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Gelehrte

Der sittlich Beste

Der Gelehrte soll der sittlich beste Mensch seines Zeitalters sein.

Sich selbst vergessend

Der Gelehrte vergesse, was er getan hat, sobald es getan ist, und denke stets nur auf das, was er noch zu tun hat. Der ist noch nicht weit gekommen, für den sich sein Feld nicht bei jedem Schritte, den er in demselben tut, erweitert.

Weltanschauung und Persönlichkeit

Der Mensch bildet seine wissenschaftliche Ansicht nicht etwa mit Freiheit und Willkür so oder so, sondern sie wird ihm gebildet durch sein Leben und ist eigentlich die zur Anschauung gewordene innere und übrigens ihm unbekannte Wurzel seines Lebens selbst. Was du so recht innerlich eigentlich bist, das tritt heraus vor dein äußeres Auge, und du vermöchtest niemals etwas anderes zu sehen. Solltest du anders sehen, so müßtest du erst anders werden.

Lebend in der Idee

In dem wahrhaften Gelehrten hat die Idee ein sinnliches Leben gewonnen, welches sein persönliches Leben völlig vernichtet und in sich aufgenommen hat. Er liebt die Idee keinesweges über alles, denn er liebt nichts neben ihr, er liebt sie allein. Sie allein ist die Quelle aller seiner Freuden und seiner Genüsse, sie allein das treibende Prinzip aller seiner Gedanken, Bestrebungen und Handlungen; lediglich für sie mag er leben, und ohne sie würde das Leben ihm geschmacklos und verhaßt sein.

Der Selbstdenker und die – anderen

Wir lernen in der Jugend so viele Wörter, ohne etwas Bestimmtes dabei zu denken, noch denken zu können. Sie werden demnach mit einem unbestimmten Bilde im Gedächtnisse niedergelegt und unaustilgbar, wenn nicht frühe innere Selbsttätigkeit einmal wenigstens alles auswirft, bis es einst mit gutem Fug und Grunde, oder etwas Besseres an dessen Stelle, wieder aufgenommen werden könne; wenn wir nicht einmal wenigstens in unserem Leben an allem zweifeln und uns völlig zur leeren Tafel machen. Wer sich nicht bewußt ist, durch diesen Zustand hindurchgegangen zu sein, der sei nur im voraus sicher, daß er mit seinem Philosophieren weder sich selbst noch anderen sehr zur Freude leben werde. Könnte ihm auch irgend ein Genius die reine Wahrheit in die Hand geben, so hälfe ihm dies alles nichts; die Wahrheit würde nie die seinige, da sie nicht aus ihm selbst hervorgegangen wäre, sondern sie wäre und bliebe eine fremde Zutat. Wenn ein solcher, übrigens mit dem besten Willen und der emsigsten Tätigkeit von der Welt, in sich selbst einkehrt, alles wegwirft, was seines Wissens durch Freiheit in ihm ist, bleibt ihm immer etwas auf dem Grunde übrig, von welchem er nicht weiß, woher es komme. »O, das muß meine ursprüngliche Gestalt sein«, denkt er; aber es ist leider nichts mehr, als der Eindruck von seiner Amme, seinen Wärterinnen, seinem Katechismus. Diese haben es erhalten so wie er; und der Name des großen Mannes, der es zuerst aus tiefer, innerer Seele schöpfte, und von dem es durch tausend und aber tausend Hände hindurch bis zu seiner Amme und in seinen Katechismus herabkam, ist in der Flut der Zeiten untergegangen. Daher entsteht gleichsam ein Grundsystem, das Erbteil der Generation von allen vorhergehenden, welches ihr ohne alle eigene Arbeit zuteil wird, und von welchem der wahre Philosoph stets mit Achtung spricht, unerachtet er selbst ein Nachgeborner ist, der aus des Vaters Hause geworfen wird und auf ungewissen Erwerb in die weite Welt ausgeht. Dieses Grundsystem ist für alle gebildeten Nationen ziemlich dasselbe; und ihr Raisonnement ist größtenteils weiter nichts, als nur Revidieren, Kombinieren und Wieder-anders-und-noch-anders-Kombinieren jenes ursprünglichen sicheren Besitzes. Die Form ändert unaufhörlich, und alle neuen Entdeckungen sind für dergleichen Leute nur neue Moden der Form; jetzt verfertigen sie ihre Tabellen nach mathematischer Lehrart, wird diese Mode alt, nach der Tafel der Kategorien, nach Quantität, Qualität, Relation, Modalität; der Stoff aber ist immer derselbe uralte Katechismus. Daher die ungemeine Verständlichkeit gewisser Predigten und Vorlesungen und Schriften für die gemeine Klasse der Zuhörer und Leser, von denen der Selbstdenker kein Wort versteht, weil wirklich kein Verstand darin ist. Wie die alte Kirchengängerin, für welche ich übrigens alle mögliche Achtung trage, eine Predigt sehr verständlich und sehr erbaulich findet, in welcher recht viele Sprüche und Liederverse vorkommen, die sie auswendig weiß und nachbeten kann, nicht anders finden Leser, welche weit über jene erhaben zu sein glauben, eine Schrift sehr lehrreich und klar, welche ihnen sagt, was sie schon wissen, und Beweise sehr stringent, welche dartun, was sie schon glauben. Das Wohlgefallen des Lesers am Schriftsteller ist ein verstecktes Wohlgefallen an sich selbst. »Welch ein großer Mann!« denkt er bei sich, »es ist, als ob ich mich selbst hörte oder läse!«

