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Die Oper, dieser Tempel des Vergnügens in Paris, war im Juni 1781 abgebrannt.
Zwanzig Personen waren unter den Trümmern umgekommen, und da dieses Unglück sich seit achtzehn Jahren zum zweiten Mal ereignete, so erschien der gewöhnliche Ort der Oper, das Palais Royal, als unheilvoll für die Pariser Freuden, und eine königliche Ordonnanz wies ihr eine andere Stelle in einem minder centralen Quartier an.
Sie gereichte den Nachbarinnen zur Beängstigung, diese Stadt von Leinwand und weißem Holz, von Cartons und Malereien. Gesund und wohlbehalten entflammte die Oper die Herzen der Geldmänner und der Leute vom Stand, sie brachte Vermögen und Rang in andere Hände. Die Oper im Brand konnte ein Quartier, die ganze Stadt zerstören. Es handelte sich nur um einen Windstoß.
Die Oertlichkeit, die man wählte, war die Porte Saint-Martin. Der König, den es peinigte, daß seine gute Stadt Paris lange der Oper entbehren sollte, wurde traurig, wie er es immer wurde, wenn die Getreidezufuhren nicht ankamen, oder wenn der Brodpreis sieben Sous für vier Pfund überstieg.
Man mußte den ganzen alten Adel und die ganze junge Rechtsgelehrsamkeit, das ganze Militär und die ganze Geldaristocratie durch diese Leere am Abend aus dem Geleise gebracht sehen, man mußte auf den Promenaden die ihres Zufluchtsortes beraubten Gottheiten von den untersten Stufen bis zur ersten Sängerin umherirren sehen.
Um den König und auch ein wenig die Königin zu trösten, ließ man Ihre Majestäten einen Baumeister, Herrn Lenoir, sehen, der Wunderdinge versprach.
Dieser wackere Mann hatte neue Pläne, ein so vollkommenes Circulationssystem, daß selbst im Fall eines Brandes Niemand in den Gängen erstickt werden konnte. Er öffnete acht Thüren für die Flüchtlinge, abgesehen von einem ersten Stock mit fünf breiten und so niedrigen Fenstern, daß selbst die Feigsten auf das Boulevard springen konnten, ohne etwas Anderes als Verrenkungen zu befürchten.
Herr Lenoir gab, um den schönen Saal von Moreau und die Gemälde von Durameaux zu ersetzen, ein Gebäude von sechsundneunzig Fuß Façade auf dem Boulevard, eine Façade, geschmückt mit acht Karnatiden, die an Pfeiler angelehnt waren, um drei Eintrittsthore zu bilden; acht auf der Unterlage ruhende Säulen; ein Basrelief über den Capitälern, einen Balcon mit drei durch Archivolten verzierten Kreuzstöcken.
Die Scene sollte sechsunddreißig Fuß Oeffnung, das Theater zweiundsiebzig Fuß Tiefe und vierundachtzig in seiner Breite von einer Mauer zur andern haben.
Die Foyers sollten mit Spiegeln von einfacher, aber edler Decoration geschmückt werden.
In der ganzen Breite des Saales, unter dem Orchester, wollte Herr Lenoir einen Raum von zwölf Fuß für ein ungeheures Reservoir und zwei Hauptpumpen bestimmen, für deren Bedienung zwanzig Mann aufgestellt sein sollten.
Um das Maß voll zu machen, verlangte der Baumeister fünfundsiebenzig Tage und fünfundsiebenzig Nächte, worauf der Saal dem Publicum übergeben werden sollte, nicht eine Stunde mehr oder weniger.
Dieser letzte Artikel schien eine Gasconnade zu sein; man lachte Anfangs viel darüber, aber der König machte seine Berechnung mit Herrn Lenoir und bewilligte Alles.
Herr Lenoir schritt zum Werke und hielt sein Versprechen. Der Saal war in der verabredeten Frist vollendet.
Doch das Publicum, das nie befriedigt oder beruhigt ist, bedachte nun, der Saal sei von Holz gebaut, das einzige Mittel, schnell zu bauen, die Schnelligkeit sei aber eine Bedingung der Schwäche und die neue Oper folglich nicht solid. Dieses Theater, nach dem man so sehr geseufzt, das die Neugierigen Balken für Balken sich hatten erheben sehen, dieses Monument, zu dem jeden Abend ganz Paris geströmt war, um seine Zunahme zu beschauen und sich zum Voraus seinen Platz darin zu bestimmen – Niemand wollte hinein, als es vollendet war. Die Verwegensten, die Wahnsinnigsten nahmen ihre Billets zu der ersten Vorstellung von Adele von Panthieu, Musik von Piccini, machten aber zu gleicher Zeit ihr Testament.
Als der Baumeister dieß sah, nahm er seine Zuflucht zum König, der ihm eine Idee gab.
»Die Feigherzigen in Frankreich sind die Leute, welche bezahlen,« sagte Seine Majestät; »diese wollen Ihnen wohl eine Rente von zehntausend Livres geben und sich im Gedränge ersticken lassen, aber sie wollen sich nicht der Gefahr aussetzen, unter den einstürzenden Plafonds begraben zu werden. Lassen Sie mir diese Leute und laden Sie nur die Muthigen ein, welche nicht bezahlen. Die Königin hat mir einen Dauphin geschenkt, die Stadt schwimmt in Freude. Lassen Sie ankündigen, zur frohen Feier der Geburt meines Sohnes werde die Oper durch ein Schauspiel mit freiem Eintritt eröffnet, und wenn zweitausendfünfhundert zusammengehäufte Personen, das heißt eine Mittelsumme von dreimalhunderttausend Pfund ihnen nicht genügen, um die Solidität zu beweisen, so bitten Sie alle diese kräftigen Bursche, sich ein wenig zu tummeln; Sie wissen, Herr Lenoir, daß sich das Gewicht verfünffacht, wenn es um vier Zoll fällt. Ihre zweitausendfünfhundert Brave werden fünfzehntausend Centner wiegen, wenn Sie sie tanzen lassen; geben Sie also einen Ball nach dem Schauspiel.«
»Sire, ich danke,« erwiderte der Architect.
»Zuvor bedenken Sie aber, das wird schwer sein.«
»Sire, ich bin meiner Sache sicher und werde auf diesen Ball gehen.«
»Ich,« sagte der König, »ich verspreche Ihnen, der zweiten Vorstellung beizuwohnen.«
Der Baumeister befolgte den Rath des Königs. Man spielte Adele von Ponthieu vor dreitausend Plebejern, welche mehr Beifall klatschten, als Könige.
Die Plebejer waren es wohl zufrieden nach dem Schauspiel zu tanzen und sich bedeutend zu belustigen. Sie verzehnfachten ihr Gewicht, statt es zu verfünffachen.
Nichts rührte sich im Saal.
Hätte man ein Unglück zu fürchten gehabt, so wäre es bei den nachfolgenden Vorstellungen gewesen, denn die Furchtsamen der hohen Stände füllten diesen Saal, in den sich drei Jahre nach seiner Eröffnung der Herr Cardinal von Rohan und Frau von La Mothe zum Ball begaben.
Dieß war der Eingang, den wir unsern Lesern schuldeten; nun aber suchen wir unsere Personen wieder auf.