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XIX

In einer kleinen versteckten Bar der »Rue Taitbout« saßen Jan Tarnowski und sein Kammerdiener bei einem Cocktail.

Sie waren beinahe die einzigen Gäste des Lokals und unterhielten sich im Flüsterton. Außerdem sprachen sie ein slawisches Idiom.

Mit nüchterner Sachlichkeit erklärte der Kammerdiener:

»Für den Anfang war das ganz gut. Du hast Sicherheit gewonnen, lässige Eleganz des Auftretens, die gewisse lachende Frechheit, die auf Frauen wirkt – du hast dein Französisch wesentlich verbessert, du hast eine Menge Beziehungen angeknüpft und einen Einblick in das Getriebe der Welt. Wir haben einen ganz stattlichen Betrag erspart – es wird Zeit, daß wir aus dieser Welt weiterkommen. Ewig Schlepper zu bleiben, hat keinen Sinn. Du mußt jetzt in die wirklich vornehme Welt kommen und zu den Frauen dieser Kreise. Schluß mit den Schauspielerinnen und ausgehaltenen Weibern! Jetzt müssen die Weiber der Finanzaristokratie, die Aristokratinnen und Amerikanerinnen daran glauben. Irgendeine wird schon hängen bleiben. Du mußt von jetzt ab »exklusiv« werden. Vor allem müssen wir uns Eingang in die polnische Gesandtschaft verschaffen. Deine Papiere sind, Gott sei Dank, in Ordnung, und keiner kann sie anfechten. Ich habe mir von einem polnischen Historiker eine ziemliche Anzahl von Daten über die Familie Tarnowski verschafft. Du wirst die Sache studieren, damit du auch etwas über deine sogenannte Familie weißt. Ich habe mich überzeugt: das arme Luder, das uns noch bei Lebzeiten seinen Namen verkauft hat – hat Wort gehalten und ist unter deinem Namen in Cannes gestorben und begraben. Er hat uns nicht verraten. Er war ein anständiger Mensch und dankbar, daß wir sein Ende so erträglich wie möglich gestaltet haben. Von ihm aus haben wir keine weiteren Unannehmlichkeiten zu erwarten. Er ist tot und bleibt verschwiegen. Dein Aufstieg kann beginnen. Dir droht keine Gefahr mehr von rückwärts.«

»Wie soll ich das machen, um Anschluß an höhere Kreise zu gewinnen?«

»Wir müssen irgendwohin gehen, wo man dich nicht kennt. Unterwegs sind die Menschen zugänglicher. Wir werden in diesem Sommer reisen. Wir werden dorthin gehen, wo die feinen Amerikaner und Engländer mit ihren Töchtern hingehen – nicht dort, wo die Lebewelt verkehrt. Wir haben jetzt Ende Mai. Wir nehmen die letzten Chancen an lukrativen Bekanntschaften, die uns Paris noch im Frühjahr bietet, mit. In Claridge, in Meurice, im Ritz verkehren genug Amerikaner – du wirst nicht faul sein und bis abends schlafen, sondern von jetzt ab um fünf Uhr im Ritz oder anderswo zum Tee antreten und Figur machen und deine Chancen ausnützen.«

Jan machte ein verdrießliches Gesicht. Die Aussichten auf irgendwelche Unbequemlichkeiten schienen ihn nicht zu verlocken.

»Aber ...«, meinte er zögernd.

»Es gibt kein ›Aber‹«, fuhr sein Gegenüber hart dazwischen. »Wir werden im Juni noch hier bleiben – bis zum Grand Prix, der dieses Jahr am achtundzwanzigsten gelaufen wird – und dann fort! – Übrigens fällt mir ein: am 7. Juni ist in Montreux am Genfersee das Narzissenfest – dort kommen alle möglichen Leute hin, ehe sie nach Paris und in die Bäder oder in die Berge gehen. Wir können dort einmal rekognoszieren. Vielleicht finden wir Anschluß – noch vor dem Sommer.«

Der Kammerdiener, oder was er sonst war, zahlte für sich und seinen Herrn, und beide schritten die Rue Taitbout herab und tauchten im brausenden Leben, das über den Boulevard des Italiens flutete, unter.


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