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Mehrere Tage lang geschah nichts von Bedeutung. Das unheimliche Rätsel von der Heide verbreitete Grauen in dem kleinen Platz, so daß mehrere Sommergäste das Hotel verließen.
Eigentlich mußte auch ich abreisen, aber Asbjörn Krag bat mich dringend zu bleiben, mit der Behauptung, ich könnte ihm helfen. Der Student der Medizin, der einen heimlichen Schwarm für die Künste der Polizei hatte, wurde beinahe grün vor Neid, denn Asbjörn Krag wollte von ihm nichts wissen. Aber wie gerade ich ihm von Nutzen sein konnte, begriff ich wirklich nicht. Bisher hatte ich ihm jedenfalls noch nicht geholfen. Im Gegenteil! Ich hatte mich hie und da ironisch über seine Art zu arbeiten geäußert, denn sie schien mir befremdlich und eines energischen Detektivs wenig würdig. Er verbrachte die Zeit durchaus träge, schlief bis weit in den Vormittag hinein, aß tüchtig bei allen Mahlzeiten, badete und machte Fußtouren, kurzum, er benahm sich ganz und gar wie ein Mensch, der Ferien hat.
Wenn ihn jemand auszufragen suchte, antwortete er ausweichend oder überhaupt nicht und sah nur mit zugekniffenen Augen die Frager sarkastisch an. Völlig gleichgültig verhielt er sich gegenüber den vielen Deutungen über die Gründe des Verbrechens, wobei es ihm nichts ausmachte, ob sich Sommergäste oder Ortsansässige oder gar die Polizei hierüber äußerten. Er hörte gelassen zu, aber sobald die Redner dann zu dem Schlusse kamen: »Ich glaube das oder das«, so antwortete Asbjörn Krag mit völlig gleichgültiger Stimme:
»So – so –«
Oder er sagte:
»Ja ja, hm, jawohl.«
Aber wenn jemand ihn fragte:
»Was ist denn nun eigentlich Ihre Meinung, Herr Detektiv?« dann antwortete er, wie erstaunt über die Frage:
»Ich? – Ach, ich habe schlechterdings noch nicht Zeit gefunden, mir eine eigene Meinung zu bilden.«
Gott mag wissen, was er eigentlich trieb! Soweit ich sehen konnte, beschäftigte er sich auch nicht im geringsten mehr mit Nachforschungen. Wenn er zufällig den Eigentümer Gjaernaes auf seinen Spaziergängen traf, sprach er mit ihm über die Ernteaussichten.
Eines Tages erschienen schwarze Gestalten zwischen den lichten Schwärmen der Sommergäste. Die Familie des Toten war angelangt, um die Ueberführung der Leiche zu regeln. Aber die Leute mit den Kreppschleiern und den weißen Taschentüchern in den schwarz behandschuhten Händen verschwanden bald wieder. Krag hatte sich nicht einmal bemüht, die Familie zu begrüßen, und alles blieb wie zuvor.
Inzwischen arbeitete der Amtsvorsteher und die übrige Ortspolizei unabhängig von dem Detektiv. Der Amtsvorsteher radelte, fuhr hin und her und hatte schrecklich viel zu laufen. Aber er kam der Lösung des Rätsels deshalb doch nicht um Haaresbreite näher. Der Gedanke, daß es sich doch um einen Raubmord handeln mochte, war nicht länger von der Hand zu weisen, denn es verbreitete sich die Kunde, daß der Forstmeister zu jener Zeit im Besitze eines Geldbetrages von einigen hundert Kronen gewesen war und daß er ein grünes Taschenbuch von gepreßtem Krokodilleder besaß. Weder das Taschenbuch noch das Geld waren aber bei der Leiche gefunden worden. Andererseits sprach gegen die Annahme eines Raubmordes doch auch wieder, daß seine goldene Uhr und seine Ringe bei ihm gefunden worden waren. Immerhin wurden Steckbriefe hinter Zigeunern erlassen, die sich etwa um jene Zeit in der Nachbarschaft aufgehalten haben konnten.
Aber Asbjörn Krags Trägheit und Gleichgültigkeit wirkte beruhigend auf die Stimmung. Die Erregung und Nervosität legte sich nach und nach, und das Sommerleben trat wieder in seine alten Rechte. Das düstere Geflüster, das leise, heimliche Geraune wich herzlichem Lachen und Schwatzen auf allen Wegen, und vom Meere herauf klangen wieder die ungeübten Ruderschläge der Badegäste.
Der Leser wird sich erinnern, daß ich an jenem Morgen, als Asbjörn Krag auftauchte, um ein anderes Zimmer gebeten hatte. Durch reinen Zufall entdeckte ich damals, daß die Wände den Schall wie ein Fernsprecher wiedergaben, und der Umstand, daß ich in einem Zimmer kein Wort sprechen konnte, ohne daß man es links und rechts davon hörte, regte mich beständig auf. Da aber zur Zeit nur wenige Zimmer im Hotel frei waren, machte die Wirtin für mich ein solches ausfindig, das wenige Minuten Weges vom Hotel auf einer kleinen Landzunge, der sogenannten Seehunds-Odde, lag. Dort wohnte ich in einem kleinen Häuschen ganz allein, doch nahm ich meine Mahlzeiten nach wie vor im Hotel ein.
Einen Tag nach meinem Umzuge fragte mich der Detektiv:
»Haben Sie keine Angst, so ganz allein zu wohnen?«
»Nein,« antwortete ich, »warum sollte ich Angst haben?«
»Noch sind die Nächte ja hell,« sagte Asbjörn Krag und blickte zum Himmel empor, »aber später kommen auch dunkle Nächte.«
»Ich verstehe Sie nicht.«
»Das unheimliche Vorkommnis hat also Ihre Nerven nicht angegriffen?«
»Nein.«
»Das ist gut; Sie sind gerade der Mann, der mir helfen kann. Ich hoffe, Sie geben noch einige Tage zu.«
»Ich bleibe gern noch einige Tage,« unterbrach ich, »und glaube, daß es mir keine Schwierigkeiten bereiten wird, Ihnen zu helfen.«
»Nanu?«
»Weil ich nicht sehen kann, daß Sie selbst irgend etwas tun.«
Asbjörn Krag lächelte und sagte etwas, das mich in diesem Augenblick in Erstaunen setzte, an das ich mich aber bei späterer Gelegenheit wieder erinnerte. Er erwiderte nämlich:
»Aber Sie müssen doch zugeben, daß die Zeit vergeht.«
»Womit beschäftigen Sie sich eigentlich während des Tages?« fragte ich.
»Ich schreibe Briefe,« antwortete er. »Einigen Agenten in Christiania habe ich ziemlich viel zu schaffen gemacht mit meinen Aufträgen, Erkundigungen einzuziehen, und nun warte ich – auf etwas, das sich erst ereignen wird.«
»Ereignen wird?«
»Jawohl.«
Ich war bei diesem Gespräch gerade im Begriff, nach meinem kleinen Häuschen auf der Landzunge zurückzugehen; Asbjörn Krag begleitete mich, denn er hegte ein auffallendes Interesse für dieses Häuschen. Er sagte unter anderem, es erinnere ihn an ein kleines Leuchtturmwärterhaus, wie es so da draußen auf der Landzunge lag.
