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Als er indessen abends gegen zehn Uhr nach Villers-Cotterêts kam, nachdem er um sechs Uhr morgens abgegangen war, und im Zwischenraume die ungeheure Wanderung gemacht hatte, begriff Pitou, so traurig er sich fühlte, es wäre besser, im Gasthofe zum Dauphin in einem Bette, als unter freiem Himmel am Fuße einer Buche oder einer Eiche des Waldes zu schlafen.
Denn in Haramont in einem Hause zu schlafen, wenn er dort um halb elf Uhr abends erst ankäme, daran war nicht zu denken; seit anderthalb Stunden waren alle Lichter ausgelöscht und alle Thüren geschlossen.
Pitou kehrte also im Gasthause zum Dauphin ein, wo er für dreißig Sous ein vortreffliches Bett, einen vierpfündigen Laib Brot, ein Stück Käse und einen Krug Aepfelmost bekam.
Pitou war zugleich abgemattet und verliebt, lahm und in Verzweiflung; daraus erfolgte zwischen dem Physischen und Moralischen ein Kampf, in dem das Moralische, anfangs siegend, am Ende unterlag.
Das heißt von elf Uhr bis zwei Uhr morgens seufzte, stöhnte Pitou, drehte er sich im Bette um, ohne schlafen zu können; um zwei Uhr aber schloß er, durch die Müdigkeit besiegt die Augen, um sie erst um sieben Uhr wieder zu öffnen.
Als Pitou das Gasthaus zum Dauphin verließ, bemerkte er, daß sein Helm und Säbel abermals die öffentliche Aufmerksamkeit erregten.
Er sah sich auch wirklich, als er ungefähr hundert Schritte gemacht hatte, als den Mittelpunkt einer Versammlung.
Pitou hatte entschieden eine ungeheure Popularität in der Gegend erlangt.
Einige Einwohner von Villers-Cotterêts, die Pitou am Tage vorher vom Abbé Fortier, in der Rue de Soissons, bis zur Thüre der Tante Angélique geleitet hatten, beschlossen, um die Huldigung fortzusetzen, Pitou von Villers-Cotterêts nach Haramont zu geleiten.
Dies thaten sie, und als es die Einwohner von Haramont sahen, so fingen sie an, ihren Landsmann zu seinem wahren Werte zu schätzen.
Allerdings war der Boden schon bereitet, um den Samen aufzunehmen. Der erste Durchzug von Pitou, so rasch er gewesen, hatte doch eine Spur in den Geistern zurückgelassen: sein Helm und sein Säbel waren denen, die ihn im Zustande einer leuchtenden Erscheinung gesehen, im Gedächtnis geblieben.
Daher umgaben ihn die Einwohner von Haramont auch mit allen Zeichen der Hochachtung und baten ihn, seine kriegerische Rüstung niederzulegen und sein Zelt unter den vier Linden aufzuschlagen, die den Platz des Dorfes beschatteten.
Pitou ließ sich um so leichter herbei, hiezu einzuwilligen, als es seine Absicht war, seinen bleibenden Aufenthalt in Haramont zu nehmen. Er nahm daher zum Obdach ein Zimmer an, das ein kriegerisch Gesinnter des Dorfes ganz möbliert an ihn vermietete.
Möbliert mit einem Bett von Brettern, mit einem Strohsack und einer Matratze; möbliert mit zwei Kästen, einem Tische und einem Wasserkrug.
Das Ganze wurde vom Eigentümer selbst jährlich zu sechs Livres, das heißt zum Preise von zwei Schüsseln Hahn mit Reis angeschlagen.
Nachdem dieser Preis festgestellt war, nahm er Besitz von der Wohnung, wobei er denen, die ihn begleitet hatten, zu trinken bezahlte, und da ihm die Ereignisse nicht weniger als der Aepfelwein zu Kopf gestiegen waren, so hielt er ihnen auf der Schwelle seiner Thüre eine Rede.
Sie war ein großes Ereignis, diese Rede von Pitou; es bildete auch ganz Haramont einen Kreis um das Haus.
