen würde, ob sie bereit wären, bloß den einen Glaubenssatz aufzugeben, daß Gott die Juden sich allein erwählt, nur Moses sich gezeigt von Angesicht, nur mit ihnen gesprochen, nur ihnen Wunder, nur ihnen eine direkte Offenbarung, die Thora gegeben, sie würden antworten: »Nein, nie und nimmer, lieber sterben wir wieder in Qualen und Martern, ihr möget uns treten und anspeien, verfolgen, verjagen und verbrennen, wir lassen nicht ab, nicht einmal von diesem einen Satz. Aber lieber als unsere Kinder zu Christen zu machen, töten wir sie an der Mutterbrust, wie wir es unzählige Male getan in den Zeiten der Verfolgung.«
Die meisten Artikel der sogenannten Judenpresse würden verflucht werden von den gläubigen Rabbinen.
Die von den Klerikalen bekämpfte sogenannte Judenpresse, ist nicht die Judenpresse, sie ist die Presse des Unglaubens, der Freigeister, der sogenannten Aufgeklärten, und darum wird sie bekämpft. Die oben mit Namen genannten, wirklich den jüdischen Interessen ausschließlich dienenden Zeitungen, die werden von den Klerikalen keineswegs angegriffen. Sagt man dies einem Klerikalen, so erhält man zur Antwort: »O ja, es gibt eben Christen, die schlechter sind als die Juden, verjudete Christen, wie man zu sagen pflegt.«
Aber wer in aller Welt zwingt denn die Christen, »Judenblätter« zu lesen? Würden die Christen sie nicht lesen; so würden diese »Judenblätter« bald eingehen; die oben erwähnte wirkliche Judenpresse aber nicht, da sie nur für jüdisches Publikum geschrieben ist. Ganz unverzeihlich und von empörender Ungerechtigkeit ist aber der bekannte Satz: »Ja, eben die Juden haben die Christen verdorben!« Das heiße ich durch ein Taschenspielerkunststück für die eigene Schlechtigkeit eine andere Religionsgesellschaft verantwortlich machen; und das ist einfach schändlich und schmachvoll!
Ich mußte das erwähnen, da daraus hervorgeht, daß der Kampf gegen das Judentum ein fast durchaus religiöser ist. Er gilt nicht den Juden als solchen, sondern den sogenannten Ungläubigen. Daß auch der Panslavismus stark mit religiösen Fragen verquickt ist, habe ich bereits in einer früheren Broschüre »Politische Studie über Österreich-Ungarn«. (A. d. H.) – die in Rußland von der Zensur verboten wurde, – nachgewiesen. Halten wir aber in der Geschichte unserer Zeit nähere Umschau, dann können wir nicht umhin, zu konstatieren, daß die Mehrzahl der großen Fragen, welche die Welt bewegen, einen religiösen Kern haben.
Betrachten wir die Gegensätze zwischen Irland und England, zwischen Russen und Polen, zwischen Kroaten und Serben, studieren wir die Vorgänge in Frankreich, in Österreich, in Ungarn, Italien und der Türkei, die Affäre Dreyfus, die Massakers in Armenien, den Mahdismus im Sudan, die Feindseligkeiten der österreichischen Katholiken gegen die ungarischen Kalvinisten und vice versa, die Geschichte der Lex Heinze, den Kult der Tschechen für Hus, die neuesten Annäherungsversuche südamerikanischer Staaten an Spanien, die Erfolge der mohammedanischen Propaganda in Indien und Zentralafrika, die Versuche einer Einigung der buddhistischen Völker unter Führung Japans, den Taiping-Aufstand, die indische Mutiny usw. überall finden wir religiöse Gegensätze im Kampfe miteinander, die das innerste Wesen, den Kern, die geheime Triebfeder der Zeitgeschichte ausmachen. Man wird vielleicht nicht ganz fehlgehen, wenn man aus gewissen Ereignissen, die sich in der letzten Zeit in Österreich und Frankreich abgespielt haben und sich auch im Gewande von Antisemitismus gezeigt haben, den Schluß zieht, daß die größte geistige Macht, welche es je gegeben hat, mit Erfolg dahin arbeitet, die durch die zwei folgenschwersten Ereignisse des Jahres 1870 geschaffene politische Situation wieder aufzuheben und eine andere an ihre Stelle zu setzen, die ihrem Wunsche entspricht. So schließt denn, respektive beginnt das Jahrhundert durchaus mit theologischen Fragen. Man betrachte die Gründe der Reise des deutschen Kaisers nach Palästina und die Motive der Entsendung des Prinzen Heinrich nach China, das unbeugsame Festhalten des Vatikans an der Tradition, daß Frankreich der Beschützer der Christenheit in Asien ist, und man wird verstehen! Diese Tatsache ist an und für sich, so unangenehm auch ihre Äußerungen sind, insofern ein großer Trost, weil sie einen Beweis dafür liefert, daß die Menschheit von Fragen metaphysischer Natur viel mehr beherrscht wird, als von irgend welchen anderen, was auf einen höheren Ursprung und eine höhere Bestimmung der Menschen und der Menschheit hinweist.