Als wir uns dem Hause näherten, zeigte er darauf und meinte:
»Sehen Sie nun, wie einsam Sie wohnen?«
»Ja, gewiß wohne ich einsam.«
»Hier ist das letzte Haus, und von hier bis zu Ihrer Wohnung geht man noch mehrere Minuten.«
»Gewiß – so ist es.«
Der Detektiv schüttelte bedächtig den Kopf und ging weiter.
Er verließ mich erst an meiner Haustür. Ehe er sich verabschiedete, fragte ich ihn:
»Was halten Sie von der Annahme, daß es Zigeuner gewesen sein sollen?«
»Sie werden begreifen,« antwortete er, »daß sich Forstmeister Blinde kaum herbeigelassen haben dürfte, irgendeinen Zigeuner zu grüßen, der ihm in jener Nacht begegnete.«
Ich sah ihn verblüfft an.
»Zu grüßen –?«
»Ja, gewiß,« fuhr er fort und schien nun in der Tat einmal wirklich etwas von Eifer erfüllt zu sein. »Forstmeister Blinde hat den tödlichen Schlag bekommen, während er jemanden grüßte.«
»Wie können Sie das behaupten?«
»Verschiedene Umstände deuten ganz bestimmt darauf hin. Erinnern Sie sich des Hutes? Er lag einige Schritte von der Leiche entfernt und war ganz unbeschädigt, trotzdem Blinde den tödlichen Schlag auf den Hinterkopf bekam. Wenn ihm der Hut in diesem Augenblick auf dem Kopfe gesessen hätte, würde auch er eine Spur des furchtbaren Schlages aufweisen; aber er hat den Hut in der Hand gehalten, er grüßte gerade.«
»Wen hat er da wohl gegrüßt?«
»Den Mörder,« antwortete Asbjörn Krag, »und im selben Augenblick hat der Mörder zugeschlagen.«
»Was Sie da sagen, wirkt verblüffend,« antwortete ich nach kurzer Ueberlegung, »aber höchstwahrscheinlich haben Sie recht.«
»Ich habe recht. Mit anderen Worten: der Mörder war ein Bekannter des Forstmeisters; es war einer jener Feinde, von denen Blinde sprach, ehe er Gjaernaes an jenem Abend verließ.«
Zum ersten Male konnte ich aus Asbjörn Krags Reden merken, daß er sich überhaupt mit dem Drama beschäftigte und Schlüsse zog. Die Gelegenheit benützend, forschte ich ihn eifrig aus, da ich glaubte, daß er plötzlich mitteilsam geworden wäre. So fragte ich ihn, ob er andere Spuren gefunden hätte, ob er sich denken könnte, wer der Verbrecher wäre, oder doch wenigstens, welchem Stande er angehörte.
Aber der Detektiv wollte auf alle diese Fragen nicht weiter eingehen; er lenkte davon ab, indem er wieder auf die einsame Lage meines Häuschens zurückkam.
»Leben Sie wohl,« sagte ich.
»Auf Wiedersehen,« antwortete er, »ich gehe auf mein Zimmer, um zu warten.«
»Worauf warten Sie eigentlich?«
Statt mir zu antworten, sah er mich mit seltsamem Blick an und fragte:
»Glauben Sie an die Kraft, die in zwei Augen liegen kann?«
»Meinen Sie den Hypnotismus?«
»Sie können es meinetwegen Hypnotismus nennen. Ich habe mit meinen Augen einen Menschen gezwungen, zu mir zu kommen, und auf diesen Menschen warte ich.«
Er wollte sich nicht näher erklären und ging langsam fort. Ich blieb stehen, sah ihm nach und wunderte mich über sein seltsames Benehmen. Plötzlich hockte er sich hin und nahm seinen photographischen Apparat vor. Was wollte er eigentlich photographieren – nur das spiegelglatte Meer? Die Sonne lag glühend rings umher auf den weißen Steinen, trotzdem hatte er wohl ein Motiv. Hier und da standen Gräser streckenweise zusammen, Seetang schaute aus dem Wasser hervor, und einige kleine Klippen traten zutage und glänzten in der Sonne, wenn das Wasser von ihnen herablief. Dann wieder kam eine breite Dünung und verschlang das Ganze … Krag knipste, erhob sich und ging weiter. Ein seltsamer Mensch.
Gegen acht Uhr ging ich nach dem Hotel, um zu speisen. Auf dem Wege traf ich Asbjörn Krag.
»Ich habe Ihnen etwas zu erzählen,« begann er sofort, »der Mensch ist nun gekommen.«
»Ich weiß nicht, von wem Sie sprechen.«
Asbjörn Krag faßte mich unter den Arm und erzählte gemütlich:
»Erinnern Sie sich nicht, daß ich erst vorhin von der Macht der Augen gesprochen habe? Gut. Ich hatte mit meinem Blick einem Menschen befohlen, zu mir zu kommen, und auf diesen Menschen habe ich nun mehrere Tage gewartet. Sie kennen den Mann auch, er sitzt jetzt eben in meinem Zimmer.«
Nun erinnerte ich mich, wie der Detektiv beim Abschied von Gjaernaes zu dem Besitzer sagte, während er gleichzeitig den Verwalter ansah: »Wir sehen uns wieder, ich wohne im Hotel.«
»Dann ist es sicher der Verwalter von Gjaernaes, der zu Ihnen gekommen ist,« warf ich ein.
»Richtig gefolgert,« erwiderte der Detektiv. »Ich wünschte, daß Sie Zeuge unseres Gespräches wären, und deshalb versuchte ich Sie zu treffen.«
Seine Mitteilung ergriff mich stark.
»Also gibt es doch eine Verbindung zwischen Gjaernaes und dem Morde,« murmelte ich. »Großer Gott! wenn ich daran denke, was Sie kürzlich von dem Hute des Erschlagenen erzählten.«
»Er grüßte mit dem Hute, während er den schrecklichen Schlag empfing.«
»Ja! und erinnern Sie sich, wie Gjaernaes selbst erwähnte, daß er durchaus gegen die Heirat zwischen Blinde und seiner Schwester wäre. Möglicherweise hat Gjaernaes Blinde gehaßt. Er sagte ja selbst, daß Blinde einen unsympathischen und egoistischen Eindruck machte.«
»Egoistisch triumphierend,« beruhigte der Detektiv.
»Jawohl; aber die Hauptsache bleibt doch, daß der Mörder Blinde gekannt zu haben scheint. Ich brenne vor Neugierde, zu hören, was uns der Verwalter zu erzählen hat.«
Asbjörn Krag schüttelte den Kopf und blinzelte mich mit seinen zugekniffenen Augen sarkastisch an.
»Nun sind Sie aber doch allzu eifrig,« sagte er langsam und gewissermaßen beruhigend; »Sie folgern zu rasch, lieber Freund.«
»Ich wäge nur die verschiedenen Umstände gegeneinander ab,« entgegnete ich.
