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Der Wind, mit dem wir von Tahiti segelten, wurde nach Sonnenuntergang frischer und beschleunigte unsere Entfernung von dieser glücklichen Insel, die wir jedoch beim Mondenlicht immer noch sehen konnten. Am folgenden Tage, den 2. September, erblickten wir die Insel Huaheine, die ungefähr 31 Seemeilen von Tahiti entfernt liegt und von Kapitän Cook am 11. Juli 1769 entdeckt wurde. Viele unserer Leute empfanden nun schon die Folgen ihres liederlichen Umgangs mit den Frauenspersonen in Matavai-Bai, doch hatten alle die Krankheit in einem gelinden und gutartigen Grade. Man hat darüber gestritten, ob dies Übel durch französische oder englische Seefahrer nach Tahiti gebracht worden sei, ohne daran zu denken, daß noch ein dritter Fall möglich sei. Warum sollte man nicht annehmen dürfen, daß diese Krankheit bereits auf der Insel vorhanden war, ehe irgendein Europäer dorthin kam? Der Umstand, daß keiner von Kapitän Wallis' Leuten hier angesteckt worden ist, ist dieser Hypothese wenigstens nicht entgegen. Es kann ja leicht gewesen sein, daß die Insulaner alle mit der Seuche behafteten Weibspersonen damals von den Europäern ferngehalten haben, weil sie den Zorn der mäch- tigen Fremdlinge auf sich zu laden fürchteten. Wir hörten zwar von einer anderen Krankheit, die sie O-päh-no-Peppe (das Geschwür von Peppe) nannten und vorgaben, daß ihnen solches von dem Schiffe zugeführt worden sei, das einige Monate hier vor Anker gelegen hatte. Aber nach der Beschreibung der Symptome zu urteilen, war diese Krankheit wohl nichts anderes als eine Art von Aussatz, und an der Ausbreitung können die Spanier ganz unschuldig sein. Dies ist um so wahrscheinlicher, da die Insulaner ohnedies mit verschiedenen Arten von Ausschlag behaftet sind. Man findet nämlich die Elephantiasis, desgleichen einen Aussatz, der die ganze Haut bedeckt und endlich ein ungeheures, faulendes Geschwür, das abscheulich anzusehen ist. Doch sind alle diese Gattungen ungemein selten anzutreffen, welches ohne Zweifel dem trefflichen Klima und der einfachen Kost dieser Insulaner zuzuschreiben ist.
Bei Untergang der Sonne legten wir zwei Seemeilen von Huaheine bei, gingen am folgenden Morgen um 4 Uhr um das Nordende der Insel herum und steuerten dann dem Hafen O-Wharre zu. Huaheine wird durch einen tiefen Seearm in zwei Halbinseln geteilt, die vermittels einer niedrigen Landenge zusammenhängen, die zur Flutzeit gänzlich unter Wasser steht. Die Berge sind nicht so hoch wie auf Tahiti und scheinen ehemals Vulkane gewesen zu sein. Der Gipfel des höchsten war wie der Schlund eines feuerspeienden Berges geformt, und an einer Seite gab es einen schwarzen Felsen, der wie Lava aussah. Bei Aufgang der Sonne erblickten wir noch andere zu den Societäts-Inseln gehörige Eilande, wie Raiatea, Tahaa und Borabora. Letzteres besteht wie Maitea aus einem einzigen hohen Berge. Die Spitze dieses Berges hat ebenfalls die Form eines vulkanischen Schlundes. Es gibt zwei Einfahrten in den Hafen O-Wharre, in deren südliche wir einzulaufen gedachten, und da uns ein starker Wind vom Lande her entgegen blies, hatten unsere Seeleute Gelegenheit, ihre Kunst zu beweisen. Unser Schiffsvolk machte in der engen und gefährlichen Durchfahrt mit bewunderungswürdiger Geschicklichkeit sechs bis sieben Schläge, deren jeder nur zwei oder drei Minuten dauerte. Wir waren noch nicht ganz hindurch, als die »Adventure«, die hinter uns segelte, beim Wendern einem Riff zu nahe kam und mit der Seite an dem Korallenfelsen sitzen blieb. Wir hatten in diesem Augenblick alle Hände voll zu tun, um unser eigenes Schiff durchzubringen, und konnten also nicht gleich Hilfe leisten. Sobald wir aber vor Anker lagen, schickten wir unsere Boote hin und ließen sie in den Hafen bugsieren. Sie hatte keinen Schaden erlitten, sondern war so gut davongekommen wie unser Schiff bei Teiarrabu.
