Alexander Dumas d. Ä.
Der Graf von Monte Christo. Vierter Band.
Alexander Dumas d. Ä.

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Die Gruft der Familie Villefort.

Zwei Tage nachher versammelte sich eine beträchtliche Menge Menschen gegen zehn Uhr morgens vor der Tür des Herrn von Villefort, und man sah eine Reihe von Trauerwagen und Privatgefährten den Faubourg Saint-Honoré und die Rue de la Pépinière entlang ziehen.

Unter diesen Wagen hatte einer eine sonderbare Form. Es war eine Art von schwarz angemaltem Packwagen. Auf ihre Erkundigung erfuhren die Leidtragenden, daß dieser Wagen den Körper des Marquis von Saint-Meran enthalte. Die Zahl der Anwesenden war sehr groß. Der Marquis von Saint-Meran, einer der eifrigsten und getreuesten Würdenträger König Ludwigs XVIII. und König Karls X., besaß eine große Zahl von Freunden, zu denen noch die vielen Personen kamen, die durch gesellschaftliche Bande an Herrn von Villefort geknüpft waren.

Ein zweiter Wagen, mit derselben Pracht geschmückt, fuhr vor der Tür des Herrn von Villefort vor, und der Sarg wurde von dem erwähnten Transportwagen auf den Leichenwagen gebracht.

Die beiden Toten sollten in dem Friedhofe des Père la Chaise bestattet werden, wo seit langer Zeit Herr von Villefort das für das Begräbnis seiner ganzen Familie bestimmte Gewölbe hatte errichten lassen. In diesem Gewölbe ruhte bereits der Leichnam der armen Renée, mit der sich ihr Vater und ihre Mutter nach zehnjähriger Trennung wieder vereinigen sollten.

Miteinander in demselben Trauerwagen unterhielten sich Beauchamp, Debray und Chateau-Renaud über den plötzlichen Todesfall.

Ich habe Frau von Saint-Meran bei meiner Rückkehr von Algerien im vorigen Jahre in Marseille gesehen, sagte Chateau-Renaud; mit ihrer vollkommenen Gesundheit, mit ihrer Geistesgegenwart und ihrer wunderbaren Rüstigkeit schien sie zu einem Leben von hundert Jahren bestimmt. Wie alt war die Marquise?

Sechsundsechzig Jahre, wenigstens wie mir Franz versicherte, antwortete Albert. Doch das Alter ist es nicht, was sie getötet hat, sondern der Kummer über den Tod des Marquis; es scheint, daß sie seit diesem Tode, der sie aufs heftigste erschütterte, nicht mehr völlig zur Vernunft gekommen ist.

Doch, woran ist sie denn gestorben? fragte Debray.

An einer Hirnkongestion, wie es scheint, oder an einem Schlagflusse.

Schlagfluß, versetzte Beauchamp, das ist schwer zu glauben. Frau von Saint-Meran, die ich ebenfalls ein- oder zweimal in meinem Leben gesehen habe, war klein, von schwächlicher Gestalt und von mehr nervöser als sanguinischer Konstitution. Daß ein solcher Körper einem Schlagfluß erliegt, ist sehr selten.

Wie dem auch sein mag, sagte Albert, mag sie der Arzt oder die Krankheit getötet haben, Herr von Villefort oder Fräulein Valentine oder vielmehr unser Freund Franz ist nun im Besitze einer herrlichen Erbschaft, achtzigtausend Franken Rente, glaube ich.

Eine Erbschaft, die sich beim Tode des alten Jakobiners Noirtier beinahe verdoppelt.

Das nenne ich einen hartnäckigen Großvater, versetzte Beauchamp. Tenacem propositi virum. Er hat, glaube ich, gegen den Tod gewettet, er würde alle seine Erben beerdigen, und es wird ihm, meiner Treu, gelingen. Er ist das alte Konventsmitglied von 93, das im Jahr 1814 zu Napoleon sagte: Sie sinken, weil Ihr Kaiserreich ein junger, durch zu schnelles Wachsen saftlos gewordener Stamm ist. Nehmen Sie die Republik zum Vormund! Lassen Sie uns mit einer guten Konstitution auf die Schlachtfelder zurückkehren! Und ich verspreche Ihnen 500 000 Soldaten, ein neues Marengo und ein zweites Austerlitz. Die Ideen sterben nicht, Sire, sie schlummern zuweilen, aber sie erwachen stärker, als sie vor dem Einschlafen gewesen sind.