»So lassen Sie einmal hören, zu welchem Schlusse Sie kommen.«
»Gjaernaes war gegen die Heirat.«
»Richtig, aber gab doch seine Zustimmung, weil die Schwester es so wollte.«
»Er war aber jedenfalls stark dagegen und mochte Blinde nicht. Wenn er sich schon uns gegenüber so kräftig ausgedrückt hat, können wir ganz sicher sein, daß er den Forstmeister haßte.«
»Ehe Sie fortfahren, möchte ich Sie geradeheraus fragen,« warf Krag ein, »ob Sie glauben, daß Gjaernaes selbst der Mörder ist.«
Diese brutale Frage ließ mich erzittern.
»Ich will eine solch fürchterliche Beschuldigung nicht aussprechen,« erwiderte ich. »Sie haben mich ja nur gebeten, meine Schlüsse zu ziehen. Mir erscheint es von Ihnen doch recht abgeschmackt, wenn Sie leugnen, daß eine ganze Reihe von Umständen geradezu auf Gjaernaes hinweist. Im übrigen vermute ich, daß Sie sich selbst bereits eine Meinung gebildet haben. Ich glaube nicht, daß Gjaernaes schuldig ist, aber wenn wir alles zusammentragen, was gegen ihn spricht, so wird es möglicherweise leichter für uns sein, ihn von diesem furchtbaren Verdachte zu reinigen. Gjaernaes ist mein Freund.«
Der Detektiv hielt mich noch immer untergefaßt. Er verlangsamte seinen Schritt, damit wir nicht zu. schnell nach dem Hotel kommen sollten. Ich hatte plötzlich den Eindruck, als ob er gerne meine Meinung hören wollte – und es war auffallend, daß er wieder einmal Gjaernaes' Namen mit dem Verbrechen in Verbindung brachte.
»Wir dürfen uns nicht nur an die Indizien halten,« sagte er, »schließlich müssen wir die Sache auch von der menschlichen Seite betrachten. Können Sie sich eine Möglichkeit ausdenken, daß Gjaernaes so etwas begehen konnte?«
Nach kurzer Ueberlegung antwortete ich:
»Schwerlich.«
»Setzen Sie sich an seine Stelle,« fuhr der Detektiv fort. »Sie haben eine Schwester, von der Sie sehr viel halten.«
»Und die Sie verehren.«
»Schön. Sie erklärt, sie wolle einen Mann heiraten, den Sie hassen.«
»Voraussetzung dafür, daß ich ihn hasse, ist natürlich, daß ich von ihm bereits wüßte, er wäre ein schlechter Mensch.«
»Selbstverständlich; Sie versuchen nun Ihre geliebte Schwester zur Aufgabe der Verbindung zu überreden, aber der Verhaßte ist ein sehr hübscher Mensch und sie ist vor Liebe blind. Sie begreifen nur zu wohl, daß die Ehe schlecht ausgehen und Ihre Schwester tiefunglücklich werden müßte. Aber Sie sehen zugleich, daß Ihre Ueberredungskunst erfolglos ist. Sie gibt dem Verhaßten ihr Jawort, und nun tritt der Augenblick ein, in dem der Liebhaber sich als ›egoistisch triumphierend‹ enthüllt. Ich finde den Ausdruck, der Gjaernaes unwillkürlich auf die Lippen kam, sehr treffend. Ich kann mir denken, daß jener von dem Widerstand des Bruders wußte, und daß er seinen egoistischen Triumph offen zur Schau trug, nachdem er das Jawort der Schwester erhalten hatte. Setzen Sie sich nun an Gjaernaes' Stelle. Können Sie sich nicht denken, daß Sie in der Erregung des Augenblicks, wo Sie sein triumphierendes, höhnisches Lächeln sehen und wissen, daß Ihre geliebte Schwester unter dem Banne dieses schlechten Menschen steht, die Besinnung verlieren und ihn niederschlagen?«
Asbjörn Krag hatte sehr eindringlich gesprochen, und ich fühlte mich von seinen Worten merkwürdig ergriffen.
»Das könnte ich mir denken,« antwortete ich unsicher. »Ich glaube es wohl, aber ich würde das natürlich nicht mit Ueberlegung tun.«
»Natürlich nicht. Sie würden in der Erregung des Augenblicks und unter dem Eindruck eines plötzlich aufsteigenden, gewaltigen Zornes oder einer verbitterten Niedergeschlagenheit handeln. Lassen Sie mich weiter annehmen, daß Sie ihn auf einem einsamen Wege träfen, daß er Sie grüßte und ›sarkastisch triumphierend‹ lächelte, als ob er sagen wollte: ›Da kannst du's nun sehen, mein Freund, jetzt steht deine liebe Schwester unter meinem Bann; sie ist mein – wie weit kommst du nun mit all deinem Hasse, wie?‹ Da glaube ich doch, daß Sie ihn anpacken könnten, vielleicht ohne den Gedanken, ihn zu töten, nur von dem unüberwindlichen Drange getrieben, ihn niederzuschlagen. Woran denken Sie? Paßt Ihnen unser Gespräch nicht?«
Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn und fühlte, daß meine Lippen kalt zu werden begannen.
»Ich denke an den Toten,« stammelte ich. »Erinnern Sie sich seines Antlitzes? Es war gerade so höhnisch triumphierend, wie Sie es erwähnten; ferner denke ich an das verstörte Wesen meines lieben Freundes Gjaernaes. Er war bleich und zitterte; es sah ganz so aus, als ob er mehrere Tage nicht geschlafen hätte. Und gar der Verwalter! Der ist nun also zu Ihnen gekommen. Was hat er denn zu erzählen?«
»Das werden wir gleich hören,« antwortete der Detektiv.
Wir gingen hinauf in sein Zimmer. Als wir eintraten, erhob sich der Verwalter und grüßte verlegen. Er war in seinem Sonntagsstaat, sonst war jedoch keine Veränderung an ihm zu bemerken; noch immer zeigte er dieselbe Niedergeschlagenheit in seinem Wesen, denselben unsteten, umherirrenden Blick.
»Sie kennen meinen Freund?« fragte der Detektiv. »Er hilft mir bei meinen Untersuchungen und will auch gern anhören, was Sie zu berichten haben.«
»Ja –«
Der Verwalter sagte nur »Ja«, mit tiefem Ernst – er wußte nicht recht, wie er beginnen sollte und war still und verlegen.
»Ich hätte wohl etwas zu erzählen,« fuhr er nach kurzer Pause fort. »Aber es ist so schwer für mich, es herauszubringen. Könnten Sie mich nicht fragen?«
»Wahrscheinlich wollen Sie über den Mord sprechen.«
»Nein. In bezug auf den Mord weiß ich nichts,« sagte er und blickte dabei scheu zur Seite. »Nichts weiß ich davon; ich will nur erzählen, was ich selbst gesehen habe.«
»Von anderen Dingen wollen wir aber nichts hören,« erwiderte der Detektiv.
Der Verwalter nickte mir zu.
»Erinnern Sie sich des Abends, als ich Sie nicht eintreten lasten wollte?«
»Ja,« erwiderte ich. »Es kam mir so vor, als wenn Sie bei dieser Gelegenheit ein wenig brutal waren.«
»Brutal wohl, aber ich war hierzu genötigt, denn an jenem Abend fing es an.«
»Was fing an?«
»All der heimliche Kram dort auf dem Edelhof. Es ist traurig, daß es nun dazu gekommen ist, nachdem wir so viele Jahre in Frieden gelebt haben. Ich darf Ihnen wohl versichern, daß ich große Stücke auf Gjaernaes halte, er ist viel tüchtiger und ordentlicher und auch weniger jähzornig, als der Alte war.«
Hier unterbrach ihn Asbjörn Krag.
