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Man konnte nicht behaupten, daß Herr Modersohn besonders diskret war, als er mit seinem Chauffeur Fritz eine Stunde nach Mimis Weggang eine längere Unterredung hatte. Die beiden saßen in weichen Klubsesseln sich gegenüber und waren sich über das, was sie besprachen, bald einig. Modersohn zog an einer dicken langen Zigarre, indem er nervös mächtige Rauchwolken gegen die Decke des mit schweren Möbeln und bunten Teppichen ausgestatteten Zimmers paffte. Fritz flegelte sich in dem Lederfauteuil und hatte ein Bein über das andere geschlagen. Von Respekt gegen seinen Chef war nichts an ihm zu merken. Übrigens hatte das »Ding«, das sie beide in der Mache hatten, Herrn und Diener nahe zusammengebracht, so daß jeder Klassenunterschied sich von selbst erübrigte.
Fritz sagte, daß die Geschichte brenzlig ausfallen könnte. Aber Modersohn ließ diesen Einwand nicht gelten. Ob er sich »draußen« gefürchtet hätte? Na also – – Fritz litt an sogenanntem Heldenwahnsinn und renommierte gern mit seinen Taten auf den unterschiedlichen Kriegsschauplätzen. Modersohn hatte ihn bald so weit, wie er ihn haben wollte. Er versprach ihm eine sehr große Summe, wenn sie die Geschichte glücklich zu Ende geführt und schenkte ihm zur Bekräftigung ihres gemeinsamen Unternehmens ein großes Glas Benediktiner ein.
»Friedensware, lieber Fritz! Mit Verstand zu trinken, oller Junge!« lachte Modersohn, als er ihm das Glas zuschob, »und nun rasch an die Arbeit!«
Auf dem Korridor, wohin er Fritz begleitete, sagte er, nachdem er ihm noch einige allerletzte Verhaltungsmaßregeln gegeben:
»Aus jeder Frau, mein Sohn, holst du ihr tiefstes Geheimnis heraus – mit viel Sekt und 'n bißchen Liebe ...«
Er lächelte höhnisch.
»Sie ist viel dummer, als ich geglaubt hätte, diese stolze Frau Mimi – –!«
Als Fritz weggegangen, telephonierte er an Adolf Grünmeier, den er nicht antraf, dem er aber sagen ließ, daß er ihn nachmittags um vier Uhr bei sich erwarte.
Pünktlich erschien Adolf Grünmeier in der Innsbrucker Straße. Modersohn empfing ihn leutselig in seinem Bureau, wie er das pompöse Herrenzimmer nannte. Adolf nahm in demselben Sessel Platz, in dem vor einigen Stunden der Chauffeur Fritz mehr gelegen als gesessen hatte.
Adolf rutschte verlegen auf der Kante hin und her und traute sich nicht den ganzen Sitz auszufüllen. So imponierte ihm die Umgebung und vor allem die energisch bestimmende Art, mit der sein Gegenüber ihn behandelte.
Zwischen Herrn Modersohns Lippen stak wieder eine lange dicke Zigarre und wieder paffte er schwere Rauchwolken, aber diesmal dem guten Adolf Grünmeier geradenwegs ins Gesicht. Herr Modersohn schien wenig auf Kinderstubenbenehmen zu geben, denn er bemerkte nicht einmal, daß der Rauch seinem Besucher unangenehm war. Nach einigen kurzen Begrüßungsphrasen erklärte Modersohn, um was es sich handele.
»Wenn ich Frau Mimi Schwarz in einem Monat verheiratet habe ...«
Adolf paßte auf und rückte sich zurecht.
»Also wenn ich Ihnen garantiere, daß ich die Dame zwingen werde, sich spätestens in einem Monat zu verheiraten, wieviel bekomme ich?«
Grünmeier starrte in die Luft. Er verstand nicht recht. Blickte Modersohn fragend an.
»Ich wiederhole,« sagte dieser und betonte jedes Wort einzeln, »ich habe die Mittel gefunden, die Dame zu veranlassen, das zu tun, was ich will – entweder heiratet sie und ich bekomme von Ihnen die Hälfte Ihres Erbes oder sie heiratet nicht und ich bekomme dafür von ihr eine Abfindung – –«
Grünmeier wurde angst und bange. Er sprang auf und hielt sich am Sessel fest. Das war ja ein furchtbarer Kerl, dieser Modersohn, der da mit gleichgültiger Ruhe an seinem mächtigen Glimmstengel sog und dabei unwahrscheinlich klingende Dinge erzählte.
»Um es kurz zu machen, mein sehr verehrter Herr Grünmeier,« Modersohn unterbrach die Stille, die für kurze Minuten eingetreten, »Sie zedieren mir eine halbe Million zahlbar am Tage Ihrer Erbantretung. Wir machen das gleich schriftlich, nicht wahr?«
»Unmöglich, unmöglich!« jammerte Adolf, »das kann ich nicht ... kann ich nicht – – Sie werden mit weniger zufrieden sein ... ich biete Ihnen 50 Mille!«
Adolf schaute kläglich durch die Rauchwolken auf Modersohn.
Aber dieser lachte laut auf.
