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Es war vereinbart worden, daß die vollzogene Heirat einstweilen streng geheim gehalten werden sollte. Benjamin wußte Charlotte davon zu überzeugen, daß er nun, nachdem er ihr den Beweis von dem Ernste seiner Absichten gegeben, noch einen gewissen Spielraum gebrauchte, sich vollends mit Frau von Staël auseinanderzusetzen. Charlotte kannte aus seinen Schilderungen seine schwierige Lage: sie war verständnisvoll und gutherzig genug, sich zu der ihr zugemuteten, für eine stolzere Natur demütigenden Rolle zu verstehen, und während ihr eben angetrauter Gatte noch einmal als Vasall an den Hof seiner früheren Gebieterin zurückkehrte, nahm sie vorläufig auf dem Lande bei Neuchatel Aufenthalt, der weiteren Entwicklung der Dinge dort zu harren. Benjamin seinerseits war keineswegs der rücksichtslose Egoist, der ein solches Opfer als selbstverständlich hingenommen hätte: er war vielmehr von der Größe dieser Entsagungsfähigkeit voll Dankes durchdrungen und kann in seinen Briefen an Frau von Nassau Charlottens gütigen Charakter nicht genug rühmen, der ihm mehr denn je die Gewißheit gebe, daß er in ihr sein Glück endlich gefunden habe.
Im Juli war Frau von Staël aus Wien auf dem Rückweg über Weimar in Coppet eingetroffen, wo sich der alte Kreis schnell wieder zusammenschloß. Es ist fälschlicherweise früher so dargestellt worden, als habe Constant sie gleich nach ihrer Rückkehr brieflich um eine Zusammenkunft in der Nähe von Genf ersucht und hier der Ahnungslosen plötzlich Charlotte als seine Gattin vorgestellt: vielmehr erfolgte diese Bekanntschaft nicht vor dem nächsten Jahre, und gerade darin bestand jetzt das Komplizierte und Heikle seiner Lage, daß er seinen alten Platz in Coppet wieder einnahm, ohne daß Frau von Staël von seiner bereits geschlossenen Ehe auch nur das geringste ahnte. Was früher Diplomatie des Herzens gewesen war, wurde jetzt eine unausgesprochene Lüge: dies sich einzugestehen, besaß er Selbsterkenntnis genug. Aber er tröstete sich damit, daß diese letzte Galgenfrist nicht von langer Dauer sein könnte, denn Frau von Staël trug sich damals mit dem schon seit Jahren erwogenen Plan einer großen Reise nach Amerika, wo sie noch von ihrem Vater her Ländereien besaß, und gedachte im Herbst, spätestens im Winter, diese Absicht auszuführen: lag erst der atlantische Ozean zwischen ihr und ihm und erfuhr sie dann die bittere Wahrheit, so war die Gefahr, daß sie sich zu extremen Unbesonnenheiten hinreißen ließ, die vielleicht ihr und anderer Unglück gewesen wären, erheblich verringert. »Ich bin überzeugt,« heißt es in einem Briefe Benjamins an Frau von Nassau, »daß die wahre Moral darin besteht, andern so viel Schmerz als möglich zu ersparen, und daß man die Pflicht hat, diesem Zweck nicht nur das eigene Glück, sondern nötigenfalls bis zu einem gewissen Grade sogar die eigene Reputation zu opfern.« Als Motiv seiner Handlungsweise bezeichnet er immer wieder nichts anderes, als die Pietät für ein lange bestehendes Herzensband, die Selbstverleugnung zugunsten einer ihm bewahrten Zuneigung, die er auch künftig noch um jeden Preis schonen möchte, trotzdem sein Leben jetzt eine neue Wendung genommen habe.
Frau von Nassau war nächst seinem Vater die einzige, die um den wahren Sachverhalt wußte – selbst Rosalie, sonst seine unbedingte Vertraute, durfte nichts erfahren, damit in keinem Falle vor der Zeit etwas nach Coppet dränge – und da ihm an der Meinung der klugen alten Dame viel gelegen war, veranlaßte er Charlotte, sie in Lausanne zu besuchen. Ende Juli kam diese in Begleitung einer mittlerweile aus Deutschland bei ihr eingetroffenen Tante dahin, und Frau von Nassau, die den beiden Damen ausgesuchte Aufmerksamkeit erwies, konnte ihrem darob beglückten Neffen nur von den günstigsten Eindrücken berichten. Dieser selbst blieb gleichwohl während der Zeit in Coppet, da er erklärte, es fehle ihm ein plausibler Grund, sich zu entfernen, ohne Verdacht zu erregen; dafür kamen die beiden Hardenbergschen Damen alsbald nach Genf, wo Constant unter dem Vorwande, daß es sich um Bekannte aus seiner Braunschweiger Zeit handle, öfters mit ihnen zusammentraf, ohne Frau von Staëls Mißtrauen zu erregen, und natürlich auch ohne daß die alte Frau von Hardenberg etwas von der bereits vollzogenen geheimen Heirat ihrer Nichte wußte, »Jamais il n'y eut une situation plus bizarrement travaillée que la mienne,« konnte Benjamin mit Fug in diesen Tagen an Frau von Nassau schreiben. Er empfand es aber doch jetzt stärker als bisher, daß von seinem künftigen Verhalten nicht mehr sein Wohl und Wehe allein, sondern auch das einer Andern abhing, deren Schicksal er mit dem seinigen verkettet hatte, und er suchte in diesem Gedanken eine moralische Rückenstärkung.