Professor Ludwig Stein schreibt in seinem großen Werke »Die soziale Frage im Lichte der Philosophie«:
Noch eine zweite Beobachtung, die bereits Gegenstand mannigfachster Kommentierung war, haben wir hier zu machen. Marx und Lassalle waren beide israelitischer Herkunft. Auch dieses Moment ist nicht ganz nebensächlich. Nicht umsonst strömen Israeliten, die nur Unverstand schlechthin mit Kapitalisten identifiziert, scharenweise dem Sozialismus zu, trotzdem oder vielmehr weil dieser der ergrimmte Feind des Kapitals ist. Die edler veranlagten Israeliten können es der Gesellschaft nicht vergessen, daß sie ihre Vorfahren bis vor einem halben Jahrhundert durch Ausschluß von aller produktiven Arbeit dazu verdammt hat, Kapitalisten werden zu müssen. Sie waren das lebendige, erschreckende Beispiel eines gespensterhaft durch die Jahrtausende dahinwandelnden, äußerlich zuweilen mit Brillanten behängten, aber seiner gesellschaftlichen Stellung nach jammervollen Rassenproletariats. Das Rassenproletariat ist jedoch schlimmer als das ökonomische, denn die ökonomische Schranke ist zu durchbrechen, die der Rasse aber nicht. In der Brust eines Marx und eines Lassalle macht sich der verhaltene titanenhafte Groll zweier Jahrtausende in vulkanischen Erschütterungen Luft. Aus jeder Zeile, die Marx schrieb, aus jedem Wort, das Lassalle sprach, blickt das konzentrierte Elend von Jahrhunderten hervor. Nur sie, die stolzen Abkömmlinge eines Stammes, der den ihm von der Gesellschaft gereichten Wermuthsbecher von Leiden, Zurücksetzungen, Ächtungen und Ungemach bis auf die Neige ausgekostet hatte, waren dazu geschaffen, die Befreier des von der kapitalistischen Gesellschaft niedergehaltenen Weltproletariats zu werden.«
Ein weiterer Vorwurf der Antisemiten gegen die Juden ist ihr Mangel an Patriotismus. Diese Beschuldigung ist um so merkwürdiger, als es doch leider nur zu bekannt ist, daß so mancher Staat Hunderttausende, ja Millionen Bürger zählt, die nicht nur ganz ohne Patriotismus sind, sondern ihr Vaterland und sogar die Dynastie geradezu hassen. Daß die Juden die Bevölkerung eines Landes, in welchem sie verfolgt, getreten und angespieen werden, nicht besonders lieben können, liegt auf der Hand, und wenn man ihnen immer sagt, daß man sie nicht als Deutsche, Franzosen, Russen usw. haben und anerkennen will, so ist es schließlich auch natürlich, daß sie sich selbst nicht als Angehörige dieser Staaten betrachten wollen. Dagegen sind die Juden einem Staatsoberhaupte, das ihnen Gerechtigkeit widerfahren läßt, immer treu ergeben gewesen, was natürlich ganz selbstverständlich ist, da sie im Oberhaupte des Staates ihren höchsten, oft einzigen Beschützer erblicken. Der jüdische Patriotismus konzentriert sich fast gänzlich in der Treue und Ergebenheit gegen den Landesfürsten, was denn doch schließlich die Hauptsache ist.
