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Das größte Fahrzeug – ein altes Kriegsschiff, es wies noch die Amphitrite als Schiffsbild, – zeigte Purpurwimpel, und auch das vorderste kleine Fockmastsegel prangte in dieser Farbe. Denn es trug den Befehlshaber des Geschwaders.
»Endlich!« hatte der tüchtige Offizier gerufen, als er, der erste von der ganzen Armada, aus seinem Admiralitätsschiff in das Boot, das vor dessen Bugspriet schaukelte, gesprungen war. Er lief über die ganze Reihe der kleinen Schiffe hin bis an das Ufer und schwang sich von dem letzten Nachen aus in ungeduldigem Satz über den Sumpfgrund auf das festere Ufer, dem Illyrier entgegen, der ihn mit beiden vorgestreckten Armen auffing.
»Endlich, Freund, bring' ich die Schiffe und Männer, – es hat lang gedauert.« – »Ich weiß, es war nicht deine Schuld.« – »Die Schuldigen hat der Kaiser schon in die Bergwerke geschickt. – Wo ist der Präfectus Prätorio?« »Oben. – Im Lager. Er ist nicht ganz wohl.« – »Ich habe Briefe für ihn vom Kaiser.« »Ist noch keine Nachricht vom Kaiser Valens da?« fragte Saturninus besorgt. – »Doch, ganz neuerliche.« – »Wie steht es mit ihm und mit den Goten?« – »Gut mit ihm und schlecht mit den Barbaren. Sie leiden elend Hunger! Sein letzter Brief weist ausdrücklich – und ziemlich hochfahrend! – jede Hilfe Gratians und unseres Heeres ab.« »Er will den Ruhm des Siegs nicht mit dem Neffen teilen,« meinte der Tribun, zu Roß steigend und den Freund einladend, auf dem für ihn mitgeführten schönen Pferd bergan zu reiten.
Nannienus schwang sich in den Sattel und fuhr fort: »›Eine entscheidende Schlacht‹, schreibt Valens, ›steht bevor.‹ Er zieht auf Adrianopel, wo die Goten lagern. – Ei, sinkt hier der Gaul ein! So hoch hinauf noch Sumpf?« – »Ja, lauter alter Seegrund. – So ist dort am Ister die Entscheidung wohl schon gefallen! – Nun, unser kleiner Feldzug wird nun auch bald zu Ende sein. Wie viele Helme bringst du?« – »Dreizehnhundert.« – »Mehr als genug! Morgen früh teilen wir uns. Fünfhundert Mann bleiben im Lager: mit dem Rest ziehst du nach Nordosten, ich nach Nordwesten, bis wir sie endlich finden und einander zutreiben, diese unfaßbaren Feinde. – Du hast auf der Überfahrt auf dem See nichts Verdächtiges bemerkt?« – »Gar nichts! Kein Segel weit und breit.« – »Nun wir Schiffe haben, können wir auch die beiden Schilfstrecken absuchen, die sich rechts und links stundenlang hinziehen. – In dem westlichen Sumpf meinten wir einmal Rauch aufsteigen zu sehen.« – »Den See absuchen? Das soll morgen gleich geschehen, noch vor dem Abmarsch. Eine Seeschlacht auf dem venetischen See! Seit den Tagen des Tiberius ist das kaum mehr dagewesen.« – »Ich aber bin froh, dich hier auf dem Festland zu wissen mit den Deinen: willkommen nochmal auf dem barbarischen Ufer und in meinem Lager.« – Damit ritten beide, gefolgt von einem glänzenden Geleit von Anführern des Nannienus und von den Schuppengepanzerten des Tribuns, zur Porta decumana ein. Dies Thor stand jetzt weit geöffnet. Denn in aufgelöster Ordnung strömten immer noch die Leute des Tribuns hinaus und den Berghang hinunter, dann durch feuchte Wiesen und Sumpf die kleine halbe Stunde bis an das Ufer, die Waffenbrüder von der Flotte zu begrüßen. Wie ein Mäuslein hatte sich Bissula geduckt und so klein gemacht wie möglich, unvermerkt aus ihrem Versteck östlich vom Seethor mit hinauszuschlüpfen. Aber die Wachen des Illyriers waren streng geschult: zwei riesige Thraker hielten – je einer hinter und vor der Schwelle – die Speere gekreuzt vor die Öffnung des Thores und faßten jeden scharf ins Auge, der hinaus oder auch herein wollte. Glücklich war die Kleine durch die ausgespreizten Beine des einen gekrochen: da stieß sie mit dem Kopf gegen den Speerschaft des vor der Schwelle Stehenden. Der Mann ward merksam, erkannte sie und schob sie sanft, aber unwiderstehlich zurück. »Nein, nein!« lachte er. »Du schon gar nicht hinaus! Du rotes Schlängelein! Gäbe zwiefache Hiebe! Vom Tribun rechts, vom Präfekt links! Drin geblieben!«
Thränen des ohnmächtigen Zornes in den Augen mußte sie zurücktreten: und da draußen, da winkte die Freiheit: – da lachte – zum erstenmal sah sie hier durchs offene Thor – in blauer Pracht der liebe See: – da rechts rauschten die Bäume, die Adalos Hof umgaben: – und da flog eine Möwe, schreiend vor Lust des Lebens und vor Freude am freien Flügelschlag, in mutwilligem Flugspiel über das Schilf des Ufersumpfes hin! – Ach! – und sie – sie mußte zurück ins Lager: – in ein ungewisses Schicksal! – Morgen schon fort aus dem Lande: – und – wohin dann? »Oh Adalo, hilf bald!« Seinen Namen hatte sie seit gestern Nacht immer und immer wieder vor sich hin geflüstert, wie wenn er ein Zauberwort, ein schützendes, wäre. – In ihrer Lagergasse angelangt, band sie die Bärin los, die der Lärm der Krieger wild aufregte, und zog sie am Halsband mit sich in ihr Zelt, das sie den ganzen Tag nicht mehr verließ. Sie ward auch nicht gestört. Prosper brachte ihr Wein und Speisen: er sagte, der Herr sei durch Nannienus und die andern Gäste ganz in Anspruch genommen. Aber morgen in aller Frühe, lasse er ihr gebieten, möge sie sich bereit halten: es gehe zu Schiff nach Constantia, dann zum Kaiser nach Vindonissa und von da in die schöne Heimat. Bissula gab keine Antwort. Sie ließ die Speisen unberührt. Sie lauerte, einem gefangenen Waldtier ähnlich, im hintersten Winkel ihres Zeltes an der Erde, soweit wie möglich entfernt vom Eingang, die Augen starr auf diesen gerichtet und mit Angst und Schreck auf jedes Geräusch achtend, das durch die Lagergasse ihrem Zelte näher drang. Die treue Bärin lag quer über der Schwelle: das war ihr einziger Trost.