Außerhalb des Riffs kam uns nicht ein einziges Kanu entgegen, wir waren aber kaum vor Anker gegangen, als sich verschiedene mit Kokosnüssen, Brotfrüchten und großen Hühnern einfanden. Der Anblick von Hühnern war uns besonders angenehm, denn zu Tahiti hatten wir nicht ein einziges auf treiben können. Einer von den Insulanern, die zu uns an Bord kamen, hatte einen ungeheuren Hodenbruch, doch mußte dies ihm wohl nicht viel Unbequemlichkeit verursachen, denn er stieg die äußere Schiffsleiter recht schnell auf und ab. Das Volk sprach dieselbe Sprache und war auch so gekleidet wie die Leute auf Tahiti, aber von Frauenspersonen kam nicht eine einzige zum Vorschein. Im Handel gingen sie ehrlich zu Werke, und in kurzer Zeit hatten wir für Nägel und Korallen ein Dutzend großer Hähne mit vortrefflichem Gefieder eingekauft.
Gegen elf Uhr gingen die Kapitäne an Land und nahmen ein Wetterdach in Augenschein, das bis auf die Erde herabreichte, um ein großes Doppelkanu zu schützen, das aufs Trockene gezogen war. Hier stellten sie jemanden zum Handeln an, und dies ging so gut vonstatten, daß wir abends schon zwanzig Schweine und ein Dutzend Hunde eingetauscht hatten. Die Hunde waren das dümmste Vieh ihrer Art, wurden aber von den Insulanern von allem Fleisch für das schmackhafteste gehalten. Der Gegend, wo wir landeten, schien es ganz an Pisangs zu fehlen, allein aus einem anderen Distrikt brachten die Bewohner uns etliche Büschel dieser Frucht, folglich müssen sie ihre Obstbäume so zu behandeln wissen, daß die einen früher, die anderen später tragen. Diese späten Früchte können aber nicht in Menge gezogen werden und mögen wohl nur für die Tafeln der Großen bestimmt sein.
Zum Mittagessen kehrten wir an Bord zurück, gingen aber gleich nach Tische wieder an Land und erfuhren bei dieser Gelegenheit, daß die Befehlshaber der Insel am folgenden Tage zum Vorschein kommen würden. Unser tahitischer Reisegefährte Porea ging in einem Leinenrock und in Schifferhosen mit uns an Land. Er trug Kapitän Cooks Pulverhorn und Hagelbeutel und wünschte, daß man ihn hier für einen der Unsrigen ansehen möchte. Er redete nie in seiner Muttersprache, sondern murmelte allerlei unverständliche Töne daher, wodurch sich das hiesige Volk auch wirklich hintergehen ließ. Er wollte auch nicht länger mit seinem tahitischen Namen Porea genannt werden, sondern einen englischen haben. Die Matrosen nannten ihn daher Tom. Er lernte auch bald die gewöhnliche Antwort »Sir!«, die er aber »Dsjorro« aussprach. Vermutlich glaubte er in der Gestalt eines englischen Matrosen mehr zu bedeuten als ein tahitischer Tautau.