Die Behauptung der Antisemiten, daß die Juden unfähig sind zum Ackerbau, zum Handwerk und zur Handarbeit, beruht auf einem großen Irrtum. Sie wurden nicht in die Zünfte aufgenommen und zwar, wie wir gesehen haben, aus religiösen Gründen; auch durften sie keinen Grund und Boden besitzen. Wo sollten also die Juden die Lust und das Verständnis für den Ackerbau herhaben, wenn sie infolge religiöser Vorurteile Jahrhunderte lang davon ausgeschlossen waren? Wo sie Ackerbau betreiben konnten, dort haben sie ihn betrieben. In jenen Ländern, wo sie davon ausgeschlossen waren, hat sich allerdings durch Gewohnheit und Vererbung eine Abneigung gegen denselben herausgebildet.
Meinen geehrten Gegnern rate ich, sich einmal nach Salonich zu begeben. Sie werden dort Scharen von Lastträgern, Bootsleuten und Handwerkern treffen, die Juden sind. Dort tut der faule Türke so wenig wie möglich, während der Grieche (Arier!) sich alle mühelosen und körperlich nicht anstrengenden Geschäfte zu beschaffen gewußt hat. In London sind die Arbeiter bei Schneidern und Schustern, in New York die Arbeiter in Schuhfabriken fast ausschließlich Juden. In Rußland, Rumänien und den Vereinigten Staaten zählen jüdische Arbeiter und Handwerker nach Hunderttausenden resp. Tausenden. Die Antisemiten könnten solche Behauptungen nicht aufstellen, wenn sie sich der Mühe unterziehen wollten, das jüdische Leben in den russischen und rumänischen Städten, ferner in Salonich, London und New York zu studieren.
Was die angebliche jüdische Grausamkeit betrifft, so ist über diese Beschuldigung kein Wort zu verlieren. Gott sei es geklagt; entsetzliche Beispiele von Grausamkeit sind bei allen Völkern und zwar außerordentlich häufig vorgekommen.
Hier muß ich wieder ausdrücklich erwähnen, daß in der ungeheueren Mehrzahl der Fälle, in welchen uns jüdische Grausamkeit begegnet, ihre Religion das Motiv hierzu geliefert hat. Viele Berichte über die von den Juden begangenen Grausamkeiten, wie die Ausrottung ganzer Völker mit ihren Weibern und Kindern auf göttlichen Befehl sind übrigens ganz unhaltbar. In der Thora finden sich mehrere sehr humane und edle Vorschriften betreffend die Behandlung der Fremden in Israel, ja sogar der Tiere, Vorschriften, die den Juden ewig zur Ehre gereichen werden.
Die Wohltätigkeit der Juden ist bekannt und auch von vielen Antisemiten wiederholt anerkannt worden. Als im Jahre 1893 während meiner Anwesenheit in Tokio ein Erdbeben einen Teil des Klosters, der Klosterschule und Kinderbewahranstalt der katholischen Schwestern zerstörte, schrieb ich an mehrere wohlhabende christliche Jugendfreunde und andere und bat sie inständigst, der Oberin des Klosters in ihrer großen Not pekuniäre Hilfe zu leisten. Nur ein einziger ließ sich herbei, der Oberin zu Hilfe zu kommen, und schickte mir ca. 20 fl. Die Mehrzahl meiner Freunde antwortete mir gar nicht; nur ein einziger Mann schickte der katholischen Oberin die nicht unbedeutende Summe von 500 Francs, und dieser Mann war – ein Jude! –
Da haben wir also einen Juden, einen echten ungetauften Juden, der 500 Francs gibt einem katholischen Frauenkloster, welches heidnische Kinder erzieht, um sie zu Christen zu machen. Welcher Christ, frage ich, würde auch nur einen Heller gegeben haben für eine jüdische Bekehrungs- und Erziehungsanstalt heidnischer Kinder?
