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Dieses Buch ist zuerst und vor allem geschrieben für dich. Für dich, der du mit den Augen der Jugend über alle bösen Zeiten hinweg noch frisch und unbekümmert in die Welt hinein schauen kannst; für dich, der du die Ferne noch blau und verlockend winken siehst; der du noch nie die Träume und Illusionen hast zerrinnen sehen über dem grauen Wirklichkeitslande, und der du nicht weißt, was es heißt, durch lange Jahre mit emsiger Geduld, und oft auch mit verbissener Wut, ein Luftschloß zu bauen aus Hoffnungen und Entwürfen, um sie am Ende zu begraben; so tief, ach Gott, so tief!
Für dich vor allem habe ich dieses Buch geschrieben.
Damit du daraus lernest?
Ach, ich glaube nicht, daß man aus Büchern etwas lernen kann! Wenn ich mir jetzt, zum Schluß, diese Geschichten noch einmal ansehe, wenn ich bedenke, wie wirr und verworren es dabei zuweilen zugeht, wie da die Menschen auftauchen und wieder verschwinden, wie alles in flimmernder Bewegung ist und nichts sich gleich bleibt, als nur die aufreibende Unruhe, die rastlos vor sich selber davonläuft; und wenn ich mir die Menschen betrachte, die leichtsinnig und gedankenlos in den Tag hinein leben in dieser gefährlichen Unterwelt der Tagediebe und dabei ein leidliches Leben machen, und daneben die anderen, die ihr Lebtag nichts gekannt haben als Mühe und Arbeit und am Ende dennoch liegen geblieben sind am Wegrand des Lebens, so muß ich mich fragen: »Was kann man daraus lernen?«
Was sind wir denn – wir Menschen? Ach, wir sind rastlos geschäftig mit tausend Plänen und taumeln dennoch durchs Leben, wie es dem Schicksal gefällt!
– – Oder doch nicht?
Vor drei Jahren habe ich von meinen Fahrten und Abenteuern »Unter Eskimos und Walfischfängern« erzählt. Nun sind es wieder dieselben Dummheiten unter anderen Zonen. Sie sind inzwischen nicht kleiner geworden. Manchmal, über dem Schreiben, wenn ich von einer besonders bocksbeinigen Begebenheit berichten mußte, da habe ich unwillkürlich die Feder angehalten: »Nein, so kannst du es nicht erzählen . . .« Aber dann habe ich doch alles so erzählt, wie es sich zugetragen hat. Denn die Wahrheit ist ein struppiger Geselle, der durch das Frisieren nicht schöner wird.
Und gerade über Südamerika soll man heute mehr denn je der Wahrheit auf die Spur helfen, zumal dann, wenn man von Argentinien redet.
Argentinien ist heute die große Mode im deutschen Vaterland. Die Zahl der Bücher über Argentinien wird immer größer, und zahllos ist die Schar der Agenten, die heute landauf, landab durch Deutschland ziehen und den vielen, allzuvielen, für die heute der Tisch nicht mehr gedeckt ist im deutschen Vaterland, das neue Land der unbegrenzten Möglichkeiten in den glühendsten Farben schildern.
So kommt nun dieses Buch gewissermaßen mitten hinein in diese argentinische Hochsaison. Es ist keine Landesbeschreibung und keine wirtschaftliche Abhandlung. Es bringt keine hochtrabenden Statistiken, an denen sich niemand satt essen kann. Es erzählt nur von den wechselvollen Schicksalen eines armen GringoIn Südamerika gebräuchliche, etwas geringschätzige Bezeichnung für den germanischen Einwanderer., der auf der Suche nach dem täglichen Brot – und wohl auch noch nach anderen Dingen – von Ort zu Ort, von Land zu Land getrieben wurde. Von Hunger und Not ist hier die Rede, von endlos langen Wanderungen auf der Jagd nach dem bißchen Arbeit und Verdienst in den heißen Straßen der fremden Städte, von kalten Nächten am kümmerlichen Campfeuer, von schlampigen Frauenspersonen in schmutzigen Matrosenspelunken. Und doch – und doch –
Ah! Wenn ich noch einmal so jung wie damals wäre und wüßte was ich heute weiß – ja, auch wenn ich wüßte was ich heute weiß! – so würde ich noch einmal mein Sach auf Nichts stellen; noch einmal würde ich mich auf die Strümpfe machen, um es zu suchen über Länder und Meere: das Glück, das Glück!
Aber in einem, ja in einem würde ich vernünftiger sein: Nicht mehr wie damals würde ich mich an den Wegrand setzen und warten, bis es geflogen käme gleich den Tauben im Schlaraffenlande. Ich würde mich auf das gute alte, hausbackene Sprichwort besinnen, daß ein jeder seines Glückes Schmied ist, und ich würde auch ein wenig danach handeln. Einmal habe ich irgendwo ein Sprüchlein gelesen, dessen Wahrheit ich oft schon bestätigt gefunden habe mit verbrannten Fingern und zerschundener Nase, und das ich doch so oft, so oft auch heute noch vergesse:
»Das Glück im Sturm bezwungen
Ist feiger Toren Wahn,
Erkämpft nur und errungen
Gehört's dir wirklich an.«
Lambrecht i. d. Pfalz, August 1919.