Es scheint, für ihn sind die Menschen, wie die Ideen; nur eines beunruhigt mich, ich möchte wissen, wie sich Franz d'Epinay in einen Großschwiegervater fügen wird, der seine Frau nicht entbehren kann. Doch wo ist Franz?

Im ersten Wagen mit Herrn von Villefort, der ihn bereits als zur Familie gehörig betrachtet.

In jedem von den Wagen, die dem Leichenbegängnis folgten, fand ungefähr dasselbe Gespräch statt; man staunte über die beiden so plötzlich und so rasch hintereinander eingetretenen Todesfälle; doch in keinem ahnte man das furchtbare Geheimnis, das Herr d'Avrigny bei seinem nächtlichen Spaziergang Herrn von Villefort mitgeteilt hatte.

Nach ungefähr einer Stunde gelangte man an das Tor des Friedhofes; es herrschte eine ruhige, aber düstere Witterung, die mit der eben stattfindenden Trauerfeierlichkeit im Einklange stand. Unter den Gruppen, die sich nach dem Familiengrabgewölbe wandten, erkannte Chateau-Renaud Morel, der ganz allein und im Kabriolett gekommen war; er ging, sehr bleich und schweigsam, auf dem schmalen, mit Eibenbäumen eingefaßten Pfade.

Sie hier? sagte Chateau-Renaud, seinen Arm unter den des jungen Kapitäns legend; Sie kennen also Herrn von Villefort? Wie kommt es denn, daß ich Sie nie bei ihm gesehen habe?

Ich kenne Herrn von Villefort nicht, entgegnete Morel, aber ich kannte Frau von Saint-Meran.

In diesem Augenblick trat Albert mit Franz zu ihnen.

Der Ort ist für eine Vorstellung schlecht gewählt, sagte Albert; doch gleichviel, wir sind nicht abergläubisch. Herr Morel, erlauben Sie mir, Ihnen Herrn Franz d'Epinay, einen vortrefflichen Reisegesellschafter, vorzustellen, mit dem ich Italien durchwandert habe. Mein lieber Franz, Herr Maximilian Morel, ein vortrefflicher Freund, den ich mir in deiner Abwesenheit erworben, und dessen Namen du in meiner Unterhaltung so oft hören wirst, als ich von Geist, Herz und Liebenswürdigkeit zu sprechen habe.

Morel war einen Augenblick unentschieden. Er fragte sich, ob nicht die freundliche Begrüßung eines Mannes, den er insgeheim bekämpfte, eine verdammenswerte Heuchelei sei; doch im Gedanken an seinen Schwur bemühte er sich, nichts auf seinem Gesichte durchblicken zu lassen, und grüßte ruhig.

Fräulein von Villefort ist wohl sehr traurig? sagte Debray zu Franz.

Oh! mein Herr, sie ist unaussprechlich traurig; heute morgen war sie so entstellt, daß ich sie kaum erkannte.

Die scheinbar so wenig besagenden Worte brachen Morel das Herz. Dieser Mensch hatte also Valentine gesehen, er hatte mit ihr gesprochen!

Der junge aufbrausende Offizier bedurfte seiner ganzen Kraft, um dem Verlangen, seinen Schwur zu brechen, zu widerstehen. Er nahm Chateau-Renaud am Arm und zog ihn rasch nach dem Grabgewölbe fort, vor dem die mit den Zeremonien des Leichenbegängnisses Beauftragten die beiden Särge niedergesetzt hatten.

Villeforts Familienbegräbnis bildete ein Geviert von weißen Steinen und war etwa zwanzig Fuß hoch. Durch die Bronzetür sah man nur ein Vorgemach, das durch eine Mauer von dem eigentlichen Grabgemach getrennt war. Mitten in dieser Mauer öffneten sich zwei Türen, die zu den Grabstätten der Villefort und Saint-Meran führten.

Die beiden Särge kamen in das Grabgewölbe rechts, das der Familie Saint-Meran, und wurden dort auf dazu bestimmte Gestelle gesetzt. Villefort, Franz und einige nahe Verwandte traten allein in das Allerheiligste.

Da die religiösen Zeremonien sich vor der Tür vollzogen und keine Rede gehalten wurde, so trennten sich die Anwesenden bald; Chateau-Renaud, Albert und Morel entfernten sich nach der einen Seite, Debray und Beauchamp nach der andern. Franz blieb mit Herrn von Villefort zurück. Am Tore des Friedhofes stand Morel unter irgend einem Vorwand still; er sah Franz in einem Trauerwagen mit Herrn von Villefort herausfahren, und es erfaßte ihn eine schlimme Ahnung, als er dieses Zusammensein unter vier Augen wahrnahm. Er kehrte daher nach Paris zurück, und obgleich er in demselben Wagen mit Chateau-Renaud und Albert fuhr, hörte er doch kein Wort von dem, was die beiden sprachen.