Indessen mußte es ein äußerer Grund zunächst rechtfertigen, daß sein Aufenthalt in Coppet sich vom Sommer in den Herbst und zuletzt bis zum Winter hinzog. Der Druck seines »Wallstein«, für den er Frau von Staëls Verleger Paschoud in Genf gewonnen hatte, begann im September und nahm, da Constant ihn selbst überwachen mußte und noch in der Korrektur vieles änderte, mehrere Monate in Anspruch: Vorwand genug für ihn, andern und sich selbst gegenüber, alle weiteren Entscheidungen bis nach der Beendigung des Druckgeschäftes zu vertagen. Charlotte, die sich inzwischen wieder in ihre Einsamkeit nahe bei Neuchatel zurückgezogen hatte, scheint sich denn auch mit keinem Vorwurf gegen diese neue harte Geduldsprobe gewehrt zu haben, aber so großherzig diese entgegenkommende Nachsicht und Sündhaftigkeit war, sie leistete doch mehr der fatalistischen Unentschlossenheit ihres jetzigen Gatten in partibus, als seiner Willenskraft Vorschub.
Der Sommer und Herbst dieses Jahres 1808 gestaltete sich für Coppet gesellschaftlich noch bewegter, als der des vorigen Jahres. Die Zahl der anwesenden Gäste betrug zuzeiten zwischen zwanzig und dreißig. Man traf sich um elf Uhr beim gemeinsamen Frühstück, nahm die begonnenen literarischen und wissenschaftlichen Gespräche beim Diner wieder auf und setzte sie zumeist bis zu dem um elf Uhr abends stattfindenden Nachtmahle fort, manchmal auch noch über die Gespensterstunde hinaus. In diesem regen Spiel der geistigen Kräfte, dem unerschöpflichen Austausch der Anschauungen, dem scharfen Gefecht der blitzenden Wortklingen fühlte sich Frau von Staël in ihrem Elemente, aber auch nur dann, wenn sie in Benjamin den gewohnten Partner besaß. Er nur verstand sie in einem Grade zu elektrisieren, daß sie beide gewöhnlich allein die Unterhaltung beherrschten, bei der die andern vorwiegend die Zuhörerrolle spielten. Er war für sie, was für eine schöne Frau ihr Spiegel: er warf ihr gleichsam das Bild ihrer geistigen Persönlichkeit mit all seinen blendenden Vorzügen zurück und entzückte sie dadurch. Er allein vermochte es, der Schnelligkeit ihres impulsiven Denkens zu folgen, auf jede unerwartete Wendung einzugehen, jede Anspielung im Fluge aufzufangen und sie durch diese Schlagfertigkeit und Gedankenbereitschaft so weit hinzureißen, daß sie ihn vor anderen für »le premier esprit du monde« erklären konnte, ohne auf Widerspruch zu stoßen. Des Reichtums ihrer eigenen Geistesgaben ward sie sich jedesmal erst im Verkehr mit ihm im vollen Umfang bewußt, und dieses Hochgefühl konnte ihr niemand je ersetzen, zumal es auf voller Gegenseitigkeit beruhte. Ihre ungeheure geistige Lebhaftigkeit verbrauchte Ideenmaterial, wie eine Maschine Kohlen verbraucht, aber unerläßlich blieb es freilich, daß ein Kreis von ebenbürtigen Zuhörern bei solchen Gesprächsturnieren und Geistesfeuerwerken zugegen war. Eine oft bezeugte Äußerlichkeit war für ihre nervöse Beweglichkeit charakteristisch genug: sie konnte nicht fließend sprechen, ohne in ihrer Hand einen kleinen Zweig, einen Papierknäuel, ihren Fächer, ein Falzbein oder Ähnliches spielend hin- und herzudrehen, und mußte deshalb stets etwas dergleichen bei sich haben. Andererseits störte sie das Gespräch der andern nicht im mindesten bei eigener Tätigkeit, und es ist bekannt, daß sie inmitten ihrer plaudernden Gäste ihre Korrespondenz zu erledigen, wohl auch wissenschaftlich zu arbeiten pflegte.