Der produktive Denker

Nicht zu bewundern, sei der Gipfel der Weisheit, sagt ein Alter. Inwiefern er von jenem die Fassung raubenden und die ruhige Besonnenheit störenden Anstaunen des Unerwarteten redet, hat er ganz recht. Wir aber möchten hinzusetzen: in dem Vermögen, sich über etwas zu verwundern, bestehe die Anlage zur Weisheit, zum Selbstdenken, zur freien Erzeugung von Begriffen.

Der Nichtdenker, der doch gesunde Sinne und Gedächtnis hat, faßt den vor seinen Augen liegenden wirklichen Zustand der Dinge auf und merkt sich ihn. Er bedarf nichts weiter, da er ja nur in der wirklichen Welt zu leben und seine Geschäfte zu treiben hat, und zu einem Nachdenken gleichsam auf Vorrat, und dessen er nicht unmittelbar zur Stelle bedürfte, sich gar nicht gereizt fühlt. Er geht mit seinen Gedanken über diesen wirklichen Zustand nie hinaus und erdenkt nie einen anderen; aber durch diese Gewohnheit, nur diesen zu denken, entsteht ihm allmählich, und ohne daß er sich dessen eigentlich bewußt wird, die Voraussetzung, daß nur dieser sei, und nur dieser sein könne. Die Begriffe und Sitten seines Volkes und seines Zeitalters scheinen ihm die einzig möglichen Begriffe und Sitten aller Völker und aller Zeitalter. Dieser verwundert sich gewiß nicht, daß alles nun gerade so sei, wie es ist weil es nach ihm gar nicht anders sein kann; er erhebt gewiß nicht die Frage, wie es so geworden, da es nach ihm ja von Anbeginn so gewesen. Nötig sich ihm ja eine Beschreibung anderer Völker und anderer Zeitalter auf oder wohl gar ein philosophischer Entwurf, wie es nirgends gewesen, aber allenthalben hätte sein sollen, so trägt er immer die Bilder seiner Welt, von denen er sich nicht losreißen kann, hinein, sieht alles durch sie hindurch und faßt nie den ganzen Sinn dessen, was ihm vorgetragen wird. Seine unheilbare Krankheit ist die, das Zufällige für notwendig zu halten.

