Egid v. Filek
Ein Narr des Herzens
Egid v. Filek

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die Kornernte war vorüber.

Chaim Porges kam fast täglich in die Kanzlei und rechnete dem Oberverwalter lang und breit vor. Es wurde oft lebhaft drinnen; man hörte die scharfe Stimme des Juden, unterbrochen von dem dröhnenden Baß Berghofs; dann flog plötzlich die Tür zum Nebenzimmer auf und der Praktikant wurde gerufen.

»Neruda, heute nachmittag gehen Sie nach dem oberen Hof, den Drusch überwachen. Die Dreschmaschine ist schon auf dem Weg. Geben Sie mir auf den Schaffer acht, ich fürchte, der Kerl bestiehlt uns. Unauffällig, verstehen Sie?«

Der Praktikant verneigte sich. Es war ein ehrenvoller Auftrag. Und er fühlte mit Stolz, wie seine unbedeutende Person ein Stück der Obrigkeit repräsentierte.

Als sich die Tür hinter ihm schloß und Berghof mit dem Juden allein war, dämpfte 126 er die Stimme: »Also jetzt die Rübenernte. Wie steht denn die Ware im Preis? Wann haben wir zu liefern?«

Porges zog das Kreisblatt aus der Tasche und studierte die letzte Seite. »Es bleiben uns fünf Prozent, Herr Oberverwalter. Sehen Sie, wie gut es war, daß Sie mich betraut haben mit dem Abschluß.«

»Porges, Sie sind ein Gauner.«

»Ich bin ein armer Schnorrer, Herr. Das bessere Geschäft machen Sie. Und dem Herrn Grafen bleibt noch immer genug.«

Sie rechneten einen ganzen Vormittag miteinander. – –

Die Nachmittagspost brachte einen Brief für Georg. Neugierig betrachtete er die Aufschrift. Es war die Hand des Pater Ignatius.

Er steckte den Brief in die Tasche. Ein sonderbares Gefühl erlaubte ihm nicht, ihn sogleich zu öffnen. Es war ihm, als enthielte er die Antwort auf eine bange Schicksalsfrage. Denn er hatte das Schreiben des Geistlichen mit größerer Unruhe erwartet, als er sich selbst eingestehen wollte. Sagte ihm nicht ein dunkles Empfinden, daß er an einer Lebenswende stand? 127

Noch einmal trat die Gestalt des Lehrers mit Macht vor seine Seele – und alle guten Geister umschwebten sie, die segnend ihre Hand ausgestreckt hatten über seine glückliche Kinderzeit.

Die müde Sonne des späten Nachmittags lag über dem Hof.

Georg trat aus der Tür und schlug die Richtung nach dem Walde ein. Dort wollte er den Brief lesen, ganz ruhig und ungestört, ganz allein mit seinen Gedanken. Treff sprang an seinem jungen Herrn empor und bellte freudig, als er mitdurfte.

Beim Tor stand die kleine Wetti und sah den beiden nach. Ihr frischer junger Körper hatte sich in den letzten Wochen kräftig entwickelt, als habe erst die heiße Augustsonne ihre Glieder geschwellt und der zarten Brust die volle Rundung gegeben. Sie knüpfte ihr Tüchlein ab; blendend weiß leuchtete ihre Haut unter dem sonnenverbrannten braunen Halse.

Georg lächelte sie freundlich an, als er an ihr vorbeiging.

Er dachte an die alte Legende, die von dem Helden Herakles erzählt, wie er stillstand am Scheideweg seines Lebens, noch 128 einmal schwankend zwischen Ruhm und Lebensglück. Das mußte wohl bei allen Menschen so sein in diesem Alter. Ach, aber nicht jedem erschienen göttliche Gestalten und sprachen mit klaren Worten von ihren Wegen und Zielen!

Und heute fiel es ihm zum ersten Male ein, wie er ja eigentlich so allein und einsam war – das Tiefste und Entscheidendste sagte ihm doch niemand; ganz allein den Weg zu finden – es war so schwer, so traurig schwer!