Als Franz Herrn von Villefort verlassen wollte, hatte dieser gesagt: Herr Baron, wann werde ich Sie wiedersehen?

Wann Sie wollen, hatte Franz erwidert.

Sobald als möglich.

Ich stehe zu Ihren Befehlen, mein Herr; ist es Ihnen genehm, daß wir zusammen zurückkehren?

Wenn es Ihnen nicht unangenehm ist.

Keineswegs.

So stiegen der zukünftige Schwiegervater und der zukünftige Schwiegersohn in einen Wagen, und Morel wurde, als er sie vorüberfahren sah, wie gesagt, von Unruhe erfaßt.

Villefort und Franz kehrten nach dem Faubourg Saint-Honoré zurück. Ohne bei jemand einzutreten, ohne mit seiner Frau oder seiner Tochter zu sprechen, ließ der Staatsanwalt den jungen Mann in sein Kabinett gehen, bezeichnete ihm einen Stuhl und sagte: Herr d'Epinay, ich muß Sie daran erinnern, und der Augenblick ist nicht so schlecht gewählt, als es den Anschein hat, denn der Gehorsam gegen die Toten ist das erste Opfer, das man auf ihren Sarg zu legen hat, ich muß Sie also daran erinnern, daß nach dem von Frau von Saint-Meran auf ihrem Sterbebette vorgestern ausgedrückten Wunsche Valentines Heirat keinen Aufschub duldet. Sie wissen, daß die Angelegenheiten der Hingeschiedenen vollkommen in Ordnung sind, daß ihr Testament Valentine das ganze Vermögen der Saint-Meran sichert? der Notar hat mir gestern die Akten gezeigt, auf denen die Fassung des Ehevertrages beruht. Sie können den Notar besuchen und sich in meinem Auftrage die Akten mitteilen lassen. Es ist Herr Deschamps, Place Beauveau, Faubourg Saint-Honoré.

Mein Herr, entgegnete d'Epinay, es ist vielleicht für Fräulein Valentine bei ihrem heftigen Schmerze nicht der geeignete Augenblick, sie an die Heirat zu erinnern; ich würde in der Tat befürchten . . .

Valentine, unterbrach ihn Herr von Villefort, wird kein lebhafteres Verlangen haben, als das, den letzten Willen ihrer Großmutter zu erfüllen; die Hindernisse werden somit, dafür stehe ich Ihnen, nicht von ihrer Seite kommen.

Da sie in diesem Fall auch nicht von meiner Seite kommen, erwiderte Franz, so handeln Sie nach Ihrem Gutdünken! Mein Wort ist gegeben, und es gereicht mir nicht nur zum Vergnügen, sondern auch zum Glück, es zu halten.

Es steht also nichts im Wege, versetzte Villefort; der Vertrag sollte vor drei Tagen unterzeichnet werden, er ist völlig bereit, und wir können ihn heute unterzeichnen.

Doch die Trauer? sagte Franz zögernd.

Seien Sie unbesorgt, mein Herr; der Anstand wird in meinem Hause nicht verletzt werden. Fräulein von Villefort kann sich für die drei vorgeschriebenen Monate auf ihr Gut Saint-Meran zurückziehen; ich sage ihr Gut, denn heute ist es ihr Eigentum. Dort wird in acht Tagen, wenn Sie wollen ohne Geräusch, ohne Gepränge, die Heirat vollzogen. Es war ein Wunsch der Frau von Saint-Meran, daß ihre Enkelin sich auf diesem Gute verheiraten möchte. Ist der Ehebund geschlossen, so können Sie nach Paris zurückkehren, während Ihre Frau die Trauerzeit bei ihrer Stiefmutter zubringt.

Ganz nach Ihrem Belieben, sagte Franz.

So haben Sie die Güte, eine halbe Stunde zu warten; Valentine wird in den Salon kommen. Ich lasse Herrn Deschamps rufen, wir lesen und unterzeichnen den Vertrag auf der Stelle, und noch heute abend bringt Frau von Villefort Valentine auf ihr Gut, wohin wir Ihnen in acht Tagen nachfolgen.