Wer sich hingegen gewöhnt hat, nicht nur das wirklich Vorhandene durch den Gedanken nachzubilden, sondern auch das Mögliche durch denselben frei in sich zu erschaffen, findet sehr oft ganz andere Verbindungen und Verhältnisse der Dinge als die gegebenen ebenso möglich wie diese, ja wohl roch weit möglicher, natürlicher, vernunftmäßiger; er findet die gegebenen Verhältnisse nicht nur zufällig, sondern zuweilen gar wunderlich.

Der Geist

Der Geist ist ein Vermögen der Ideale.

Souveränität des Geistes

Mit dieser kalten Ruhe und festen Entschlossenheit blickt er hinein in das Gewühl der menschlichen Meinungen überhaupt und seiner eigenen Einfälle und Zweifel. Es wirbelt und stürmt um ihn herum, aber nicht in ihm. Er selbst sieht aus seiner unerreichbaren Burg ruhig dem Sturme zu. Er wird ihm zu seiner Zeit gebieten, und eine Welle nach der anderen wird sich legen. – Er will nur Harmonie mit sich selbst, und er bringt sie hervor, soweit er bis jetzt gekommen ist. Dort ist noch Verwirrung in seinen Meinungen, das ist nicht seine Schuld, denn bis dahin hat er noch nicht kommen können. Er wird auch dahin kommen, und dann wird jene Unordnung in die schönste Ordnung sich auflösen. – Was wäre denn wohl endlich das härteste, was ihm begegnen könnte? Gesetzt, er fände, entweder weil die Schranken der endlichen Vernunft überhaupt (welches unmöglich ist), oder weil die Schranken seines Individuums solches mit sich bringen, als letztes Resultat seines Strebens nach Wahrheit, daß es überhaupt gar keine Wahrheit und Gewißheit gebe. Er wurde auch diesem Schicksale, dem härtesten, das ihn treffen könnte, sich unterwerfen; denn er ist zwar unglücklich aber schuldlos; er ist seines redlichen Forschens sich bewußt, und das ist statt alles Glücks, dessen er nun noch teilhaftig werden kann.

Ebenso ruhig, – wenn dieser Umstand der Erwähnung wert ist, – bleibt der entschiedene Freund der Wahrheit darüber, was andere zunächst zu seinen Überzeugungen sagen werden, wenn er in der Lage sein sollte, sie mitteilen zu müssen; und der Gelehrte ist immer in dieser Lage, da er nicht bloß für sich selbst, sondern zugleich für andere forscht. Die Frage ist ja gar nicht, ob wir mit anderen, sondern ob wir mit uns selbst übereinstimmend denken. Ist das letztere, so können wir des ersteren ohne unser Zutun und ohne erst die Stimmen zu sammeln, bei allen denen gewiß sein, die mit sich selbst in Übereinstimmung stehen; denn das Wesen der Vernunft ist in allen vernünftigen Wesen Eins und ebendasselbe. Wie andere denken, wissen wir nicht, und wir können davon nicht ausgehen. Wie wir denken sollen, wenn wir vernünftig denken wollen, können wir finden, und so, wie wir denken sollen, sollen alle vernünftigen Wesen denken. Alle Untersuchung muß von innen heraus, nicht von außen herein geschehen. Ich soll nicht denken, wie andere denken; sondern wie ich denken soll, so, soll ich annehmen, denken auch andere. – Mit denen übereinstimmend zu sein, die es mit sich selbst nicht sind, wäre das wohl ein würdiges Ziel für ein vernünftiges Wesen?

Das Gefühl der für formale Wahrheit angewendeten Kraft gewährt einen reinen, edlen, dauernden Genuß.