Pitou war ein wenig Gelehrter und kannte dies Schönreden; er wußte die acht Worte, mit denen zu jener Zeit die Ordner der Nationen, wie sie Homer nannte, die Volksmassen in Bewegung setzten.
Von Herrn Lafayette bis Pitou war es allerdings weit, aber von Haramont bis Paris, welche Entfernung!
Moralisch gesprochen, wohl verstanden!
Pitou debütierte mit einem Eingang, mit dem sogar der Abbé Fortier nicht unzufrieden gewesen wäre.
Bürger, sprach er, Mitbürger, dieses Wort ist süß auszusprechen, ich habe es schon zu andern Franzosen gesagt, denn alle Franzosen sind Brüder; hier glaube ich es aber zu wahren Brüdern zu sagen, und ich finde in meinen Landsleuten von Haramont eine ganze Familie.
Die Frauen, – es fanden sich einige unter den Zuhörern, und das waren nicht die am besten gestimmten – Pitou hatte noch zu dicke Kniee und zu kleine Waden, um mit dem ersten Blick ein weibliches Auditorium für sich einzunehmen, – die Frauen dachten bei dem Worte Familie an den armen Pitou, das Waisenkind, an diesen armen Verlassenen, der seit dem Tode seiner Mutter sich niemals satt gegessen hatte. Und das Wort Familie von diesem Jungen ausgesprochen, der keine hatte, bewegte bei mehreren von ihnen die empfindliche Fiber, die den Thränenbehälter schließt.
Nachdem der Eingang beendigt war, fing Pitou die Erzählung, den zweiten Teil seiner Rede an.
Er sprach von seiner Reise nach Paris, von den Aufständen mit den Büsten, von der Einnahme der Bastille und der Rache des Volks. Er schlüpfte leicht über den Anteil weg, den er am Kampfe auf dem Platze des Palais-Royal und im Faubourg Saint-Antoine genommen hatte; doch je weniger er sich rühmte, desto mehr wuchs er in den Augen seiner Landsleute.
Nachdem die Erzählung beendigt war, kam Pitou zur Beweisführung, dieser zarten Operation, an der Cicero den wahren Redner erkannte.
Er bewies, daß die Leidenschaften des Volks gerade durch die Aufkäufer erregt worden waren. Er sagte ein paar Worte von den Herren Pitt, Vater und Sohn; er erklärte die Revolution durch die dem Adel und der Geistlichkeit bewilligten Privilegien; er forderte endlich das Volk von Haramont auf, insbesondere zu thun, was das französische Volk im allgemeinen gethan hatte: nämlich, sich gegen den allgemeinen Feind zu vereinigen.
Dann ging er von der Beweisführung zum Schluß durch eine von jenen erhabenen Bewegungen über, die allen großen Rednern gemein sind.
Er ließ seinen Säbel fallen, und indem er ihn wieder aufhob, zog er ihn scheinbar aus Unachtsamkeit aus der Scheide.
Das gab ihm den Text zu einem aufrührerischen Antrag, der nach dem Beispiel der Pariser alle Einwohner der Gemeinde zu den Waffen rief.
Die enthusiastischen Haramonter antworteten kräftig. Die Revolution wurde im Dorfe verkündet und mit Zujauchzen begrüßt.
Die Leute von Villers-Cotterêts, die der Versammlung beigewohnt hatten, gingen, das Herz angeschwollen vom patriotischen Sauerteig, weg und sangen auf eine für die Aristokraten höchst bedrohliche Weise und mit einer unbändigen Wut:
Vive Henri quatre!
Vive ce roi vaillant!
Rouget de l'Isle hatte die Marseillaise noch nicht komponiert, und die Föderierten von 90 hatten das alte volkstümliche Ça ira noch nicht wiedererweckt, in Betracht, daß man erst im Jahre der Gnade 1789 war.
Pitou glaubte nur eine Rede gehalten zu haben; er hatte aber eine Revolution gemacht.
