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»Wie sehr uns diese alten und reichen Kulturlande voraus sind«
Briefe
An Frau Emilie,
Basel, 5. August 1875
Gestern abend auf der Fahrt von Freiburg hierher wurde mir durch einen Mitreisenden der »Storch« empfohlen. Der Name hat in Jahren, wo man nichts mehr von ihm zu befürchten hat, etwas Anheimelndes; so wählte ich mir denn in der Omnibusreihe, die 15 Mann hoch auf 3 Ankommende wartete, den »Cigogne«. Sehr bald beschlichen bange Ahnungen mein Herz. Der Hôtel-Omnibus nämlich, um den Storch zu charakterisieren, führte – etwa nach Analogie der roten Türen an der roten Apotheke – zwei Laternen am Backbord, die in einem zinnoberroten Holzgehäuse standen. Der Einfluß zweier Qualmlichter auf die frische Zinnober-Ölfarbe war nun geradezu furchtbar und stellte alles in den Schatten, was von ausgehenden Berliner Droschken-Lampen je geleistet worden ist. Solche Droschken-Lampe hat etwas so unendlich Kümmerliches, daß man, mitten in der Wut, sich eines gewissen Mitleids nicht erwehren kann; diese beiden Storch-Lichter hatten aber etwas Unverschämtes. Nach einer Viertelstunde hielten wir. Alles entsprach den roten Laternen; die ehrwürdige Atmosphäre eines 300 Jahr alten Hotels umfächelte mich, und es waren saure Fettöne in der Luft, die recht gut von einem Braten herrühren konnten, den Ulrich von Hutten hier gegessen hat. So alles. Der Tee in solchen uralten Hotels schmeckt nicht mehr nach Tee, sondern nur noch nach der Teekannen-Patina, die braun, wie alter Pfannenstein, das Gefäß inkrustiert. Im übrigen hab ich gut geschlafen und fühle mich leidlich wohl; das Fieber ist fort. Sonst freilich ist alles beim alten, und alle Mittel versagen den Dienst. Selbst eine Hungerkur hat nichts geholfen; in 27 Stunden nichts gegessen und nichts getrunken, aber es bleibt, wie es ist. Die Medizin ist doch eine erbärmliche Quacksalberei. Zu dem allen nun das Wetter! Seit gestern vormittag regnet es ununterbrochen; ich würde über all dies sehr verstimmt sein, wenn ich nicht das bestimmte Gefühl hatte, daß es in der Berliner Kanal-Luft erst recht nichts mit mir geworden wäre.
Nach dieser Einleitung steig ich nun historisch in die Vergangenheit dieser zwei Tage zurück. Meine Reisegesellschaft, die mir anfänglich ein gelindes Grauen einflößte, war schließlich nicht so übel. Das Ehepaar nebst Tochter führte den Namen Krüger; Krüger selbst entpuppte sich als ein Schwager von Prediger Roland, woraus ich fast schließen möchte, daß die Frau eine geborene Nobiling (wie auch die Gilli) war. Nur wäre sie dann freilich unter dem Niveau der beiden andern Schwestern. Das Ganze echtestes Bourgeoistum: sicher, bequem, trivial, ungebildet, in vorliegendem Falle nur durch Gutmütigkeit genießbar. Der Gichtikus, der mit zwei Stöcken mühsam ins Coupé hineinkletterte, war ein reicher »Proprietaire« aus Lichterfelde, der das Leben und die Liebe stark befahren zu haben schien. Er kannte Spanien und hatte drei Trauringe am Finger. Der furchtbar dicke Junge, der an den Eisenpfeiler lehnte, war das Produkt seiner Laune. Mit welchem seiner drei Trauringe er ihn gezeugt, ist mir ein Geheimnis geblieben. Er stellte der Familie Krüger den Jungen mit folgenden Worten vor. »Was glauben Sie, wie alt er ist? er wiegt 115 Pfund, und seine Intelligenz (wörtlich) entspricht seiner Dicke.« – Das »Cabinet« gewährte mir weiter keinen Vorteil als den, Mutter und Tochter abwechselnd verschwinden zu sehn. Meinem bißchen Humor tut dergleichen wohl; fragt man mich aber aufs Gewissen, wie ich all das nun eigentlich finde, so ström ich über von Indignation über diese Mischung von Mesquinerie und Roheit, die all unsre Zustände durchdringt. Das soll nun Nachahmung »amerikanischen Komforts« sein! Lucae versichert uns immer, in 20 Jahren würde Berlin eine der schönsten Städte Europas sein. Ich glaub es nicht, denn »es liegt nicht drin«. Mit Hilfe der Kanalisation, zu der ich nun mal schlechterdings kein Vertrauen habe, werden wir im Sterbe-Prozentsatz immer höher rücken, und hier und dort wird irgendein Pringsheim eine Kakel-Architektur in die Mitte langweiliger Häuser hineinstellen. Es fehlt der Sinn und ebenso an einer mit wirklicher Autorität ausgerüsteten Leitung. Wenn Schinkel jemals fehlte, so fehlt er jetzt.
Die Fahrt von Frankfurt bis Freiburg war sehr angenehm, namentlich eh der Regen einsetzte. Die »Bergstraße«, die von Darmstadt bis Heidelberg läuft, ist schön und erinnerte mich an manchen Stellen lebhaft an unsre vorjährige Fahrt am Apennin hin. Worin Ähnlichkeit und Unterschied liegen, will ich hier nicht weiter ausführen. Die genannte Strecke machte ich in Gesellschaft des Geh. Rat Dr. Baehr, unsres alten Wichmann-Freundes, der immer die Flucht ergreift, wenn wir angemeldet werden. Ein wunderbarer Heiliger, der durch Strohhut und Nanking, in denen er auftauchte, nicht wesentlich gewann. Er gehört zu denen, die es nicht ertragen können, daß man in Berlin, im ganzen genommen, klüger ist als in Kassel, jedenfalls aber besser aussieht. Er saß ziemlich dicht neben mir, nur eine Person zwischen uns, und erkannte mich entweder wirklich nicht oder wollte mich nicht erkennen. Mir war es recht, um so mehr, als er mit einem Frankfurter eine lebhafte Konversation führte. Mit »Augen rechts« folgte ich dem Lauf der Bergstraße und hatte mehr davon als vom Lauf der Konversation. In Heidelberg, wo uns Baehr wieder verließ, gab ich ein Telegramm an Tante Pinchen auf, worin ich meine Ankunft meldete. Unter dem Vordach des Freiburger Bahnhofs standen vierzig bis fünfzig Menschen. Das erste Wesen, auf das mein Auge fiel, war – Tante Pine. Sie sah eigentlich aus wie früher, noch ein bißchen verquienter, noch ein bißchen vermorchelter, noch ein bißchen wehmütiger, eine natürliche Folge der seit 50 Jahren in Permanenz erklärten Sentimentalität. Ich sprang aus dem Wagen und küßte den lippenlosen Mund. Mit soviel Heiterkeit, wie meine Unterleibszustände zuließen, sprang ich über die ersten peinlichen Momente weg. [...] Ich wurde lebhaft aufgefordert, noch länger zu bleiben, hatte aber die Empfindung: 4 Stunden ist genug.
Es regnet immer noch, so daß ich von Basel, das ich übrigens kenne, diesmal nichts weiter sehn werde als den Granatbaum, der kostbar blühend auf dem Hofe meines Hotels steht, und die Rheinbrücke. Im wesentlichen hab ich also meine Kenntnis der Stadt diesmal nur durch den »Storch« bereichert. Etwas wenig. Wenn die nächsten Wochen nicht mehr an Bildungs-Elementen bringen, so hält es Freienwalde auch getan. Ich gehe nun von hier direkt nach Konstanz, ohne mich unterwegs beim Rheinfall aufzuhalten, da der überschuhlose 55er nicht mehr in der Lage ist, um eines Naturschauspiels halber sich nasse Füße zu holen.
[...]
Also am 7. bitt ich nach Mailand zu schreiben und am 9. noch einmal.
*
An Frau Emilie,
Neuhausen, 6. August 1875
Ich blieb im »Storch« drei Stunden länger, als ich berechnet hatte. Schönheit und Liebenswürdigkeit der Wirtin waren nicht schuld daran; sie sah aus, als habe sie der Storch zu viel oder zu wenig gebissen. Ihr Antlitz klärte sich auch nicht auf, wohl aber das Wetter. Dies bestimmte mich, nicht direkt nach Konstanz, sondern nur bis Neuhausen (Station in Nähe von Schaffhausen) zu gehn. Man bleibt jetzt in der Regel an diesem Ort, weil man den Rheinfall von hier aus am schönsten sieht. Auch das Gasthaus ist hier am besten; echt-englisches Hôtel, in dem man wieder Mensch wird. Viel tragen zu dieser wohltuenden Erscheinung allerdings die Engländer selbst bei; richtiger, die Engländerinnen. Es hilft nichts, wir verschwinden neben ihnen. Ich will dies alte Streitthema nicht zum hundertsten Male behandeln, aber es ist so, wie ich sage. Durch Abstammung, Erziehung, Pflege, Freiheit und allerglücklichste Lebensverhältnisse repräsentieren sie schließlich eine höhere Race. Das ganze Volk trägt einen aristokratischen Stempel. Was bei uns in Einzelexemplaren vorkommt, kommt bei ihnen massenhaft vor. Auch bei uns gibt es Rosen, aber im Rosental zu Kaschmir wachsen sie wild.
Die ganze Rheinfall-Szenerie übertrifft weitaus meine Erwartungen, so das ganze Rheintal überhaupt, in dem wir gestern hierherfuhren. Rheinfelden, Säckingen und vor allem Laufenburg sind sehr schön. Schon vor zehn Jahren, als ich von Interlaken und Zürich aus heimkehrte, bin ich daran vorübergefahren, aber ohne das geringste zu sehn. So reist man jetzt. Wahrscheinlich war ich müde und steckte auch nicht ein einziges Mal den Kopf zum Fenster hinaus. Der Rheinfall wirkt wie die Jungfrau. Was dort der Schnee tut, tut hier der Wasserschaum. Man steht hier wie dort einem Etwas gegenüber, das einen durch Reinheit beglückt. Dazu verwandte Farbenwunder. Inmitten dieser Schaummasse, die völlig wie ein Schneesturz niederdonnert, werden smaragdene Töne sichtbar, die an Schönheit mit dem Alpenglühn wetteifern können. Dies hier ist ein Punkt für Hochzeitsreisende! Von Hôtel zu Hôtel traben oder Galerien absuchen kann dem tapfersten Recken den honey-moon verleiden; aber in diesem Schweizer-Hof 14 Tage leben und das Dasein in Liebe, Rheinfall und substantial breakfast's gipfeln zu sehn, muß für einen 25jährigen himmlisch sein. Selbst die Langeweile verliert hier ihren Charakter. Es braucht hier nichts gesagt zu werden, ja es soll hier nichts gesagt werden. Die Natur ist in einem steten Donner, und wenn es donnert, schweigt der Mensch. So wird hier auf natürlichem Wege, und fast von Schicklichkeits wegen, die Klippe vermieden, an der fast alle Liebespaare scheitern: die Unterhaltungsnot. Gesagt ist alles, und immer küssen geht über die menschliche Kraft. Deshalb gehe denn heute auch nur ein Kuß in die Heimat; über die Adresse schweig ich verschämt.