Der kühle Schatten des Waldes nahm ihn auf.

Er suchte, unstet von einem Baum zum andern irrend, eine recht lauschige und ruhige Stelle, und es lag ein kindisches Vergnügen in diesem Suchen; nirgends war ihm das Moospolster dicht und reich genug, nirgends der Blick so eingeschlossen, daß er durch nichts, gar nichts abgelenkt werden konnte.

Ein Wort Stifters fiel ihm in die Seele: der Herzschlag des Waldes. Ja, das Herz des Waldes wollte er suchen – nur dort, nur an dieser Stelle konnte er den Brief lesen, der so vieles, so Bedeutsames für ihn enthielt . . . 129

Denn er war fest überzeugt, daß er jetzt die Klarheit und Ruhe gewinnen mußte, nach der er sich so sehnte. Hatte er doch diesen Mann nicht als Priester, sondern als Menschen angesprochen, als einen jener Reifen, Abgeklärten, zu denen das Auge der Jugendlichen aufblickt in stiller Verehrung.

Wer konnte denn die Schleier vor den Blicken der Werdenden zerreißen als der Fertige, der auf der glücklichen Höhe eines reichen Lebens stand; er, in dessen Antlitz die Zeit tiefe Furchen gegraben, dessen Haare sie gebleicht hatte, er mußte doch das köstlichste Gut gewonnen haben: Weisheit, Frieden, Klarheit!

Endlich fand Georg einen Platz, der ihm paßte: ein riesiger Granitblock stieg zur Rechten auf, links hoben sich drei uralte Fichten, Farnkräuter wucherten um ihre knorrigen Wurzeln, ein Wald im Walde; und der Teppich des Mooses war so weich und fein, und droben rauschten die Wipfel wie ein fernes Meer. Sonst Totenstille ringsum. Ja, hier war der Herzschlag des Waldes.

Treff sah seinen Herrn mit großen Augen an. Dann streckte er sich ins Moos und legte den Kopf auf die Vordertatzen. 130

Georg setzte sich zurecht, lehnte den Rücken an den Stamm der breitesten Fichte und öffnete den Brief.

Es war ihm, als beginge er eine heilige Handlung.

Und er las die drei Seiten des Briefes – und las sie zum andern und zum dritten Male. Und immer enttäuschter, immer trauriger wurde sein Gesicht.

Den Menschen hatte er um seinen Rat gefragt. Und der antwortete, das war der Priester.

Er wies ihn hin auf die Tröstungen der Kirche, auf die Macht des Gebetes und des Glaubens, der Berge versetzen könne. Er sprach von den Gnadenmitteln der Kirche, von der Fürbitte heiliger Personen, von dem Schatz im Reiche Gottes, der allen zugewendet werde, die da glauben.

Die da glauben!

Das war ja sein tiefer Schmerz, daß der Glaube anfing die segnende, mystische Kraft zu verlieren! Wer sich durchgerungen hatte durch alle Zweifel und Anfechtungen; wessen Glaube so tief und stark und hart war wie der jenes alten Mannes – was brauchte der noch 131 eine helfende Hand, die ihn herauszog aus den finstern Wellen, wie einst der Heiland den Apostel!

Und der Brief sprach weiter von den Versuchungen der Welt, von der Lockung des Leichtsinns und der Sünde. Und von Anfechtungen des Fleisches, die man ersticken, niedertreten müsse durch unablässiges Gebet, durch Entsagung und Kreuzigung des Leibes.

Was waren das für harte, schwere, furchtbare Worte! Sünde? Warum erklärte der alte Mann nicht mit schlichten Worten, wo die Sünde begann, wo sie endete?

Warum sagte er der sehnenden, suchenden Seele, die aus ihrer Einsamkeit dunkel und unklar nach Verständnis, nach Teilnahme rief – warum sagte er ihr nicht, was das war, die Sünde, die sie mit solch schweren Strafen bedrohten?

Er ließ die Hand mit dem Brief niedersinken, legte den Kopf an den Stamm des Baumes und starrte mit brennenden Augen vor sich hin.