Johannes Scherr schreibt in seiner »Deutschen Kultur- und Sittengeschichte«:
»Der dreißigjährige sogenannte Religionskrieg sollte den Beweis leisten, wie weit die Menschen es überhaupt in der Bestialität bringen können. Der Abschaum der Söldnerbanden Europas führte auf dem geschändeten deutschen Boden das gräßlichste Kriegstrauerspiel auf, welches unsere, welches die Geschichte überhaupt gesehen hat. Zu einer namenlosen Zügellosigkeit der soldatischen Sitte gesellte sich ein haarsträubendes Raffinement der Grausamkeit und eine rasende um des Mordes selbst willen mordende Mordlust. Die Hand müßte einem erstarren, wollte man die entsetzlichen Gräuel jener Tage, wie der ehrliche Philander von Sittewalt in seinen »Gesichten«, im Kapitel vom »Soldatenleben«, sie geschildert hat, im einzelnen nachschreiben. Genug, das Sengen, Rauben und Totschlagen, das Totschänden unreifer Kinder, das Notzüchtigen von Mädchen und Frauen auf den Rücken ihrer gebundenen und verstümmelten Väter und Gatten, das Brüsteabreißen Schwangerer, das Bauchaufschlitzen Gebärender, das massenhafte Niedermetzeln der Bewohnerschaften eroberter Orte, das martervolle Tränken mit Jauche (Schwedentrank), die erbarmungslosesten Erpressungen, die mutwilligste Vernichtung von Vieh, Feldfrüchten und Wohnungen: das alles und noch vieles Ähnliche war dreißig Jahre lang in Deutschland an der Tagesordnung.«
Wir ersehen daraus, welche Verwilderung in Deutschland in jenen Zeiten eingerissen war. Heute sehen wir Deutschland an der Spitze der Zivilisation marschieren. Man vergleiche einst und jetzt! Welche Zauberin hat diese wunderbare Änderung herbeigeführt? Es ist die Freiheit, der Fortschritt, die Wissenschaft, die Aufklärung, dieselben Mächte, die im Laufe von 33 Jahren aus dem unzivilisierten, mittelalterlichen, fortschrittsfeindlichen Japan eine mächtige und zivilisierte Großmacht geschaffen haben, dieselben Mächte, die, wie wir bereits gesehen, aus den Parsis das gemacht haben, was sie heute sind. Lassen wir den Juden Zeit, geben wir ihnen Gelegenheit sich auszubilden, und der Erfolg wird nicht ausbleiben.
Was ihre angebliche maßlose Geschlechtsbegier betrifft, so darf auch in dieser Beziehung kein Volk auf den Juden einen Stein werfen. Derartige Anklagen sind für mich nur ein Beweis von der großen Verlegenheit der Judenfeinde, welche so oft Behauptungen aufstellen, die sich überhaupt nicht beweisen lassen können. Die Juden sind in dieser Beziehung gewiß um kein Haar besser oder schlechter, als die übrigen Kinder Adams. In Abessynien gibt es unter den jüdischen Falaschas, wie der Missionar Martin Flad uns mitteilt, sogar einen jüdischen Mönchsorden. Der Gründer dieses Ordens, Aba-Zebra, lebte im 4. Jahrhundert n. Chr. in der Provinz Armatschoho, in einer Hoharewa genannten Höhle. Er war ein frommer Asket, der Kranke durch Händeauflegen und Gebete auf wunderbare Art geheilt haben soll. Seit der Zeit Aba-Zebra's müssen sich jene, welche Mitglieder dieses Ordens werden wollen, kastrieren lassen. Dieser jüdische Orden besteht somit vierzehnhundert Jahre und liefert den schlagenden Beweis, daß es auch unter den Juden viele Männer gibt, die der Geschlechtsliebe für immer zu entsagen die moralische Kraft haben.
»Dem Juden«, sagt der Antisemiten-Katechismus, »erscheint nur das als Tugend, was persönlichen Vorteil oder Genuß verspricht.« Nichts ist ungerechter als diese Beschuldigung. Sie ist nachweisbar falsch. Wäre sie wahr, so hätten die Juden nie die furchtbaren Verfolgungen, welchen sie in den christlichen Ländern ausgesetzt waren, ertragen und ihrem Glauben zu Liebe ihre Kinder geschlachtet, Vermögen, Familie, Ansehen und selbst das Leben dahingeopfert. Auch noch heutzutage gehört wenigstens in vielen Ländern ein Heldenmut dazu, sich als Jude zu bekennen und sich nicht zum Scheine taufen zu lassen, oder konfessionslos zu werden. Mir ist es unfaßbar, wie ein Christ solche Sätze, wie den eben aus dem Antisemiten-Katechismus zitierten, niederschreiben kann. Mein Gewissen wenigstens ließe mir keinen Augenblick Ruhe, solange ich einen derartigen Ausspruch nicht widerrufen hätte.