*
An Frau Emilie,
Ragaz, 7. August 1875
Gestern d. 6. vormittags, unmittelbar nachdem ich an Dich geschrieben, verließ ich das Rheinfall-Hôtel (Schweizerhof) und fuhr nach Konstanz. Es liegt sehr schön am Bodensee. Eine Dampfschiffahrt über diesen verbot sich, teils wegen des heftigen Windes, der wehte, teils weil ich dadurch fünf, sechs Stunden verloren hätte und erst spät abends hier eingetroffen wäre. So benutzte ich die am Bodensee hinlaufende Eisenbahn, nachdem ich für die Besichtigung der Stadt Konstanz noch ziemlich eine Stunde gehabt hatte. Das vielleicht interessanteste Gebäude derselben ist das »Kaufhaus«, jetzt das Konziliums-Haus geheißen, in dessen großer Halle (mit auf Holz-Säulen ruhender Holzdecke) die Kardinale über Hus zu Gericht saßen. Wie in der Regel derartige Örtlichkeiten, so wirkte auch dieser Saal wenig echt; es ist nur noch der Raum als solcher, der das Interesse in Anspruch nimmt, die Dinge, die ihn einschließen, ihn schmücken oder charakterisieren, gehören andren Zeiten an, vielleicht selbst die Decke und die Säulen. Fresken, von Friedrich Pecht herrührend, einem geborenen Konstanzer, umziehen die Wände; es sind Szenen aus dem geschichtlichen Leben der Stadt. Hus hat drei Bilder: seine Verteidigung vor Kaiser und Konzil, seine Überführung in den Insel-Kerker auf Gottlieben und sein Feuertod. Hus selbst ist auf allen drei Kompositionen natürlich wieder Porträt von Friede Eggers. Die ganze Münchener Schule, Kaulbach an der Spitze, hat sich an ihm versehn. Im übrigen fand ich die sämtlichen Kompositionen, etwa 10 bis 12, merkwürdig gut, die »Überführung des Hus über den See« sogar von herzbeweglicher Kraft. Es mag sich vieles dagegen sagen lassen, aber nicht ein einziges wirkte langweilig; alle hatten sie etwas von dem Reiz, der vorweg an aller Handlung haftet. Die einzige Kunst, die unsre Historienmaler in nur allzu vielen Fällen üben, besteht darin, daß sie die Tat gleichsam zu entnerven und das natürlich Gegebene in seinem Zauber zu entzaubern verstehn. Gibt es etwas Ergreifenderes als »Konradins Tod«? gibt es etwas Langweiligeres als die Bilder, die ihn darstellen? Wahrscheinlich existieren Ausnahmen; aber ich kenne keine.
Von Konstanz in etwa 4 Stunden hierher. Der Weg führt über Romanshorn und Rorschach, dann rheinaufwärts bis Chur, ein oder zwei kleine Stationen vor Chur liegt Ragaz. In Romanshorn traf ich die Familie Hoepner, fünf Mann hoch: er, sie, der Sohn, das Töchterchen und ein Mädchen. Wo nehmen sie das Geld zu solchen Reisen her? Vielleicht tut er dieselbe Frage. Sie kamen von München, wenn ich nicht irre, und gingen an den Vierwaldstätter-See, um dort ihre Villaggiatur zu schließen.
Hier, in Ragaz, fand ich [die] teuren Wangenheims in bestem Wohlsein. Er absolut rüstig, ein stilles Mitglied des Alpenclubs; sie so gut wie völlig genesen, Arm und Hand wieder beweglich; Elsy um 5 Jahre verjüngt. Wir soupierten zusammen; es war sehr reizend. Leider ist mein Magen total ruiniert, ich kann nichts essen. In diesem Augenblick sitzen W.s an der Table d'hôte; ich kann aber nicht teilnehmen und will froh sein, wenn ich heut abend einen Bissen genießen kann. Es ist ganz so wie im vorigen Jahre in Italien. – Heute vormittag haben wir zusammen gefrühstückt (Tee), dann eine Fahrt, die berühmte Tamina-Schlucht aufwärts, nach Pfäffers gemacht. Bei Pfäffers wird die Schlucht zur bloßen Spalte, an der hin eine schmale Galerie führt; unten die Tamina, oben die Felsen wieder sich berührend oder doch nur handbreiter Zwischenraum. Unter allem derartigen, was ich gesehn, ist es das Großartigste. Die Fingalshöhle auf Staffa ist fast noch schöner und poetischer, verschwindet aber an Imposance daneben. – Heute abend fahr ich nach Chur; morgen früh über den Splügen nach Italien hinein.
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An Frau Emilie,
Auf dem Lago maggiore, 9. August 1875
Da wären wir also wieder unter italienischem Himmel! Die durch Pietsch so berühmt gewordenen Nußbaum- und Kastanien-Alleen, »die sich vom dunklen Hintergrund der Berge abheben«, sind wieder um mich her, und auch die Weingirlanden ziehen sich von Baum zu Baum. Alles echt und vorschriftsmäßig. Gestern abend 9 Uhr traf ich, nach einer 16stündigen Fahrt, in Bellinzona ein. Um 5 Uhr früh hatte ich Chur im Eilwagen verlassen. Unter gewöhnlichen Umständen wäre das eine Strapaze gewesen, und zwar eine um so größere, als ich während der drei Stunden, die ich zu Chur im Bett zubrachte, keinen Augenblick Ruhe gefunden hatte; nichtsdestoweniger war der ganze Tag eine Wonne von Anfang bis Ende. Selbst eine leise Prellerei, der ich ausgesetzt wurde, konnte daran nichts ändern. Sie ging mit Freundlichkeit Hand in Hand, was mich jedesmal entwaffnet; nur die gemeine norddeutsche Betrügerei, die nicht nur in dem Maß der Forderung, sondern auch in der Manier derselben Unverschämtes leistet, verdrießt mich. Wie ungermanisch bin ich doch! Alle Augenblick (aber ganz im Ernst) empfind ich meine romanische Abstammung. Und ich bin stolz darauf.
Friedel hat recht: das Fahren ist das Beste von der Geschichte. Einige machen die Hôtels zur Hauptsache, andre die Bildergalerien, noch andere das Bergeklettern, als ob der Mensch von der Ziege abstammte. Dem allem steht die Friedeische Schule, der ich mich anschließe, mit höherer Berechtigung gegenüber. Das Beste ist fahren. Mit offnen Augen vom Coupé, vom Wagen, vom Boot, vom Fiacre aus die Dinge an sich vorüberziehen zu lassen, das ist das A & das O des Reisens. Was noch übrigbleibt, ist Sache des Studiums, und auch mit diesem Studium ist es soso. In den seltensten Fällen ist es möglich, in den Kern der Dinge einzudringen, und wer sieben Monate lang in Rom lebte, wird nicht sehr viel mehr heimbringen als der, der es, sieben Tage lang, mit Plan und Buch in der Hand durchfahren hat. Wir lernen mit dem Auge am meisten; es ist beständig tätig; das Ohr nur sehr ausnahmsweise. Dazu kommt, daß wir im Sehen immer etwas empfangen, im Hören sehr oft nichts.
Also um 5 Uhr früh aus Chur. Ich hatte einen Platz im Cabriolet, neben mir zwei dänische Damen. Als Verfasser des »Krieges von 1864« schwieg ich mich patriotisch aus. Gleich der erste Moment, beim Einbiegen in die große Chaussee, war prächtig. Die Rhätischen Alpen schlossen dunkel den Horizont, aber hoch über die vorderste Linie hinweg schaute das Schneehaupt des Piz Beverin, das, eben im Morgenlicht erglühend, die sich ihm nähernden Fremden freundlich begrüßen zu wollen schien. Die Fahrt geht rheinaufwärts. Nach etwa drei Stunden hatte man Thusis erreicht, das am Eingangstor der berühmten Via mala gelegen ist. Ich orientierte mich ein wenig, während die Pferde gewechselt wurden. Jetzt trat der Kondukteur, ein breitschultriger Graubündner, dessen ursprüngliche Schweizer-Barschheit längst in milde stimmenden Spirituosen untergegangen war, an mich heran und machte die Bemerkung, daß ich vom Cabriolet aus nicht viel sehen würde; »der Bankett-Platz, das sei das Wahre, um Umschau zu halten; die ›Differenz‹ könnte ich später an ihn erlegen«. Mein bereitwilligstes Eingehn auf diesen Vorschlag kostete mich, außer einer Anzahl Trinkgelder, 7 Francs 45 Centimes, die natürlich auch nur eine zwischen zwei, drei Verschworenen zu teilende Kriegskontribution waren. Der mir geleistete Dienst war aber viel größer als die Brandschatzung, so daß ich meinem Kondukteur auch noch nachträglich aufrichtig dankbar bin. Nur von dem offnen Bankett-Platz aus war es möglich, die Zauber dieser Straße auf sich wirken zu lassen, denn man muß eben imstande sein, jeden Augenblick, rechts oder links, nach oben oder unten blicken zu können. Beständig drängte sich mir die Erinnerung an das Böcklinsche Bild auf; alles war da; nur der Ichthyosaurus kuckte nicht aus seinem Felsenfenster heraus. Und dennoch fehlte auch er nicht; denn der Ichthyosaurus, den der Künstler so genial erfunden hat, ist allerdings der Genius loci dieses Orts, nichts als die Verkörperung des Schreckhaften, des Elementar-Ungeheuerlichen, das, aus Fabelzeiten her, hier seine Stätte hat. Was alles man auch über Böcklin sagen, ja ob man beweisen mag, daß dies und ähnliches gar keine malerischen Aufgaben seien, dennoch ist mir schließlich solch Nicht-Maler lieber als hundert andre, denen niemand ihren Titel bestreitet.
Auf Beschreibung dieses großen Stücks Natur laß ich mich nicht ein; diese undankbare Aufgabe überlaß ich den Touristen generis communis, die keine Ahnung davon haben, daß die äußerliche Beschreibung nur klein macht und daß die Schilderung der Wirkung dieser Szenerie nur von einem Poeten in seiner besten Stunde geleistet werden kann. Nur eines. Ich hätte nicht geglaubt, daß nach allem, was ich in meinem Leben gesehn habe, ich noch so mächtig von Dingen dieser Art bewegt werden könnte. Zum Teil mag es daran liegen, daß meine Schweizer-Eindrücke aus frührer Zeit her schon wieder verblaßt waren, Ein Herr, mit dem ich von Konstanz bis Rorschach fuhr, sagte mir sehr richtig: »Ich habe den Rheinfall vor 20 Jahren gesehn, aber ich habe kaum noch eine Vorstellung davon.« Alles verblaßt mit den Jahren; weniges, was in Farbenfrische in uns fortbesteht. Soll man sagen: »Schade« oder »Gott sei Dank«. während die Eindrücke, die Italien gibt, doch von ganz andrer Natur sind. Neapel beispielsweise ist auch großartig; aber es ist eine großartige Schönheit, in der doch zuletzt das Großartige im Schönen untergeht. In der Tamina-Schlucht hingegen und fast noch mehr in der Via mala wird die Großartigkeit ganz rein verzapft; wenn sie einen Beisatz hat, so ist es der des Schrecklichen, der zum Imposanten und Gewaltigen au fond besser paßt als das Schönheitliche. Das Wesen der Schönheit ist das Maß, das in einer Art Gegensatz zum Großartigen steht.
Sehr bald nach der Via mala kommt das hochgelegene Dorf Splügen, das für zwei, von Chur nach Italien führende Linien den Gabelpunkt bildet. Die eine, die später bei Chiavenna mündet, führt über den Splügen selbst, die andre über den Bernhardin. Diese letztre war die von mir gewählte, weil mein Reiseplan dahin ging, an der Nordspitze des Lago maggiore Italien zu erreichen. An dieser Nordspitze, oder doch in unmittelbarer Nähe derselben, liegt Bellinzona.