Von literarisch bedeutenden Besuchen sah das Schloß in diesen Monaten unter anderen den im Morgenlichte seines Ruhmes stehenden Dänen Adam Öhlenschläger, dessen Bekanntschaft Frau von Staël zwei Jahre vorher in Acosta gemacht hatte. Er war auf dem Wege nach Italien und wollte nur kurze Zeit ihre Gastfreundschaft in Anspruch nehmen, ließ sich aber dann durch das anregende und angeregte Leben in Coppet bewegen, bis ins Frühjahr hinein zu bleiben. »In Frau von Staëls Hause,« erzählen seine Lebenserinnerungen, »war ewige Lustigkeit, wenn auch nicht eben immer Freude. Fast jeden Tag gab es prächtige Diners und abends Soupers. Ich habe kein Haus gekannt, in dem es so flott zuging. Sie war ungeheuer reich, bekam außerdem ein außerordentlich hohes Honorar für ihre Schriften, liebte selbst das gute Leben und fühlte sich sehr wohl an der Spitze ihres Tisches. ... Das war das Katheder, auf dem sie Vorlesungen hielt.« Von ihrer Erscheinung bemerkt er, sie sei nicht schön gewesen, aber in ihren strahlenden schwarzen Augen habe etwas unwiderstehlich Anziehendes gelegen. »Sie besaß im höchsten Grade die Gabe, auch widerstrebende Naturen zu bezwingen und durch ihre Liebenswürdigkeit Menschen der gegensätzlichsten Art einander zu nähern. Ihr Organ war etwas zu laut, ihr Gesichtsschnitt etwas zu männlich, aber ihr Herz zartfühlend und gütig.«
Öhlenschläger traf außer den Paladinen Schlegel, Constant, Sismondi, Bonstetten und de Sabran, noch den alten Baron Voght aus Altona, einen verdienten Philanthropen, der noch Lessing persönlich gekannt hatte und dessen »Nathan« der Schloßgesellschaft deutsch vorlas, ferner den Bildhauer Friedrich Tieck, Ludwigs jüngeren Bruder, der hier die jetzt in der Weimarer Bibliothek befindliche Marmorbüste der Herrin von Coppet modelte, und endlich als interessantesten Gast Zacharias Werner, der sich gleichfalls auf dem Weg nach Italien befand. Er hatte den Winter vorher in Weimar verbracht und war in Interlaken, als sich Frau von Staël dort im August ein paar Tage aufhielt, dieser durch den Kronprinzen Ludwig von Bayern vorgestellt und von ihr nach Coppet eingeladen worden, wo er im Oktober eintraf. Auch er war von ihrer Persönlichkeit bezaubert. »Man muß sie,« schrieb er aus Coppet einem seiner Bekannten, »anbeten, wie meine Freunde August Wilhelm Schlegel und Benjamin Constant.« Während seines Aufenthaltes, der bis in den November währte, wurde viel gemeinsam gelesen, deutsche, spanische, klassische Dramen, und was nicht gelesen wurde, wurde auf den Brettern dargestellt. Werners Schicksalstragödie »Der 24. Februar« erlebte in diesen Wochen auf der kleinen Bühne von Coppet ihre erste Aufführung. Auch ein neues dramatisches Gedicht von Frau von Staël, die biblische Szene »Die Sunamitin«, in der sie selbst und die elfjährige Albertine die Hauptrollen nach Werners Zeugnis »mit unglaublicher Genialität« spielten, übte starke Wirkung.
Benjamin Constant hatte in diesem kleinen Drama die Rolle eines Propheten übernehmen müssen, und er hätte wahrscheinlich viel darum gegeben, wirklich einer zu sein, um vorauszuwissen, wie sich seine nächste Zukunft gestalten werde. Mit der zu Ende gehenden Drucklegung seines »Wallstein« schwand ihm der Vorwand dahin, unter dem er seinen Aufenthalt derart hatte verlängern können. So unfähig wie je, den gordischen Knoten seiner Situation glatt zu durchschneiden, überließ er es abermals der Zeit und dem Schicksal, was sie für ihn tun wollten, und in den Briefen an Barante aus jenen Tagen macht sich ein auffallender religiöser Einschlag und der Glauben an das Walten göttlicher Fügung bemerkbar. Da Frau von Staëls Amerikapläne mittlerweile verschoben worden waren, fiel auch diese Hoffnung auf eine Lösung ohne Gewaltsamkeit vorerst weg. Anfang Dezember endlich konnte er sich durch die Notwendigkeit, seinen Vater zu besuchen und in Paris für seinen »Wallstein« persönlich tätig zu sein, wieder Bewegungsfreiheit verschaffen. Er eilte, Charlotten aus ihrer Einsamkeit und Ungeduld zu erlösen, und fuhr mit ihr zunächst nach Brevans, wo ihn diesmal zur Abwechslung wieder familiäre Unerquicklichkeiten und Verstimmungen erwarteten. Der Hintergrund dieser Trübungen, die den Beziehungen zu seinem Vater jetzt wieder von dessen Seite eine peinliche Gespanntheit gaben, war, wie so oft schon, finanzieller Natur, das treibende Element Frau Marianne, die zweite Frau des alten Generals, und die Opfer, zu denen sich Benjamin seinem Vater zuliebe immer wieder verstehen mußte, überstiegen seine nicht eben glänzenden Verhältnisse schon erheblich. Er wäre bald wieder abgereist, wenn nicht eine schwere Brandverletzung der einen Hand ihn wochenlang gefesselt und ihm erst Anfang Januar 1809 erlaubt hätte, mit seiner Frau – die es noch immer nicht der Welt gegenüber sein durfte – nach Paris zurückzukehren.
