Anselm Feuerbach
Ein Vermächtnis von Anselm Feuerbach
Anselm Feuerbach

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Briefauszüge 1876–1878

Die Ausstellung in München

München, 27. September 1876

»Ich bin gestern ganz wohl hier angekommen, und da ich im Gasthof ein behagliches Eckzimmer fand, werde ich zwei Tage hier bleiben.

Auf der Reise ist mir nichts aufgefallen, als daß in Schwabach eine Dame ein Goldfischchen in einem mit Wasser gefüllten Bierkrug zur Bahn brachte, welchem Vorgang ich eine verständnisinnige Beachtung schenkte.

In der Ausstellung bin ich heute Morgen gewesen und werde auch nochmals hingehen. Meine Bilder hangen haushoch und wirken wie kleine Salonlandschäftchen. Man kann wenig von ihnen sehen, und das ist das beste von der Sache. Auf der Galerie gegenüber steht man in Turmhöhe. Wer schwindelfrei ist, kann die beiden Gemälde unter sich sehen, in einer Entfernung, die – mit einiger Übertreibung – vielleicht halb so groß ist, als diejenige von der Rosenau bis zum Spittler Tor. Dem Agathon gerät die Spitze einer Pyramide von Wiener Glaswaren zwischen die Beine. Es macht nichts; für den Raum sind die Bilder ja eine ganz leidliche Dekoration. Für sich selbst können sie überhaupt nur wirken, wenn man ihnen in Augenhöhe gegenübersteht, wie in wohl- und gleichberechtigter guter Gesellschaft. Meinen Studienkopf mit dem Prämienzettel habe ich auch gefunden. Natürlich kommt die Prämie auf Rechnung des Freundes L. Die gute Iphigenie sitzt, wie immer, sehr anständig da. Makarts Bilder sind mehr als je mit schwarzen Tüchern versehen und bedürfen sie auch; doch ist die Draperie diesmal weniger gut ausgefallen, als in Wien. Als der Beste erscheint mir Lenbach, obwohl etwas zu absichtlich. Er ist ein wirklicher Künstler, was in einer modernen Kunstausstellung in der Regel nicht von sehr vielen gesagt werden kann.

Ich bin in einer Art von ruhiger Behaglichkeit in dieser mir fremden Welt umhergewandert. Was ich sehe, geht mich nichts mehr an. Ich habe meine Rechnung geschlossen. Morgen werde ich die Freunde aufsuchen und übermorgen getrost nach Venedig abreisen, wo ich Zimmer in der Luna bestellt habe.«

Bozen, 1. Januar 1876

»Des schönen Wetters willen bleibe ich auch hier ein paar Tage und sitze in einem freundlichen Zimmer bei abgekühlter Temperatur. Allabendlich Musik! Ich hörte sogar den ersten Akt des »Freischütz« im Hoteltheater. Der Tenor hatte einen Pfropfen im Halse, und die Gewehre wollten nicht losgehen.

Was mich betrifft, so bin ich weise geworden und sehe vieles ein. Illusionen habe ich keine mehr; überzeugen kann ich die Welt nicht in diesem kurzen Leben, noch weniger mich ihr unterordnen. Über den Rest wollen wir uns nicht den Kopf zerbrechen.«

Venedig, Anfang Oktober 1876

»Heute morgen habe ich ganz allein eine Stunde vor der Assunta gesessen. Es würde unnütz sein, auszusprechen, was mir durch die Seele ging. Das Herz schwoll mir auf, als ich meine Vergangenheit überschaute. Ich brauchte nicht als Künstler, sondern nur als Mensch zu empfinden. Venedig ist das alte. Es sind 20 Jahre dahin. Mir ist es wie ein Traum.«


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