Um l Uhr waren wir in Dorf Splügen und nahmen ein ganz gutes Diner. Um 2 Uhr weiter. Ich immer noch auf dem Adlerhorst meines Bankett-Platzes thronend. Beim Abfahren rief mir ein zurückbleibender Postillon zu: »ja, das ist der beste Platz«. Ich hörte gleich etwas wie Schelmerei heraus, ohne im übrigen viel Gewicht darauf zu legen. Bald indessen sollte mir die Tragweite dieses Scherzes klarwerden. Der Bernhardin, den wir jetzt in der Serpentine erkletterten, ist ganz kahl, und da saß ich nun im glühenden Sonnenbrand, immer kochiger und gedunsener werdend, durch nichts getröstet als durch die Betrachtung, daß ich für 7 Francs 45 Centimes den teuersten Platz des Wagens erstanden hatte. Die Nase tat mir weh, und ich fühlte, daß ich mit jedem Augenblick dem alten Kießling ähnlicher wurde. Nur bewahrte mich der Schilber-Zustand vor der Porosität. Ich konnte mich über das Peinliche und noch dazu Ridiküle meiner Lage nicht länger täuschen; die Sonne brannte, daß ein Straußenei hätte ausgebrütet werden können; alles einsam; nur die Adler und – ich in der Luft. »Non soli cedo.« Ich wich aber schließlich doch, ließ halten und kletterte (die Cabriolet-Plätze waren mittlerweile andrerseits besetzt worden) in den Fond des Wagens. Dies war ein Glück für mich. Hier herrschte am meisten Schatten, und nach Schatten dürstete meine Seele. Zudem war ich allein, In diesem Alleinsein schwelge ich ordentlich. (Dies geht nicht gegen Dich. Du warst eine vorzügliche Reisegefährtin.) Während ich früher meine Scheuheit anklagte, segne ich sie jetzt. Es erlohnt sich nicht, auch nur ein einziges Wort zu sprechen; alles triviales, dummes Zeug, das einen nur von einer scharfen oder mußevollen Betrachtung der Dinge abzieht.
Der Weg den Bernhardin hinauf war trist und langweilig, sein Plateau interessant, der Weg bergabwärts entzückend, namentlich auf der Strecke von dem kleinen Badeorte San Bernardino bis Mesocco. Dies ist – selbstverständlich mit Ausnahme der Via mala, die ein Ding für sich ist – die brillanteste Strecke des Weges; die Hitze ließ jetzt nach; die Farbentöne wurden immer schöner. Ich rückte deshalb, nachdem mein Platz im Cabriolet wieder frei geworden war, aus dem Fond des Wagens abermals in den fensterreichen Frontkasten ein. Ich sollt es nicht bereuen; selbst das Störende gestaltete sich zum erheiternden Zwischenspiel. In San Bernardino war ein Chaussee-Arbeiter aufgestiegen, den man aus Gutmütigkeit mitnahm. Er preßte sich, so gut es ging, mit in den Bockkasten des Postillons hinein. Da dieser Platz aber für zwei nicht recht ausreichte, so kam es, daß das linke Bein des blinden Passagiers gerade vor meinem Cabrioletfenster hing. Zum Überfluß hatte er, kurz vor dem Aufsteigen, in einen halbausgetrockneten Fladen getreten, dessen durch einen halben Strohhalm augmentierte Überreste an seinem Hacken hingen. Alles in allem kam, mit Hilfe des Halms, eine unregelmäßige Sichel heraus, die nun, innerhalb des Fensterrahmens, eine zweite, engere Umrahmung schuf. Lunettenartiger Ausschnitt. Über das einigermaßen Unappetitliche kam ich leicht hinweg. Ich hätte in diesem Augenblick verdient, Wichmann zu sein. Auch war die ganze Szenerie in der Tat von so viel Lieblichkeit, daß nur ein Griesegram hätte mäkeln können. Sonntag-Nachmittag; das Volk überall geputzt und plaudernd oder auch zur Heu-Ernte hinausgegangen. Inmitten der Heuenden stand eine junge schöne Frau, die die ganze Wiege, in der ihr Kind lag, wie einen Leierkasten auf dem Rücken trug. Was mich aber am meisten erheiterte, war das folgende. Wir fuhren bergab; deshalb genügten vier Pferde, während bergauf fünf gebraucht zu werden pflegen. So blieb denn von den fünf Umspann-Pferden, die am Vormittag, einige Stunden vor unsrer Ankunft in San Bernardino, von Mesocco aus hinaufgeklettert waren, eins übrig, das aber doch auch wieder zurückmußte. Wie geschah das nun? Auf die einfachste Weise von der Welt. Schon mochten wir eine Meile oder mehr bergab sein, als ich plötzlich mit Hilfe der Serpentine eines Pferdes ansichtig wurde, das, während es uns in Wahrheit auf fünfzig Schritt folgte, an jeder Biegungsstelle nicht hinter, sondern neben uns war. Dann und wann, wenn nur ein einfaches Stück Wiesenland den Raum zwischen der Serpentine füllte, sparte sich das kluge Tier die überflüssige Wegstrecke, durchschnitt geschickt den grünen Streifen und lief nun gerade auf unser Seitenfenster zu. Hineinkuckend begrüßte es uns durch das Schellenklingeln seines Geschirrs und nahm dann wieder die Queue, in pflichtschuldigem Abstand dem Wagen folgend.
Ich könnte in solchen Schilderungen fortfahren; aber es wird zuviel, und – Dubletten wirken nicht. Der Mond ging auf und warf sein Licht über verschiedene Bergwässer, zuletzt über den Tessin. Um 9 Uhr fuhren wir in Bellinzona ein. Ich nahm Abschied von meinem Kondukteur, der sehr freundlich war, und zog in den »Engel« ein, der seinem Namen Ehre machte, was man nicht von jedem Engel sagen kann. Ich war todmüde und schlief wie in Abrahams Schoß.
Diesen Tagesbericht hab ich wirklich während der Bootfahrt auf dem Lago maggiore geschrieben, aber – mit Bleistift in mein Notizbuch. Dies ist die Abschrift davon. Sie ist mir blutsauer geworden, da zwei Federn, die mir Zimmermagd und Kellner lieferten, gleich schlecht waren. Morgen früh rechne ich auf einen Brief von Dir; mög ich Gutes hören. Mit meinem Befinden geht es seit der Fahrt über den Bernhardin besser; die furchtbare Hitze scheint mich kuriert zu haben.
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An Frau Emilie,
Mailand, 10. August 1875
Gestern schrieb ich vom Lago maggiore aus, heute schreib ich von Mailand, das ich gestern bei guter Zeit erreichte. Ich stieg im Hôtel de la Ville ab, nicht im Hôtel Cavour, das mir Heyden empfohlen hatte. Hôtel Cavour liegt am Rande der Stadt, Hôtel de la Ville in der Mitte; dies bestimmte mich, letztrem den Vorzug zu geben. An Wert sind sie gleich, auch wohl an dem Wert, den sie sich in ihren Rechnungen selbst beilegen. – Aber ich schulde Dir noch eine Schilderung des gestrigen Tages. Ich kann mich ziemlich kurz fassen.
Etwa um 9 aus Bellinzona. Kurze Eisenbahnfahrt um die Nordspitze des Lago maggiore herum; Ankunft in Locarno 10 Uhr. Von hier aus machte ich nun die Seefahrt, die 5 bis 6 Stunden dauerte. Der See sieht geradeso aus, wie er gemalt zu werden oder selbst in Ölfarbendruck zu erscheinen pflegt. Jede Überraschung, die so viel tut, fällt weg. Überhaupt kann man von Italien sagen, es sei »abgemalt«, wie Lieder abgesungen werden. Ihre Popularität wächst dadurch, vielleicht auch ihr Ruhm, aber nicht ihr Reiz. Alles Schönste muß rar bleiben, muß als beglückende Ausnahme empfunden werden. Je gekannter, je trivialer; nicht immer, nicht notwendig, aber die Gefahr ist da. Was nun den Lago maggiore angeht, so hängt alles davon ab. Der treue Anwohner des Müritz- oder Müggelsees wird in unbegrenztes und berechtigtes Entzücken geraten, wer aber vom Golf von Neapel kommt oder das Bild desselben in der Seele bewahrt, der wird dies oberitalische Wasserbecken doch nur zweiten Ranges finden. Die Weitgespanntheit des Bogens, die Farbe des Wassers, der Reichtum der Ufer-Einfassung schaffen einen Unterschied, der sehr zuungunsten des »Langen Sees« ausfällt. So nennen die Graubündner den Lago maggiore. In seinem nördlichen Drittel wirkt er mehr oder minder kahl; erst wenn man die Mitte erreicht hat und etwa von Palanza aus rückwärts blickt, hat man ein sehr schönes Bild, weil sich nun alles zusammenzuschieben und den Ufern einen reicheren Charakter zu geben beginnt, als sie in Wirklichkeit haben. Nun kommen die Inseln: Isola Madre und die berühmte Isola Bella. Auch selbst diese letztre wirkt nicht stark. Man sieht ein ramponiertes Schloß, einen Kranz ziemlich schmutziger Uferhäuser und hinter diesen Häusern, dieselben bergartig überragend, die vielgenannten, vom Grafen Borromeo vor etwa 200 Jahren angelegten Terrassen. Ein Stück Sanssouci, nur mit dem Unterschied, daß der Isola-Bella-Hügel nicht nach einer Seite, sondern nach allen vier Seiten hin terrassiert wurde. Also nicht einfach so- [Skizze], sondern im Längs- und Querschnitt so [Skizze] Ich kann aber nicht sagen, daß die Sache dadurch an Schönheit gewonnen hätte. Im Gegenteil, sie erhält etwas durchaus Spielriges, das durch die zahlreich angebrachten Architekturen und Skulpturen: Obelisken, Säulen und Statuen (darunter – über dem Eingangstor – ein Engel zu Pferde), nur noch gesteigert wird. Ich glaube nicht, daß ein genaueres Inaugenscheinnehmen mein Urteil erheblich modifiziert haben würde. Denn man übersieht von Deck aus alles ganz deutlich.
Mit Isola Bella hört die Schönheit und das Interesse auf; man fährt nur weiter, um, an der Südwestseite des Sees, Arcona zu erreichen, von wo die Eisenbahn die Reisenden nach Mailand führt. 2½ Stunde. Eine der ersten Stationen ist Somma, in der Nähe des Ticino, wo Hannibal, nach Passierung der Alpen, seinen ersten Sieg über die Römer erfocht; dann folgt Legnano, wo die Mailänder den Barbarossa schlugen. Überhaupt begegnet man hier – ähnlich wie auf der Strecke von Weimar bis Leipzig – alle 5 Minuten einem berühmten Schlachtfeld.
Um 7 Uhr waren wir in Mailand.
Nach einer unerläßlichen Säuberung und Einnahme eines Soupers: Hammelkotelettes, in denen ein mir vorschwebendes Ideal endlich zur Wirklichkeit wurde, ging ich in die Stadt und sah noch den Dom, den Scala-Platz mit seinem gleichnamigen Theater, die große Marmorstatue Leonardo da Vincis und die neuerdings so berühmt gewordene »Galeria Vittore Emanuele«, das Vorbild zu unsrer »Passage«, die daneben allerdings zu einem bloßen Gäßchen zusammenschrumpft. Überhaupt, welche Stadt! O Berlin, wie weit ab bist du von einer wirklichen Hauptstadt des Deutschen Reiches! Du bist durch politische Verhältnisse über Nacht dazu geworden, aber nicht durch dich selbst. Wirst es, nach dieser Seite hin, auch noch lange nicht werden. Vielleicht fehlen die Mittel, gewiß die Gesinnung. »Denn aus Gemeinem ist der Mensch gemacht«, sagt Schiller; er soll dabei speziell an den Berliner Spießbürger, der inzwischen zum »Bourgeois« sich abwärts entwickelt hat, gedacht haben. Überhaupt will es mir nicht glücken, es im Auslande zu irgendeiner patriotischen Erhebung zu bringen. Nicht nur, daß man Schritt um Schritt empfindet, wie sehr uns diese alten und reichen Kulturlande voraus sind, nein, man taxiert uns auch in diesem Sinne. Man will von uns nichts wissen. Weder das »ewige Gesiege« noch die 5 Milliarden haben unsre Situation gebessert. Es hieß zwar unmittelbar nach dem Kriege: »wir seien nun ein für allemal etabliert, der so lange vermißte Respekt sei da«. Aber ich merke nichts davon. Alles dreht sich nach wie vor um England und Frankreich; man versteht kein Deutsch oder will es nicht verstehn; englische und französische Zeitungen überall; englische und französische Bücher im Schaufenster jedes Buchladens, aber kein einziges deutsches Buch. Nicht einmal die »Wanderungen«. Im Grunde genommen ist es recht so, denn das, was wirkliche Superiorität schafft, fehlt uns, trotz Schulen und Kasernen, nach wie vor. Freilich haben Athen und Sparta ernst politisch rivalisiert; aber Sparta ist längst nur noch Name und Begriff, während die beglücktere Rivalin eine Wirklichkeit ist bis diesen Tag.