»Sie meinen den verstorbenen Vater von Gjaernaes?«
»Ja.«
Damit kam der Detektiv also wieder auf den längst vergessenen Todesfall zurück.
»Weiß man denn sicher, daß er ertrunken ist?« fragte er.
»Ja,« antwortete der Verwalter, »er ist ertrunken. Das Boot trieb kieloben draußen zwischen den Schären an Land … Ja, wie gesagt, an jenem Abend fing es an,« fuhr er fort. »Ein Mann kam mit einem Briefe zu Gjaernaes; als er den gelesen hatte, raste er wie toll durch die Zimmer und rief nach dem Fräulein.«
»Wissen Sie, woher der Brief kam?«
»Nein, das weiß ich nicht, aber ich stand gerade in Gjaernaes' Arbeitszimmer, als er anlangte. Es war ein großer, gelber Umschlag.«
»Sahen Sie die Handschrift?«
»Nein, aber während Gjaernaes die Aufschrift las, wurde er plötzlich so wunderlich.«
»Sagte er etwas?«
»Ja, er sagte: ›Großer Gott, das ist mir noch niemals vorgekommen‹ … Dann erbrach er den Brief und las ihn. Kaum hatte er aber die ersten Zeilen gelesen, da schien er in Ohnmacht fallen zu wollen. Jedenfalls wurde er entsetzlich blaß, ja, während er auf dem Stuhle saß, war er so bleich wie der Tod. Ich habe niemals etwas so Seltsames erlebt.«
»Sie sagten, daß er durch die Zimmer rannte?«
»Ja; das geschah, nachdem er sich etwas erholt hatte, aber vorher warf er mich hinaus. ›Sie dürfen hier nicht länger bleiben,‹ sagte er. ›Tod und Teufel, Sie dürfen hier nicht länger bleiben.‹ Er wartete nicht erst ab, bis ich gegangen war, sondern raste ohne Sinn und Verstand durch die Zimmer und rief nach dem Fräulein.«
»War sie zu Hause?«
»Ja, sie war daheim.«
»Was sagte er zu ihr?«
»Das weiß ich nicht, denn ich ging hinaus. Aber nachher hörte ich von den Mägden, daß das Fräulein aufgeschrien, dann aber versucht hätte, Gjaernaes zu beruhigen. Die beiden sprachen lange in der Bibliothek hinter verschlossenen Türen und Fenstern miteinander. Alsdann wurde ich hereingerufen. ›Hören Sie, lieber Inspektor,‹ sagte Gjaernaes, ›ich bekam vorhin einen überraschenden Brief. Er war in gewissem Sinne sehr traurig, aber andererseits auch recht erfreulich. Jedenfalls habe ich mich beim Lesen stark aufgeregt; ich bitte Sie, den Auftritt zu vergessen und zu niemandem hierüber zu sprechen. Es handelt sich um eine ganz private Sache, über die es weiter nichts zu reden gibt.‹ Das glaubte ich ihm allerdings nicht, denn Gjaernaes war noch immer sehr bleich.«
»Wann geschah das?«
»Gegen neun Uhr abends.«
»Also ehe Forstmeister Blinde anlangte?«
»Ja, eine halbe Stunde zuvor. Als er kam, wollte Gjaernaes ihm erst den Zutritt verweigern, aber das Fräulein ließ ihn ein. Die drei hatten ein langes Gespräch zusammen, und gegen Schluß dieses Gesprächs kamen Sie.«
Hier nickte der Verwalter mir zu.
»Das Fräulein sah Sie durch das Fenster,« fuhr er fort. »Sie kam zu mir herausgelaufen und bat mich. Sie nicht einzulassen. Auch Gjaernaes selbst kam herbei und fing an, wie toll zu schreien: ›Ich muß allein bleiben,‹ rief er, ›sehen Sie denn nicht, daß ich krank bin?‹ Deshalb mußte ich so brutal zu Ihnen werden, das war der einzige Grund hierfür.«
»Hörten Sie denn gar nicht, wovon gesprochen wurde?« fragte der Detektiv.
»Nein, nichts weiter. Einmal hörte ich allerdings noch, daß das Fräulein mit allerlei Vorwürfen auf Gjaernaes losfuhr. ›Du solltest dich freuen,‹ sagte sie, ›und statt dessen bist du zu Tode verzweifelt.‹«
»Was erwiderte er hierauf?«
»Er sagte: ›Ja, gewiß freue ich mich, Hilde, aber schrecklich ist es doch immerhin. Wie sollen wir das verheimlichen?‹ Ich hörte auch, daß er noch etwas anderes sagte.«
Der Detektiv fragte nicht mehr; ich begriff, daß wir zu einem wichtigen Punkt in der sonderbaren Erzählung des Verwalters gekommen waren.
»Er erwähnte auch noch etwas anderes,« wiederholte der Verwalter halblaut, fast flüsternd. »Ich mußte dies hören, denn ich ging in dem Augenblicke gerade durch die Stube. Gjaernaes sagte: ›Aber er ist ein Kind des Todes.‹«
Der Detektiv hörte zu, ohne eine Miene zu verziehen.
»Zu wem sagte er dies?«
»Zum Fräulein.«
»Warum nicht zum Forstmeister Blinde, der doch ebenfalls zugegen war?«
»Blinde war in diesem Augenblick nicht dabei; er wartete in der Wohnung des Fräuleins. Das Fräulein und Gjaernaes waren allein im Arbeitszimmer.«
»Haben Sie irgendeine Vorstellung, von wem Gjaernaes sprach?«
»Wie könnte ich die haben?«
Der Verwalter blickte wieder scheu zur Seite. »Aber vielleicht haben Sie Ihre Vorstellung,« sagte er; »am selben Abend geschah ja das Furchtbare draußen auf der Heide. Forstmeister Blinde verließ den Hof gegen elf Uhr.«
Asbjörn Krag saß lange schweigend da, dann ging er geradeswegs auf den Kernpunkt der Sache los, indem er fragte:
»Wie kann Gjaernaes etwas mit diesem Morde zu tun haben? Gjaernaes blieb ja auf dem Hofe.«
Der Verwalter antwortete nicht, er saß mit gesenktem Kopf da und drehte den Hut verlegen zwischen den Fingern. Nach kurzem Zaudern murmelte er:
»Ich hatte nicht die Absicht, zu Ihnen zu gehen, aber dann hörte ich etwas. Ich hörte von anderen, daß Sie umhergingen und nach einem Pferd … oder einem Wagen fragten.«
»Ja, ich will darüber ins reine kommen, ob jemand von den Leuten hier in der Gegend in jener Nacht mit einem Wagen unterwegs war.«
Der Verwalter blickte auf.
»Das war wohl niemand, denke ich.«
»Nein … weder der Amtsvorsteher, noch der Pfarrer.«
»Oder Gjaernaes?«
»Auch Gjaernaes nicht.«
Es entstand eine lange Pause.