Einen solchen Genuß kann uns überhaupt nur dasjenige gewähren, was unser eigen ist, und was wir durch würdigen Gebrauch unserer Freiheit uns selbst erworben haben. Was uns hingegen ohne unser Zutun von außen gegeben worden ist, gewährt keinen reinen Selbstgenuß. Es ist nicht unser, und es kann uns ebenso wieder genommen werden, wie es uns gegeben wurde; wir genießen an demselben nicht uns selbst, nicht unser eigenes Verdienst und unseren eigenen Wert. So verhält es sich auch insbesondere mit Geisteskraft. Das, was man guten Kopf, angeborenes Talent, glückliche Naturanlage nennt, ist gar kein Gegenstand eines vernünftigen Selbstgenusses, denn es ist dabei gar kein eigenes Verdienst. Wenn ich eine reizbarere, tätigere Organisation erhielt, wenn dieselbe gleich bei meinem Eintritte ins Leben stärker und zweckmäßiger affiziert wurde, was habe ich dazu beigetragen? Habe ich jene Organisation entworfen, unter mehreren sie ausgewählt und mir zugeeignet? Habe ich jene Eindrücke, die mich bei meinem Eintritte ins Leben empfingen, berechnet und geleitet?

Meine Kraft ist mein, lediglich inwiefern ich sie durch Freiheit hervorgebracht habe; ich kann aber nichts in ihr hervorbringen als ihre Richtung; und in dieser besteht denn auch die wahre Geisteskraft. Blinde Kraft ist keine Kraft, vielmehr Ohnmacht. Die Richtung aber gebe ich ihr durch Freiheit, deren Regel ist, stets übereinstimmend mit sich selbst zu wirken; vorher war sie eine fremde Kraft, Kraft der willenlosen und zwecklosen Natur in mir.

Diese Geisteskraft wird durch den Gebrauch verstärkt und erhöht; und diese Erhöhung gibt Genuß, denn sie ist Verdienst. Sie gewährt das erhebende Bewußtsein: ich war Maschine und konnte Maschine bleiben; durch eigene Kraft, aus eigenem Antriebe habe ich mich zum selbständigen Wesen gemacht. Daß ich jetzt mit Leichtigkeit, frei, nach meinem eigenen Zwecke fortschreite, verdanke ich mir selbst; daß ich fest, frei und kühn an jede Untersuchung mich wagen darf, verdanke ich mir selbst. Dieses Zutrauen auf mich, diesen Mut, mit welchem ich unternehme, was ich zu unternehmen habe, diese Hoffnung des Erfolgs, mit der ich an die Arbeit gehe, verdanke ich mir selbst.

Durch diese Geisteskraft wird zugleich das moralische Vermögen gestärkt, und sie ist selbst moralisch. Beide hängen innig zusammen und wirken gegenseitig aufeinander. Wahrheitsliebe bereitet vor zur moralischen Güte und ist selbst schon an sich eine Art derselben. Dadurch, daß man alle seine Neigungen, Lieblingsmeinungen, Rücksichten, alles, was außer uns ist, den Gesetzen des Denkens frei unterwirft, wird man gewöhnt, vor der Idee des Gesetzes überhaupt sich niederzubeugen und zu verstummen; und diese freie Unterwerfung ist selbst eine moralische Handlung. Herrschende Sinnlichkeit schwächt in gleichem Grade das Interesse für Wahrheit wie für Sittlichkeit. Durch den Sieg, den das erstere über dieselbe erkämpft, wird zugleich für die Tugend ein Sieg erfochten. Freiheit des Geistes in Einer Rücksicht entfesselt in allen übrigen. Wer alles, was außer ihm liegt, in der Erforschung der Wahrheit verachtet, der wird es auch in allem seinem Handeln überhaupt verachten lernen. Entschlossenheit im Denken führt notwendig zur moralischen Güte und zur moralischen Stärke.

Ich setze kein Wort hinzu, um die Würde dieser Denkart fühlbar zu machen. Wer ihrer fähig ist, der fühlt sie durch die bloße Beschreibung; wer sie nicht fühlt, dem wird sie ewig unbekannt bleiben.