Am folgenden Tage begleitete mein Vater die Kapitäne bis zum Nordende des Hafens. Hier landeten sie bei einem nahe am Ufer gelegenen Hause, vor welchem der Befehlshaber Ori unter einer Menge seiner Bedienten im Grase saß. Bei diesem Anblick wollten sie eiligst aus dem Boot steigen, zwei Insulaner aber baten sie, noch sitzen zu bleiben, bis man ihnen einige Pisangstämme zum Zeichen des Friedens überreicht hätte. Ehe dies geschah, brachten die Insulaner zwei kleine Bäume herbei, die von unserer Seite überreicht und dazu mit Nägeln, Spiegeln, Medaillen und anderen Kleinigkeiten behängt werden sollten. Dann trugen sie die Bäumchen vor einem Teil unserer Mannschaft her und überreichten sie dem Ori. Bei der Darreichung des ersten baten sie zu sagen: »No t' Eatua« (für die Gottheit), bei dem zweiten: »Na te tayo O-Tute no Ori!« (vom Freunde Cook an Ori). Dann wurden unseren Leuten fünf Pisangzweige, einer nach dem anderen, überreicht. Der erste wurde nebst einem Schwein mit den Worten »No t' Eri« (von seiten des Königs) überreicht. Der König war T' Eri Taria, ein Kind von sieben oder acht Jahren. Der zweite, ebenfalls mit einem Schwein, war für die Gottheit – »no t'Eatua«, der dritte war »no te Toimoi«, das bedeutete: »Zum Willkommen!«, der vierte, mit einem Hunde, und der letzte, wieder mit einem Schwein, waren »no te tayo Ori no Tute«, von Freund Ori an Cook.
Zum Schluß zog der Mann, der alle diese Dinge gebracht hatte, ein rotes Beutelchen hervor, worin eine Münze und eine Zinnplatte verwahrt wurden, auf der sich folgende Inschrift befand:
His Britannic Majesty's Ship Endeavour. Lieutenant Cook Commander. 16. July 1769. Huahine.
Dies Zeugnis vom ersten Besuch der Insel Huaheine hatte Kapitän Cook ehemals dem Ori ausgehändigt. Sobald der Kapitän alle Sachen in Empfang genommen hatte, stieg er mit seinem Gefolge an Land und umarmte den Ori, der ein alter, magerer, triefäugiger Mann zwischen fünfzig und sechzig Jahren war. Er nahm unsere Leute als gute Bekannte und Freunde auf und schenkte dem Kapitän überdies noch einige große Ballen Zeug. Es währte nicht lange, so fanden sich die Einwohner haufenweise vor dem Hause des Befehlshabers ein und brachten Hühner, Schweine und Hunde in Menge zum Verkauf.
Währenddessen marschierte ich mit Dr. Sparman vom Marktplatz aus über Land nach Oris Wohnhaus. Unterwegs sahen wir viele Schweine, Hunde und Hühner. Letztere liefen frei umher, ebenso die Schweine, die meist von alten Weibern mit gesäuertem Brotfruchtteig gefüttert wurden. Die Hunde waren trotz ihrer Dummheit bei den Frauenzimmern in hohen Gnaden. Keine europäische Dame hätte die Sorge um ihr Schoßhündchen weiter treiben und sich dabei lächerlicher gebärden können. Unter anderem reichte eine Frau in mittlerem Alter einem jungen Hunde ihre volle Brust hin. Wir konnten uns nicht enthalten, ihr diesen Mißbrauch zu verweisen, allein sie lachte nur dazu und sagte, daß sie sich zuweilen auch von kleinen Ferkeln saugen lasse. Indessen erfuhren wir bei weiterer Nachfrage, daß sie unlängst einen Säugling verloren habe, und folglich hatten wir ihr unrecht getan, denn in dergleichen Fällen ist es ein selbst in Europa erlaubtes Mittel, sich von einem Hunde saugen zu lassen.