Er kehrte in seine Wohnung zurück, bewirtete sich mit einem Stück Schwarzbrot und dem Käserest aus dem Gasthause zum Dauphin, den er sorgfältig in seinem Helme mitgebracht hatte; dann kaufte er Messingdraht, machte sich Schlingen und legte sie, als es nacht geworden war, im Walde.
In derselben Nacht fing Pitou ein älteres und ein jüngeres Kaninchen.
Gegen ein Uhr nach Mitternacht kehrte er mit dieser ersten Beute zurück, er hoffte wohl eine zweite bei den Fährten vom Morgen zu machen.
Er legte sich nieder, bewahrte aber in seinem Innern noch einen so bittern Rest von dem Schmerz, der seine Beine am Tage vorher so sehr ermüdete, daß er auf der grausamen Matratze, die der Hauseigentümer selbst eine Galette nannte, nur sechs Stunden hintereinander hatte schlafen können.
Pitou schlief also von ein Uhr bis sieben Uhr morgens. Die Sonne überraschte ihn schlafend bei offenem Laden.
Durch diesen offenen Laden sahen ihm dreißig bis vierzig Einwohner von Haramont zu, wie er schlief.
Er erwachte, lächelte seinen Landsleuten zu und fragte sie freundlich, warum sie in so großer Anzahl und so frühzeitig zu ihm kämen.
Einer von ihnen nahm das Wort. Es war ein Holzhacker, Namens Claude Tellier.
Ange Pitou, sagte er, wir haben die ganze Nacht überlegt; die Bürger müssen sich in der That, wie du es uns gestern gesagt hast, für die Freiheit bewaffnen.
Ich habe es gesagt, erwiderte Pitou mit einem festen Ton, der verkündigte, er sei bereit, seinen Worten zu entsprechen.
Nur fehlt es uns an einer Hauptsache.
An was? fragte Pitou mit Teilnahme.
An Waffen.
Ah! das ist wahr!
Wir haben aber genug überlegt, um unser Ueberlegen nicht zu verlieren, und wir werden uns um jeden Preis bewaffnen!
Bei meinem Abgang, sprach Pitou, waren fünf Flinten in Haramont: drei Kommißflinten, eine Jagdflinte mit einem Lauf und eine andre Jagdflinte mit zwei Läufen.
Es sind nur noch vier da, antwortete der Redner, die Jagdflinte ist vor einem Monat aus Altersschwäche zersprungen.
Das war die Flinte von Désiré Maniquet, bemerkte Pitou.
Ja, und sie hat mir beim Zerspringen sogar zwei Finger mitgenommen, sagte Désiré Maniquet, indem er seine verstümmelte Hand über seinen Kopf emporhob, und da mir der Unfall im Kaninchengehege des Aristokraten begegnet ist, den man Herrn von Longure nennt, so werden mir die Aristokraten das bezahlen.
Pitou nickte mit dem Kopfe, um anzudeuten, er billige diese gerechte Rache.
Nun! sprach Pitou, mit vier Flinten habt Ihr schon die Mittel, um fünf Männer zu bewaffnen.
Wieso?
Ja, der Fünfte wird eine Pike tragen; das ist so in Paris: auf vier mit Flinten bewaffnete Männer kommt immer einer mit einer Pike. Die Piken, das ist sehr bequem, das dient um die Köpfe darauf zu stecken, die man abgeschnitten hat.
Ho! ho! rief eine kräftige, heitere Stimme, wir wollen hoffen, daß wir keine Köpfe abschneiden werden.
Nein, erwiderte Pitou ernst, wenn wir das Geld der Herren Pitt Vater und Sohn zurückzuweisen wissen. Doch wir waren bei den Flinten; bleiben wir bei der Frage, wie Herr Bailly sagt. Wieviel Männer sind in Haramont fähig, Waffen zu tragen? Habt Ihr Euch gezählt.
Ja, wir sind zweiunddreißig.
Es fehlen also achtundzwanzig Flinten.
Wie wird man sie bekommen? fragte der dicke Mann mit dem heiteren Gesichte.