Der Detektiv fragte:
»Was sagte Gjaernaes zu Ihnen, als wir an jenem Tage vom Hofe fortfuhren?«
»Das können Sie sich wohl denken,« antwortete der Verwalter. »Er bat mich, den Mund zu halten; dasselbe, was er nun täglich gesagt hat, seitdem er jenen Brief erhielt.«
»Worüber sollten Sie den Mund halten?«
Nach langem Zögern fing der Verwalter an, langsam zu stammeln: »Gjaernaes … war in der Mordnacht doch mit seinem Fuhrwerk unterwegs.«
Ich hatte erwartet, daß Asbjörn Krag nach dieser entscheidenden Aussage aufspringen würde, aber er blieb vollkommen ruhig sitzen, als ob nichts geschehen wäre. Seine Ruhe erregte mich; ich fühlte, daß mich ein starkes Unbehagen überkam, und ich wäre gern hinaus ins Freie gegangen, um mein heißes Gesicht im Sommerwind zu kühlen. Aber ich blieb trotzdem wie gelähmt, doch mit zitternden Nerven, sitzen. Wohl wollte ich etwas sagen oder fragen, doch wagte ich nicht, den Mund zu öffnen – aus Furcht vor meiner eigenen Stimme; ich hätte vielleicht die Worte nicht herausbekommen, so schwer steckten sie mir im Halse. Und da saß dieser Mann – lächelnd, mit fast geschlossenen Augen, nahezu wie aus Stein! Geradezu widerlich kam er mir in diesem Augenblicke vor, ich haßte ihn fast, denn ich wußte, daß ich nicht einen einzigen Gedanken erraten könnte. Woran dachte er? Was glaubte er jetzt? Da sprach er auch schon: aufreizend gemächlich, fast gleichgültig:
»Gjaernaes war also doch in jener Nacht mit seinem Fuhrwerk aus, so, so – –«
»Ja,« erwiderte der Verwalter, »und niemand auf dem Hofe wußte es, außer mir. Sobald der Forstmeister fortgegangen war, bat mich Gjaernaes, in aller Stille anzuspannen, da er ausfahren wolle. Das war gewiß sonderbar, denn wohin in aller Welt hatte er so spät nachts noch zu fahren? Und warum durfte niemand etwas davon wissen? In aller Stille führte ich die Pferde an die Rückseite des Hofes, wo wir einen alten Wagen stehen haben, vor den ich sie spannte.«
»Warum benutzten Sie gerade diesen Wagen?«
»Ich konnte nicht in den Wagenschuppen gehen, denn dann hätte ich die Leute aufgeweckt, und wie sollte es dann weiter geheim bleiben, daß mein Herr ausfahren wollte?«
»Fuhr er allein?«
»Ganz allein. Ich erbot mich, ihn zu begleiten, aber da erschrak er sichtlich. ›Sie sind nicht recht von Sinnen,‹ sagte er. Ich mußte ihm versprechen, sogleich zu Bett zu gehen und mich nicht um seine Rückkehr zu kümmern. Gjaernaes fuhr hinaus in die Heide. Ich stand da und sah ihm nach, bis er im Dunkeln verschwand, dann legte ich mich nieder.«
»Schliefen Sie?«
»Nein, ich konnte nicht schlafen. Ich lag die ganze Nacht wach und dachte über das nach, was ich gesehen und gehört hatte. Ich hatte dabei das Gefühl, daß etwas Besonderes geschehen sein müßte. Der Herr sah furchtbar aus, als er abfuhr, gerade als wäre er betrunken; aber er hatte nichts getrunken, wie ich ganz genau weiß.«
»Hörten Sie ihn wieder zurückkommen?«
»Ja, ich hörte Stampfen und Lärmen vom Stall her, als er die Pferde einstellte.«
»Was für einen Wagen hatte er zu der Fahrt benutzt?«
»Einen alten klapperigen Karren.«
»Aus Eisen?« fragte der Detektiv.
Der Verwalter lächelte.
»Ich weiß, worauf Sie hinauswollen,« antwortete er. »Ich habe auch die alte Geschichte gehört, aber ich glaube nicht an Spuk. Der alte Karren macht wohl etwas Lärm, aber es ist jedenfalls sehr schwer, ihn von anderen Wagen zu unterscheiden, wenn er ein Stück weiter fort ist.«
»Dann ist es nicht der Wagen, den ich gehört habe,« warf ich voll Eifer ein.
»O doch,« antwortete der Verwalter lächelnd, »gerade den haben Sie gehört.«
Ich schwieg.
Der Detektiv fragte:
»Aber nach dieser Nacht haben Sie wohl nichts Besonderes auf dem Hofe gesehen oder gehört?«
»Gerade im Gegenteil. Der Hof hat sein Geheimnis bekommen; mir scheint es, als ob dort seltsame Dinge zu jeder Tageszeit vorgingen. Gjaernaes selbst und das Fräulein sind ganz anders geworden, als sie bisher waren.«
»Was dachten Sie sich, als Sie von dem Morde hörten?«
»Ich dachte mir nichts,« murmelte der Verwalter, »aber als ich erfuhr, daß Sie umhergingen und nach einem Wagen fragten, konnte ich mein Gewissen nicht länger zum Schweigen bringen über das, was ich wußte.«
»Ich dachte mir's, daß Sie kommen würden,« sagte der Detektiv trocken.
»Sie sahen mich so seltsam an, als Sie von Gjaernaes aufbrachen,« antwortete der Verwalter. »Ich durfte nicht länger zögern.«
Er erhob sich.
»Ich glaube auch nicht, daß ich etwas Unrechtes getan habe,« fuhr er fort. »Ich sagte dem Herrn, daß ich zu Ihnen gehen wollte.«
»Suchte er Sie nicht daran zu hindern?«
»Gewiß; als er dann aber einsah, daß das nichts nützte, betonte er, daß alles, was vorgekommen wäre, nur ihn persönlich anginge.«
Asbjörn Krag saß lange da und dachte nach.
»Sie müssen nun nach dem Hofe zurückkehren,« sagte er schließlich.
»Jawohl.«
»Dann grüßen Sie, bitte, Gjaernaes von mir und fragen Sie ihn, wann es ihm genehm wäre, mich zu empfangen.«
»Genehm?« rief ich erstaunt.
Asbjörn Krag winkte mir mit der Hand und fuhr zum Verwalter gewandt fort:
»Sie können ihm ferner sagen, daß ich mich in seine Geheimnisse nicht eindrängen will.«
Bald darauf ging der Verwalter, und ich blieb mit Asbjörn Krag allein.
»Was glauben Sie nun?« fragte er.
»Mir will es so scheinen, als ob Gjaernaes geliefert ist,« erwiderte ich. »Das ist ja ein schreckliches Unglück – bedauernswerter Freund!«
Aber Asbjörn Krags Gedanken mußten wohl weit fort sein, denn er sagte wie geistesabwesend:
»Geliefert, ja, ja. So, meinen Sie das also?« Er wurde von Minute zu Minute wortkarger, und da ich glaubte, daß er mit seinen Grübeleien allein sein wollte, verließ ich ihn.
Zum Abendessen kam ich erst spät, so daß es elf Uhr wurde, ehe ich mit dem Mahle fertig war. Als ich an seinem Fenster vorbeikam, hörte ich ihn innen auf und ab gehen. Da ich ihn aber nicht stören wollte, trat ich den Heimweg zu meinem kleinen Häuschen an.