Mittlerweile waren wir immer weiter gegen die Nordseite des Hafens gegangen, wo die Matrosen unsere leeren Wasserfässer füllen mußten. Wir trafen eine Menge Insulaner an, die so viele Schweine zum Kauf brachten, daß wir nun einen reichlichen Vorrat hatten. Früchte und Kräuter hingegen waren so selten, daß wir uns mit Yamwurzeln begnügen mußten, die gekocht statt Brot zum Fleisch gegessen wurden. Endlich gelangten wir zu Oris Wohnung und fuhren mit Kapitän Cook und der übrigen Gesellschaft an Bord zurück. Letzterer war im Handel noch glücklicher gewesen als die dazu bestellten Leute, so daß wir vor der Menge der eingekauften Waren kaum Platz im Boot hatten.
Nachmittags gingen wir wieder nach Oris Haus und fanden ihn von einer Menge vornehmer Insulaner umgeben. Wir fanden sie den Tahitiern so ähnlich, daß wir zwischen beiden Völkern keinen Unterschied finden konnten, auch konnten wir nicht absehen, daß die Frauen hier heller an Farbe und schöner als auf den übrigen Inseln wären, wie andere Reisende bemerkt haben wollen. Worin sich aber die hiesigen Frauen von den Tahitierinnen wirklich unterschieden, das war, daß sie nicht so bettelten und mit ihren Gunstbezeigungen nicht so freigebig waren wie jene. Etliche Frauensleute nahmen zwar bei unserer Landung eine unanständige Zeremonie vor, aber es waren nur Angehörige des niedrigsten Volkes.
Ori kam am nächsten Morgen früh mit seinen beiden Söhnen an Bord. Der älteste, ein Knabe von elf Jahren, nahm unsere Geschenke mit Gleichgültigkeit an, dagegen fand er wie alle Insulaner großen Gefallen am Dudelsack. Bei der früheren Anwesenheit des Kapitäns Cook hatte Ori den Namen Cuki angenommen und ließ sich auch jetzt ständig so nennen. Als dieser vornehme Gast eine Zeitlang an Bord gewesen war, gingen wir mit ihm an Land zurück, um Pflanzen und andere Merkwürdigkeiten zu suchen. Als wir abends wieder zusammentrafen, erzählte uns Dr. Sparman, der ganz allein bis ans nördliche Ende der Insel gegangen war, daß er einen großen Salzsee angetroffen habe. Am folgenden Tage ging er von neuem allein spazieren, während wir mit Kapitän Cook auf dem Marktplatz blieben. Ehe wir es uns versahen, drängte sich ein Insulaner mit Namen Tubai, der in verschiedene Stücke rotes Tuch gekleidet war und einige Bündel Vogelfedern am Gürtel hängen hatte, aus dem Haufen hervor und verbot dem Volk, uns Schweine und Brotfrucht zu verkaufen, gleichzeitig bemächtigte er sich eines Beutels mit Nägeln, den der Schiffsschreiber in der Hand gehalten hatte, als dieser aber um Hilfe rief, ließ er ihn fahren und nahm dagegen einem unserer jüngeren mit Gewalt einen Nagel ab. Kapitän Cook, der schon im Begriff war, sich nach dem Schiffe übersetzen zu lassen, kehrte um und bestand darauf, daß Tubai augenblicklich den Marktplatz verlassen solle, und da dieser keine Lust dazu zeigte, ging er ihm sofort zu Leibe und bemächtigte sich zweier großer Keulen, die jener in Händen hatte. Er sträubte sich zwar, aber sobald der Kapitän den Hirschfänger zog, lief er davon. Die Keulen wurden zerbrochen und in die See geworfen. Die Insulaner fingen an, sich vom Marktplatz zu entfernen, man rief sie aber zurück, und alle gestanden, Tubai sei ein tata-ihno, ein böser Mann.