Heroen der Wissenschaft

Wer sind die, welche die Wissenschaften erfanden und erweiterten? Haben sie dieses ohne Mühe und Aufopferung vermocht? Was hat ihnen für diese Aufopferung gelohnt?

Indes ihr Zeitalter um sie herum fröhlich seines Tages genoß, waren sie verloren in einsames Nachdenken, um zu entdecken ein Gesetz, einen Zusammenhang, der ihre Bewunderung erregt hatte, und mit welchem sie durchaus nichts weiter wollten als ihn eben entdecken; aufopfernd Genüsse und Vermögen, vernachlässigend ihre äußeren Angelegenheiten, vergeudend die feinsten Geister ihrer Existenz, verlacht vom Volke als Toren und Träumer. – Nun, ihre Entdeckungen haben ja dem menschlichen Leben mannigfaltig genützt, wie wir selbst erinnert. – Wohl, aber haben sie diese Früchte ihrer Mühen mit genossen? Haben sie dieselben im Auge gehabt oder sie nur geahnet? Haben sie nicht vielmehr, wenn ihr geistiger Aufflug durch eine solche Ansicht anderer von ihrem Geschäft unterbrochen wurde, über die Entweihung des Heiligen zu profanem Gebrauche des Lebens, von welchem letzteren ihnen freilich verborgen blieb, daß es gleichfalls geheiligt werden müsse, wahrhaft erhabene Klagen angestimmt? Erst nachdem durch ihre Bemühung ihre Entdeckungen so faßlich gemacht und so verbreitet waren, daß sie auch an weniger begeisterte Köpfe gebracht werden konnten, wurden sie von diesen, – welche wir, auf einem ganz anderen Standpunkte stehend, darüber keinesweges verachten, die es aber erkennen sollen, daß sie nicht so edler Natur sind, als jene, – auf die Bedürfnisse des Lebens angewendet, und so das Menschengeschlecht mit Übermacht gegen die Natur bewaffnet. Wenn also nicht einmal der Anblick, nicht einmal die Ahnung der Nutzbarkeit ihrer Entdeckungen sie entschädigen konnte, was entschädigte sie denn für die dargebrachten Opfer, und was entschädigt noch heute, falls noch heute jemand mit denselben Aufopferungen, und ohne dafür etwas zu begehren, unter dem Spotte und dem Hohngelächter des Pöbels rein sein Auge nach der ewig neufließenden Quelle der Wahrheit hinrichtet? – Das ist es: sie sind in das neue Lebenselement der geistigen Klarheit und Durchsichtigkeit hineingeraten, wodurch das Leben in jedem anderen Elemente durchaus ungenießbar gemacht wird. Eine höhere Welt, die uns zuerst, und die uns am innigsten durch das Licht, welches in ihr einheimisch ist, ergreift, ist ihnen aufgegangen; dieses Licht hat mit seinem wohltätigen und erquickenden Scheine ihre Augen ergriffen und erfüllt, so daß sie ewig nach nichts anderem sich richten können als nach jenen in tiefer Nacht allein erleuchteten Höhen; dieses Licht hält in diesen ihren Augen ihr ganzes Leben gefesselt und gefangen, so daß alle ihre übrigen Sinne ruhig ersterben. Sie bedürfen keiner Entschädigung: sie haben einen unermeßlichen Gewinn gemacht.

