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»Ah, das muß man so genau nicht nehmen,« meinte Ausonius.
»Bin nicht eben abergläubisch. Ich baue vielleicht nur allzuviel auf mein Schwert und zu wenig auf den Himmel: – aus den Vestalinnen mach' ich mir nichts! Aber es gefällt mir nicht, es ist mir unlieb, das zweite, was dein Zögling vorig Jahr zu Rom angeordnet hat.« – »Was meinst du?« – »Er hat den Altar der Siegesgöttin aus der Kurie des Senats entfernt, der man vor Beginn der Beratung zu opfern pflegte.« – »Schon Constantin hat ihn entfernt.« – »Aber Julian, der gewaltige Bezwinger der Alamannen, hatte ihn wieder hergestellt! Und beim Jupiter – vergieb, bei Gott! – mit gutem Erfolg! Den »Abtrünnigen« haben ihn die Geschorenen gescholten? aber die Siegesgöttin war ihm nicht abtrünnig! – Nun, man schlägt sich wacker, mit oder ohne Siegesgöttin! Aber – ich bin ein Römer – ich scheue das Omen!« – »Du siehst zu schwarz!« – »Du siehst zu rosig! Dein gütevolles Herz wünscht allen das Gute!« – »Ja, auch den Barbaren!« nickte Ausonius und hob die Schale. »Sind auch Menschen! Und schon die Stoa lehrte, nicht erst der Galiläer: – alle Menschen sind Brüder.« – »Es sind aber dieser gelbzottigen Brüder allzuviele.« – »Und ich glaube an eine Gottheit, – nenne sie wie du willst – die alles gütevoll leitet. Und so glaube ich auch, daß diese Barbaren Vernunft annehmen und dir bald ihre Unterwerfung anbieten.«
»Vielleicht unterwirft sich dann auch die Kleine – wie hieß sie doch? Bissula! – dem Ausonius,« neckte der Tribun. – »O, das liebe Kind! Wenn ich sie nur wieder sähe.« – »Wünsche das nicht, Präfectus Prätorio.« – »Warum!«
»Vielleicht unterwirft sie dich! Wäre nicht die erste Barbarin. Pipa hieß – oder Pipara? – jene Markomannin, in die sogar ein Imperator ›ganz verzweifelt und verloren‹ sich verliebte.« – »Du vergissest: ich wollte sie zur Tochter, nicht zur Frau.« – »Damals. Jetzt ist sie kein Kind mehr: – und du bist Witwer.« – »Ach, sie ist wohl längst mit den Ihrigen geflüchtet! Und doch: – ich glaube so gern, was ich wünsche! –« – »Ja, das ist eine deiner liebenswürdigen Schwächen!«
»Soll ich etwa hoffen, was ich fürchte?« – »Nein, aber das Unerwünschte für wahrscheinlicher als das Erwünschte halten! Das ist meine Weisheit.« – »Nein, nein! Ich lasse mir die Hoffnung nicht rauben: ich sehe es wieder, das Busch-Nymphlein dieses Walddickichts.« – »Greif' ich sie aber,« lachte der Tribun, »so wird sie mein: – nach Kriegsrecht.« Jäh zuckte es – wie ein Blitz – über des hagern Neffen lauernde Züge. Der Tribun sah es nicht: er hatte Ausonius scharf ins Auge gefaßt: er staunte, diesen angstvoll erbleichen zu sehen. »So tief geht dem Wackern dies Gefühl!« dachte er. »Oheim, du weißt ja, der Tribun spricht im Scherz,« rief Herculanus, wie tröstend. Da wandte sich der Illyrier drohend gegen ihn und sprach streng und ernst: »Wer sagt dir das?«