Kapitän Cook hatte sich nun kaum ins Boot gesetzt, um Seesoldaten vom Schiff zu holen, als der ganze Haufen auf einmal von uns wegrannte. Wir konnten nicht begreifen, was hieran schuld sei, allein das Rätsel klärte sich auf, als Dr. Sparman fast nackt und mit sichtbaren Merkmalen einiger harter Schläge zu uns gelaufen kam. Es hatten sich zwei Insulaner zu ihm gesellt und ihn gebeten, weiter ins Land hinaufzugehen, aber ehe er es sich versah, rissen sie ihm den Hirschfänger, seine einzige Waffe, von der Seite, und als er sich bückte, um nach einem Stein zu greifen, gaben sie ihm einen Schlag über den Kopf, so daß er zu Boden fiel. Nun rissen sie ihm die Weste und andere Kleidungsstücke vom Leibe. Er machte sich zwar wieder los und rannte zum Strand hin, blieb aber im Strauchwerk hängen, worauf sie ihn einholten und mit Schlägen mißhandelten. Dann zogen sie ihm das Hemd über den Kopf, und da es durch die Knöpfe festgehalten wurde, waren sie bereits im Begriff, ihm die Hände abzuhacken, als er zum Glück wieder zu sich kam und die Ärmel mit den Zähnen aufbiß. Dann liefen die Räuber mit ihrer Beute davon. Etwas weiter traf er zwei Insulaner an, die ihn in ihre Kleider hüllten und nach dem Marktplatz begleiteten. Nachdem wir diese rechtschaffenen Leute belohnt hatten, eilten wir alle an Bord, um mit stärkerer Mannschaft zurückzukehren. Dr. Sparman zog andere Kleider an und ging mit uns zu Oris Wohnung, wo wir unsere Klage anbrachten. Der gute Alte war gleich bereit, mit Kapitän Cook gemeinschaftliche Sache zu machen und die Diebe zu suchen, wenngleich dieser Entschluß alle seine Verwandten in Angst und Schrecken versetzte. Mehr als fünfzig anwesende Männer und Weiber fingen bitterlich an zu weinen, als sie sahen, daß er mit uns ins Boot stieg. Mein Vater erbot sich, zu ihrer Beruhigung als Geisel bei ihnen zu bleiben, aber Ori wollte dies nicht zugeben und nahm von allen seinen Verwandten nur einen einzigen mit an Bord.
Wir ruderten nun in eine gegenüberliegende Bucht. Von hier aus marschierten wir tief ins Land hinein, jedoch ohne Erfolg. Wir mußten also unbefriedigt nach dem Schiffe zurückkehren, wohin uns auch Ori begleitete, ohne sich durch die Tränen einer alten Frau und ihrer schönen Tochter davon abhalten zu lassen. Als die Tochter sah, daß ihr Weinen nichts helfen wollte, ergriff sie in einer Art von Verzweiflung etliche Muschelschalen und ritzte sich damit am Kopfe, so daß Blut floß, bis die Mutter sie ihr entriß und uns nach dem Schiff begleitete. Nach Tisch brachten wir Ori nach seinem Hause zurück, wo sich die vornehmsten Familien der Insel versammelt hatten und weinend auf der Erde saßen. Wir setzten uns gerührt zu ihnen und boten unsere ganze tahitische Beredsamkeit auf, sie wieder vergnügt und guten Mutes zu machen. Nun fing der Handel, der durch den Vorfall unterbrochen worden war, wieder von neuem an. Gegen Abend kamen zwei von Oris Boten mit Dr. Sparmans Hirschfänger und einem Stück seiner Weste zurück. Darauf gingen wir wieder an Bord.