Ein Unwetter war im Anzuge. Der Abend war bisher mild und licht gewesen, aber irgendwo am Horizont gab es Regen. Von dort wehte es, daß die Luft feucht und unsichtig wurde. Es kam plötzlich auf, etwa so, wie eine Metallplatte beim Anhauchen beschlägt. Das Meer wälzte blaugraue Wellen in den Hafen. Stundenlang war es ganz still gewesen, aber nun zeigte sich draußen im Meer eine schwarze Furche; Sturm und Regen kamen näher.
Rasch ging ich am Strande entlang, um zu rechter Zeit meine Hütte zu erreichen. Es fiel mir auf, wie einsam sie hier draußen lag. Niemals vorher hatte ich das so gefühlt, und ich bereute es fast, mich nicht um eine andere Unterkunft bemüht zu haben. Als ich die Tür hinter mir zumachte, lief der Regen schon an den Fensterscheiben herunter.
Der Leser wird verstehen, daß für mich nach alledem, was ich gehört und erlebt hatte, an Schlaf nicht zu denken war.
Ich verschloß die Tür, zog die Gardinen vor den Fenstern zusammen und machte Licht. Dann versuchte ich, in einem Buche zu lesen. Ganze Sätze las ich wieder und wieder, ohne zu begreifen, was ich las, denn ich konnte meine Gedanken nicht sammeln. Schließlich legte ich das Buch fort, schloß die Augen und wiederholte vor mich hin den letzten Satz, den Asbjörn Krag gesagt hatte: »Geliefert, ja, ja. So, meinen Sie das also? …«
Ich sank mehr und mehr zusammen und duselte vor mich hin. Dabei merkte ich, wie der Regen nachließ und schließlich aufhörte. Eine oder zwei Minuten mochte ich wohl auch geschlafen haben, da wurde ich plötzlich ganz wach, weil ich hörte, wie jemand hart an meine Tür pochte.
Es klopfte tatsächlich an die Tür.
Mein erster Gedanke war: »Die Tür ist verschlossen, das ist gut!«
Da klopfte es wieder.
»Wer ist da?« rief ich.
Keine Antwort. Ich konnte meine Pulsschläge zählen, so stark klopfte mir das Herz. Es war ja töricht von mir, mich zu fürchten, aber die Angst überkam mich wohl so leicht, weil ich eben aus dem Schlummer aufgeschreckt war.
Da klopfte es wieder gegen die Tür mit harten, knochigen Fingern. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, zu wissen, daß da draußen im Dunkeln jemand stand. Wer in aller Welt konnte das nur sein?
Ich fragte wieder, indem ich so laut rief, wie ich nur konnte. Endlich kam eine Antwort, aber ich begriff sie nicht; es war eine leise, belegte Stimme.
»Wer ist da?«
»Oeffnen Sie,« antwortete es.
Es war der Detektiv. Ich drehte den Schlüssel um und riß die Tür sperrangelweit auf. Draußen im Zwielicht stand er. Er grüßte mich ironisch, wobei er den Hut bis tief auf den Boden zog, so daß seine blanke Glatze durch das Dunkel schimmerte.
»Sie?« fragte ich erstaunt. »Kommen Sie noch so spät?«
»Ja,« erwiderte er. »Es ist ein Uhr. Habe ich Sie erschreckt?«
»Durchaus nicht.«
»Ach, geben Sie es nur zu! Schliefen Sie schon?«
»Nein.«
»Warum haben Sie sich noch nicht zur Ruhe begeben?«
Ich glaubte, er hielte mich zum Narren, und begann zornig zu werden, aber ohne meine Antwort abzuwarten, beeilte sich der Detektiv zu bemerken:
»Ich hoffe, Sie entschuldigen mich, aber ich komme mit einem wichtigen Anliegen.«
»Warum antworteten Sie nicht gleich, als ich Sie zum erstenmal fragte?«
Asbjörn Krag lachte still und trocken. Ich konnte den Mann deutlich erkennen, und doch hörte es sich so an, als ob das Gelächter aus dem Zwielicht selbst käme.
»Entschuldigen Sie,« sagte er wiederum, »ich machte ein Experiment. Ich dachte mir, daß Sie bange wären, und es belustigte mich. Sie nochmals rufen zu hören. So, dachte ich mir, so ruft ein Mensch, dem es graust.«
»Da irren Sie sich,« antwortete ich und machte die Tür wieder halb zu. »Wie Sie sehen, bin ich im Begriff, zur Ruhe zu gehen. Ich möchte nicht gern gestört werden.«
Aber der Detektiv steckte ohne weiteres seinen Spazierstock zwischen die Tür.
»Kommen Sie mit,« sagte er, »warum wollen Sie mich jetzt gerade im Stiche lasten?«
»Was gibt's denn? Ist etwas Besonderes geschehen?«
»Jawohl.«
Mir schien es, als ob Asbjörn Krag sehr ernst war, und ich entschloß mich, ihn jedenfalls zu begleiten. Ich setzte deshalb den Hut auf und öffnete darauf so leise wie möglich die Tischschublade, in der mein Revolver lag.
»Aha,« hörte ich den Detektiv murmeln, »Sie bewaffnen sich.«
»Eine alte Gewohnheit von meinen Reisen her,« erwiderte ich. »Da draußen geht ja so viel Merkwürdiges jetzt vor. Soll ich meinen Regenrock mitnehmen?«
Der Detektiv sah zum Himmel auf.
»Die Wolken ziehen,« sagte er, »wir bekommen sicher keinen Regen mehr.«
Dann gingen wir.
Nach etwa hundert Schritten blieb Asbjörn Krag, stehen und bemerkte:
»Sie vergaßen, die Lampe auszulöschen.«
Er zeigte auf meine Hütte, die nun wirklich wie ein Leuchtturmwärterhaus in der dämmerigen Sommernacht dalag.
»Ja,« sagte ich, »aber das tut nichts. Ich habe dann keine Umstände damit, sie anzuzünden, wenn ich zurückkomme. Hoffentlich dauert es nicht lange.«
Der Detektiv antwortete mir nicht, aber nachdem wir höchstens hundert Schritte weitergegangen waren, fragte er:
»Haben Sie mit Absicht vergessen, die Lampe auszulöschen?«
»Ich verstehe Sie nicht.«
Asbjörn Krag lachte wieder kurz und abgebrochen.
»Ihr Häuschen liegt verlassen,« sagte er, »sehr verlassen – und gerade in dieser Nacht ist es sehr dunkel.«
Um den Zornesausbruch zu beschwichtigen, der in mir aufzusteigen begann, nahm er mich gemütlich unter den Arm und brachte eine Menge Entschuldigungen vor, daß er mich gestört hätte.
»Ja, warum haben Sie es eigentlich getan?« fragte ich ungeduldig.
»Das will ich Ihnen sagen,« antwortete er. »In gewissen Augenblicken verlasse ich mich nicht auf meine eigenen Sinne. Ich habe heute nacht etwas gehört.«
»Sie sind also wach gewesen?«
»Ja, und nicht nur heute nacht; ich schlafe sehr wenig, lieber Freund.«
»Was haben Sie gehört?«
»Ich hörte den eisernen Wagen,« erwiderte der Detektiv.
