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Was gibt es? fragte Monte Christo.
Zu Hilfe! wiederholte Caderousse; man hat mich ermordet.
Hier sind wir, Mut gefaßt!
Ah! es ist vorbei. Sie kommen zu spät! Oh die Stöße! Oh das Blut! Und er fiel in Ohnmacht.
Ali und sein Herr nahmen den Verwundeten und trugen ihn in ein Zimmer. Hier ließ ihn der Graf von Ali auskleiden und bemerkte die drei furchtbaren Wunden, die man ihm beigebracht hatte.
Mein Gott! sagte er, deine Rache läßt zuweilen auf sich warten, aber ich glaube, sie trifft dann nur um so vollständiger.
Ali schaute seinen Herrn an, als wollte er ihn fragen, was zu tun sei. Suche den Herrn Staatsanwalt von Villefort auf, der im Faubourg Saint-Germain wohnt, und führe ihn hierher! Im Vorbeigehen bringst du einen Arzt mit!
Ali gehorchte und ließ seinen Herrn mit dem immer noch ohnmächtigen Caderousse allein.
Als der Unglückliche die Augen wieder öffnete, schaute ihn der Graf, der ein paar Schritte von ihm entfernt saß, mit einem düstern Ausdrucke des Mitleids an, und seine Lippen schienen ein Gebet zu murmeln.
Einen Wundarzt, Herr Abbé, einen Wundarzt! – Man ist bereits weggegangen, einen zu holen.
Ich weiß wohl, daß es mit dem Leben vorbei ist; aber er kann mir vielleicht so viel Kraft geben, daß ich meine Aussage machen kann.
Sie kennen den Mörder also?
Ob ich ihn kenne! Ja, es ist Benedetto.
Der junge Korse? Ihr Gefährte?
Ja. Nachdem er mir den Plan von dem Hause des Grafen gegeben . . . ohne Zweifel in der Hoffnung, ich würde ihn töten, und er würde somit sein Erbe, – oder der Graf würde mich töten, und er wäre dadurch von mir befreit, wartete er auf mich auf der Straße und ermordete mich.
Ich habe auch den Staatsanwalt holen lassen.
Er wird zu spät kommen, sagte Caderousse, ich fühle, wie all mein Blut entströmt.
Warten Sie, sagte Monte Christo, ging aus dem Zimmer und kehrte nach fünf Minuten mit einem Fläschchen zurück, aus dem er auf die blauen Lippen des Verwundeten drei bis vier Tropfen einer Flüssigkeit goß.
Caderousse stieß einen Seufzer aus.
Oh! stammelte er, Sie gießen mir das Leben ein, wenn doch jemand käme, bei dem ich den Elenden anzeigen könnte.
Soll ich Ihre Aussage aufschreiben? Sie unterzeichnen sie sodann.
Ja . . . ja . . . sagte Caderousse, dessen Augen bei der Hoffnung auf Rache funkelten.
Monte Christo schrieb: Ich sterbe, ermordet durch den Korsen Benedetto, meinen Kettengenossen in Toulon unter der Nummer 59.
Eilen Sie! Eilen Sie! sagte Caderousse, ich kann sonst nicht mehr unterzeichnen.
Monte Christo reichte Caderousse die Feder, dieser raffte seine Kräfte zusammen, unterzeichnete, fiel wieder auf sein Lager zurück und sagte: Sie werden das übrige erzählen, Herr Abbé; Sie sagen, er lasse sich Andrea Cavalcanti nennen, er wohne im Hotel des Princes, er . . . ah! mein Gott, ich sterbe!
Caderousse wurde zum zweitenmale ohnmächtig.
Der Abbé ließ ihn den Geruch des Fläschchens einatmen, der Verwundete öffnete die Augen wieder. Seine Rachgier hatte ihn während seiner Ohnmacht nicht verlassen.
Ah! Sie werden alles sagen, nicht wahr, Herr Abbé?
Alles werde ich sagen, er habe Ihnen ohne Zweifel den Plan dieses Hauses in der Hoffnung gegeben, der Graf würde Sie töten. Ich werde sagen, er habe den Grafen durch ein Billett benachrichtigt; ich werde sagen, in Abwesenheit des Grafen habe ich dieses Billett empfangen und gewacht, um Sie zu erwarten.
Und man wird ihn hinrichten, nicht wahr? versetzte Caderousse, Sie versprechen es mir? Ich sterbe mit dieser Hoffnung, sie wird mir den Tod erleichtern.
Ich werde sagen, er sei hinter Ihnen gekommen, er habe die ganze Zeit gelauert und sei, als er Sie habe weggehen sehen, an die Ecke gelaufen, wo er sich verborgen.
Sie haben also dies alles gesehen?
Erinnern Sie sich meiner Worte: Wenn du unversehrt nach Hause kommst, glaube ich, daß Gott dir verziehen hat, und verzeihe dir ebenfalls.