Da der Verleger Paschoud (bei dem auch »Corinne« erschienen war) den fertigen »Wallstein«, für dessen erste Auflage er seinem Verfasser das ansehnliche Honorar von zweitausendfünfhundert Francs bezahlt hatte, der Nachdrucker wegen in Genf nicht früher als in Paris veröffentlichen wollte, schrieb man bereits Ende Januar, als das Buch unter dem etwas langatmigen Titel »Wallstein, tragédie en cinq actes et en vers, précédée de quelques réflexions sur le théâtre allemand et suivie de notes historiques, par Benjamin Constant de Rebecque« endlich erscheinen konnte. Seltsamerweise war Schillers Name auf dem Titelblatt überhaupt nicht genannt, obwohl die historisch-kritische Einleitung keinen Zweifel darüber ließ, daß das Werk eine Bearbeitung der deutschen Bühnendichtung sein sollte und wollte. Aber unbewußt hatte Constant damit an seiner Arbeit selbst die richtigste Kritik geübt; denn unschillerischer kann nicht leicht etwas sein, als dieser dramatische Wechselbalg deutschen und französischen Bühnenstils; gründlicher konnte Schillers Dichtung ihres Charakters nicht entkleidet werden, als in dieser auf Alexandriner gezogenen »tragédie« klassizistischer Observanz. Schon die Personennamen deuten zum Teil auf die Umformung hin. Der aus metrischen Gründen unbrauchbare Name des Friedländers hat sich die Abkürzung in »Wallstein« gefallen lassen müssen, eine etwas willkürliche Variante für die einem französischen Munde der gehäuften Konsonanten wegen unaussprechliche ältere Namensform Waldstein. Dieselbe Rücksicht auf den Tonfall des Alexandriners hat aus Piccolomini (was übrigens teilweise der historischen Wahrheit entsprach) einen Gallas, aus Max einen Alfred, aus Questenberg einen Géraldin, aus dem Obersten Wrangel einen Harald werden lassen. Schlimmer als diese Nebensächlichkeiten ist die Zertrümmerung vieler wesentlicher Einzelheiten zugunsten der notwendigen Vereinfachung und Kürzung, denn noch war – trotz Merciers früheren dramaturgischen Waffengängen – auf dem französischen Theater ein Stück unmöglich, das nicht das aristotelische Korsett der drei Einheiten trug. Es war also von vornherein ausgeschlossen, die ganze Trilogie zu übertragen: das »Lager« mußte als erstes Opfer fallen, und die rund sechstausendfünfhundert Verse des Hauptdramas mußten auf wenig mehr als ein Drittel eingeschmolzen werden. Dazu kam, daß der Alexandriner dank der gedoppelten Symmetrie seiner Vershälften und seiner Reime für jeden poetischen Gedanken zu einem förmlichen Streckbett werden mußte, das die Gedrungenheit des Blankverses häufig zu wortreicher Umschreibung dehnte.
In seiner ausführlichen Einleitung hat Constant auf diese Schwierigkeiten selbst hingewiesen und dabei für seine Landsleute sehr treffend die Verschiedenheiten der deutschen und der französischen Bühnengesetze betont. »Wir haben,« sagt er, »ein Bedürfnis nach Einheit und sträuben uns aus diesem Bedürfnis heraus gegen alles, was dem Einheitscharakter unserer Tragödiengestalten Abbruch tun könnte. Wir lassen deshalb auch das ganze Vorleben unserer Helden einfach ausscheiden, soweit es nicht notwendig mit der Handlung selbst verknüpft ist. ... Daher kommt es, daß die Franzosen selbst in solchen Stücken, die auf überlieferter oder historischer Grundlage ruhen, jeweils nur einen Vorgang und nur eine Leidenschaft dichterisch ausgestalten, während die Deutschen innerhalb eines Dramas ein ganzes Leben, einen ganzen Charakter aufrollen, das heißt, ihre Stücke umschließen natürlich nicht den ganzen Lebensgang ihres Helden, aber sie lassen kein wichtiges Faktum daraus unerwähnt. Ebenso steht es mit den Charakteren. Die Deutschen lassen von dem Charakterbilde ihrer Personen keinen der Züge weg, die deren Individualität ausmachen, sie zeigen sie uns mit all ihren Schwächen, ihren Inkonsequenzen, kurz mit allen Widersprüchen, die in der menschlichen Natur begründet sind und die zur Lebenswahrheit gehören. Demgegenüber bietet natürlich die Isolierung, in der die französischen Bühnendichter einen einzelnen Konflikt herausheben und nur das eine Motiv behandeln, von dem er getragen wird, ihre unbestreitbaren Vorteile.« Das Interesse, heißt es weiter, wird leichter auf einen Punkt konzentriert und abgegrenzt; andrerseits kann diese Art Kunst nie den Schein der Wahrheit erreichen, und der Hörer behält das Gefühl, daß er nicht einer wirklichen historischen Gestalt, sondern einer künstlich geschaffenen Persönlichkeit gegenübersteht.