Er sprach das ohne jedes Pathos, so wie man etwa von einem Musikstück spricht, das man gehört hat, oder von einem Vogel. Wir gingen und gingen. Das Meer rauschte auf den Strand, so daß wir unsere eigenen Schritte nicht hören konnten.
»Vielleicht glauben Sie mir nicht,« fuhr der Detektiv fort, »denn Sie antworten ja nichts.«
»Doch, ich glaube Ihnen, aber was sollte ich wohl sagen?«
Wir öffneten ein Gatter und kamen an einigen kleinen Häusern vorbei. Nirgends sah man Licht, alle Fenster waren dunkel. Ich hatte das Gefühl, als ob die Häuser leer und alle Menschen weit, weit fort wären. Viel sehen konnten wir nicht, der Weg, die Bäume und die Häuser tauchten aus dem Dunkel in dem Maße auf, wie wir vorwärtsschritten. Rings um uns her ragten im Kreise schwarze Zacken und Wipfel auf wie eine dunkle Mauer.
»Wo gehen wir hin?« fragte ich.
»Hinaus auf die Heide,« antwortete Asbjörn Krag.
»Glauben Sie an den eisernen Wagen?«
»Ich habe ihn gehört. Ich stand am offenen Fenster und hörte ihn ganz entfernt, wie Kettengerassel. Der Laut wurde von den Windstößen zu mir herübergetragen, und nun will ich hinaus in die Heide, um zu sehen, was das eigentlich für ein Ding ist, das da draußen in der Nacht umherfährt.«
Wir gingen in den Wald, der uns beklemmend von allen Seiten umschloß. Jetzt hörten wir keinen Laut mehr, denn das Rauschen des Meeres drang nicht bis hier herauf. Rascher schritten wir aus.
»Glauben Sie nicht, daß es bald hell wird?« fragte, ich.
»In einer halben Stunde beginnt es zu dämmern,« antwortete Krag.
Aber doch war es schon fast so, als ob wir in die Morgendämmerung kämen, als wir erst den Wald hinter uns hatten. Ich konnte die nächsten Baumstämme zählen und weithin über die Heide blicken, während vorher die Finsternis mein Auge hemmte. Rechts von uns erhoben die Berge ihre ruhigen Gipfel zum dunklen Nachthimmel. Am Fuße des Berges lag die Sandgräberhütte mit ihrem breiten, vorspringenden Dache, das an einen Augenschirm erinnerte.
»Sehen Sie die graue Hütte?« fragte der Detektiv. »Es ist gerade, als ob sie lebt und uns anstarrt.«
Ich setzte unwillkürlich und ohne jede Absicht hinzu: »Jawohl, aber jetzt ist die Leiche fortgebracht.« Wir blieben stehen und lauschten.
Ich hörte nichts.
»Die verdammte Uhr,« flüsterte Asbjörn Krag, »ich höre nur sie!«
Als ich auf diesen Laut erst aufmerksam geworden war, hörte ich auch das ewige Ticktack.
Krag riß die Uhr aus der Tasche und hielt sie an.
»Wir wollen gehen,« sagte Krag.
Ich wollte ihn fragen, wohin wir gehen wollten, aber ich kam nur dazu, zu sagen:
»Ich verstehe nicht recht, wo …,« da packte mich Asbjörn Krag fest am Arm.
Es war nicht nötig, die Sinne besonders anzustrengen, denn wir hörten jetzt deutlich und klar in der Ferne den eigentümlichen Klang von Metall, ähnlich dem Ton, der entsteht, wenn Wasser durch ein Metallrohr gesogen wird.
Das Geräusch schwoll an und ab. Bisweilen war es kräftig, dann aber wurde es wieder leise, glitt hinaus in die Ferne, tönte etwa eine Meile entfernt und erstarb in der Stille, um wieder anzuschwellen und uns laut in die Ohren zu tönen.
Wir standen und lauschten nach dem eisernen Wagen zehn Minuten oder länger.
»Mir kommt es so vor, als ob er umherkreist,« murmelte Asbjörn Krag, »als ob er in einem Ungeheuern Kreise draußen auf der Heide umherfährt.«
Er versuchte mit seinen Blicken das Dunkel zu durchdringen, aber es gelang ihm nicht. Da fluchte er ärgerlich, daß es nicht heller war.
Ich fragte ihn, ob wir nicht über die Heide hinlaufen wollten, um möglicherweise einen Schimmer von dem mystischen Wagen zu sehen.
»Aber welche Richtung sollen wir einschlagen?« fragte Krag. »Es ist ja unmöglich, zu unterscheiden, woher der Laut kommt, er geht in großem Bogen herum, bald steht er im Norden, bald im Westen. Hören Sie nur, jetzt scheint er näher zu kommen!«
Und es schien wirklich so, denn der Laut des klingenden Eisens wurde deutlicher und nahm an Stärke zu.
Kurz darauf sagte Krag:
»Nun kann er nicht mehr weit entfernt sein.«
»Ich höre nur das Rasseln der Räder,« flüsterte ich, »und gar keine Pferdehufe. Das muß ein wunderlicher Wagen sein.«
Aber wir konnten ihn nach wie vor nicht sehen. Der Wagen lief im Dunkeln. Unwillkürlich drückten wir uns dicht an die Baumstämme, denn wir hatten das Gefühl, als ob er in wenigen Minuten aus dem Dunkel feurig auftauchen und an uns vorbeisausen würde.
Asbjörn Krag packte mich plötzlich am Arm.
»Hören Sie das?« flüsterte er. Sein Gesicht war außerordentlich gespannt..
»Ich höre nichts als den eisernen Wagen.«
»Mir kam es so vor,« murmelte er, »als ob, ich einen Schrei hörte … Aber vielleicht irre ich mich.«
Bisher hatten wir den rollenden Wagen gerade vor uns; aber nun war es, als ob er die Richtung verändert hätte, indem er hinter dem Walde verschwunden war; plötzlich wurde auch der Laut des klingenden Eisens gedämpft.
»Großer Gott,« rief ich, »der fährt ja auf das Meer zu!«
»Gibt es keinen Weg auf jener Seite des Waldes?« »Nein, keinerlei Weg – nur Felsen und Erdlöcher.« Es war nicht länger daran zu zweifeln, der Wagen fuhr gerade auf das Meer zu, das Geräusch der rollenden Eisenräder verlor sich in dem Maße, wie es sich nach und nach entfernte.
»Der muß sich ja zuschanden fahren,« rief ich, »das ist vollkommener Wahnsinn!«
»Und doch klingt der Laut fortgesetzt regelmäßig,« antwortete Asbjörn Krag und sah hinüber nach der zackigen, dunklen Silhouette des Waldes. »Man hört ihn nur weiter und weiter entfernt.«
»Nun muß der Wagen gleich am Strande sein,« sagte ich, der ich die Gegend kannte. Krag nickte.
Plötzlich hörte der Lärm auf.
»Der Wagen hat sich festgefahren,« rief ich.