Mein Herr, ich habe Sie nur um eins zu bitten, sagte Franz, ich wünschte, daß Albert von Morcerf und Raoul von Chateau-Renaud bei der Unterzeichnung zugegen sind; Sie wissen, sie sind meine Zeugen.

Eine halbe Stunde genügt, um sie in Kenntnis zu setzen; soll ich sie holen lassen, oder wollen Sie diese Herren selbst holen?

Ich ziehe es vor, sie selbst zu holen.

Ich erwarte Sie in einer halben Stunde, und in einer halben Stunde wird auch Valentine bereit sein.

Franz verbeugte sich und verließ das Zimmer.

Kaum hatte sich die Tür des Hauses hinter dem jungen Manne geschlossen, als Villefort Valentine sagen ließ, sie sollte in einer halben Stunde in den Salon kommen, weil der Notar und die Zeugen des Herrn d'Epinay erscheinen würden. Diese unerwartete Kunde brachte einen mächtigen Eindruck in dem Hause hervor. Frau von Villefort wollte nicht daran glauben, und Valentine war wie von einem Donnerschlage niedergeschmettert. Sie schaute umher, als ob sie suchen wollte, von wem sie Hilfe verlangen könnte. Sie wollte zu ihrem Großvater hinabgehen; doch auf der Treppe begegnete sie ihrem Vater, der sie am Arme nahm und in den Salon führte. Hier traf sie Barrois, dem sie einen verzweifelten Blick zuwarf. Einen Augenblick nach Valentine trat Frau von Villefort mit dem kleinen Eduard in den Salon. Die junge Frau hatte sichtlich ihren Teil an dem Kummer der Familie gehabt; sie war bleich und schien furchtbar ermattet.

Frau von Villefort nahm Eduard auf ihren Schoß und drückte von Zeit zu Zeit mit beinahe krampfhaften Bewegungen den Knaben, in dem sich ihr ganzes Leben zu verdichten schien, an ihre Brust.

Bald hörte man das Geräusch zweier Wagen, die in den Hof fuhren. Der eine war der des Notars, der andere der von Franz, In einem Augenblick hatten sich alle im Salon versammelt.

Valentine war so bleich, daß man die blauen Adern ihrer Schläfe um ihre Augen sich abzeichnen und ihre Wangen entlang laufen sah. Chateau-Renaud und Albert schauten sich erstaunt an; die soeben vollzogene Zeremonie kam ihnen nicht trauriger vor, als die, welche nun beginnen sollte. Frau von Villefort hatte sich hinter einem Samtvorhang in den Schatten gesetzt, und da sie sich beständig über ihren Sohn neigte, so konnte man nur schwer auf ihrem Gesichte lesen, was in ihrem Herzen vorging.

Herr von Villefort schien, wie immer, unempfindlich.

Nachdem der Notar seine Papiere auf dem Tische geordnet, in einem Lehnstuhle Platz genommen und seine Brille etwas in die Höhe gehoben hatte, wandte er sich gegen Franz und fragte ihn, obgleich es ihm sehr wohl bekannt war: Sie sind Herr Franz von Quesnel, Baron d'Epinay?

Ja, mein Herr, antwortete Franz.

Der Notar verbeugte sich und fuhr fort: Ich muß Sie davon in Kenntnis setzen, mein Herr, und zwar im Auftrage des Herrn von Villefort, daß sich infolge der beabsichtigten Heirat Herrn von Noirtiers Gesinnung gegen seine Enkelin völlig verändert hat, und daß er auf andere das Vermögen übergehen läßt, das er ihr vermachen wollte. Ich muß indes sogleich bemerken, daß, insofern der Erblasser nur berechtigt ist, ihr einen Teil seines Vermögens zu entziehen, während er ihr das ganze entzogen hat, daß, sage ich, das Testament einem Angriff nicht widerstehen und für null und nichtig erklärt werden wird.

Allerdings, sagte Villefort; nur setze ich Herrn d'Epinay zum voraus davon in Kenntnis, daß zu meinen Lebzeiten das Testament meines Vaters nie angegriffen werden wird, da ich bei meiner Stellung auch den Schatten eines Skandals zu vermeiden habe.

Mein Herr, sagte Franz, es tut mir leid, daß eine solche Frage in Fräulein Valentines Gegenwart erhoben worden ist. Ich habe mich nie nach dem Betrage ihres Vermögens erkundigt, das unter allen Umständen noch ansehnlicher sein wird, als das meinige. Meine Familie suchte in der Verbindung mit Herrn von Villefort das Ansehen, ich suche darin das Glück.