Zu diesen technischen und ästhetischen Schwierigkeiten, auf die der französische »Wallenstein«-Bearbeiter stieß, kam noch eine mehr praktische: die Unvertrautheit des französischen Publikums mit dem historischen Stoff, oder richtiger gesagt: das mangelnde Interesse der Franzosen für Stoffe der ausländischen Geschichte überhaupt. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, war es erforderlich, nicht nur die Handlung auf möglichst einfache Grundlinien zu reduzieren, sondern auch das bunte Gewimmel der Personen an Zahl erheblich einzuschränken. So finden sich von den etlichen dreißig Einzelrollen des Schillerschen Doppeldramas in Constants Bearbeitung nur eben ein Dutzend noch vor. Von den Offizieren sind außer den Piccolomini (oder Gallas) nur Terzky, Illo, Isolan und Buttler übrig geblieben, die Herzogin und Gräfin Terzky fehlen ganz, Thekla ist – ganz im Sinne der französischen Tradition – allein auf ihre Vertraute, die gute Neubrunn, angewiesen, die hier unter ihrem Vornamen Elisa erscheint.
Der eingeschrumpften Personenzahl entspricht die verkleinerte Handlung, die sich vom Mittag bis zur Nacht des historischen 25. Februar und durchweg in Eger abspielt. Sie setzt an demselben Punkte wie bei Schiller mit der Ankunft Géraldins (Questenbergs) im Lager ein und zieht die beiden ersten Akte des Originals in einen zusammen, dessen Schluß die ziemlich wortgetreu übernommene Szene zwischen dem kaiserlichen Abgesandten und Wallenstein im Kreise seiner Generale bildet. Aus Theklas Munde, die von der Reise in Begleitung Alfreds eintrifft, erfährt man, daß sie den eben erlittenen Verlust ihrer Mutter beklagt. Alfred selbst ist in einen lyrischen Operntenor verwandelt, der der Geliebten alsbald in einer gesäuselten Liebesarie Trost zu spenden sucht:
Thécla, fille du ciel, mon unique espérance,
Thécla, mélange heureux d'amour et d'innocence,
De quel trouble enchanteur ta voix remplit mes sens!
Quel bonheur dans mon sein pénètre à les accens!
Vom dritten Akt der »Piccolomini« ist nichts gerettet, der prachtvolle Bankett-Akt durch einen kurzen Bericht Terzkys an Wallenstein dürftig ersetzt. Am Schluß von Constants zweitem Aufzug stehen wir bereits da, wo der fünfte Akt der »Piccolomini« absetzt. Der dritte Aufzug beginnt dann mit Wallensteins stark verkürztem großem Monolog »Wär's möglich, könnt' ich nicht mehr, wie ich wollte?« in der Fassung:
Eh quoi! c'en est done fait ... du sort inexorable,
L'arrêt est prononcé ... l'arrêt irrévocable!
Die folgende Szene zwischen dem Herzog und Harald entspricht ziemlich wörtlich der Wrangel-Szene des Originals, dann aber springen wir wieder ohne weiteres zur siebenten Szene von Schillers drittem Akt, worin Illo und Terzky Gallas-Octavios Verrat offenbar machen, und den Rest des Aufzuges bestreitet ein Duett zwischen Thekla und Alfred, der emphatisch erklärt, seines Vaters Treulosigkeit an Wallenstein durch den Tod im Kampfe für diesen sühnen zu wollen. Von der grandiosen Stretta des Schillerschen Mittelakts mit dem Aufmarsch und Abzug der Pappenheimer ist nichts übrig geblieben. Im vierten Akt bei Constant erscheint nach einigen Einleitungsszenen Wallenstein mit großem Gefolge, an der Hand Thekla und Alfred, der ihm soeben im Kampfe mit aufrührerischen Soldaten das Leben gerettet hat. An die versammelten Generale und Soldaten hält der Herzog eine schwungvolle Ansprache, worin er sie offen zum Abfall von dem »meineidigen« Kaiser auffordert, der die verbrieften Rechte Böhmens mit Füßen getreten habe. Aber als er nun die beiden Liebenden zusammengeben will, rührt sich bei Alfred das Gewissen, und er erklärt, nachdem er den Verrat des Vaters durch den Einsatz seines Lebens für Wallenstein gesühnt habe, nun von allen beiden nichts mehr wissen zu wollen:
Dans l'un je vois un traître, dans l'autre un rebelle.
Nun entspinnt sich jene Überredungsszene zwischen ihm und Wallenstein, die bei Schiller schon der zweite Akt enthält und in der sich die Stelle »Schnell fertig ist die Jugend mit dem Wort« u. s. w. also ausnimmt:
La jeunesse, imprudente en ses éclats fougueux,
Distribue au hasard des noms injurieux,
Et ne réfléchit pas, légère aux ses murmures,
Qu'elle fait dans les coeurs de profondes blessures.