»Oder ist zertrümmert,« antwortete Krag. »Kommen Sie, wir wollen dorthin laufen.«
Ohne abzuwarten, was ich beginnen würde, sprang er voraus. Ich folgte ihm, aber er lief so schnell und hatte einen solchen Vorsprung, daß er vor mir in der Dunkelheit fast verschwand.
Wir gelangten auf die andere Seite des Waldes und stiegen den Abhang hinunter. Nun war die Finsternis so weit gewichen, daß wir das Meer da unten erkennen konnten. Sein kalter Hauch schlug zu uns hinauf und kühlte meine Brust. Krag blieb stehen und sah über den gewaltigen Abhang hinab. Da und dort standen Fichten, deren Zweige der stetige Seewind flach landeinwärts gerichtet hatte. Der Abhang war von Geröll erfüllt, von Löchern und zusammengewehten Sandhaufen, deren armseliger und niedriger Graswuchs an die Stoppeln in einem unrasierten Gesicht erinnerte. Einen Weg gab es nicht; fast war es unmöglich, hier zu Fuß vorwärtszukommen. Und nun gar ein Wagen –! Wie sollte ein Wagen hier vom Flecke kommen können? Der mußte ja sofort zerschellen. Und doch hatten wir das Geräusch von rollenden Rädern gehört, regelmäßig und im Takte, weiter und weiter entfernt, bis es aufhörte. Wo war er nun geblieben? Wir starrten über den Abhang; unsere Augen schweiften umher, wir sahen nur Gras, Steine, Sandhaufen, aber keinen Wagen.
Asbjörn Krag kletterte ein großes Stück über den Abhang hin und blickte die ganze Zeit auf die Erde.
Als er sich zu mir zurückwandte, sagte er:
»Keine Radspur!«
»Keine Radspur,« wiederholte ich verständnislos. »Dann ist der Wagen vielleicht doch nicht hier entlanggefahren.«
»Er kann aber unmöglich durch den dichten Wald gefahren sein,« rief der Detektiv. »Kommen Sie, lassen Sie uns wieder in die Heide zurückkehren.«
Als wir so weit gekommen waren, daß wir das Meer nicht mehr sehen konnten, sagte Asbjörn Krag:
»Hier war es etwa, wo der Wagen seine Richtung änderte; das konnte man an dem Geräusch hören.«
»Oder war es doch vielleicht noch etwas weiter fort?« fragte ich.
Asbjörn Krag dachte nach.
»Ja, vielleicht war es so,« murmelte er.
Wir gingen wieder einige Schritte, doch plötzlich blieb ich stehen.
»Kennen Sie sich hier aus?« flüsterte ich.
Der Detektiv sah mich blinzelnd, fast höhnisch an.
»Ja,« erwiderte er, »ich kenne mich wohl aus. Warum werden Sie so blaß?«
»Ich bin durchaus nicht blaß geworden,« erwiderte ich, »aber diese fortwährenden Nachtwachen greifen doch wohl meine Nerven an.«
Dann zeigte ich vor mich hin:
»Dort ist die Stelle, wo wir den Forstmeister fanden, dort bei dem grauen Stein. Der Tote lag mit dem Gesicht auf der Erde.«
Asbjörn Krag zog die Stirn kraus.
»Bei dem grauen Stein? Keineswegs!« murmelte er. Er sah sich forschend um. »Ich verstehe nicht, wo der Stein herkommt.«
Ich lachte und erwiderte:
»Und doch liegt dort ein Stein, und zwar genau an der Stelle, wo wir den Toten fanden.«
Asbjörn Krag ging bis zu der Stelle hin. Ich sah, daß er sich über den grauen Stein beugte, und rasch lief ich ebenfalls dorthin.
Es war gar kein grauer Stein, sondern ein Mensch, der dort lag, ein alter Mann. Er hatte eine furchtbare Wunde am Hinterkopfe.
»Er ist tot,« sagte Asbjörn Krag und drehte ihn um, so daß wir sein Gesicht zu sehen bekamen. »Er ist kaum seit einer Viertelstunde tot!«
Ich erinnere mich jetzt nicht mehr daran, was ich in diesem Augenblick dachte oder fühlte. Wahrscheinlich dachte ich überhaupt nicht. Ich sah den Toten, ohne zu verstehen … Ich hatte die lähmende Vorstellung, daß ich mich in einer rätselhaften Fabelwelt befände und war vollkommen fassungslos. Ich entsinne mich nur, daß ich einen ganz zerfahrenen und verwirrten Eindruck machte. Ich beugte mich nieder und sah, daß der Anzug des Toten aus gestreiftem Tuch bestand. Asbjörn Krag weckte mich, indem er sagte:
»Es ist der eiserne Wagen, der ihn getötet hat.«
»Der eiserne Wagen …« murmelte ich.
»Ja,« erwiderte der Detektiv, »kennen Sie den Mann nicht?«
Ich sah in sein altes, graues Gesicht. Ja doch, wo hatte ich das nur vorher gesehen? Meine Gedanken schweiften unbewußt umher, ich suchte in meiner Erinnerung.
»Erinnern Sie sich nicht des Bildes?« fragte der Detektiv rauh. »Des Bildes in der Stube auf Gjaernaes, mit dem Spitzbart, der krummen Nase und den kleinen Augen?«
Entsetzt sah ich den Detektiv an.
»Ja wahrhaftig, ja wahrhaftig, der alte Gjaernaes, es ist der alte Gjaernaes, der hier liegt. Aber, großer Gott, der ist ja vor vier Jahren ertrunken!«
»Aber nun ist er erst wirklich tot,« erwiderte Asbjörn Krag.
Der Detektiv nahm mich vorsichtig am Arm.
»Sie schwanken,« sagte er, »es ist doch wohl richtig, daß Ihre Nerven angegriffen sind.«
Nun waren meine Lippen wieder dicht daran, kalt zu werden, und ich kannte das warme Rieseln im Nacken und Hinterhaupt, das bei mir stets einer herannahenden Ohnmacht vorauszugehen pflegt. Ich blickte mich um. Die Landschaft nahm in meinen verwirrten Augen die wunderlichsten Formen an. Ich sah, daß der Tag graute, ein langer Lichtstreifen ragte über die Heide und spielte im Walde. Die vordersten Fichtenstämme glänzten wie Gold. Ich sah den toten Mann, sah Asbjörn Krag, ließ den Blick über die Heide hinirren, verstand aber nichts. Mehrere Sekunden lang beherrschte mich die Vorstellung, daß ich träumte. Aber meine Sinne waren klar und empfänglich. Ein eigenartiges Bild des Sonnenaufganges, in einer Zehntel-Sekunde wahrgenommen, brannte sich in mein Bewußtsein ein. Der Himmel im Osten war nicht mehr der Himmel, sondern ein ungeheurer, lichterfüllter Schlund, hinter dem sich ungeahnte, ferne Welten auftaten. Ein Wall von Wolken erhob sich am Horizont. Sie wandelten sich zu phantastischen Gestalten seltsamer Tiere mit flammenden Mähnen und sprühenden Funken unter den geflügelten Hufen – eine wilde Horde, die die Sonne mit ihren leuchtenden Strahlen zügelte; das war des Tages goldener Vortrab. Und dann stieg die Sonne selbst laut dröhnend über den Horizont herauf …
Weit, weit entfernt hörte ich Asbjörn Krags Stimme.