An die deutschen Studenten

Ich weiß es, meine Herren, wie viel ich jetzt gesagt habe; ich weiß es ebensogut, daß ein entmanntes und nervenloses Zeitalter diese Empfindung und diesen Ausdruck derselben nicht erträgt; daß es alles dasjenige, wozu es sich nicht selbst zu erheben vermag, mit schüchterner Stimme, durch welche die innere Scham sich verrät, Schwärmerei nennt, daß es mit Angst seine Augen von einem Gemälde zurückreißt, in welchem es nichts sieht, als seine Entnervung und seine Schande; daß alles Starke und Erhebende einen solchen Eindruck auf dasselbe macht, wie jede Berührung auf den an allen Gliedern Gelähmten: ich weiß das alles; aber ich weiß auch, wo ich rede. Ich rede vor jungen Männern, die schon durch ihre Jahre vor dieser gänzlichen Nervenlosigkeit gesichert sind, und ich möchte neben und vermittelst einer männlichen Sittenlehre zugleich Empfindungen in ihre Seele senken, die sie auch in Zukunft vor derselben verwahren könnten. Ich gestehe es freimütig, daß ich eben von diesem Punkte aus, auf den die Vorsehung mich stellte, etwas beitragen möchte, um eine männlichere Denkungsart, ein stärkeres Gefühl für Erhabenheit und Würde, einen feurigeren Eifer, seine Bestimmung auf jede Gefahr zu erfüllen, nach allen Richtungen hin, soweit die deutsche Sprache reicht, und weiter, wenn ich könnte, zu verbreiten; damit ich einst, wenn Sie diese Gegenden werden verlassen und sich nach allen Enden werden verstreuet haben, in Ihnen an allen Enden, wo Sie leben werden, Männer wüßte, deren auserwählte Freundin die Wahrheit ist; die an ihr hangen im Leben und im Tode; die sie aufnehmen, wenn sie von aller Welt ausgestoßen ist; die sie öffentlich in Schutz nehmen, wenn sie verleumdet und verlästert wird; die für sie den schlau versteckten Haß der Großen, das fade Lächeln des Aberwitzes und das bemitleidende Achselzucken des Kleinsinnes freudig ertragen. In dieser Absicht habe ich gesagt, was ich gesagt habe, und in dieser Endabsicht werde ich alles sagen, was ich unter Ihnen sagen werde.

Freiheit der Forschung

Für die gelehrte Republik gibt es kein mögliches Symbol, keine Richtschnur, keine Zurückhaltung. Man muß in der gelehrten Republik alles vortragen können, wovon man sich überzeugt zu haben glaubt, gerade so, wie man es sich selbst zu gestehen wagen darf, zufolge des Begriffes eines gelehrten Publikums. Universitäten sind Gelehrten-Schulen. Es muß also auch auf ihnen alles vorgetragen werden dürfen, wovon man überzeugt ist, und es gibt auch für sie kein Symbol. Diejenigen irren gar sehr, die für das Katheder Zurückhaltung empfehlen und meinen, daß man auch da nicht alles sagen, auch da erst bedenken müsse, was nützen oder schaden, was recht gedeutet oder gemißdeutet werden könne.

Mahnung

Verteidigen wir nicht jetzt, nicht auf der Stelle unsere Geistesfreiheit, so möchte es gar bald zu spät sein.

Vorwurf

Hätten die unglücklichen Opfer der Wahrheit die ersten Angriffe ihrer Gegner nicht so gleichgültig behandelt, hätten sie nicht von ihnen erwartet, was man von Feinden der Wahrheit nie erwarten muß, Menschlichkeit und Vernunft: – es wäre wohl mit den wenigsten so weit gekommen, als es kam.

Lernfreiheit

Wie die gelehrte Untersuchung schlechterdings frei ist, so muß auch der Zutritt dazu jedem freistehen. Wer an Autorität innerlich nicht mehr glauben kann, dem ist es gegen das Gewissen, weiter daran zu glauben, und es ist ihm Gewissenspflicht, sich an das gelehrte Publikum anzuschließen. Keine irdische Macht hat ein Recht in Gewissenssachen zu gebieten, und es ist gewissenlos, irgendjemand, der durch seinen Geist dazu berufen ist, den Zutritt zu diesem Publikum zu versagen.