Dieser Auftritt ist mit Maxens Abschiedsszene (bei Schiller III, 21) unmittelbar verschmolzen und bildet den vierten Aktschluß. Zu Beginn des fünften redet Wallenstein der gemütskranken Thekla zu, die Werbung des Prinzen von Dänemark anzunehmen (ein solches Heiratsprojekt hatte zu einem früheren Zeitpunkt in der Tat bestanden), aber indem sie noch ihre Weigerung begründet, kommt die Nachricht, daß Alfred im Kampfe gefallen ist, worauf der Bote, hier statt des schwedischen ein sächsischer Offizier, den Hergang der Katastrophe der erschütterten Thekla erzählt. Während diese die Bühne verläßt, um sich mit ihrem Fräulein zum Aufbruch an Alfreds Bahre zu rüsten, sucht Buttler – den schon im ersten Akte Géraldin-Questenberg gegen Wallenstein aufzuwiegeln vermochte – den schwankenden Isolan zur Mitverübung der Mordtat zu bewegen, die er vorbereitet hat; Wallenstein hält seinen letzten schicksalsbangen Monolog, und nachdem er sich zurückgezogen hat, will Thekla heimlich mit ihrer Neubrunn das Schloß verlassen, findet jedoch die Ausgänge schon durch die Mannschaften des eben wieder eintreffenden Gallas versperrt, der vom Kaiser den Auftrag hat, Wallenstein das Kommando abzunehmen, ihm aber Leben und Freiheit zu lassen. Bevor es indessen dazu kommt, ist auch Buttlers Mordanschlag hinter der Szene vollzogen, und Gallas, der Thekla gegenüber seine Schuldlosigkeit an dieser ungeheuren Tat beteuert, muß nun aus deren Munde zu seinem Schrecken hören, daß auch in seinem Hause die Trauer eingekehrt, daß Alfred gefallen ist. Ein sentimental-versöhnliches Schlußwort Theklas an den Vater ihres Geliebten gibt der Tragödie den Ausklang.
Der äußere Erfolg des Buches war unbestreitbar groß und die erste Auflage schon binnen sechs Wochen vergriffen. Aber die Urteile der Kritik waren sehr geteilt. Während angesehene Organe, wie der »Publiciste« es außerordentlich rühmten, erklärten es andere – so das »Journal de Paris« in einer Serie von vier Artikeln – für »une monstruosité littéraire«. Jedenfalls war das Interesse für das Buch, wie auch der schon erwähnte rasche Absatz zeigt, unerwartet lebhaft. »Ich habe Ihnen ›Wallenstein‹ geschickt,« schrieb am 20. Februar 1809 Frau von Staël an die Großherzogin Louise von Weimar, »und bin sehr gespannt, Ihre Meinung darüber zu hören. ... Das Stück hat in Paris große Sensation gemacht. Es ist dort ein literarisches Ereignis, um das heftig für und wider gestritten wird.« Auch Napoleon las es, äußerte sich aber seinem Vertrauten Roederer gegenüber ziemlich wegwerfend. Aus einer Unterredung, die er am 4. März im Elysée mit dem Kaiser hatte, notierte sich Roederer die Worte: »Benjamin Constant hat da eine Tragödie und eine Poetik verfaßt. Diese Leute wollen schreiben und haben nicht die Anfangsgründe der Literatur hinter sich gebracht! Er soll erst Poetik studieren, besonders die von Aristoteles! Es ist keine Willkürlichkeit, wenn die Tragödie die Dauer der Handlung auf vierundzwanzig Stunden beschränkt: das geschieht, weil sie die Leidenschaften auf ihrem Höhepunkte zeigt, im intensivsten Moment ihrer Entwicklung, also da, wo die Dinge weder eine Ablenkung, noch eine zu lange Dauer vertragen. Constant will, daß während der Handlung gegessen wird! Derlei kommt bei ihm vor! Wenn die Handlung beginnt, sind die Darsteller in Aufregung, im dritten Akt sind sie erhitzt, im letzten in Schweiß gebadet!« Bei der Entschiedenheit, mit der der Geschmack des Kaisers dem klassischen Tragödienideal zuneigte, war es nur begreiflich, daß er in Constants Stück das Neue nicht gut und das wenige Gute nicht neu finden konnte. Daß dieser sich mit seinem Versuch, Schiller französisch zu frisieren, gründlich zwischen zwei Stühle – um nicht zu sagen: zwischen zwei Stile – gesetzt und es damit niemandem recht zu Dank gemacht hatte, zeigt auch das Epigramm, das Goethe nach dem Empfang des ihm übersandten Buches unterm 22. Februar 1809 an »die Frau Hofrätin von Schiller« richtete und das halb Wohlwollen für den geschätzten Verfasser, halb Ironie über die entstandene Zwittergeburt verrät:
Der Du des Lobs Dich billig freuen solltest,
O guter Constant, bleibe still!