Valentine machte ein unmerkliches Zeichen des Dankes, während zwei stille Tränen über ihre Wangen flossen.

Abgesehen jedoch, sagte Villefort, sich an seinen zukünftigen Schwiegersohn wendend, abgesehen von einem teilweisen Verluste Ihrer Hoffnungen hat dieses unerwartete Testament nichts, was Sie persönlich verletzen dürfte. Es erklärt sich durch Herrn Noirtiers Geistesschwäche. Meinem Vater mißfällt es nicht, daß Fräulein von Villefort sich mit Ihnen verbindet, sondern daß Valentine überhaupt heiratet. Ein Ehebund mit jedem andern hätte ihm denselben Kummer bereitet. Das Alter ist selbstsüchtig, mein Herr, und Fräulein von Villefort war für Herrn Noirtier eine treue Gesellschafterin, was die Baronin d'Epinay nicht mehr wird sein können. Der unglückliche Zustand meines Vaters macht, daß man selten mit ihm über ernste Gegenstände sprechen kann, denen er gar nicht zu folgen vermag, und ich bin fest überzeugt, daß Herr Noirtier vielleicht sich noch erinnert, daß seine Enkelin verheiratet werden soll, aber den Namen des ihr bestimmten Gatten völlig vergessen hat.

Kaum hatte Villefort diese Worte gesprochen, die Franz mit einer Verbeugung erwiderte, als die Tür des Salons sich öffnete und Barrois erschien.

Meine Herren, sagte er mit einer für einen Diener, der unter so feierlichen Umständen mit dem Sohn seines Gebieters spricht, seltsam festen Stimme, meine Herren, Herr Noirtier von Villefort wünscht auf der Stelle Herrn Franz von Quesnel, Baron d'Epinay, zu sprechen.

Villefort bebte, Frau von Villefort ließ ihren Sohn von ihrem Schoß heruntergleiten, Valentine erhob sich bleich und stumm wie eine Bildsäule. Albert und Chateau-Renaud schauten sich abermals und noch mehr erstaunt als das erstemal an.

Der Notar heftete seine Blicke auf Villefort.

Es ist unmöglich, sagte der Staatsanwalt; Herr d'Epinay kann den Salon in diesem Augenblick nicht verlassen.

Gerade in diesem Augenblick wünscht Herr Noirtier, mein Gebieter, Herrn Franz d'Epinay in einer wichtigen Angelegenheit zu sprechen, versetzte Barrois mit derselben Festigkeit.

Antworten Sie Herrn Noirtier, daß das, was er verlangt, nicht sein könne, sagte Villefort.

Dann läßt Herr Noirtier die Herren benachrichtigen, daß er sich werde in den Salon tragen lassen, sagte Barrois.

Das Erstaunen erreichte den höchsten Grad. Ein leichtes Lächeln erschien auf Frau von Villeforts Antlitz. Valentine schlug unwillkürlich die Augen zur Decke empor, um dem Himmel zu danken.

Valentine, sagte Herr von Villefort, ich bitte dich, erkundige dich doch, was diese neue Phantasie deines Großvaters bedeuten soll. Valentine machte rasch einige Schritte, um sich zu entfernen, doch Herr von Villefort besann sich eines anderen und rief: Warte, ich begleite dich.

Verzeihen Sie, mein Herr, sagte Franz, da Herr Noirtier nach mir verlangt, so habe ich mich, wie es scheint, vor allem seinen Wünschen zu fügen. Überdies werde ich mich glücklich fühlen, ihm meine Achtung zu bezeigen, da ich noch nicht Gelegenheit gehabt habe, mir diese Ehre zu erbitten.

Oh, mein Gott! bemühen Sie sich nicht, rief Villefort mit sichtbarer Unruhe.

Entschuldigen Sie mich, mein Herr, entgegnete Franz mit dem Tone eines Mannes, der seinen Entschluß gefaßt hat. Ich wünsche diese Gelegenheit nicht zu versäumen, um Herrn Noirtier zu beweisen, wie sehr er unrecht hätte, einen Widerwillen gegen mich zu hegen, den durch meine tiefe Ergebenheit zu besiegen mein inniges Verlangen ist.

Und ohne sich länger durch Villefort zurückhalten zu lassen, stand Franz ebenfalls auf und folgte Valentine, die bereits mit der Freude eines Schiffbrüchigen, der die Hand an einen Felsen legt, die Treppe hinabstieg.

Herr von Villefort folgte beiden.


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