Und Sie haben mich nicht gewarnt? rief Caderousse, indem er versuchte, sich auf seinen Ellenbogen zu erheben; Sie wußten, daß ich beim Weggehen ermordet werden würde, und haben mich nicht gewarnt?
Nein, denn in der Hand Benedettos sah ich die Gerechtigkeit Gottes, und ich hätte einen fluchwürdigen Frevel zu begehen geglaubt, würde ich mich den Absichten der Vorsehung widersetzt haben.
Die Gerechtigkeit Gottes! Sprechen Sie mir nicht davon, Herr Abbé, wenn es eine Gerechtigkeit Gottes gäbe, so müßten, wie Sie besser wissen, als irgend jemand, gewisse Personen gestraft sein, die es nicht sind.
Geduld, sagte der Abbé mit einem Tone, der den Sterbenden beben ließ, Geduld!
Caderousse schaute ihn erstaunt an.
Und dann, sagte der Abbé, ist Gott voll Barmherzigkeit gegen alle, wie er es auch gegen dich gewesen ist; er ist Vater, ehe er Richter ist.
Ah! Sie glauben also an Gott?
Wenn ich das Unglück gehabt hätte, bis jetzt nicht an ihn zu glauben, so würde ich es bei deinem Anblick tun.
Caderousse hob die geballten Fäuste zum Himmel empor.
Höre, sagte der Abbé, die Hand über den Verwundeten ausstreckend, höre, was dieser Gott, den du in deinem letzten Augenblicke verleugnen willst, für dich getan hat. Er hat dir deine Gesundheit, deine Kraft, eine sichere Arbeit, sogar Freunde, kurz ein Leben gegeben, wie es den Menschen erscheinen muß, um süß zu sein. Statt diese Gaben des Herrn zu benutzen, hast du dich der Trägheit, der Trunkenheit hingegeben, und in der Trunkenheit einen deiner besten Freunde verraten.
Zu Hilfe! rief Caderousse, ich brauche keinen Priester, sondern einen Arzt; vielleicht bin ich noch nicht auf den Tod verwundet, vielleicht werde ich noch nicht sterben, vielleicht kann man mich noch retten.
Du bist so sicher auf den Tod verwundet, daß du ohne die drei Tropfen, die ich dir soeben gegeben, bereits verschieden wärest. Höre also!
Ah! murmelte Caderousse, was für ein seltsamer Priester sind Sie, der Sie die Sterbenden in Verzweiflung bringen, statt sie zu trösten.
Höre, fuhr der Abbé fort, als du deinen Freund verraten hattest, fing Gott an, nicht dich zu schlagen, sondern zu warnen. Du versankst in Armut und littest Hunger; du hattest die Hälfte deines Lebens statt mit Arbeit mit Neid hingebracht und dachtest bereits an Verbrechen, als Gott ein Wunder für dich tat und dir durch meine Hände mitten in deinem Elend ein für dich glänzendes Vermögen schickte. Doch dieses unverhoffte Vermögen genügte dir nicht mehr, sobald du es besaßest; du wolltest es verdoppeln, durch welches Mittel? Durch einen Mord. Da faßte dich Gott und führte dich vor die menschliche Gerechtigkeit.
Nicht ich wollte den Juden töten, sondern die Carconte.
Ja, auch gestattete der stets barmherzige Gott, daß deine Richter von deinen Worten gerührt wurden und dir das Leben ließen.
Ja, vortrefflich, um mich für mein ganzes Dasein in das Bagno zu schicken: eine schöne Gnade!
Diese Gnade, Elender, hast du doch als eine Gnade betrachtet, als man sie dir gewährte; dein feiges Herz, das vor dem Tode zitterte, hüpfte vor Freude bei der Ankündigung einer ewigen Schmach, denn du sagtest dir: Es gibt eine Tür am Bagno, das Grab aber hat keine. Und du hattest recht, denn diese Tür öffnete sich unerwartet für dich; ein Engländer besuchte Toulon, er hatte das Gelübde getan, zwei Menschen der Ehrlosigkeit zu entziehen, und seine Wahl fällt auf dich und deinen Gefährten. Ein zweites Glück kommt für dich vom Himmel herab, du findest zugleich Gold und Ruhe, du kannst wieder anfangen, das Leben aller redlichen Menschen zu führen. Da versuchst du Gott zum drittenmale. Ich habe nicht genug, sagst du, während du mehr hattest, als je, und du begehst ein drittes Verbrechen, ohne Grund, ohne Entschuldigung. Gott war müde, Gott bestrafte dich.
Caderousse wurde sichtbar immer schwächer.
Zu trinken! sagte er; ich habe Durst . . . ich brenne!
Monte Christo reichte ihm ein Glas Wasser.
Verfluchter Benedetto! sagte Caderousse, das Glas zurückgebend, er wird entkommen!
Niemand wird entkommen, das sage ich dir, Caderousse, . . . Benedetto wird bestraft werden.
Dann werden Sie auch bestraft, erwiderte Caderousse, denn Sie haben Ihre Priesterpflicht nicht getan . . . Sie hätten Benedetto verhindern sollen, mich zu töten.