Der Deutsche dankt Dir nicht, er weiß wohl, was er will,
Der Franke weiß nicht, was Du wolltest.
So wenig Geschmack fand Goethe an der ihm unsympathischen Arbeit, daß er sie offenbar gar nicht durchgelesen hat, denn das in seiner Bibliothek aufbewahrte Exemplar ist noch heute ... erst teilweise aufgeschnitten.
Tatsächlich wirkt auf den deutschen Leser das Stück nur wenig besser denn als eine Karikatur des Originals. Bei dem notwendigen Prozeß des Verkürzens und Zusammenschiebens, des Abstreifens von Einzelheiten, des Ausschaltens wichtiger Motive ist nicht weniger als alles verloren gegangen, was diesem stolzesten Monumentalbau unter Schillers Dramen seinen Reichtum, seine Seele, seine unvergleichliche Dynamik gibt. Es war ersichtlich Constants Bemühen, wenigstens alles für die Person Wallensteins Charakteristische herüberzuretten, ihm sogar seinen Aberglauben zu lassen, obwohl grade dieses tragische Motiv im aufgeklärten Frankreich Gefahr lief, lächerlich zu wirken. Aber der Versuch mußte an den unzureichenden Mitteln scheitern, zumal nicht nur das »Lager« fehlte, das allein nach Schillers Wort Wallensteins Verbrechen erklären sollte, sondern auch fast das ganze psychologische Räderwerk, der genial ineinandergefügte Mechanismus von Ursachen und Beziehungen, der bei Schiller den ehernen Gang des Schicksals als zwingende Notwendigkeit erscheinen läßt. Alles erscheint verflacht, wichtige dramatische Vorgänge sind der verringerten Personenzahl geopfert und durch einfache Berichte ersetzt, das reiche Gedankenschnitzwerk des Dialogs ist vom Hobel konventioneller Rhetorik weggenommen, obwohl nicht geleugnet werden soll, daß der Bau der Verse hin und wieder an die tönende Eleganz klassischer französischer Vorbilder heranreicht und daß das überhaupt unlösbare Problem, neuntausend Schillersche Blankverse auf knapp ein Drittel zu reduzieren und obendrein in Alexandriner-Währung umzuwechseln, an und für sich mit technischem Geschick bewältigt ist. Wo der Übersetzer dem Original wörtlich zu folgen bemüht war – womit er sich allerdings wohlweislich auf einige Hauptszenen beschränkte – tut er es mit sprachlicher Virtuosität, aber eine Stelle etwa, wie die Wiedergabe von Wallensteins mystischem Motto »Es gibt im Menschenleben Augenblicke« mit der verdoppelten Wortzahl:
Il est, pour les mortels, des jours mystérieux,
Ou, des liens du corps, notre âme dégagée
Au sein de l'avenir est tout à coup plongée,
Et saisit, je ne sais par quel heureux effort,
Le droit inattendu d'interroger le sort –
zeigt in ihrer begrifflichen Verdünnung und Verbreiterung, zu welchen Aushilfen der Reimzwang den Bearbeiter nötigte. Constant selbst empfand wohl bei der Arbeit die »monotonie excessive« des Alexandriners, mit der er zu kämpfen hatte, aber der Gedanke, von diesem liturgischen Versmaß abzugehen, lag ihm natürlich, wie jede reformatorische Absicht, ferne.
Bei alledem war sein Unternehmen, für den interessantesten Schillerschen Dramenhelden um Bühnenrecht zu werben, weder ohne Verdienst noch ohne Bedeutung. Die Bedeutung bestand darin, daß hier fast ein Menschenalter vor Victor Hugo und der eigentlichen Romantik zum ersten Male wieder der Versuch eines historischen Dramas gemacht wurde, wie es die französische Bühne bis dahin noch so gut wie gar nicht besaß. Die Klassiker von Racine bis Voltaire hatten ihre Stoffe fast ausschließlich dem grauen Altertum, dem fernen Orient, allenfalls, wie im Cid, dem frühen Mittelalter entnommen, aber stets mit solch geflissentlicher Vermeidung jeder zeitlichen und örtlichen Charakteristik, daß es sich gleich blieb, ob die Vorgänge in Rom oder Ninive, zu Homers Zeiten oder während der Kreuzzüge spielten. Ein französisches Geschichtsdrama, wenn man von Chéniers erfolgreichem, aber nach der Revolution schnell wieder vergessenem »Charles IX.