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An Frau Emilie,
Mailand, 11. August 1875
Heute früh auf die Post. Nichts da. Der Tag begann also mit einer Enttäuschung. Sein Verlauf war aber besser, als hiernach zu erwarten stand. Ich flanierte – die Hitze war schon sehr groß – ein weniges um den Domplatz herum und nahm dann einen Fiacre auf Zeit.
Zuerst nach Sta. Maria della Grazie, in deren Refektorium sich das berühmte Abendmahlsbild Leonardo da Vincis befindet. Der Moment meines Eintretens erinnerte mich an unsren ersten Besuch in der Sixtinischen Kapelle. Allerhand Ähnlichkeiten bieten sich in der Tat. Aus den Bleistift-Aufzeichnungen, die ich an Ort und Stelle machte, stehe hier folgendes. »Die Komposition ist wundervoll, ebenso der Reichtum und die Lebendigkeit der Charakteristik. Nichts kehrt wieder. Auf jeden einzelnen haben die Worte des Heilands eigenartig, seiner besondren Natur entsprechend, gewirkt. Dennoch kann ich beim besten Willen nicht sagen, daß mir alles gefiele oder auch nur genügte. Die Charakteristik, wie ich sagte, ist reich und lebendig, aber sie ist keineswegs immer klar. Daher kommt es auch, daß die gedruckten Erklärungen, die einem von dem Kustoden überreicht werden, so viel dummes oder insipides Zeug enthalten. Durch die Übersetzung ins Englische sind diese Erklärungen noch schwächer und unausreichender geworden. So heißt es zum Beispiel beim Thomas: ›he assures to revenge himself‹, es muß unzweifelhaft heißen ›to revenge him‹, denn er will nicht sich rächen, sondern ihn, seinen Herrn und Meister. Von links nach rechts gehend, ließe sich sagen: Bartholomäus ist gut, Jacobus unklar, Andreas sehr gut, Petrus weniger, Judas vorzüglich (die glänzendste Figur des Bildes); Johannes schön, ein bißchen sehr weiblich, es könnte auch Magdalena sein, Jacobus der Ältre etwas outriert. Thomas, der Kopf gut, aber der erhobene Schwurfinger nicht so wirkend, wie er sollte. Der Ausdruck ist hinter dem höchst charakteristisch Gewollten zurückgeblieben. Philippus langweilig, fast sentimental. Matthäus, Taddäus, Simon sehr gut, brillante Köpfe, aber ohne scharf ausgeprägten Bezug auf die Situation. Christus herrlich in dem himmlischen Friedens- und Ergebungs-Ausdruck, den Leonardo in den Kopf zu legen wußte, ein Ausdruck, der mir nur noch durch das, was in der Bewegung der beiden Hände sich ausspricht, übertroffen zu sein scheint. Dies ist so bedeutend und tritt so hervor, daß es schon zu mir sprach, als alles andre noch nicht gesprochen hatte, trotzdem die rechte Hand – deren Daumen auf dem Tisch ruht, während die Finger graziös in der Luft spielen – sehr gelitten hat und äußerlich genommen wenig hervortritt. Die Handbewegung spricht resigniert: ›ja, es ist nun mal so; ich weiß es; ich muß es tragen und ich werd es.‹«
Über die Kirche Santa Maria della Grazie selbst, die auch ihrerseits in ihrer Mischung von Gotik und Renaissance sowie namentlich durch die feine und zugleich kühne Behandlung des Backsteins von Interesse ist, schweig ich.
Ich ließ nun meinen Kutscher eine zweite Stunde, die ohnehin schon angebrochen war, in Stadt und nächster Umgebung umherfahren, sah die Promenade, den großen Exerzierplatz, die Bersaglieri-Kaserne (daran angrenzend die Überreste eines alten Visconti-Schlosses), den Arco della Pace, das Garibaldi- und das Neue Tor, die »öffentlichen Gärten« mit ihrem zoologischen Anhängsel und landete endlich bei der Brera, einem berühmten Gebäude, in dem sich Gemälde- und Skulpturen-Sammlung, Archiv und Bibliothek vereinigt finden. Nur in die Gemälde-Sammlung ging ich. Sie ist, Gott sei Dank, nicht groß und umfaßt etwa 800 Bilder in dreizehn Zimmern. Das siebente Zimmer, an und für sich klein und unscheinbar, ist das Hauptzimmer. Hier befindet sich das Bild Raffaels, das, die Vermählung Marias und Josephs darstellend, unter dem Namen »Sposaligio« so berühmt geworden ist. Es ist entzückend, dabei merkwürdig gut erhalten. Auch in dieser ganz äußerlichen Beziehung ist viel Kunst verlorengegangen. In demselben siebenten Zimmer hängt auch die Farbenskizze Leonardos zu seinem Christuskopfe auf dem Abendmahlsbilde in Sta Maria della Grazie. Noch einmal zitiere ich hier meine an Ort und Stelle gemachten Aufzeichnungen. »Diese Skizze weicht von dem, was das große Bild bietet, sehr ab, so sehr, daß es mir fraglich erscheint, ob es überhaupt die Skizze dazu ist. Nicht nur der Ausdruck des Kopfes ist anders, sondern auch die Haltung desselben. Auf dem Freskobilde gibt sich der Kopf ziemlich senkrecht, hier auf der Skizze neigt er sich, vom Beschauer aus, nach rechts. Mir ist der Kopf des großen Bildes lieber; die Skizze wirkt ein wenig trübselig und weinerlich, während die verklärte Resignation jenes erstren nicht nur viel schöner und größer ist, sondern auch zu dem wichtigen und ausdrucksvollen Händespiel mehr paßt. Was die Skizze gibt, würde gar nicht dazu passen.«
Im Zimmer daneben, 8. Saal, befindet sich eine wundervolle »Pietà« von Mantegna. Ein höchst merkwürdiges Bild. Christi Leichnam liegt auf einem Stein oder Tisch, dem aber irgendeine Rückenlehne gegeben ist. Maria, völlig Matrone, und eine andre Alte stehen weinend daneben. Alles in Temperafarben auf Leinwand. Der Kopf Christi, den man sozusagen vom Kinn aus sieht, so daß die Stirn fast verschwindet, ist erschütternd in seinem großartigen Ernst. Dazu welche technische Meisterschaft! Alles ist in der Verkürzung gemalt, so daß die Figur völlig verzwergt wirkt. Die Kunst ist aber so groß, daß das Häßliche, was an diesem Zwergentum haftet, ganz wegfällt. (Über einige andre Bilder der Brera siehe mein Notizbuch.)
Von der Brera schlenderte ich wieder nach dem Domplatz und der »Passage«. Ich nahm eine Tasse Kaffee und musterte die Details dieser mächtigen weitgespannten Halle. Auch die Fresken, die sie am Rande ihrer Kuppel (in Lünetten) hat, sind zum Teil geistvoll komponiert und gut ausgeführt. Ich gebe nichts drauf, wenn einige Klugschmuse vielleicht die Achseln drüber zucken. Es sind das meist solche, die sich nicht einmal die Mühe geben, die Dinge ernsthaft anzusehn und sich die Frage vorzulegen: »was wollte denn der Künstler eigentlich?« Alle Kunst ist schwer, und wer sie beurteilen will, muß durchaus die Teilnahme und den Respekt mitbringen, die aller ehrlichen Arbeit gebühren. Es sind die 4 Erdteile, die in ebenso vielen Frauengestalten dargestellt wurden. Eigentlich eine wenig lohnende Aufgabe. Die Welt liebt solche symbolisch-allegorischen Bilder nicht. Aber wie hübsch z.B. ist Afrika aufgefaßt! Pyramiden bilden nach links hin eine Art Hintergrund. In Front derselben thront eine ägyptische Königin, irgendeine Kleopatra, und empfängt den goldenen Tribut des Landes, den ihr ein schwarzer Nubier in goldenen Ährenbündeln darbringt. Die Farben wirken vorzüglich. Die drei andern sind weniger gelungen. Europa sitzt als Repräsentantin [der] Monarchieen da; sie trägt Krone & Szepter; neben ihr aber liegen, wie Geschmeide, sechs, sieben andre Kronen, was entweder einfach heißt: »ich habe viel davon« oder »ich fange an, mich dieses Geschmeides zu entledigen«. – Amerika, etwas schwach, ist durch einen neben ihr sitzenden mexik. Häuptling, Asia, eine märchenhaft träumerische Gestalt, durch einen huldigenden Chinesen repräsentiert. In den Einzelheiten aber ist manches fein. Siehe Weiteres in meinem Notizbuch.
Es war mittlerweile zwischen 3 und 4 geworden; ich ging in mein Hôtel zurück, um einen Augenblick zu ruhn und mich zum Diner umzukleiden. Das Hôtel ist sehr gut; anfangs etwas steif und wichtigtuerisch, nachträglich aber aufgetaut. Von der Finesse, die geübt wird, mag das eine Vorstellung geben, daß der Ort, der sonst einfach eine Null oder die Aufschrift »Hier« zu tragen pflegt, im Hôtel de la Ville auf blankgeputzter Messingtafel die Inschrift führt: »Jardin«. Oh, du Rosenflor von Charlottenhof!
Das Diner verlief gut, aber stumm, was das Beste ist. Die langweilige, für jedermann nur unerquickliche Sprecherei kommt ganz ab. Ein wirklicher Fortschritt.
Nach dem Essen fuhr ich in die Giardini publici hinaus, wo Militärmusik vom Regiment Prinz Amadäus war. Aber unser Franz-Regiment macht sie besser.
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An Frau Emilie,
Lecco, 14. August 1875
Um 6 Uhr früh von Bellagio aus mit dem Dampfboot nach Lecco. Schon um 4 Uhr hatt ich mich herausgemacht. Der See war in dieser Frühe und Frische sehr schön. Der erste helle Schein fiel gerade auf die Bergspitzen [Dazu am Ende der Seite ergänzt: Die schönste dieser Spitzen, pic-artig, ist die des Monte Croce, dem Hôtel Grande Bretagne grade gegenüber.], als ich das Boot bestieg. Während wir die »Punta di Bellagio« umfuhren, sah ich, von dem Punkte aus, der einen Blick in alle drei Arme des Sees gestattet, die ganze Schönheit desselben. Der Lecco-Arm, der sich zu dem Arm zwischen Como und Bellagio etwa so verhält wie das Urner Loch zu dem Vierwaldstätter-See, ist, nach meinem Geschmack, den übrigen u. berühmteren See-Partien durchaus ebenbürtig. Er ist unbeleckter von der Kultur, weniger reich an einfassenden Parks und Villen, was ihm aber durchaus kleidet. Er wirkt durch sein ursprünglicheres Gepräge auch charakteristischer.