Da droben in den Lüften rauschten die grünen Wipfel, so weich und voll, als klinge ein alter Choral aus der Höhe. Und aus den 132 Tiefen der Erde kamen Säfte, die geheimnisvoll emporstiegen und einströmten in die tausend Äste und Zweige; die spendeten Leben und Blut für den alten Baum.

Und Träume zogen durch das Herz des jungen Menschen; sie breiteten einen Schleier über sein Denken, sie linderten den Schmerz, der ihn ergriffen hatte, ihn, der so sehnsuchtsvoll nach Klarheit schrie und so bitter enttäuscht worden war. Ein leises Klingen wie aus fernen, seligen Welten entzückte sein Ohr; er glaubte die Säfte des Baumes unter leiser Musik in dem gewaltigen Stamm aufsteigen zu hören, und lauter und lauter schwollen die Stimmen an, und wenn er schärfer hinhorchte, so schien es wieder das Brausen der Wipfel im Abendwind. Es waren die Stimmen des Lebens, die jedes reifende Wesen vernimmt, jene wundersamen Stimmen, die bald tönen wie der Kampfruf eines Feldherrn, bald wie das silberne Lachen eines Mädchens oder die seufzende Klage eines liebeskranken Vogels. Jene Stimmen, die nichts wissen von Glauben und Unglauben, von Sünde und Entsagung.

Noch einmal hob er den Brief empor und studierte genau jedes Wort; ob denn nicht doch 133 in irgendeinem Winkel etwas wie Trost zu finden war. Und plötzlich haftete sein Auge gebannt an einer Stelle.

»Denke an deine Eltern, denke besonders an deinen Vater. Wir wissen alle, daß er in unermüdlicher, ehrlicher Arbeit, als treuer Diener seines gräflichen Herrn das ihm anvertraute Gut so vortrefflich verwaltet, daß Gottes Segen sichtbar mit ihm ist. Folge diesem Beispiel, lieber Sohn. Strebe deinem Vater nach in treuer und redlicher Pflichterfüllung. Dann wird auch dir der Himmel seinen Segen geben.«

Ein Gefühl von Ruhe und Sicherheit stieg in ihm empor. War hier nicht ein Ausweg aus dem Labyrinthe der quälenden Gedanken? Dem Vater nachzustreben, in redlicher Pflichterfüllung!

Das klang so ernst, so ohne jedes hohle Pathos; ein schlichtes Wort für eine schlichte und gute Sache. Ja, in sich selbst mußte man die Wurzeln seiner Kraft fühlen, aus sich selbst das Erlösungswerk vollbringen. Und Georg spürte wieder festen Boden unter seinen Füßen.

Er atmete tief auf und hob sich langsam aus dem Moos empor. 134

Das Rauschen in den Wipfeln hatte aufgehört. Wie ein Netz aus goldenen Fäden hingen die Sonnenstrahlen über dem Wald. Langsam sank der blutrote Ball im Westen in seine flammenden Wolkenkissen.

An einer Stelle, wo man zwischen den Bäumen tief in das Tal hinabsah, auf den braunen Fluß mit seinen breiten, grünen Ufern, auf weidende Kühe, auf die duftigen Umrisse der fernen Höhenzüge, stand Georg still und blickte in die rote Wolkenglut.

Seit den Tagen seiner Kindheit liebte er sie, die seltsamen, unbegreiflichen Wolken, die so unaufhörlich ihre Farbe und Gestalt veränderten.

Ein müßiges Spiel der Gedanken zeigte ihm in ihren phantastischen Formen Bilder seiner eigenen Zukunft. Ein festes Haus, geschützt mit Türmen und Zinnen, das dort starr und gewaltig am Himmel stand – deutete das nicht an, daß auch er einst Haus und Hof besitzen, sein eigener Herr sein werde? Und dort diese leuchtende Linie, diese Formen, denen einer Frau vergleichbar – war ihm vielleicht einmal das heimliche Glück beschieden, von dem ihm so viele lockende Stimmen sangen 135 – Liebe? Aber dort in der Ferne mischten sich die wunderbarsten Farben, blau und purpur und violett; eine andere Welt erschloß sich dort, ein Gedankenland – ja, das war das dritte Reich, dessen Pforte ihm der Onkel aufgetan hatte. Das Land der Schönheit.