Der rumänische Minister Carp hat einmal im Parlamente folgende Worte gesprochen: »Wollt ihr mit dem Volk gegen die jüdische Konkurrenz kämpfen? Seid so arbeitsam, nüchtern und sparsam wie sie und ihr werdet sie nicht zu fürchten haben.«
Der stets latente religiöse Haß bedarf natürlich einer Veranlassung, um sich zu äußern. Diese Veranlassung ist sehr häufig nicht religiöser Natur, sondern oft profan und ordinär. Am häufigsten sind es materielle Interessen, welche den schon vorhandenen religiösen Fanatismus entzünden.
So schreibt der berühmte Professor Wilhelm Roscher:
»Ist ein Volk schon reif genug, um des eigentlichen Handels zu bedürfen, aber noch zu unreif, um selbst einen nationalen Kaufmannsstand zu haben: so liegt es in seinem eigenen Interesse, daß ein fremdes, höher kultiviertes Volk durch einen sehr tief eindringenden Aktivhandel einstweilen die Lücke ausfülle. Damit verbindet sich freilich immer eine merkantile Bevormundung des niedriger kultivierten Volkes, oft sogar eine wirtschaftliche Bevormundung überhaupt. Nun wird aber jede Vormundschaft lästig, wenn sie länger dauern will als die Unreife des Mündels; und ganze Völker emanzipieren sich fast nur unter Kämpfen. So haben die germanischen und romanischen Völker während der ersten, rohern Hälfte des Mittelalters die Juden viel besser behandelt, als während der zweiten, sonst mehr gebildeten. Die Juden befriedigten eben damals ein großes Bedürfnis der Volkswirtschaft, welches lange Zeit kein anderer befriedigen konnte. Wie man die Kirche oft mit der Arche Noah verglichen hat, welche aus der Sintflut der Völkerwanderung von jedem Zweige der alten Kultur wenigstens so viel gerettet habe, daß es sich fortpflanzen konnte, so bildeten auch die Juden, die seit dem babylonischen Exil angefangen hatten sich mit großem Erfolge auf den Handel zu legen, eine Brücke, um die nötigsten volkswirtschaftlichen, zumal kaufmännischen Kulturelemente des Altertums auf das Mittelalter zu übertragen. Hierzu befähigte sie nicht bloß ihr großes, an die stammverwandten Phönikier mahnendes Handelstalent, sondern auch die merkwürdige Mischung von historischer Unveränderlichkeit und praktischer Biegsamkeit, von geographischer Zerstreuung und religiös-nationaler Konzentration, welche sie auszeichnet. – Als die volkswirtschaftliche Unentbehrlichkeit der Juden aufhörte und ein nationaler Handelsstand aufzublühen begann, da begannen auch die Judenverfolgungen: sehr gegen den Willen der Kirche, aber vorzugsweise von kaufmännischer Eifersucht der Städte geschürt; also für die meisten Länder im Zeitalter der Kreuzzüge, in Deutschland seit 1096. Während im früheren Mittelalter Jude und Kaufmann als synonym gelten, vermischt sich nun der Begriff Jude mit dem von Schacherern, Trödlern, Wucherern. Wo sich das Heranreifen des nationalen Bürgertums und Kaufmannsstandes früher oder später einstellte, da sind regelmäßig auch die Judenverfolgungen früher oder später ausgebrochen. Die Sage vom ewigen Juden, diese Personifikation der allgemeinen Schicksale des jüdischen Volkes seit der Zerstörung von Jerusalem, verbunden mit seinen vielhundertjährigen Hausierwanderungen und seiner gedrückten Heimatslosigkeit im spätern Mittelalter, scheint nicht vor dem 13. Jahrhundert erwähnt zu sein. – Eine ähnliche, nachmals unter Kämpfen abgeschüttelte Handelsvormundschaft haben lange Zeit die Phönikier über die Griechen, die hellenischen Kolonisten auf der Nordküste des Schwarzen Meeres über die Skythen geführt; im spätern Mittelalter die Italiener als Warenkaufleute am Schwarzen Meere, als Geldhändler in fast allen minder entwickelten Ländern von Mittel- und Westeuropa; so die Hanseaten in Skandinavien und Rußland, die Engländer unter Elisabeth im Weißen Meere.«
Man begegnet häufig Gegnern des Antisemitismus, welche behaupten, derselbe wurzle nicht im religiösen Fanatismus, sondern in Neid, Eifersucht und dem Gefühl der eigenen Inferiorität. Die Religion sei da nur die Maske, deren sich der Neid bedient, um nicht gar zu häßlich in die Öffentlichkeit zu treten. Diese Auffassung trifft bei vielen Personen auch sicherlich zu; aber jedenfalls bei einer Minorität. Daß im allgemeinen nur der religiöse Fanatismus und nicht der Neid die Hauptquelle des Antisemitismus ist, erhellt daraus, daß wir Judenhaß antreffen bei Hunderttausenden von Menschen, die mit den Juden gar nichts zu tun haben, mit keinem Juden konkurrieren, denen mit einem Worte gar kein Jude im Wege steht. So werden z. B. in Paraguay die Juden sehr gehaßt, obwohl es dort gar keine gibt. Also ist der religiöse Haß das Prius.