Um 7½ waren wir in Lecco, einem betriebsamen kleinen Ort. Ich brachte mein Gepäck auf den Bahnhof und begab mich dann in die Stadt zurück, in den Lion d'or. Ich bereu es nicht, hier 4 Stunden bis zum Abgang des nächsten Zuges nach Desenzano warten zu müssen. Ein Zimmer hab ich natürlich nicht genommen, sondern sitze in dem in seiner Art entzückenden Albergo-Hofe, der, von allen Seiten eingefaßt, bemalt u. umrankt, im Erdgeschoß aus Küche, Ställen, Remisen und Torwegen, in Höhe des ersten Stocks aber aus Galerien besteht. Über diesen Galerien ist ein Leinwanddach ausgespannt, das die eine Hälfte des Hofes in Schatten hält, während auf der andern (ungeschützten) Hälfte die Sonne liegt. Unter dem Leinwanddach sitz ich nun mit andern Gästen und schreibe diese Zeilen. Topfgewächse und Kübel-Bäume: Kamelien, Oleander, Zypressen, bilden einen Honoratiorenplatz, einen salle à manger, in dem Kellner in langschößigen schwarzen Alpaca-Fracks an gedeckten u. ungedeckten Tischen geschäftig sind. Die Küchenfenster, nur sechs Schritt von mir, stehen offen und gestatten mir einen Blick auf die rußigen Wände und die weißbemützten Köche. Wieder empfind ich die außerordentliche Verwandtschaft zwischen dem italischen und dem böhmischen Leben. In Münchengrätz, Sobotka und Gitschin hab ich 1866 ganz Ähnliches gesehn. Zu gleicher Zeit drängt sich's mir auf, daß die Italianissimi unter unsern deutschen Künstlern und Musikern von ihrem Standpunkte aus gewiß recht haben, wenn sie einen immer wieder beschwören: die großen Hotels zu meiden und die nationalen Albergos aufzusuchen. Man wird billig, freundlich und sehr gut bedient, lernt Volk und Landessitte kennen und kommt aus dem zuletzt langweilig werdenden, weil scharf vorgeschriebenen Touristen-Geleise heraus. Alles sehr wahr. Dieser Lion d'or ist im Grunde viel interessanter als das Hôtel Grande Bretagne, von dem ich komme; nichtsdestoweniger geht es nicht. Die fabelhaften Gerüche, die aus allen Poren eines solchen nationalen Gasthauses quellen, die »Örtlichkeiten« resp. die »Jardins« (wie es in Mailand hieß), das beständige Gebundensein, gleichsam mitzukochen und mitzubraten – schaffen Zustände, die man in einem gewissen Alter und bei gewissen Verwöhnungen auf die Dauer nicht ertragen kann. Dazu kommt, daß diese Albergos keineswegs immer diesem Lion d'or entsprechen; es finden sich auch wahre Räuberhöhlen, und einmal dem ganzen Schrecknis von Knoblauch-Kotelettes und entsprechendem »Caffè« verfallen, ist man auf 4 Wochen ruiniert. Nur unverwöhnte Mägen und Nasen dürfen sich nationalen Studien hingeben.
Der Lion d'or gibt mir auch Gelegenheit, gleich noch eine Bemerkung einzuschalten, die sich mir, seitdem ich in Bellinzona eintraf, beinah allstündlich aufgedrängt hat. Das norditalische Volk ist doch sehr anders als das römische und neapolitanische. Bis jetzt bin ich nur einem gesitteten, wohlanständigen und durchaus unbettelhaften Wesen begegnet. Wirklich ein Kulturvolk. Artig, lebhaft, intelligent; geschäftlich exakt, weder Betrug noch Unverschämtheit, am wenigsten die berühmte Mischung von beiden. In Rom stört mich ein Dünkel, für den ich kein rechtes Fundament finden konnte; die niedren Neapolitaner aber sind einfach Gesindel.
Abfahrt von Lecco um 11½ Uhr. Zunächst bis Bergamo, von wo man auf die große Linie Mailand – Verona, Venedig übergeht.
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An Frau Emilie,
Riva, 15. August 1875
Das war gestern ein reicher Tag. Die Stunden teilten sich wie folgt:
Um 4 Uhr auf.
Um 6 Abfahrt von Bellagio bis Lecco. Ankunft 7½
Von 7½ bis 1l½ im Lion d'or zu Lecco.
Um 11½ Abfahrt nach Bergamo. Ankunft l Uhr.
Von l bis 2¼ in Bergamo.
Um 2¼ von Bergamo über Brescia bis Desenzano, Ankunft 4 Uhr.
Um 4¼ von Desenzano nach Riva über den Garda-See. Ankunft 8½.
Für Bergamo hatt ich nur eine Stunde, wovon ¾ Stunden auf die Fahrt, ¼ Stunde auf das Sehen kam. Dennoch bezwang ich es, da alle Sehenswürdigkeiten der Stadt, wenn man erst den Marktplatz;, die jetzige Piazza Garibaldi, erreicht hat, hart nebeneinander liegen. So glückte es mir, mich ausreichend zu orientieren und die Hauptsachen im Bilde mit heimzunehmen. Bergamo zerfällt in eine alte und neue oder in eine obere und untere Stadt. Jene heißt die »Città«, diese Borgo S. Leonardo. Zwischen beiden, wie ein Zirkel das Mauerwerk der alten Stadt einfassend, eine Gartenstraße, aber nur von einem gewissen Vorstadtscharakter. Den Mittelpunkt der »Città« vom Bahnhof zu erreichen währt, selbst im leichten Wagen, eine halbe Stunde. Der ansteigende Weg ist aber sehr schön, ebenso durch seine prächtige Kastanien-Allee wie durch den Blick, den er in die reiche, zum Teil parkartige lombardische Landschaft gönnt. Die Altstadt selbst macht den entgegengesetzten Eindruck; alles sieht nach Armut aus. Vor einem Café-Haus, das mir der Kutscher als ein gutes bezeichnete (seiner Lage nach auch sein mußte) ließ ich halten, um einen »Wermuth mit Wasser« zu nehmen. Aber das Lokal sah kümmerlicher aus wie eine Bierstube in Zehdenick oder Gransee.
Nun waren wir endlich am Marktplatz (Piazza Garibaldi). Der Kirchenplatz, auf dem der Dom und S. Maria Maggiore liegen, schließt sich, nur durch den Palazzo vecchio oder Broletto getrennt, unmittelbar an den Marktplatz an, so daß das Ganze folgendes Bild gibt: [folgt Skizze]
a. Palazzo nuovo, Fassade unfertig. Sitz der Munizipalität.
b. Palazzo vecchio oder Broletto, trennt die beiden Plätze
c. Der Dom
d. u. e. Santa Maria Maggiore mit der Kapelle Colleoni.
Vom Palazzo nuovo ist nichts zu sagen. Der »Broletto« ist eins jener vielen mittelalterlichen Gebäude und Paläste, die beim Besuch italienischer Städte immer wieder zur Bewunderung jener großen und erfindungsreichen Architektur-Epoche anregen. Der Broletto, trotz Verschiedenheit von Farbe und Material (er ist aus Haustein), erinnert ein weniges an den Palazzo della Ragione in Mailand, dann wieder an die Loggia dei Lanzi in Florenz, wenn diese noch ein Obergeschoß trüge. Unten gotische Halle, darüber irgendein Versammlungssaal, das ist das Prinzip. Aber bei aller Verwandtschaft immer neugestaltet treten einem diese Dinge entgegen. An diesem »Broletto« soll ein Standbild Torquato Tassos stehn; ist mir leider entgangen.
Durch die offne Halle des »Broletto« tritt man auf den Kirchenplatz. Die Kirchen, einschließlich der Capella Colleoni, stehen hier so: [folgt Skizze]
a. Der Dom (seine Form konnt ich nicht sehn)
b. S. Maria Maggiore
c. Capella Colleoni (diese schiebt sich aber, ohne Zwischenraum, in den Winkel von S. Maria hinein).
Dom und S. Maria Maggiore, wiewohl es von jenem heißt »modernes Gebäude« und von dieser »romanische Kirche aus dem Jahre 1173«, wirken ganz gleich; ja S. Maria womöglich noch moderner. Natürlich. Das Neue wird in alten Formen gebaut, und das Alte wird in seinem Kleid beständig modernisiert. Im Dom ist eine reiche Kapelle, die »Christus-Kapelle«, mit vielen Fresken in der Doppelkuppel. Interessanter ist S. Maria Maggiorc. An überaus reicher, namentlich auch farbenreicher Ausschmückung übertrifft S. Maria Maggiore »Izprima chiesa della città« (wie der Küster sagte) den Dom bei weitem. Die eingelegten Holzarbeiten (Intarsien) von Fra Damiano sind entzückend. Die 4, die ich sah, stellen dar: Arche, Pharao und das Rote Meer, Judith u. Holofernes, David u. Goliath. Ob die Kompositionen wertvoll sind, stehe dahin; ich hatte keine Zeit zu genaurer Musterung. Nur von einem gewissen, kunsthandwerklichen, nur die Gefälligkeit der Dinge ins Auge fassenden Standpunkt aus ist jedes einzelne Blatt anmutend. Man möcht es besitzen, an den schönen Farben, braun und gelb, sich erfreuen. Die Kirche ist an großen Bildern reich; mein Auge flog nur drüber hin, der Wert einzelner war aber unverkennbar. In einer Ecke von Haupt- und Querschiff ist dem in Bergamo geborenen Donizetti († 1848) ein Marmor-Denkmal errichtet. In seiner Art sehr bemerkenswert. Die Muse des Gesanges und der Musik, gleichviel welche, trauert; ihr zu Füßen, in Flachrelief, der Porträtkopf Donizettis; am Sockel ein breiter Fries, der die Hauptsache ist. Es sind 6 oder 8 Genien, von denen namentlich 4 mich fesselten. Zwei dieser Genien weinen bitterlich, wie betrübte Kinder, denen ihr Vogel weggeflogen ist, zwei andre machen sich mit ihrer Leier, wie mit einem Spielzeug, auf das sie ärgerlich sind, zu schaffen. Der eine hat die Leier erhoben, um sie zornig zu Boden zu werfen, der zweite stößt die seine bereits mit dem Fuß. »Was sollen wir noch damit? es verlohnt sich nicht mehr; er ist tot.« All dies hat etwas durchaus Komisches, zum Lachen Reizendes und paßt insofern nicht auf ein Denkmal, das einen Gestorbenen feiern soll. Aber wozu wären die Ausnahmen? Der Donizetti-Fall scheint mir ein solcher. Der Maestro wird selbst als ein heitres, gelegentlich betrübtes oder schmollendes Kind geschildert, voll Liebenswürdigkeit, aber ohne alle Größe, so daß mit Rücksicht auf seine spezielle Natur und Begabung diese Art der Huldigung schon gewählt werden durfte.
Sehr interessant ist die Capella Colleoni. [Danach gestrichen: Pietsch hat ausführlich drüber berichtet. Ich kann später seinen Artikel hier einkleben.] Es scheint, daß man sowohl die Kapelle wie ihren Inhalt schön findet. Ich kann es nicht. Der Bau ist bunt und langweilig, nach meinem Geschmack beinah unschön; ich habe für diese Renaissance-Formen gar kein Organ. {Danach gestrichen: Überhaupt für die Renaissance nur in ihren besten Nummern ein liking.] Das Grabmal Colleonis selbst teilt in meinen Augen das Schicksal der Kapelle. Der vergoldete Reiter ist an der Grenze des Ridikülen; jedenfalls verhält er sich zu dem Colleoni in Venedig bloß wie ein Pfefferkuchenmann. Viel ansprechender ist an der Linkswand daneben das Grabmonument seiner Tochter. Es scheint eine feine Arbeit, in einer gewissen magren Askese wie etwas sehr Durchgeistigtes wirkend. In dem kleinen Chor der Kapelle, wo auch der Altar ist, befindet sich ein Bild von Angelika Kauffmann. Eine Maria (ich glaube auch Joseph neben ihr) glücklich lächelnd über das Spiel des Jesus- und der Johannes-Kinder. Natürlich nichts Größtes, Produkt des 18. Jahrhunderts, aber mit Rücksicht auf die Zeit sehr hübsch.