Und wunderbar wogten die Massen durcheinander, wunderbar ballten sich die Gefühle, Gedanken, Hoffnungen des Werdenden, der da stand, von den abendlichen Strahlen der Sonne beleuchtet, da stand und in sein Wolkenland hineinstarrte . . .

Und mit der Phantasie des Knaben, der keine Ahnung hat von den Mächten der Welt und im Menschenherzen, spann er Pläne einer goldenen Zukunft, indessen der lichte Schein am Himmel erlosch und die glühenden Wolken matt und grau wurden.

Leise drängte sich der Hund an seine Seite. Er kraute mechanisch den dicken, zottigen Kopf.

Ein leichter Abendwind wehte vom Flusse her; aus der Tiefe hoben sich die weißen Nebelschleier, wogten auf und nieder, zogen sich um die Kronen der hohen Bäume am Ufer. Aus den Schloten der Häuser stieg in dünnen, zitternden, blauen Säulchen der Rauch empor. 136 Herdenglocken klangen aus der Ferne, hoch am Himmel stand der Mond, hart und klar, wie ein metallener Schild. Die wunderbare Sinfonie des Abends begann. Langsam lösten sich die Durklänge auf, in gebrochenen Akkorden flutete das müde Licht über die Erde hin, wie mächtige Orgeltöne kam es von den flammenden Wolken; und aus der schattigen Tiefe tönte schon leise die schwermütige Mollmelodie der Nacht.

Georg lehnte an einem Felsblock und sog mit langen Atemzügen die kühle Luft ein. Er dachte an den warmen Körper Daisys, an die leise Stimme des Onkels, an die träumenden Augen des Bruders Ignatius. Vergangenheit und Gegenwart zog vor seinem Geist vorüber; er fühlte, daß etwas Neues in sein Leben getreten war, daß die Welt groß und reich und so ganz, ganz anders sein mußte, als er bisher geglaubt . . .

Er sehnte sich hinaus in die Ferne, wollte an Bord eines Schiffes stehen und in das blaue Meer des Südens hinausfahren, weit hinter sich die Heimat, ein grauer Nebelstreif – und dann träumte er sich wieder in ein 137 kleines, stilles Haus, aus dessen Fenster es ihm winkte mit weißer Hand . . .

Eines fühlte er klar: die Vergangenheit wich zurück. Von dem ungewohnten Licht, das aus den Blicken des Onkels strahlte, begann die ernste Priestergestalt zu verblassen, die seinen Gedanken bisher den Weg gewiesen hatte.

Endlich wandte er sich zum Gehen.

Sie wollten heute nach dem Nachtmahl alle beim Bergwirt zusammenkommen. Er beschleunigte seinen Schritt. Auch Daisy würde dabei sein – Frau Neuberg hatte es der Mutter gesagt. Ihr Groll wegen der Briefe war verraucht; unangenehme Empfindungen hielten bei ihr niemals lange an.

Und dann saßen sie wieder beisammen beim Bergwirt in der Kasinoecke, bei dem großen Ofen mit seinen gemütlichen blauen Kacheln. Der verstaubte Christus mit den Palmzweigen blickte aus dem Herrgottswinkel mit traurigem Gesicht auf die Gruppe; die Bergwirtin saß in ihrer ganzen Breite hinter der Kredenz zwischen den schmutzigen Makartbuketten, die in großen sandgefüllten Vasen steckten; sie reichte den Gästen ihre große, weiche und 138 feuchte Hand; der Wirt holte die Stammkrügel und versicherte, daß das Bier eben frisch angeschlagen werde, obwohl es schon zwei Tage lief.