Der Staat und die Kirche muß die Gelehrten dulden; außerdem würden sie die Gewissen zwingen, und niemand könnte mit gutem Gewissen in einem solchen Staate oder in einer solchen Kirche leben; denn auf den Fall, daß er an der Autorität zu zweifeln anfinge, sähe er keine Hilfe vor sich. Auch wäre in einem solchen Staate kein Fortschreiten zur Vervollkommnung möglich, das doch schlechthin möglich sein soll; sondern das Volk bliebe ewig auf dem Punkte stehen, auf welchem es einmal steht. Beide müssen die Gelehrten dulden, d. h. sie müssen alles dasjenige dulden, worin ihr Wesen besteht: absolute und unbeschränkte Mitteilung der Gedanken. Alles, wovon jemand sich überzeugt zu haben glaubt, muß vorgetragen werden dürfen, so gefährlich und heillos es auch scheine. Ist jemand auf Irrwege geraten, wie soll denn ihm, wie soll denn auf die Zukunft anderen, die auf dieselben geraten könnten, geholfen werden, wenn ihm nicht erlaubt ist, seine Irrtümer mitzuteilen?

Papsttum, Absolutismus und Unfreiheit des Denkens. Friedrich der Große

Um den letzten Keim der Selbsttätigkeit im Menschen zu zerdrücken, um ihn bloß passiv zu machen, lasse man seine Meinungen von fremder Autorität abhängen«, – war der Grundsatz, auf welchem diese fürchterliche Universalmonarchie aufgeführt war; ein Satz, der so wahr ist, als je der Witz der Hölle einen erfand, ein Satz, mit welchem die unumschränkte Monarchie unausbleiblich entweder steht oder fällt. Wer nicht bestimmen darf, was er glauben will, wird sich nie unterstehen zu bestimmen, was er tun will; wer aber seinen Verstand frei macht, der wird in kurzem auch seinen Willen befreien. – Das rettet deine Ehre bei der richtenden Nachwelt, unsterblicher Friedrich, erhebt dich aus der Klasse der zertretenden Despoten und setzt dich in die ehrenvolle Reihe der Erzieher der Völker für Freiheit. Diese natürliche Folge unbemerkt sich entgehen lassen konnte dein hellsehender Geist nicht; doch wolltest du den Verstand deiner Völker frei; du mußtest also sie selbst frei wollen, und hätten sie dir reif für die Freiheit geschienen, du hättest ihnen gegeben, wozu du unter einer zuweilen harten Zucht sie nur bildetest.

Denkfreiheit als Palladium der Menschheit

Nein, ihr Völker, alles, alles gebt hin, nur nicht die Denkfreiheit. Immer gebt eure Söhne in die wilde Schlacht, um sich mit Menschen zu würgen, die sie nie beleidigten, oder von Seuchen entweder aufgezehrt zu werden, oder sie in eure friedlichen Wohnungen als eine Beute mit zurückzubringen; immer entreißt euer letztes Stückchen Brot dem hungernden Kinde und gebt es dem Hunde des Günstlings, – gebt, gebt alles hin: nur dieses vom Himmel abstammende Palladium der Menschheit, dieses Unterpfand, daß ihr noch ein anderes Los bevorstehe, als dulden, tragen und zerknirscht werden, – nur dieses behauptet! Die künftigen Generationen möchten schrecklich von euch zurückfordern, was euch zur Überlieferung an sie von euren Vätern übergeben wurde. Wären diese so feige gewesen als ihr, ständet ihr dann nicht noch immer unter der entehrendsten Geistes- und Leibes-Sklaverei eines geistlichen Despoten? Unter blutigen Kämpfen errangen jene, was ihr nur durch ein wenig Festigkeit behaupten könnt.

Kulturkampf

Das Licht siegt endlich gewiß, – die Zeit kann man freilich nicht bestimmen, aber es ist schon ein Unterpfand des Sieges und des nahen Sieges, wenn die Finsternis genötigt ist, sich in einen öffentlichen Kampf einzulassen. Sie liebt das Dunkel; sie hat schon verloren, wenn sie gezwungen ist, an das Licht zu treten.


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