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An Frau Emilie,
o. O., 18. August 1875; Fragment
Ich habe Dir nun noch einen Vorschlag zu machen, worauf Du nicht mit nein antworten darfst. Ich reise morgen abend nach Pisa und übermorgen abend (20.) nach Bologna. Am 21. und 22. bin ich in Bologna, am 23. in Padua, am 24. in Verona, am 25. in Innsbruck, am 26. in Reichenhall. Dort (oder in Berchtesgaden) will ich noch eine Woche bleiben und bitt ich Dich, mit Meten auf eine Woche oder länger, je nachdem das Geld reicht, hinzukommen. Ich habe etwa 100 Taler gespart, die, selbst wenn Mete den vollen Preis bezahlen muß, noch nicht voll draufgehen. Vielleicht könnt Ihr ein Billet I. Klasse nehmen und II. Klasse fahren. Oder Ihr fahrt (wie Grimms) III. Klasse. Durch diese Winke will ich es Dir nur erleichtern. Es reicht auch, wenn Ihr 2 Billets zweiter nehmt. Glaubst Du aber, daß Mete, teils der Schule, teils der Kosten halber, besser zu Hause bleibt, so komm allein und sprich in diesem Fall gar nicht über die Chancen, die sie gehabt hat. Ich würde mich aber freuen, Euch beide zu sehen. Es ist mir wie ein Zuspruch, Dich an der Schönheit dieser Reise auch mit teilnehmen zu sehen. Betracht es als vorweggenommene silberne Hochzeitsreise. Ich könnte auch Dresden und Schandau vorschlagen; ist Dir dies lieber, so schreib es mir nach Padua. Halte aber lieber Reichenhall fest; nicht nur, daß es soviel schöner ist, es ist auch aufenthaltlich, namentlich wenn wir Grimms treffen, so viel billiger, daß die Reise-Mehrkosten wieder ausgeglichen werden.
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Aus den Tagebüchern
Dienstag d. 3. August 1875
Um 8 Uhr abends Abreise aus Berlin, und zwar in einem »Closet-Coupe«. Fabelhaft; urdeutsch; barbarisch. Gesellschaft mäßig: eine Bourgeois-Familie (Krüger, Schwager von Prediger Roland) und ein reicher, von Rheumatismus gelähmter Rentier aus Lichterfelde. Durchschnittsgeplauder.
Mittwoch d. 4. August
Ankunft in Frankfurt 7½ Uhr früh. Gleich weiter über Darmstadt, Heidelberg, Karlsruhe, Rastatt, Oos (Baden-Baden) nach Freiburg. Ankunft 2½. Von Pinchen und Frau Greve empfangen. Nach Gartenstraße 4. Vier Stunden geplaudert. Wegen schlechten Wetters den Dom nicht besucht. Man sieht aber Turm und Fassade, mit Hilfe einer breiten Avenue, die von der Eisenbahnstraße aus bis zum Dom führt, sehr gut. In der Eisenbahnstraße sind Hotels; eins (zum Zähringer Löwen) groß und elegant. – Erst um 10½, infolge einer Zugverspätung, Ankunft in Basel. Abgestiegen im »Storch«. Mäßig. Alles im Zustande eines gewissen Urmuffs. Übrigens gut geschlafen.
Donnerstag d. 5.
Brief an Emilie geschrieben, dann dem ewigen Regen vom Fenster aus zugesehn. Kein großes Vergnügen; dem norddeutschen Landregen sehr ähnlich. Um 4½ Uhr Abfahrt nach Neuhausen. Also. Abfahrt um 4½ nach Neuhausen. Reizende Fahrt am Rhein hin. Erst Rheinfelden (ich glaube der Ort, wo Kaiser Albrecht ermordet wurde), dann Säckingen, dann Laufenburg, eine Art Vor- oder Nachspiel des Schaffhausener Rheinfalls. Etwa um 7 Uhr Ankunft im Schweizer-Hof bei Neuhausen; schönes, großes, fast ausschließlich von Engländern besuchtes Hôtel in Front des Rheinfalls. Dieser ist außerordentlich schön, meine Erwartungen weit übertreffend. Abends Spaziergang nach Neuhausen hinein, um noch die Brücke, unmittelbar im Rücken des Falls, zu erreichen; auf Rat einiger Neuhausener aber, die mir einen accident prophezeiten, umgekehrt. Soupiert. Die engl. Gesellschaft sehr angenehm, aber etwas fatigiert; die deutschen Elemente höchst traurig.
Freitag d. 6.
Ziemlich früh auf. Der Rhein fällt immer noch. Frühstück. An Emilie geschrieben. Um 11 Abfahrt nach Konstanz; die Fahrt am Unter-See und der Mainau (?) hin, sehr anmutig.
Die Lage von Konstanz, an dem breiten, prächtigen See, brillant. In die Stadt hinein. Das Rathaus mit Fresken. Denkmal für die 1870 in den Krieg gezogenen Konstanzer, etwa 100, davon 6 gefallen. Am interessantesten das alte »Kaufhaus« hart am See, drin die Kardinäle den Hus verurteilten. Der betr. alte Saal jetzt mit Fresken von Friedrich Pecht geschmückt. – Um 11½ Abfahrt von Konstanz; über Romanshorn und Rorschach nach Ragaz. In Romanshorn Dr. Hoepner und Familie getroffen. Gegen 6 in Ragaz. In Hof-Ragaz Wohnung genommen, und zwar im »Chalet de l'Imperatrice« (weil Kaiserin Eugenie eben drin gewohnt hatte). Die Tamina brauste an meinem Fenster vorbei. Geh. Rat v. Wangenheim begrüßte mich. Eine Stunde später zum Souper. Frau v. W. und Frl. Elsy von alter Liebenswürdigkeit. Noch zugegen von alten und neuen Bekannten: Professor Steinle und Tochter aus Frankfurt a. M., Oberst v. Hahnke und Frau, Herr v. Reichlin (früher badischer Abgeordneter oder Reichstagsmitglied) und Frau, Justizrat Adolf Staegemann und Frau, Johannes Scherr und Frau, Herr v. Treskow-Friedrichsfelde und Frau, geb. Gräfin Haeseler. Mit diesen allen hatt ich Konversation zu machen. Außerdem zugegen: Dr. v. Steinrück mit Familie und viele andre Berliner. Von sonstigen Berühmtheiten: Kardinal Hohenlohe. – Nach dem Souper in mein Chalet; bald zu Bett. Nicht recht wohl; mäßig geschlafen.
Sonnabend den 7. August
Erst um 9 zum Frühstück mit Wangenheims. Um 10 mit Geh. R. v. W. Fahrt nach Pfäffers, Besuch des Bades und der Tamina-Schlucht. Sehr großartig; unvergeßlich. Um 12 wieder in Ragaz. Herr v. W. zu Tisch; ich in mein Zimmer. An Emilie geschrieben (dritter Brief). Spaziergang in die Berge. Auf dem »Buel« Kaffe getrunken: Wangenheims, Steinles, Reichlins. Um 6 wieder in Ragaz. Gepackt. Um 7½ zum Souper. Um 8½ Abfahrt nach Chur; um 9½ Ankunft in Chur. Abgestiegen im Steinbock.
Sonntag d. 8.
Um 4¾ Uhr Abfahrt aus Chur. Thusis. Via mala (wundervoll), bis Dorf Splügen. Mittagbrot. Fahrt über den Bernardin. Oben Wasserscheide zwischen Rhein und Moesa. Städtchen San Bernardino. Reizende Fahrt bergabwärts von San Bernardino (Badeort) bis Mesocco oder so ähnlich. Italien beginnt. Noch durch eine Reihe von Ortschaften. Zuletzt Bellinzona an der Ausmündung des Gebirgstales und in Nähe des Lago Maggiore Quartier genommen im »Engel«, billig und gut.
Montag d. 9.
Um 9 Uhr Abfahrt von Bellinzona (per Eisenbahn) nach Locarno. Hier aufs Dampfschiff. Fahrt über den Lago Maggiore bis Arona. Von hier per Bahn nach Mailand. Ankunft 7 Uhr. Vorher an Somma (die Hannibal-Schlacht am Tessino) und an Lengano vorüber. Quartier genommen im Hôtel de la Ville; gut und teuer. Flaniert. Domplatz, »Passage«, Piazza della Scala.
Dienstag d. 10.
Auf der Post. Kein Brief. Flaniert. Domplatz, »Passage« (Galeria Vittore Emanuele), Piazza della Scala, Piazza dei Marcanti. 2 Stunden gefahren. Erst nach St. Maria della Grazie; Leonardos Abendmahlsbild im Refektorium. Auch die Kirche interessant. Promenadenfahrt, Exerzierplatz, Bersaglieri-Kaserne (altes Visconti-Schloß), Arco della Pace, Giardini publici, Statue Cavours beim Hôtel Cavour. Die Geschichte schreibt seinen Namen in Stein. Brera. Gemäldesammlung. Sposalizio, Farbenskizze zum Christuskopf auf dem Abendmahlsbild, Schweißtuch der heiligen Veronica von Guercino, ein kostbarer Velasquez, ein Gentile Bellini (San Marcus predigt in Alexandrien), alles sehr schön. Auf den Domplatz zurück. Flaniert. Kaffehäuser abgesucht. Ins Hôtel. Zum Diner. In die »Giardini publici«. Militär-Musik vom Regiment Prinz Amadeus. Nach Haus.
Mittwoch d. 11.
Auf die Post. Brief von Emilie. Leider sehr verstimmt; ich als unschuldiger Schuldiger oder auch umgekehrt. Flaniert. Piazza dei Mercanti genauer angesehn. Sehr interessant. Das Ganze ist so: [Folgt Fontanes Planskizze der Innenstadt]. Diese Zeichnung ist nur sehr ohngefähr zutreffend; der Zusammenhang des Domplatzes mit der Piazza dei Mercanti ist nicht so unmittelbar. Es verschiebt sich mehr. Auch sind die Einfassungslinien des Domplatzes anders. Manches steht schräg. Trotzdem reicht es aus.
Der Palazzo della Ragione, von Podestà Tresseno von 1228-33 erbaut, ist sehr interessant. Jetzt unten Kornbörse, oben Archiv. Relief und Inschrift. Überall in Oberitalien begegnet man Anklängen an den Orient, an das Sarazenische, das via Venedig ins Land kam. So der alte Corte Reale in Mantua. Hier dieser Palazzo della Ragione. Alles ziemlich heller Backstein. Unverkennbare Anklänge an den Dogenpalast. Alle diese Bauten sind außerordentlich schön, groß und phantastisch zugleich, voll poetischen Zaubers. Die Renaissance-Bauten aus der Mitte des 17. Jahrhunderts, die danebenstehn, sind einfach langweilig; zugleich auch unschön überladen. Das architektonisch Beste, was ich von Palastbauten glaube gesehn zu haben, sind die alten florentinischen Paläste (vor allem Strozzi) und diese sarazenisch oder doch dogenpalastlich-anklingenden Bauten. Die Renaissance ist nicht immer schön. Auch von ihr wird sich die Welt wieder erholen. Alles Modesache.
Ins Hôtel. Langen Brief geschrieben. Zum Diner. In den Straßen flaniert; in der Passage Eis gegessen; nach Haus. Geschrieben.
Donnerstag d. 12.
Auf die Post. Zweiter Brief von Emilie. Derselbe trostlose Ton; schmeckt alles wie Tinte. Frühstück in der Passage. In den Dom. Mächtig und von bedeutender Wirkung, aber allerdings ein wenig überladen; die durchbrochene Arbeit (oder doch so gemalt) in den Gewölbekappen ist zu viel, macht unruhig, ebenso die Marmorstatuen, die entweder die Oberfläche des Kapitells bilden oder es krönen. Das Interessanteste ist die Kryptkapelle und die Begräbnisstätte des heiligen Carl von Borromäus. –
Aus dem Dom nach Haus. Einige Zeilen geschrieben. Gepackt. Rechnung nicht übertrieben hoch. Um 12½ aus dem Hôtel. Um l Abfahrt nach Como. Ankunft gegen 3. Aufs Dampfschiff. Gegen 3½ Abfahrt von Como, gegen 5½ Ankunft in Bellagio. Der See wirkt anfänglich sehr ähnlich wie der Lago Maggiore. Von Capo Lavedo an (oder, da die Leute hier diesen Namen, den Baedeker gibt, nicht kennen, von Villa Balbianello an) wird es aber schön und ist diese ganze Stelle bis über Bellagio hinaus wohl dem Lago Maggiore vorzuziehn. – Auf der Landungsbrücke den jungen Lessing getroffen. Mit ihm ins Hôtel Grand Bretagne. Zimmer nebeneinander genommen. Um 6½ zum Diner. Oberst v. Hahnke und Herr v. Kotze auch zugegen; aber gegenseitig keine Notiz voneinander genommen. Flaniert. Geplaudert.