Oh! versetzte Pitou, man muß das wissen, Boniface.
Was weißt du?
Ich weiß, daß man sie sich verschaffen kann. Das Pariser Volk hatte auch keine Waffen. Nun wohl! Herr Marat, ein sehr gelehrter, aber sehr häßlicher Arzt, hat dem Pariser Volke gesagt, wo es Waffen gebe; das Pariser Volk ging dahin, wo Herr Marat sagte, und es fand Waffen.
Und wohin hieß Marat die Leute gehen?
Ins Invalidenhaus.
Ja, doch wir haben kein Invalidenhaus in Haramont.
Ich, ich weiß einen Ort, wo es mehr als hundert Flinten giebt.
In einem der Säle des Collège von Abbé Fortier.
Der Abbé Fortier hat hundert Flinten? Er will also seine Chorknaben, diese kleinen Pfaffennarren, bewaffnen? versetzte Claude Tellier.
Pitou hatte keine tiefe Zuneigung für den Abbé Fortier; doch dieser heftige Ausfall gegen seinen ehemaligen Lehrer verwundete ihn in seinem Innersten.
Claude! rief er, Claude! Ich habe nicht gesagt, die Flinten gehören dem Abbé Fortier.
Wenn sie bei ihm sind, gehören sie ihm.
Das Dilemma ist falsch, Claude. Ich bin im Hause von Bastien Godinet, und dennoch gehört das Haus von Bastien Godinet nicht mir.
Das ist wahr, sprach Bastien, welcher antwortete, ohne daß Pitou ihn besonders aufzufordern nötig gehabt hatte.
Wem gehören denn die Flinten?
Der Gemeinde.
Wenn sie der Gemeinde gehören, warum sind sie beim Abbé Fortier?
Sie sind beim Abbé Fortier, weil das Haus des Abbés Fortier der Gemeinde gehört, die ihm Quartier dafür giebt, daß er die Messe liest und gratis die Kinder unterrichtet. Da nun dieses Haus der Gemeinde gehört, so hat die Gemeinde wohl das Recht, sich ein Zimmer vorzubehalten, um die Flinten darin aufzubewahren; ha!
Das ist wahr, sprachen die Zuhörer, sie hat das Recht dazu.
Nun aber, hernach, wie werden wir uns diese Waffen verschaffen? sprich.
Die Frage brachte Pitou in Verlegenheit, er kratzte sich hinter dem Ohr.
Ja, sprich geschwind, sagte eine andre Stimme, wir müssen zur Arbeit gehen.
Pitou atmete, der letzte, der gesprochen, hatte ihm eine Ausflucht geöffnet.
Zur Arbeit, rief Pitou. Ihr sprecht davon, daß Ihr Euch für die Verteidigung des Vaterlandes bewaffnen wollt, und Ihr denkt an das Arbeiten?
Und Pitou punktierte seinen Satz mit einem so spöttischen und verächtlichen Gelächter, daß sich die Haramonter gedemütigt anschauten.
Wir würden wohl, wenn es durchaus notwendig wäre, noch ein paar Tage opfern, um frei zu sein, sagte eine andre Stimme.
Um frei zu sein, entgegnete Pitou, ist es nicht ein Tag, den man opfern müßte, sondern alle seine Tage.
Also, sagte Boniface, wenn man für die Freiheit arbeitet, macht man Feiertag.
Boniface, erwiderte Pitou mit der Miene eines erzürnten Lafayette; diejenigen werden nie frei sein können, welche nicht die Vorurteile mit Füßen zu treten wissen.
Mir, was mich betrifft, sagte Boniface, mir ist nichts lieber, als nichts zu arbeiten. Aber, wie macht man es, um zu essen?
Man ißt, wenn man die Tyrannen besiegt hat, antwortete Pitou. Hat man am 14. Juli gegessen? Dachte man an diesem Tage daran, zu essen? Nein man hatte nicht Zeit dazu.
Ah! ah! sagten die Eifrigsten, das mußte schön sein, die Einnahme der Bastille.
