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XXXI

Nachdem einmal der Entschluß zu einer Heirat feststand, mußte eine Fülle von Fragen erledigt werden. Die nötigen Papiere besaßen beide – das bereitete keine Schwierigkeiten. Weit bedeutsamer war schon die Frage nach dem ständigen Aufenthalte. Wo gab es jetzt einen Fleck Erde, der nicht vom Fieber der Zeit ergriffen war, wo lag der Staat nicht wie eine Zentnerlast auf seinen Bürgern! Gewiß, man würde zuerst nach Brasilien fahren; aber drüben bleiben? Dazu hatten weder Lobositz noch Lilith Lust. Man einigte sich auf die Schweiz, eine Villa am Genfer See, in der Nähe von Lausanne. Das war ein Friedenshort, eine stille Insel im stürmischen Ozean, der Europa überflutete. Bis Mitte August hier in den Bergen, dann nach Genf, um die Heiratsformalitäten zu erledigen; eine Villa kaufen, eingerichtet oder leer, später über Paris und Boulogne nach Sao Paolo – nur für einige Wochen – und dann dauernder Aufenthalt im alten Europa, das Lobositz liebte, trotz allem, als Heimat seines Geistes und seines Herzens ...

Ein wundervoller Herbst war über das Land gekommen, voll satter Farben und jener lieblich trügerischen Wärme, die den Frühling vortäuscht, bis der Winter rauh die goldenen Träume vernichtet und den Menschen seine eisige Faust unter die Nase hält.

Graf und Gräfin Lobositz waren im Hotel Beau Rivage abgestiegen und friedlich schlenderten sie den Kai Montblanc hinab, der jetzt Kai Wilson heißt.

Hinter den Jurabergen versank die Sonne, im blauen Lichtglanz lag der See, Dampfer kamen und gingen. Eine bunte, elegante Fremdenwelt wogte die breite Kaipromenade entlang. Vom Kasino her rauschte die Musik, und über den kahlen Hängen der Salève stieg die silberweiße Silhouette des Montblanc mit unirdischer, weltferner Herrlichkeit in den langsam dunkelnden Himmel.

Immer weiter schritten sie den Kai Wilson hinab bis zum entzückenden Park von Mon Repos, der ihn abschließt.

Ein leichter Wind bläht die Segel der Barken, die hier kreuzen. Zur Rechten beginnt die Stadt ihre tausend Lichter anzuzünden.

Es wird dunkel und kühl. Nur hoch oben, über den Abhängen der Salève weg, stehen die drei Riesenhäupter des Montblanc im letzten Lichtschein des Tages – weiß, gigantisch, während alles ringsherum schon im Dunkel versinkt.

Unter einer mächtigen Libanonzeder sitzen Lobositz und Lilith schweigend und eng aneinander gepreßt. Sie haben soviel zu denken und zu fühlen. Sie können nicht reden. Jeder fühlt sich am Ziel – und das Ziel ist gemeinsam. Wenn auch der Weg dahin so ganz verschieden war und von so ganz verschiedenen Gefühlen begleitet.

Eine unendliche Ruhe ist über beide gekommen. Sie haben den Gipfel des Lebens erreicht und ruhen aus, Feiertage der Seele, wo die zerstörenden, dunklen Gewalten niedergekämpft und eingeschlossen sind und ihre Kraft verloren haben. Nichts von der Sorge und der Not der Welt reicht an sie heran, sie schweben über dem Leben, das tief unten brandet.

Nur nicht hinuntersteigen! Nur nicht geweckt werden! Festhalten den Zauber dieser Stunden, festhalten, solang es irgend geht.


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