Wäre aber der Antisemitismus keine religiöse Frage, dann wäre er nichts weiter, als Handelseifersucht und Geschäftsneid. Man schämt sich aber gewöhnlich, dies einzugestehen, und hängt seinem Neide, seiner Eifersucht und Galle gar so gern ein moralisches Mäntelchen um.
Es ist bekannt, daß die amerikanischen Gesetze gegen die chinesische Einwanderung auf gar nichts anderem beruhen als auf Brot- und Konkurrenzneid. Das sollte aber nicht eingestanden werden, und da mußten ethische und moralische Gründe für die Opposition gegen die Chinesen aufmarschieren. Nichts leichter als das. Im Bericht des House Commitee of Congress vom Februar 1878 steht:
»Die Lebensweise und die Gewohnheiten der Chinesen sind derartige, daß ihre Anwesenheit in unserem Lande in jeder Hinsicht eine Gefahr bedeutet. Ihre Unsauberkeit ist unbeschreiblich und ihre Wohnungen sind Infektionsherde ansteckender Krankheiten. Ihre Gewohnheiten, Sitten und Institutionen sind das gerade Gegenteil der unsrigen; sie hassen, was wir lieben, sie verachten, was wir bewundern, sie üben als Tugenden oder tolerieren als Notwendigkeiten, was wir verdammen, sie erniedrigen das Weib, für sie gibt es keinen Eid, sie sind meineidig, ausschweifend, ohne Ehre, ohne Religion, ohne Treue.«
Ein altes Lied fürwahr, das stets ebenso neu als ungerecht und verlogen bleibt. Man schnappt nach Geld und predigt Moral.
Die Antisemiten pflegen ferner den Juden Feigheit vorzuwerfen. Wenn sie mit diesem Worte Mangel an moralischem Mut ausdrücken wollen, so beweist ihnen die ganze Geschichte der Juden, ihr Heldenmut während der Verfolgungen und Unterdrückungen das Gegenteil. Wollen sie damit den Mangel an Tapferkeit ausdrücken, so ist die Behauptung für unsere Zeiten wahr und leicht erklärlich durch die, den persönlichen Mut unterdrückende, jahrhundertelange Knechtung. Trotzdem haben wir aber manche Beweise persönlicher Tapferkeit auch bei den heutigen Juden. So haben wiederholt englische Offiziere die militärische Tüchtigkeit der jüdischen Beni Israel in Indien lobend hervorgehoben. Im Kriege von 1870–1871 haben sich die Juden Otto Bibo, Saul Daus und Alexander Hirschmann durch besondere Tapferkeit ausgezeichnet. Ferner hat die Tapferkeit der bulgarischen Juden in der Schlacht bei Pirot ihnen das Lob des Fürsten Alexander eingetragen, der zu ihnen die Worte gesprochen hat: »Tapfere Juden, ihr habt euch heute durch euere heldenhafte Haltung als wahre Nachkommen der Makkabäer gezeigt«. Eins aber ist sicher. Die Tapferkeit, welche die Juden in den Kämpfen der makkabäischen Zeit und in den Kriegen gegen Titus und Hadrian an den Tag gelegt haben, ist einfach großartig, bewunderungswürdig für alle Zeiten und hat ihnen einen unsterblichen Ruhm gesichert.