Der Förster hatte seinen redseligen Tag. Er erzählte den Frauen von lebensgefährlichen Abenteuern mit Wilderern, die er als junger Forsteleve bestanden haben wollte. Berghof schmunzelte hinter seinem Bierglas. Er hatte die Geschichten so oft gehört – jedesmal spielten sie an einem andern Ort und zwischen andern Personen. Der Schulmeister klopfte Daisy gemütlich auf die Schulter und bat sie, am nächsten Sonntag wieder am Chor zu singen. Sie sagte lächelnd zu.

Wie schön war sie, wenn sie den Kopf so zurückbog und die Hände im Nacken verschränkte, dicht unter dem goldig schimmernden Haarknoten.

Sie sprach mehr mit Georg als sonst – gleichgültige Dinge des Alltags, aber ihm war es, als klinge ein heimliches Einverständnis aus ihren Worten.

Paul Sering hatte ihr lange nicht geschrieben. Warum wohl? Reizte den verwöhnten Großstadtmenschen irgendeine neue 139 Eroberung? Oder war das der Anfang vom Ende – war er ihrer überdrüssig geworden?

Und ihr Mädchenstolz bäumte sich auf. Nein, sie brauchte nicht zu betteln um Liebe.

Da saß einer neben ihr – freilich, ein Buberl im Vergleich mit ihm, heiß und schüchtern und voll unbestimmten Verlangens – aber er konnte ihr Sklave werden, wenn sie wollte!

Und sie nahm unbewußt einen freundlichen, gütigen Ton gegen Georg an. Der rückhaltlos bewundernde Blick, mit dem er ihr ins Gesicht sah, tat ihr so wohl. Sie spielte mit ihm, ließ ihn die Macht fühlen, die sie über ihn besaß. Und er nahm für Ernst, was die Regung einer Mädchenlaune war.

Sie duldete seine ungeschickte Annäherung, weil sie ein Spielzeug wollte. Und als sie sah, wie er sich widerstandslos seiner Empfindung hingab, da freute sie das Spiel erst recht.

»Gestern bin ich wieder spät abends im Garten gewesen,« sagte sie mit kokettem Augenaufschlag.

Georg sah sie an. Ihr ganzes Wesen atmete blühende Gesundheit. Er fühlte den Duft 140 dieses Körpers; er sah den runden Arm rosig durch den dünnen Stoff ihrer Bluse schimmern. Sein Atem ging schwer. Vielleicht hatte sie ihn erwartet! Sollte er sie geradezu fragen? Nein. Sie würde wieder mit einem Scherz antworten, wie so oft. Wer fand sich zurecht bei diesem seltsamen Geschöpf?

Und doch mußte er einmal zu ihr sprechen, mußte ihr sein Herz öffnen – aber da saßen die andern und erzählten von ihren Alltagswerken, und hier und da unterdrückte jemand ein Gähnen – nein, es ging nicht. Hier nicht.

Dann erfaßte ihn wieder eine unbestimmte Angst. Als könnte ein Fremder kommen und sie ihm nehmen, sie, die er schon für sich gewonnen hielt. Wenn er nur einmal allein, ganz ungestört mit ihr reden könnte!

Der Förster begann drüben am andern Ende des Tisches wieder eine seiner ungeheuerlichen Geschichten. Georg blickte nach dem Vater, der dort breit und wie aus Erz gegossen auf seinem Stuhl saß und laut lachend auf das Jägerlatein einging. Wie das Dröhnen metallener Becken klang dieses Lachen, so gesund, so ehrlich, so voll Lebensfreude. 141

Endlich setzten sich die Männer zum Tarokspiel; nur Heinrich Berghof, der den ganzen Abend schweigsam gewesen war und den Blick der Schwägerin vermieden hatte, blieb bei den Frauen und folgte zerstreut dem Gespräch.

Wie eine Familie saßen sie beisammen um den Tisch, den die große Hängelampe überstrahlte; und dennoch waren sie sich fremd und fern, und jedes von ihnen ging seine eigenen Wege; selbst in dem kleinen, engen Kreis gab es kein wahres, tiefes Verständnis.

War er weniger einsam als diese, weil er weder Weib noch Kind besaß?

Das waren seine Gedanken an jenem Abend. 142



 << zurück weiter >>