Freitag d. 13. August
Durch ein starkes Gewitter ziemlich früh geweckt. Gemeinschaftliches Frühstück. Dann ein Boot genommen; gemeinschaftliche Besichtigung der Villa Melzi; hier trennen wir uns. Er (Lessing) kehrt über Lugano in die Schweiz zurück; ich, im Boot, zunächst nach Villa Carlotta, dann ins Hôtel zurück. – Geschrieben. Zum Diner. Versuch, Villa Serbelloni zu erreichen, um von dort aus über alle drei Arme des Comer-Sees einen Blick zu gewinnen; aber den Weg verfehlt. Müde und erhitzt in das Hôtel zurück. Alles zur Abreise arrangiert.
Sonnabend d. 14. August
Um 4 Uhr auf; um 5 am Landungsplatz des Dampfschiffes; um 6 mit dem Schiff nach Lecco. Dieser Seearm, weil er an seinen Ufern natürlicher, ungeleckter ist als die andern, gefällt mir fast am besten. Um 7½ in Lecco. Sachen auf den Bahnhof gebracht. Dann in den Lion d'or, um daselbst 4 Stunden bis zum Abgang des Zuges abzusitzen. Um 11½ nach Bergamo. In einer Stunde, mit Hilfe eines guten Kutschers, die Stadt abgesucht: Palazzo vecchio, Broletto, Dom, S. Maria Maggiore, Capella des Colleoni. Um 2¼ über Brescia nach Desenzano am Garda-See. Um 4¼ Abfahrt, um 8¾ Ankunft in Riva. Der See weitaus der schönste. Riva entzückend gelegen, der ganze Moment sehr schön. Im Freien, am See, soupiert. Lauben, Lampen, Lichter und – Luna darüber. In einem Prachtzimmer geschlafen, das immer die Passanten erhalten, auch die kleinen Nummern, um einen guten Eindruck mit nach Hause zu nehmen.
Sonntag d. 15. August
Ziemlich früh auf. In den Lauben am See gefrühstückt. Die Schattenseite von Riva kennengelernt: seine Sonne. Das ist gut für die Limonen-Zucht, aber nicht für den Komfort. Man verkommt hier vor Hitze. Nur so erklärt es sich, daß der See und diese seine berühmteste (keineswegs seine schönste) Stelle so wenig in Aufnahme ist. Engländer gar nicht. Dies ist sehr charakteristisch. Man begegnet ihnen nur, wo alles mollig ist. (Fortsetzung im nächsten Buch.)
Sonntag d. 15. (Riva, Fortsetzung)
Um 11½ Abfahrt aus Riva; zurück über den Garda-See bis Peschiera. Nach wenigen Minuten Abfahrt nach Verona. Hier anderthalb Stunden Zeit. Einen Imbiß genommen. Gegen 7 Abfahrt nach Mantua,; Ankunft 8½ Abgestiegen im Albergo Croce verde. Echt italienisches Gasthaus; mehr Ausspannung als Hôtel. Scheußliche Mücken-Nacht.
Montag, den 16. August
Früh auf. Frühstück in einem benachbarten Café genommen. Mit Rücksicht auf Mantua gut genug. Einen Fiacre genommen, leider ohne zu akkordieren (Baedeker müßte dies hervorheben; nur ausnahmsweise haben sie einen »Tarif« und richten sich danach), infolgedessen ich das Opfer einer unverschämten Prellerei wurde. Für 4 Stunden – von denen er höchstens eine gefahren – statt 5-6 Franken zwölf. Die Antwort des frechen Hundes blieb: »Io ho no tarifa!« Es ist wie bei uns; sowie ein Unglücklicher von der großen Hôtel-Straße herunter ist, will sich jeder Werneuchner oder Alt-Landsberger in 5 Minuten an ihm bereichern. Aber vorüber!
Zuerst in den Palazzo del Té. Bau Giulio Romanos für einen Gonzaga-Herzog. Einfaches Viereck; inmitten ein grasbewachsener, vielleicht auch mit einigen Blumen bestandener Hof; ein Stück Garten anschließend, dann Park. Etwa so: [Folgt Skizze Fontanes.] Nach innen zu sind zwei Hallen, die einen Blick auf den Hof gönnen; nach außen eine Halle, die den Blick in den Garten gestattet. Der Bau selbst nur Erdgeschoß und wenig hoher Erster Stock, stellenweis rustica-artig beworfen, einige Ornamente, alles schüttgelb gestrichen. Macht auf den ersten Blick einen miserablen Eindruck. Wenn einem dann gesagt wird, daß er von Giulio Romano sei, so findet man die Proportionen schön; aber mehr ist nicht zu bewilligen.
[...]
In San Andrea, wenn ich nicht irre, suchte ich Mantegnas Grabmal; es war aber nicht zu finden, auch kein Kustode zugegen. Einige alte Mantuaner, die ich fragte, wußten von nichts.
Um Mittag von Mantua nach Modena. Viel Interessantes gefunden. [...]
Etwa um 6½ nach Parma; um 9 daselbst eingetroffen; abgestiegen im Albergo della Posta. Alles ziemlich gut. Freundliche Wirte.
Dienstag den 17. August
Ziemlich früh auf in Parma. Frühstück auf dem Zimmer. An die Chevaliere einige Zeilen zum Geburtstag geschrieben.
In die Stadt. Freundlich, gefällig wie Modena; alle diese kleinen Residenzstädte sind zwar ebenso arm wie die andern, aber polierter, umgänglicher und haben meist einige gute Kneipen, wo »Adel und Militär« seinerzeit verkehrte.
Wie Mantua – von Mantegna abgesehn – der Ort des Giulio Romano ist, so Parma des Correggio. Die Kirchen, die »Galena« im Palazzo ducale und das zu S. Paolo gehörige Kloster weisen wahre Schätze auf. [...]
Gegen 3 Abfahrt nach Genua, Ankunft gegen 10. Abgestiegen im Hôtel de la Ville. Schönes Zimmer, ganz wie im Hôtel Washington in Neapel.
Mittwoch d. 18. August
Fahrt nach dem Molo vecchio, dann durch die Hauptstraßen der Stadt: San Lorenzo, Carlo Felice, Via nuova und novissima. In Via nuova die Paläste besichtigt, namentlich den Palazzo del Municipio (früher Doria Tursi) und den Palazzo Brignole-Sale, auch Palazzo rosso genannt. Die ganze Via nuova, wie auch die mehr dem Bahnhof zu gelegene Via Balbi, besteht aus Palästen; mit 3 Ausnahmen: P. del Municipio, P. Brignole-Sale und Balbi, haben sie mir aber alle nicht sonderlich gefallen. Sie rühren vielfach von demselben Architekten her und wirken wie die Wrenschen Bauten (nur weniger talentvoll) oder die modernen gotischen Kirchen in London, die aussehn wie dutzendweis aus der Schachtel genommen. Dabei find ich das Original-Rezept zu diesen Genuesischen Palästen nicht mal gut, so daß es nicht bloß die Wiederholung ist, was diesen Arbeiten den Reiz nimmt. [...]
Mittwoch d. 18. August (Genua. Fortsetzung)
Der Palazzo Balbi ist wohl der schönste; Palazzo rosso wirkt nur originell durch seinen roten Anstrich; Palazzo del Municipio ist sehr hübsch, durch die Art, wie die Flanken-Anlagen sind. Der Palast steht hoch, auf einem 15-20 Fuß hohen Unterbau; dieser Unterbau trägt nun nicht bloß den Palast, sondern auch rechts und links daneben Kolonnaden, Gartenanlagen, Treppen, Springbrunnen, was sich inmitten einer raumbeengten Straße und mit Hilfe des Unterbaus (wodurch es eine Art fliegender Garten wird) sehr gut ausnimmt. In einem dieser Gärten oder doch in einem angrenzenden, gleichgearteten Gartenstück befindet sich ein gutes Café-Restaurant, wohl das erste der Stadt.
Der Palazzo rosso (Brignole-Sale) enthält eine sehr gute Bildergalerie, in der sich namentlich vorzügliche Guido Renis und Van Dycks befinden.
Von Palazzo rosso nach dem Hôtel zurück. Briefe geschrieben. Zur Table d'hôte. Nach dem Diner Fahrt nach dem Columbusplatz am Bahnhof, nach Palazzo Doria, dem Molo nuovo (mit Ports, nuova und vecchia) und der großen »Lanterna« (Leuchtturm). Zurück zum Hôtel. Gang durch die Stadt. Café Rossini an der Piazza della Fontana Morose. Nach Haus.
Donnerstag d. 19. August
Früh auf. Frühstück im Café Rossini. Die benachbarten Kirchen San Lorenzo und San Ambrogio, dann San Stephane besucht. Die beiden letztern, besonders San Ambrogio, enthalten gute Bilder von Guido Reni und Giulio Romano.
Hierauf nochmals Fahrt durch Via Balbi, am Columbusplatz vorbei, bis zum Palazzo Doria etc., um die Stelle an der Darsena reale (oder so ähnlich) zu entdecken, wo Fiesco ertrank. Diese Stelle liegt ungefähr halben Wegs zwischen dem Palazzo Doria und dem Hôtel de la Ville, in welchem ich wohnte. Wo sich das Thomas-Tor befindet, durch das Fiesco eindrang, hab ich nicht erfahren. Vielleicht ist es die Porta vecchia, die zwischen dem Palazzo Doria und der Lanterna liegt. Heyden wird dies vielleicht wissen. Ins Hôtel. Geschrieben.
Etwa um 1½ Abfahrt nach Spezzia und Pisa. Spezzia ist halber Weg; man fährt am Meere hin oder passiert Tunnel. Alles in allem wird man ziemlich ebensolange im Tunnel-Dunkel wie im Freien fahren. An einem heißen Tage ist diese beständige Keller-Erfrischung sehr angenehm. Von Spezzia aus biegt die Bahn ein wenig landeinwärts, so daß man das Meer nicht mehr sieht. Am Apennin hin geht die Fahrt, ziemlich ähnlich der Fahrt von Florenz bis Foligno. Bedeutende Höhenzüge mit Städten und Schlössern gekrönt. Sehr brillant nehmen sich Carrara und Massa aus, an denen man ziemlich dicht vorüberkommt. Das Bild ist an beiden Stellen verwandt: die Vorberge tun sich an einer bestimmten Stelle torartig auf, und mit Hilfe dieses Tors wird eine weiter zurückgelegene, höhere, mächtigere Felspartie sichtbar. Diese Felspartie besteht aus Kalkstein, und in diesem Kalkstein steckt der Marmor. Das Bild, das Massa gewährt, ist schöner als das von Carrara. – Bei guter Zeit, etwa um 8, traf ich in Pisa ein, nachdem ich schon vorher den Dom, das Baptisterium und den »schiefen Turm« hatte begrüßen können. Ich nahm Quartier in dem angenehmen und empfehlenswerten Hôtel Lungarno, das in erster Reihe Restaurant ist, ganz wie das Hôtel Bauer in Venedig.