Der Antisemiten-Katechismus hat eine ganze Reihe von für die Juden ungünstigen Aussprüchen großer Männer zusammengestellt, offenbar mit der Absicht, den Leser glauben zu machen, daß die gebildetsten und gescheitesten Menschen Antisemiten sind. Dieses Buch verschweigt jedoch nicht bloß die zahlreichen Aussprüche anderer großer Männer, welche für die Juden günstig lauten und welche der geehrte Leser finden kann in dem von Josef Schrattenholz verfaßten »Antisemitenhammer« (Düsseldorf 1894), sondern es verschweigt auch judenfreundliche Aussprüche von solchen Männern, die zwar einmal in ihrem Leben etwas ungünstiges über die Juden geschrieben oder gesprochen, ihre Ansichten aber später geändert und anders geschrieben und gesprochen haben. Das Buch gibt nur die feindseligen Aussprüche dieser Männer, nicht ihre günstigen. So gibt z. B. der Antisemiten-Katechismus einen Teil der Rede wieder, die der junge 32jährige v. Bismarck im Jahre 1847 in dem vereinigten Landtage gegen die Judenemanzipation gehalten hat, verschweigt aber alle Aussprüche über die Juden, die der große, gereifte deutsche Reichskanzler Fürst Bismarck über die Juden getan. Er erwähnt nicht, daß die Antisemiten dem Fürsten Bismarck wiederholt den Vorwurf gemacht haben, daß er ein Freund der Juden sei. Ein Teil dieser von der antisemitischen Presse dem Fürsten Bismarck wegen seiner Judenfreundlichkeit gemachten Vorwürfe sind zusammengestellt im Antisemitenspiegel (Druck und Verlag von A. W. Kafemann in Danzig). So gibt z. B. der Antisemiten-Katechismus wohl die feindseligen Aussprüche Luthers gegen die Juden, nicht aber dessen judenfreundliche. Ferner reproduziert er feindselige Aussprüche, welche Feldmarschall Graf Moltke über die Juden geschrieben, als er noch Leutnant war, die derselbe jedoch im späteren Alter durchgestrichen haben soll. Damit soll keineswegs geleugnet werden, daß auch sehr gescheite, gelehrte und geistreiche Männer Antisemiten sind und gewesen sind. »Sie haben nun einmal die Antipathie.« Interessant wäre nur zu wissen, welches der Quell dieser Antipathie ist. Bei sehr vielen ist diese Quelle häufig nichts anderes, als persönliche und höchst unangenehme Erlebnisse und Erfahrungen mit Wucherern, Revolverjournalisten usw., bei vielen anderen Haß gegen die sogenannten geoffenbarten Religionen, in Europa namentlich gegen das Christentum, und da man nicht direkt gegen das Christentum loshauen will, so schimpft man gegen das Judentum im allgemeinen.
Bei anderen entspringt der Antisemitismus tatsächlich aus purem Neid, aus Eifersucht und dem Gefühle der eigenen Inferiorität; bei anderen wiederum – es sind dies einige Gelehrte – ist der Antisemitismus ein wissenschaftliches Steckenpferd, wie z. B. bei jenen, welche auf der Gleichung herumreiten, Semiten = Nomaden, Juden = Semiten, und die dann dieses Steckenpferd durch dick und dünn zu Tode reiten.
Ich möchte daß ein jeder Antisemit sich einmal frage, bei welcher Gelegenheit er zuerst den Judenhaß empfunden hat; in der ungeheuren Mehrzahl der Fälle wird dies schon in der zartesten Kindheit der Fall gewesen sein, zu einer Zeit, wo er mit Juden noch gar nicht zusammengekommen; auch möchte ich, daß er sich selbst frage, wer die Personen gewesen, die ihn zum ersten Male antisemitisch gestimmt haben.
Wer immer noch bezweifeln sollte, daß der Antisemitismus eine religiöse Frage ist, der sei darauf aufmerksam gemacht, daß die Hauptgegner der Juden geistliche resp. kirchliche Würdenträger sind: Kanonikus Dr. Rohling, Pfarrer Deckert, Dr. Ecker, Dr. Constant, Pastor Stöcker, Herr Pobjedonoszew usw. Diese geistlichen Führer des Antisemitismus wurden inzwischen von weltlichen Führern abgelöst: fanatische Rassentheoretiker haben das Erbe fanatischer Priester übernommen. Der alte Wahn bedient sich neuer Schlagwörter. (A. d. H.) Dasselbe gilt auch von den Führern der Antisemiten in Persien. Wer dann an dem religiösen Charakter des Antisemitismus noch immer zweifeln könnte, dem empfehle ich die vom ultramontanen Blatt »La Croix« in Paris zur Zeit des Dreyfus-Prozesses veröffentlichten Artikel.