Essen! fuhr Pitou verächtlich fort. Ah! Trinken, da sage ich nicht nein. Es war so heiß, und das Kanonenpulver ist so beißend.
Aber, was trank man?
Was man trank? Wasser, Wein, Branntwein. Die Weiber hatten diese Sorge übernommen.
Die Weiber?
Ja, herrliche Weiber, die aus dem Vorderteil ihrer Röcke Fahnen gemacht hatten.
Wahrhaftig! riefen die erstaunten Zuhörer.
Aber am andern Tage mußte man doch essen? fragte der Skeptiker.
Ich leugne das nicht, antwortete Pitou.
Dann, versetzte Boniface triumphierend, wenn man gegessen hat, hat man auch arbeiten müssen.
Herr Boniface, erwiderte Pitou, Ihr sprecht von diesen Dingen, ohne sie zu kennen. Paris ist kein Flecken. Es besteht nicht aus einem Haufen Landleuten, die am Herkommen fest hängen, den Gewohnheiten des Bauches ergeben, Obedientia ventri, wie wir Gelehrte uns auf lateinisch ausdrücken. Nein, Paris ist, wie Herr von Mirabeau sagt, der Kopf der Nationen; es ist ein Gehirn, das für die ganze Welt denkt. Ein Gehirn, mein Herr, das ißt nie.
Das ist wahr, dachten die Zuhörer.
Und dennoch nährt sich das Gehirn, das nicht ißt, ebenso, fuhr Pitou fort.
Wie nährt es sich denn? fragte Boniface.
Unsichtbar, von der Nahrung des Leibes.
Hier hörten die Haramonter auf, zu begreifen.
Kannst du uns das erklären, Pitou? fragte Boniface.
Das ist sehr leicht. Paris ist das Gehirn, wie ich gesagt habe; die Provinzen, das sind die Glieder; die Provinzen werden arbeiten, trinken, essen, und Paris wird denken.
Dann verlasse ich die Provinz und gehe nach Paris, sprach der Skeptiker Boniface. Geht Ihr mit mir nach Paris, Ihr Leute?
Ein Teil der Zuhörer brach in ein Gelächter aus und schien sich Boniface anzuschließen.
Pitou bemerkte, er würde durch den Spötter in Mißkredit kommen, und rief:
Geht doch dahin, geht doch nach Paris! und wenn Ihr dort ein einziges Gesicht findet, das so lächerlich ist als das Eurige, so kaufe ich Euch junge Kaninchen wie dieses hier um einen Louisd'or das Stück ab.
Und mit einer Hand zeigte Pitou sein Kaninchen, während er mit der andern die paar Louisd'or, die ihm von der Freigebigkeit Gilberts übrig geblieben waren, tanzen und klingen ließ.
Pitou erregte nun ebenfalls Gelächter.
Wonach sich Boniface ganz rot ärgerte.
Ei! Pitou, du machst wohl den Großprahler, daß du uns lächerlich nennst!
Lächerlich bist du, erwiderte Pitou majestätisch.
Aber schau' dich doch an, sagte Boniface.
Ich mag mich immerhin anschauen, entgegnete Pitou, ich werde vielleicht etwas ebenso Häßliches sehen, wie du, aber nie etwas so Dummes.
Pitou hatte kaum geendigt, als ihm Boniface, – man ist beinahe Stierkämpfer in Haramont, – einen Faustschlag versetzte, den Pitou mit scharfem Auge geschickt parierte und gleichzeitig mit einem echten Pariser Fußtritt erwiderte.
Auf diesen ersten Fußtritt folgte ein zweiter, der den Skeptiker niederwarf.
Dann bückte sich Pitou zu seinem Gegner hinab, als wollte er dem Siege höchst fatale Folgen geben, und jeder eilte schon Boniface zu Hilfe, als sich Pitou wieder erhob und sprach:
Erfahre, daß die Sieger der Bastille nicht auf Faustschläge kämpfen. Ich habe einen Säbel, nimm einen Säbel und machen wir ein Ende.