Freitag d. 20. August
Früh auf. Frühstück im Restaurant. Fahrt durch die Stadt – die, wenigstens am Arno hin, ganz an Florenz erinnert – nach dem nebeneinander gelegenen Komplex berühmter Baulichkeiten: Dom, Baptisterium, Campanile (schiefer Turm) und Campo Santo. [Folgt Fontanes Skizze davon.] Das Ganze wirkt öde und großartig zugleich, etwa wie Sphinxe, die sich plötzlich aus der Wüste erheben. Kahl, sonnig, schattenlos liegt der weite Platz am Rande der Stadt da und auf ihm diese Bauten. Daß sie durch Schönheit sofort den Sinn gefangennähmen, kann man nicht sagen. Es wirkt groß, eigenartig, wundersam, aber nicht gerade wohltuend. Der Dom selbst ist schön, während der »schiefe Turm« den Eindruck eines Kuriosums, das Campo Santo, an den kahlen Außenwänden hin, den einer Reitschule, das Baptisterium, soweit seine Kuppel in Betracht kommt, den des beinah Häßlichen macht.
Im Innern wirken aber all diese Baulichkeiten sehr bedeutend, jede auf ihre Weise. Der Dom ist schön, innerlich wie äußerlich, dazu durch eine Fülle von Kunstschätzen sehr interessant. Das Campo Santo bietet den Stoff für wochenlanges Studium; einzelne seiner Fresken sind durch innerlichen Gehalt ersten Ranges. Die Größten haben eine Anlehnung an das hier Gebotene nicht verschmäht. Den Campanile bestieg ich nicht. Er wirkt märchenhaft, aber doch zugleich auch, wie schon hervorgehoben, mehr oder minder als Kuriosum. – Ins Hôtel zurück. Dejeuner.
Abfahrt nach Pistoja (zwei Stunden Rast) und Bologna. Ankunft um Mitternacht. Abgestiegen im Hôtel Brun.
Sonnabend den 21. August
Frühstück im Hôtel. Auf die Piazza Vittorio Emanuele oder Piazza maggiore mit dem Palazzo Pubblico, dem Palazzo del Podestà und dem Portico de' Banchi.
Dann in die große Kirche San Petronio, ebenfalls an der Piazza Maggiore. Siehe Baedeker und meine daselbst angefügten Notizen. Von San Petronio, in langer Fahrt durch die Stadt, bis nach dem eine gute Viertelmeile vorm Tore gelegenen Campo Santo von Bologna. Die Kreuzgänge eines alten Klosterbaus, seitdem umgebaut und erweitert, wurden dazu benutzt. Es hat keine Spur von Ähnlichkeit mit dem Campo Santo in Pisa, jeder Bilder-schmuck fehlt. Lange hallenartige Räume, die, rechtwinklig aufeinanderstellend, wieder große Vierecke mit einem Hofraum in der Mitte bilden, enthalten in dem breiten, kirchenschiffartigen Mittelgange die Gewölbe, in denen die Särge stehn, während rechts und links an den Wänden hin sich die Marmortafeln mit den Inschriften in langer, langer Reihe befinden. Nur mitunter werden diese Tafeln unterbrochen, und das Auge begegnet nun einem Marmormonument. Einzelne davon sind schön, andre mehr eigentümlich oder italienisch-naiv. Das schönste und zugleich wunderlichste ist das, das die Enkel Murats (Pepolis) ihrer Mutter, einer Tochter Murats, errichteten. Die Mutter ist Nebensache, und der Großvater: roi Murat, ist alles. So erhebt sich denn das pompöse Marmorbild dieses letztren (lebensgroß, in Husaren-Uniform) auf dem Grabe seiner Tochter. Ein wenig sonderbar. Menschliche Eitelkeit. Die Welt soll erfahren: unsre Mutter war König Murats Tochter. So denn sein Bildnis. Verzeihlich ist es insoweit, als den Anverwandten Murats keine rechte Gelegenheit anderweitig gegeben war, ihrem berühmten Vater resp. Großvater ein Denkmal zu errichten. In Neapel, wo er erschossen wurde, in Frankreich, wo die Bourbons wieder einzogen, überall verbot es sich, so mußte es denn auf einem Umwege geleistet werden, und das Grab seiner Tochter bot wohl oder übel die Gelegenheit dazu. Das Bologneser »Campo Santo« (»Certosa«, Karthause) ist allgemeiner Friedhof, Begräbnisstätte für jedermann, auch für die Armen, welche letztre in den verschiedenen Hofräumen, unter Aufrichtung eines Holzkreuzes, begraben werden. Das Ganze macht einen außerordentlich vornehmen Eindruck, ist luftig, kühl, schattig, der Wirkung der Monumente günstig und konserviert dieselben mehr als jede andre, frei daliegende Begräbnisstätte. – Von der Certosa in die Stadt zurück; einen Imbiß genommen, dann in die Academia delle belle Arti. In dieser immerhin schönen Sammlung befinden sich vorzugsweise: Guido Renis und Caracas, außerdem einiges von Domenichino, Francesco Francia, Perugino etc. Ich nahm mir nur die Zeit, die Guido Renis und weniges andre durchzunehmen.
Dann Fahrt durch die Stadt, noch in einige Kirchen hineingesehn und die beiden »schiefen Türme« besichtigt, die, teils in ihrer Einfachheit, teils durch ihr Zusammenstehn, mehr auf mich wirkten als der schiefe Turm in Pisa. Der größre gewährt ganz den Anblick eines modernen Fabrikschornsteins, aber eine ganz geringe Zutat an seiner Krönung hat ausgereicht, eine durchaus künstlerische Schöpfung aus ihm zu machen. Beide Türme sind in Backstein ausgeführt, während in Pisa alles Marmor ist. – Die Stadt selbst – auch in den Hof der Universität blickte ich hinein – ist reich an mächtigen Bauten und Arkaden; es ist eine vornehme Stadt, intelligent und patriotisch, die in den Befreiungskämpfen des Landes eine hervorragende Rolle gespielt hat. Die Arkaden, viel mehr noch als in Modena, laufen durch die meisten Straßen hin. – Ins Hôtel zurück. Geschrieben. Zur Table d'hôte, an der nur Engländer teilnahmen, die sämtlich auf dem Wege nach Ostindien waren. Café im Hofe des Hotels genommen; früh zu Bett.
Sonntag den 22. August
Früh auf. Um 6 nach Ravenna. Ankunft (verspätet) um 10 Uhr. So blieben mir nur zwei Stunden für die alte berühmte Stadt, die übrigens nicht bloß den Eindruck der Stille und Zurückgezogenheit, sondern auch der Armut und Verkommenheit macht. Noch eh wir die Stadt erreichten, zeigte mir ein italienischer Mitreisender vom Coupé aus das Grabmal des Königs Theoderich, was mir sehr lieb war, da ich nicht Zeit genug hatte, diesem Mausoleum einen eignen Besuch zu machen. Es schien mir folgende Form zu haben [Folgt Skizze Fontanes], vielleicht ist auch das Unterstück ein Rundturm und nicht quadratisch. Die obere Hälfte sah ich ganz klar; die flache Kuppelung wirkte eigentümlich. Stattliche Avenuen schienen auf den Grab-Bau zuzuführen. In der Stadt selbst begnügte ich mich mit
Der Dom liegt auf einem Platz; das Baptisterium in einer nebenhinlaufenden Gasse ganz versteckt. Etwa so [Folgt Skizze Fontanes]. A. Platz; b. Dom; aa. eine ganz schmale, winklig eckige Gasse, die neben dem Dom sich hinzieht; c. Baptisterium. Dies Baptisterium steckt in den Häusern der Gasse derart drin, daß man von der einen Seite her gar nichts von ihm sieht, von der Dom- und Platz-Seite her aber ein mehreckig vorspringendes Stück. Der Dom soll auch ein sehr alter Bau sein; er wirkte nicht so auf mich; in Details zu gehn, hatt ich keine Zeit.
Beide Bauten sind sehr interessant, das Baptisterium durch seine Fresken, San Vitale baulich als Tochter der Santa Sofia und Mutter des Aachner Münsters. Ob auch das Baptisterium architektonisch eine vorbildliche Bedeutung hat oder ob andre in gleicher Form und Einrichtung älter sind, weiß ich nicht. Auf die Mosaiken paßt genau das, was Gregorovius über die ältesten Mosaiken (etwa aus der Mitte des 5. Jahrhunderts) in Santa Maria Maggiore sagt. Sie sind noch nicht byzantinisch versteinert, noch nicht starr und leblos, haben noch Bewegung und selbst Grazie. Es klingt noch etwas von antiker Kunst darin nach, eh dieselbe durch die nahezu künstlichen byzantinischen Formen verdrängt wurde. Es stimmt das auch mit den Zeitangaben. »Aus dem 5. Jahrhundert« sagen die Nachschlagebücher, also dieselbe Zeit, vielleicht dasselbe Jahrzehnt, in dem die Mosaiken in Santa Maria Maggiore entstanden. Die Mosaiken in San Vitale sind schon schwächer, aber fast noch besser erhalten. Ravenna hat noch vier, fünf andre Bauten: Kirchen, Baptisterium (S. Maria in Cosmedin), Rotonda (Grabmal Theoderichs) und Reste eines Palastes von König Theoderich, die alle dem 5. und 6. Jahrhundert angehören, also historisch und architektonisch höchst interessant sind, ich fand aber nicht mehr Zeit, etwas davon zu sehn, was auch nicht sonderlich zu beklagen ist, da das Baptisterium (neben dem Dom) und San Vitale doch wohl die Hauptbauten bleiben oder doch im wesentlichen dasselbe zeigen wie die andern kirchl. Bauten jener merkwürdigen Ravenna-Epoche. Nur scheinen sie nicht ausschließlich Kuppelbauten zu sein, sondern teils 3schif-fige Basiliken, teils Kreuzkirchen. Die architekt. Bedeutung Ravennas steckt aber in den Kuppeln.
Um 12½ nach Bologna zurück; Ankunft um 4; Abfahrt nach Padua um 5 oder 5¼. Ankunft in Padua (in Stella d'oro) 9 Uhr.
Montag d. 23. August
Frühstück im Hôtel. Fahrt nach San Antonio. Zwei Stunden in dieser großen, kuppelreichen Kirche, die in mancher Beziehung wie ein nüchternes, geweißtes San Marco wirkt, verweilt.
Dann nach der Kirche Eremitani, die, in einer ihrer Kapellen, zwei berühmte Fresken Mantagnas enthält; von der Kirche Eremitani nach der benachbarten, im Tonnengewölbe erbauten Kapelle Madonna, dell'Arena, die mit Giottoschen Fresken an all ihren Wänden überdeckt ist. Die Masse dieser Fresken ist von sehr zweifelhaftem Wert und kann nur kunsthistorisch interessieren; wunderschön aber ist in der Chornische eine Madonna, mit dem Kind (worauf mich schon Prof. Steinle aufmerksam machte) und gegenüber derselben ein sehr ähnliches Bild, wahrscheinlich ... mit dem Johannes darstellend. Die junge Person, die mich umherführte, bezeichnete das zweite als eine einfache Wiederholung des ersten, was nur beweist, wie wenig scharf die Menschen hinkucken, denn bei aller Ähnlichkeit sind doch starke Abweichungen, z. B. in der Haltung des Kopfes, da. »Das Jüngste Gericht« an der Schmalwand des Eingangs konnte mich nicht interessieren.
Ins Hôtel zurück. Um 2 Abfahrt nach Verona, Ankunft 5 Uhr. Abfahrt von Verona 6½. Verona lag prächtig im Schein der Abendsonne da. Bei Dunkelwerden in Ala. Gepäck-Revision.
Dienstag d. 24. August
Um 6 oder 7 früh Ankunft in Innsbruck. Noch zwei Stunden geschlafen (im Hôtel de l'Europe). Flaniert in der Stadt. Besuch der Franziskanerkirche, die das berühmte Grabdenkmal Kaiser Maximilians und des Andreas Hofer enthält.
Zwischen 3 und 4 Abfahrt nach München. Ankunft gegen 10. Quartier genommen im »Englischen Hof«, früher »Blaue Traube«.
Mittwoch d. 25. August
In der Stadt unter erheblicher Langeweile umhergetrieben. Um 4 Uhr Emilie am Bahnhof in Empfang genommen. Zurück ins Hôtel. Soupiert.