Ich! sagte der Graf mit einem Lächeln, das den Sterbenden vor Schrecken in Eis verwandelte, ich, Benedetto verhindern, dich zu töten, in dem Augenblick, wo du dein Messer an meinem Panzerhemde zerbrochen hattest! . . . Ja, vielleicht; . . . würde ich dich demütig und voll Reue gefunden haben, so hätte ich Benedetto am Ende abgehalten, dich zu töten; aber ich fand dich hochmütig und blutgierig und ließ Gottes Willen sich erfüllen.
Ich glaube nicht an Gott! heulte Caderousse, du glaubst ebensowenig an ihn, du lügst!
Schweig! sagte der Abbé, Du glaubst nicht an Gott und stirbst, von Gott getroffen! . . . Und Gott, der doch nur ein Gebet, eine Träne, ein Wort verlangt, um zu verzeihen . . . Gott, der den Dolch des Mörders so lenken konnte, daß du auf der Stelle verschieden wärest, Gott hat dir eine Viertelstunde zur Reue gegeben . . . Gehe also in dich, Unglücklicher, und bereue!
Nein, sagte Caderousse, ich bereue nicht, es gibt keinen Gott, keine Vorsehung, es gibt nur einen Zufall.
Es gibt eine Vorsehung, es gibt einen Gott, sagte Monte Christo, und zum Beweise dient, daß du hier liegst, in Verzweiflung, Gott leugnend, während ich, aufrecht, reich, glücklich, gesund vor dir stehe und die Hände vor diesem Gotte falte, den du leugnen willst, während du im Grunde deines Herzens doch an ihn glaubst.
Aber wer sind Sie denn? fragte Caderousse, seine sterbenden Augen auf den Grafen heftend.
Schau mich wohl an, versetzte der Graf, sich die Kerze an das Gesicht haltend.
Nun! der Abbé . . . der Abbé Busoni . . . Monte Christo nahm die entstellende Perrücke ab und ließ die schönen, schwarzen Haare zurückfallen, die so harmonisch sein bleiches Gesicht umrahmten.
Oh! rief Caderousse erschrocken, wenn nicht diese schwarzen Haare wären, so würde ich sagen, Sie seien der Engländer, ich würde sagen, Sie seien Lord Wilmore.
Ich bin weder der Abbé Busoni, noch Lord Wilmore, sagte Monte Christo; schaue besser, schaue ferner, schaue in deine ersten Erinnerungen!
In diesen Worten des Grafen lag ein magnetischer Klang, von dem die erschöpften Sinne des Elenden zum letztenmale wiederbelebt wurden. Oh! in der Tat, sagte er, es kommt mir vor, als hätte ich Sie einst gesehen, als hätte ich Sie einst gekannt.
Ja, Caderousse, ja, du hast mich gekannt.
Aber wer sind Sie denn? Und warum lassen Sie mich sterben, wenn Sie mich gekannt haben?
Weil nichts dich retten kann, weil deine Wunden tödlich sind. Wenn du hättest gerettet werden können, so würde ich darin eine letzte Barmherzigkeit des Herrn gesehen haben, und hätte es versucht, das schwöre ich dir bei dem Grabe meines Vaters, dich dem Leben und der Reue zurückzugeben.
Bei dem Grabe deines Vaters! sagte Caderousse, wiederbelebt durch einen letzten Lebensfunken und sich aufrichtend, um den Mann näher anzuschauen, der ihm diesen allen Menschen heiligen Eid geleistet hatte; aber, wer bist du denn?
Der Graf hatte unablässig die Fortschritte des Todeskampfes verfolgt. Er begriff, daß dies das letzte Aufflackern war, näherte sich dem Sterbenden, betrachtete ihn mit einem ruhigen und zugleich traurigen Blicke und sagte ihm in das Ohr: Ich bin . . .
Und seine kaum geöffneten Lippen ließen einen Namen durchschlüpfen, der so leise gesprochen wurde, daß es schien, als hätte der Graf selbst Furcht, ihn zu hören.
Caderousse, der sich auf die Knie erhoben hatte, streckte die Arme aus, machte einen Versuch, zurückzuweichen, faltete sodann die Hände, hob sie mit einer äußersten Anstrengung zum Himmel empor und sprach: Oh! mein Gott! mein Gott! vergib mir, daß ich dich verleugnet habe; du bestehst, du bist der Vater der Menschen im Himmel und der Richter der Menschen auf Erden. Mein Gott und Herr, ich habe dich lange Zeit mißkannt! Mein Gott und Herr, vergib mir! Mein Gott und Herr, nimm mich auf!
Und die Augen schließend, fiel Caderousse mit einem letzten Schrei und einem letzten Seufzer zurück. – Er war tot.
Einer! sagte geheimnisvoll der Graf, die Augen auf den entstellten Leichnam geheftet.
Zehn Minuten nachher kamen der Arzt und der Staatsanwalt und wurden von dem Abbé Busoni, der bei dem Toten betete, empfangen.