Hernach zog Pitou vom Leder, vergessend oder nicht vergessend, daß es in Haramont nur seinen Säbel und den des Flurschützen gab, der anderthalb Fuß kürzer war als der seinige.
Um das Gleichgewicht herzustellen, setzte er seinen Helm auf.
Diese Seelengröße elektrisierte die Versammlung; man kam überein, Boniface sei ein Lümmel, ein dummer Kerl, ein Einfaltspinsel, unwürdig, an der Verhandlung der öffentlichen Angelegenheiten teilzunehmen.
Demzufolge stieß man ihn aus.
Ihr seht das Bild der Revolutionen von Paris, sprach sodann Pitou. Wie es Herr Prudhomme oder Loustalot gesagt hat, ich glaube, es ist der tugendhafte Loustalot . . . ja, er ist es, ich bin dessen sicher:
Die Großen scheinen uns nur groß, weil wir auf den Knieen sind; stehen wir auf!
Dieser Spruch hatte nicht die geringste Beziehung zu der Lage der Dinge. Doch vielleicht gerade deshalb brachte er eine wunderbare Wirkung hervor.
Der Skeptiker Boniface, der ungefähr zwanzig Schritte entfernt stand, war davon betroffen, kam demütig herbei und sagte zu Pitou: Du mußt uns nicht böse sein, Pitou, wenn wir die Freiheit nicht so gut kennen, als du.
Das ist nicht die Freiheit, erwiderte Pitou. Das sind die Menschenrechte.
Dieses Wort fiel als zweiter Keulenschlag, mit dem Pitou die Versammlung zum zweiten Mal niederschmetterte.
Pitou, sprach Boniface, du bist entschieden ein Gelehrter, und wir bezeigen dir unsre Ehrfurcht.
Pitou verbeugte sich.
Ja, sagte er, die Erziehung und die Erfahrung haben mich über Euch gestellt, und wenn ich soeben ein wenig hart mit Euch sprach, so geschah es aus Freundschaft für Euch.
Der Beifallssturm brach los. Pitou sah, daß er sich kühn in die Brust werfen konnte.
Ihr habt von Arbeit gesprochen, sagte er; aber wißt Ihr wohl, was Arbeit ist? Für Euch besteht die Arbeit im Holzspalten, im Schneiden der Ernte, im Buchelnlesen, im Binden der Garben, im Setzen von Steinen und Befestigen derselben durch Mörtel . . . Das ist die Arbeit für Euch. Nun! Ihr täuscht Euch, ich allein arbeite mehr, als Ihr alle, denn ich denke auf Eure Emanzipation, sinne Tag und Nacht auf Eure Freiheit und Gleichheit. Ein einziger von meinen Augenblicken ist so viel wert, als hundert von Euren Tagen. Die Ochsen, die arbeiten, thun alle dasselbe; aber der Mensch, der denkt, übertrifft alle Kräfte der Materie. Ich allein bin so viel wert, als Ihr alle.
Seht Herrn von Lafayette: das ist ein magerer, blonder Mann, nicht viel größer als Claude Tellier; er hat eine spitzige Nase, kleine Beine, und Arme wie dieses Stuhlbein; was die Hände und Füße betrifft, so lohnt es sich nicht der Mühe, davon zu sprechen, es wäre ebensogut, gar keine zu haben. Nun! dieser Mann hat zwei Welten auf seinen Schultern getragen, eine mehr als Atlas, und seine Hände, sie haben die Ketten Amerikas und Frankreichs gebrochen . . .
Da nun seine Arme dies gethan haben, Arme so schwach wie Stuhlbeine, so beurteilt einmal, was erst die meinigen werden thun können.
Und dieses sprechend zeigte Pitou seine Arme, die so knorrig waren, wie Stechpalmenstämme.
Nach dieser Vergleichung hielt er inne, überzeugt, ohne besonderen Redeschluß, eine ungeheure Wirkung hervorgebracht zu haben.
Er hatte sie wirklich hervorgebracht.