»Nee, mein Lieber, die Geschichte kostet mich selbst mehr – machen wir nicht. Gehandelt wird nicht – – Wenn Sie nicht wollen, lassen Sie's bleiben.«
Er stand ebenfalls auf und blieb vor Grünmeier stehen, der im Angesicht des großen starken Mannes in sich zusammenknickte.
»Ich will's mir überlegen«, sagte er leise.
»Gut – – bis morgen nachmittag vier Uhr lasse ich Ihnen das Geschäft an die Hand – – bis dahin bleibt die ›Ware greifbar‹« ...
Modersohn lachte wieder, diesmal zynisch. Er amüsierte sich über die Art, wie er die ganze Affäre im Schieberjargon ausgedrückt hatte.
Er schaute Herrn Grünmeier aus dem Fenster nach, der niedergeschlagen über den Bayrischen Platz schlich. Dann pfiff er lustig vor sich hin und ließ sich mit Steinplatz 34785 verbinden, der Nummer, die neben Frau Mimis Namen im Telephonbuch stand.
»Halloh! Guten Tag, mein Täubchen.« – Herr Modersohn versuchte seiner Stimme eine Romeomodulation zu geben.
»Es geht uns gut? – – Heute abend im Sanssouci – – ich hole dich ab – – Wie? – Du willst direkt nach Haus heute? – – Also auch gut, dann aber bestimmt morgen abend – – auf Wiedersehen, mein Täubchen!«
Er dachte, daß es ihm eigentlich nicht in den Kram gepaßt hätte, wenn er heute Nacht wieder den liebenden Seladon hätte spielen müssen. Das »Ding« sollte doch vor sich gehen und er mußte auf dem Sprunge ein.
Na immerhin ... kleine Aufmerksamkeiten erhalten die Freundschaft. So eine telephonische Teilnahme kostet nichts und macht einen guten Eindruck.
Gerade als er seine Wohnung verlassen wollte, läutete der Fernsprecher.
»Halloh! Fritz? – – Also, was ist's?«
Er hielt den Hörer an das Ohr gepreßt und lauschte gespannt. Seine Augen zwinkerten und manchmal nickte er mit dem Kopf, als ob er dem Gehörten seine Zustimmung ausdrücken wollte.
»Na – dann ist ja alles im besten Fahrwasser – – warten wir also bis morgen nachmittag!«
Nun konnte er beruhigt aus dem Hause gehen. Sein Apparat arbeitete ...
Herr Grünmeier hatte unterdessen Frau Luise das unerhörte Anerbieten des Vermittlers Modersohn vorgetragen.
Frau Luise erstarrte. Sie konnte nicht begreifen. daß es Menschen gäbe, die eine derartige Niedertracht zu denken imstande waren. Niedertracht war ihr Lieblingswort, womit sie den ganzen Jammer dieses Erdentales umschrieb.
»Wenn wir Paul hier hätten, würde das alles besser werden. Der Junge konnte dem Mann die Geschichte klarer auseinandersetzen – –« Sie seufzte.
»Du bist ein alter Angstmeier,« fauchte sie den guten Adolf an, »du läßt dich von dem Mann ins Bockshorn jagen!«
Dann wimmerte sie vor sich hin.
»Eine ganze halbe Million! Der Mann ist verrückt! – – Wenn bloß Paul bald zurückkäme!«
Aber Paul war irgendwo in Frankreich interniert und kein Mensch könnte wissen, wann die Gefangenen endlich in die Heimat durften. Allerdings hatten die Eltern eine Nachricht erhalten, daß er wahrscheinlich bald wegen Erkrankung ausgetauscht werden würde.
»Unmöglich – – unmöglich!« stieß Adolf von Zeit zu Zeit hervor und lief unruhig im Zimmer auf und ab.
Es kam zu keinem Entschluß zwischen dem Ehepaar Grünmeier. Schließlich war eine halbe Million ein Gegenstand, der einer längeren Betrachtung wert war.
Und dieser Modersohn schien ein glatter Erpresser zu sein – – –
Frau Mimi lebte einen schlechten Tag. Der telephonische Anruf ihres neuen Verehrers hatte sie aus dem Nachmittagsschlaf geweckt. Als der Apparat ratterte, flog sie in die Höhe. Ein wüster Traum, ein Alb hatte ihre Pulse schneller schlagen lassen. Noch ganz benommen hörte sie das Liebesgirren Herrn Modersohn durch den Schalltrichter.
Nein, sie wollte diesen Menschen nicht wiedersehen. Sie hatte eine innerliche Empfindung, als wenn sie in irgendeine Falle geraten wäre. Aber als sie am Abend nach ihrem Auftreten abgeschminkt unter die laute lustige Menge der Diele trat, suchte sie ihn. Ein seltsames Gefühl packte sie. So etwas wie Sehnsucht oder wie Begierde. Sie war sich nicht klar über das, was sie wollte. Sie wußte sich nur einsam unter allen diesen Menschen, die, gepaart, einander in Zärtlichkeit, in Liebe zugetan, deren Herzen sich gefunden, deren Triebe sich suchten.
Auch Frau Mimi suchte.
Auf der Heimfahrt, die sie gleich angetreten, weinte sie vor Nervosität. Und sie ärgerte sich, daß sie Modersohn für diesen Abend nicht hatte sehen wollen ...