« absieht, gab es überhaupt nicht, und Raynouards damals vielbewunderte »Templiers« galten schon als kühne Neuerung, weil sie einen, wenn auch zeitlich sehr entlegenen Stoff aus Frankreichs Vergangenheit behandelten. Mit »Wallstein« unternahm Constant, freilich mehr auf Schillers als auf eigene Unkosten, den ersten absichtlichen Schritt zu einem aus der Neuzeit geschöpften historischen Drama und wurde damit ein erster früher Vorläufer des französischen romantischen Dramas, wurde es vielleicht nicht so sehr durch seine wenig glückliche Nachdichtung selbst, die keine tiefere Spur hinterließ, als durch den schon erwähnten historisch-kritischen Essai, den er seinem Buch als Einleitung voranschickte und der sich, in entsprechend umgearbeiteter Form, in seinen 1829 gesammelt herausgegebenen »Mélanges des Littérature et de Politique« wiederfindet. Zieht man in Betracht, daß Frau von Staëls Buch über Deutschland, das nach Goethes anerkennendem Zeugnis in die »chinesische Mauer« zwischen Frankreich und uns die erste breite Lücke brach, erst drei Jahre später erschien, so war diese dramaturgische Abhandlung – deren Gedanken sich übrigens im 15. Kapitel von Frau von Staëls Werk teilweise wiederholt finden – der erste öffentliche Vortrag über die deutsche dramatische Literatur, der dem gebildeten französischen Publikum gehalten wurde, und die erste kritische Analyse der tiefgehenden Unterschiede in der Bühnenästhetik beider Nationen. Ihr historischer Wert ist also nicht gering anzuschlagen, und Constant durfte, als er zwanzig Jahre später kurz vor seinem Tode noch in der »Revue de Paris« einen Essai über die Tragödie veröffentlichte, sich mit Recht als denjenigen bezeichnen, der zuerst den Wendepunkt in der Geschichte des französischen Dramas, das Abwerfen der alten Regeln, mit seiner »Wallstein«– Einleitung signalisiert habe. Frau von Staël selbst hat in ihrem Buche über Deutschland auf diese nach ihrem Zeugnis »vielbewunderte« Einleitung nachdrücklich Bezug genommen und die Gelegenheit benutzt, ihren Freund gegen die kritischen Ausstellungen, die an seinem »Wallstein« gemacht worden waren, mit beredten Worten zu verteidigen, das heißt, für alle seine Fehler nur die zu weit getriebene Rücksicht auf die überlieferten Vorschriften der französischen Bühne verantwortlich zu machen, vor allem auf die Einheiten der Zeit und des Orts, die sie selbst als eine zwecklose Fessel verwarf. Und mit dieser Form der Verteidigung traf sie den richtigen Punkt, denn Constants Versuch mußte eben daran scheitern, daß er den neuen Wein Schillerscher Dichtung in die alten Schläuche der klassischen Regeldramatik umfüllen zu können glaubte. Er mußte freilich auch scheitern, weil Benjamin Constant überhaupt kein Dichter war, sondern nur ein literarisch bewanderter, sprachgewandter und geistreicher Schriftsteller, der für eine derart eingreifende Bearbeitung allzu wenig aus eigenen Mitteln zu steuern hatte.
Er war im übrigen zwar der erste, der den »Wallenstein« ins Französische übertrug, aber nicht der erste, der sich mit dieser Absicht beschäftigte. Die Ironie des Zufalls wollte es, daß sein Vorgänger auf diesem Wege kein anderer war, als sein einstiger Vorgänger in der Liebesgunst Frau von Staëls: Graf Louis Narbonne, der Vater ihres zweitgeborenen Sohnes Albert. Er hatte sich, da er noch als Emigrant in Deutschland weilte, zuerst an Cotta und dann auf dessen Vermittlung hin direkt an Schiller um die Autorisation zur Übersetzung des »Wallenstein« gewandt, die ihm bereitwillig erteilt wurde. Da ihm jedoch bald nachher der Umschwung der politischen Verhältnisse und seine Amnestierung die Rückkehr nach Frankreich ermöglichte, erklärte er (in einem Briefe an Schiller aus Eisenach vom April 1800) sein lebhaftes Bedauern, die Arbeit nicht ausführen zu können, denn er hatte sich nur in der Voraussetzung daran wagen wollen, sie in Schillers Nähe und unter seiner unterstützenden Aufsicht ausführen zu können. Die Bühnenprobe hatte Constants »Wallstein« niemals zu bestehen. Erst am 22. Oktober 1828 ging eine fünfaktige Tragödie »Wallstein« von Charles Liardières über die Szene des Théâtre français und errang, wie die Kritiken in den »Débats«, dem »Mercure de France« und andere beweisen, einen entschiedenen Erfolg. Im Jahre vorher hatte auch Theodor Villenave fils der Comédie einen »Walstein, drame en 5 actes en vers, précédé du Camp de Walstein, prologue en vers« eingereicht, der – vielleicht nur mit Rücksicht auf die schon angenommene Version von Liadières – abgelehnt und jedenfalls erst geraume Zeit später, im März 1845 am Odéon ohne sonderlichen Erfolg gespielt wurde, nachdem daraus das »Lager« allein in der Revue germanique vom März 1837 erschienen war. Später folgten noch andere Übersetzungen von Th. Braun (Straßburg 1864) und die von Régnier in der französischen Gesamtausgabe von Schillers Werken.