Besorgt warf Ausonius einen raschen Blick auf den schönen, stattlichen Mann: dann versuchte er zu lächeln: – aber es gelang ihm schlecht: »Dein Scherz führte mir die Möglichkeit des Ernstes, des fürchterlichen Ernstes vor! Wenn das reizende, unschuldige Kind in die Hände eines unserer erbarmungslosen Centurionen fiele! Grauenhaft.« – »Es ist das Los von Tausenden – bah, was sag' ich! – von vielen Hunderttausenden gewesen seit wir Römer unsere Adler über den Erdkreis tragen. Ihr Poeten – auch du, mein weichherziger Freund! – ihr besingt ja den Krieg so gern! Ich sage dir: wer ihn kennt, wer ihn führt, – besingt ihn selten! Krieg ist notwendig: ich lache der thörichten Schwächlinge, welche, wie die guten Stoiker oder die Mönche, wähnen, es komme dereinst ein Reich des ewigen Friedens! Der Krieg ist groß: ja Heldentod fürs Vaterland ist das Gewaltigste, was Mannheit leistet. – Aber der Krieg ist grauenhaft! – Mir gilt es gleich,« lachte er und trank die Schale leer. »Ich brauche ihn nur zu machen, nicht zu verantworten – und vor allem! – nicht zu besingen. Ich bin nicht Arm, nicht Amboß, nicht Lyra: ich bin Hammer und: wehe den Besiegten! Tausend Jahre haben wir die Schrecken unserer Siege über alle Völker gebracht: eine unerhörte Treue der Fortuna! Nun aber – ich hoffe, es nicht zu erleben! – nun rollt allmählich ihr Rad rückwärts – gegen uns – über uns hinweg!« »Nimmermehr!« rief der Dichter. »Was können diese halbnackten Barbaren gegen uns. Solang wir Krieger haben gleich dir und für den Dienst der Musen Geister« – »Wie Ausonius, willst du sagen? Beneidenswertes Selbstgefühl! Ich sage dir: ich erachte mich – und viel bessere Krieger als mich – unfähig, dieses unerschöpflich heranwogende Meer abzuwehren, das man ›Germanen‹ nennt. Hab' ich doch schon gar manchen Feldzug gegen sie – auch gegen diese Alamannen, – hinter mir. Ich denke, sie kennen meinen Namen! – Aber diesem Heranbrausen liegt etwas Unheimliches zu Grunde: – ich weiß nicht was: – eine uns allen unerkennbare treibende Kraft, die mit Schwert und Schild so wenig wie die Meerflut abzuwehren ist. Ich suche schon lange nach diesem Geheimnis: – kann's nicht finden! Was aber den ›Dienst der Musen‹ angeht: – vergieb einem rauhen Soldaten: Bauern brauchen wir, nicht Poeten! Es giebt nur noch Millionäre, Bettler und Sklaven! Gieb mir hunderttausend freie Bauern altlatinischer Zucht – ich opfere dafür alle latinischen Poeten, die toten und die lebendigen und will wieder glauben an die Zukunft Roms. So aber! – Doch« – er sprang auf – »es ist schon spät. Laß uns die Pfühle suchen! Wir tragen diesen unsern alten Streit nicht aus! Die kommenden Geschlechter werden ihn entscheiden. Aber nicht mit Worten! – Gute Nacht! Träume von Bissula, – daß wir sie finden: – du glaubst ja an Träume! – Denn morgen – Nannienus hat wenigstens ein paar Schiffe fertig gestellt, die er morgen am Nordufer hinkreuzen lassen will – streifen wir einmal ein wenig nach Osten.« Er hob den Vorhang und schritt klirrend in die Nacht hinaus; er mußte stets der schönen Waldnymphe gedenken. Auch der Neffe verabschiedete sich; kaum stand er draußen vor dem Zelt, als er die drohend geballte Faust gen Osten hob und leise knirschte: »Warte, Barbarenhexe!« Ausonius aber streckte sich auf das Feldbett, löschte das Licht und sprach vor sich hin: »Schlafe friedlich, meine Bissula, wo du auch weilest; morgen vielleicht seh' ich sie wieder, – diese unvergeßlichen Augen!«