Jene Antisemiten jedoch, die gegen die jüdische Religion keinen Widerwillen empfinden und sich einbilden, bloß die jüdische Rasse zu verabscheuen, verweise ich höflichst auf das Seite 72 dieses Werkes Gesagte.
Hiermit wäre die Behandlung aller antisemitischen Anklagen gegen die Juden erschöpft. Was bleibt nun als Rest derselben, als wahr bestehen?
Nichts weiter als folgendes: Die Juden liefern heute noch in einigen Ländern einen verhältnismäßig größeren Prozentsatz von Wucherern, Kupplern und Betrügern, als die Christen. – Heute noch! – Das ist eine Tatsache, die niemand leugnen kann und die einfach als wahr hingestellt werden muß. – Morgen vielleicht nicht mehr!
Diese Tatsache ist eine notwendige Folge der Stellung, in welche die Christen die Juden hineingedrängt haben. Diese Fehler waren den Juden nicht angeboren, sie haben sich bei ihnen erst seit dem 12. Jahrhundert n. Chr. zu entwickeln begonnen, und es läßt sich daher mit apodiktischer Gewißheit behaupten, daß diese Ungleichheit zwischen Christen und Juden im Prozentsatz jener Fehler sich ausgleichen wird durch die Freiheit und Aufklärung. Daß diese meine Behauptung richtig ist, folgt logisch aus zwei verschiedenen Deduktionen:
Diese Laster und Fehler der Juden werden jedoch reichlich aufgewogen durch ihre vielen Tugenden und edlen Eigenschaften, als da sind: Fleiß, Sparsamkeit, Wissensdrang, Geduld, Familiensinn, Nüchternheit, Arbeitsamkeit, Wohltätigkeit. Liefert also das Judentum in einigen Ländern ein Plus in den drei obengenannten Lastern, so weist es wiederum ein Minus auf in anderen Verbrechen und Vergehen. Versucht man nun aus der Summe der Tugenden und Laster das Saldo zu gewinnen und vergleicht man dasselbe mit jenem der anderen Nationen und Völker, so kommt man wieder einmal auf die höchst geistreiche, originelle und neue Schlußfolgerung nach dem Muster 2 x 2 = 4, nämlich zum Schlusse, daß es gute und schlechte Menschen gibt in einer jeden Religion.
Renan sagt: »Wir haben mehrmals auf den seltsamen Umstand aufmerksam gemacht, daß das jüdische Volk in seinem Busen die Extreme von und, wenn ich so sagen darf, den Kampf zwischen Gut und Böse einschließt. Tatsächlich kommt keine Bosheit der jüdischen Bosheit gleich, und trotzdem hat das Judentum aus seinem Innern das Ideal der Güte, der Opferwilligkeit und Liebe entstehen lassen können. Die besten aller Menschen waren Juden, und die boshaftesten der Menschen waren ebenfalls Juden.« Was von den jüdischen Menschen gilt, gilt auch von ihren Schriften. Einige dieser Schriften stellen sich dar als das Höchste und Tiefste, was je geschrieben wurde, wie z. B. das Buch Hiob, der Kohelet und viele Abschnitte der Thora und der Propheten, namentlich des Jesaias. Dagegen treffen wir auch Giftpilze der bedenklichsten Art, die in ihrem Innern die Saat geborgen haben, aus welcher Intoleranz, Fanatismus, Religionskriege, Ketzergerichte, Inquisition usw. entsprossen sind.
Die Juden sind eben ungewöhnlich groß im Guten wie im Bösen. Daß dieses Volk sich von allen anderen so vielfach unterscheidet, wird wohl niemanden Wunder nehmen, welcher bedenkt, daß aus diesem Volke entsprossen ist Christus der Herr.
Daß es aber Juden gibt, welche ihre Zugehörigkeit zu diesem großen Volk verleugnen, statt sich ihrer, wie der große (getaufte) Lord Beaconsfield zu rühmen und stolz mit Uriel Acosta zu rufen: »Ihr dürft mir fluchen, denn ich bin ein Jude«, das ist schmachvoll.