Am folgenden Morgen verfügten sich die Kapitäne abermals nach Oris Haus und stellten ihm eine kleine kupferne Platte zu mit der Inschrift:
His Britannic Majesty's ships »Resolution« and »Adventure« September 1773
Sie schenkten ihm zugleich eine Anzahl Medaillen mit dem Bedeuten, daß er dies alles den Fremden vorzeigen möge, die etwa nach uns hierherkommen würden. Sobald sie an Bord zurück waren, wurden die Anker gelichtet, und wir gingen nebst der »Adventure« wieder unter Segel. Während unseres dreitägigen Aufenthalts hatten wir einen großen Vorrat an lebenden Schweinen und Hühnern eingehandelt, ein Beweis, in wie hohem Wert bei den Insulanern das Eisenwerk stand. Unser Schiff hatte allein 209 Schweine, 30 Hunde und 50 Hühner an Bord, die »Adventure« nicht viel weniger.
Wir waren kaum unter Segel, als Ori mit einem kleinen Kanu ans Schiff und an Bord kam, um uns die Nachricht zu bringen, daß er sowohl die Diebe gefangen als auch den Rest der geraubten Sachen wiederbekommen habe und daß beide Kapitäne und Dr. Sparman mit ihm an Land gehen möchten, um Zeugen der Bestrafung zu sein. Unglücklicherweise verstand man ihn nicht recht, und also verfehlten wir die Gelegenheit zu sehen, wie ihre Strafen beschaffen sind. Kapitän Cook glaubte, daß Ori einige seiner Untertanen zurückfordern werde, die sich auf der »Adventure« eingeschifft hatten. In dieser Meinung schickte er gleich ein Boot ab, um sie von dort holen zu lassen. Da aber das Schiff weit voraus war, wollte Ori nicht länger warten, sondern nahm herzlich Abschied von uns und kehrte in seinem kleinen Kanu, in dem er nur einen einzigen Gehilfen hatte, nach dem Lande zurück.
Bald darauf kam unser Boot von der »Adventure« zurück und brachte uns den O-Mai an Bord, der mit nach England gehen wollte. Kapitän Cook behielt ihn auf dem Schiff, bis wir Raiatea erreicht hatten. Dort wurde er wieder auf die »Adventure« gebracht, mit der er auch nach England gekommen und dort eine Zeitlang der Gegenstand der allgemeinen Neugier gewesen ist. Während seiner Anwesenheit bei uns lernten wir ihn als einen Menschen vom geringsten Stande kennen. Er hielt sich zu dem Büchsenschmied und anderen gemeinen Seeleuten. Als er aber ans Kap der Guten Hoffnung kam, wo ihn der Kapitän Furneaux in seiner Landestracht auftreten ließ und in die beste Gesellschaft brachte, gab er vor, er sei kein Tautau, sondern ein Hoa, also ein königlicher Kammerherr oder Begleiter des Königs. Man hat das Publikum mit allerlei fabelhaften Nachrichten von diesem Insulaner unterhalten, dahin gehört unter anderem das lächerliche Vorgeben, daß er ein Priester der Sonne sei, dergleichen es in seinem Vaterlande nirgends gibt. Dabei war er von so schwarzer Farbe, wie wir sie kaum unter dem gemeinsten Volke angetroffen haben, und am wenigsten stimmte sie mit dem Range überein, den er hernach annahm. Es war wirklich unglücklich, daß man gerade diesen Menschen als Probe eines Volkes auswählte, das alle Seefahrer als schön von Bildung und hell von Farbe beschrieben hatten.
Nachdem wir Huaheine verlassen, richteten wir unseren Lauf gegen Westen und segelten um das Südende einer Insel, die Kapitän Cook im Jahre 1769 entdeckt und in seinen Karten unter dem Namen Ulietea angezeigt hat, aber bei den Tahitiern und anderen Bewohnern der Gesellschaftsinseln eigentlich O-Raiatea heißt. Am folgenden Morgen ankerten wir dort in einer Öffnung des Riffs und brauchten den ganzen Tag dazu, uns in den Hafen Hamaneno bugsieren zu lassen. Die Einwohner umringten uns bald mit einer Menge von Kanus und brachten uns Schweine zum Verkauf, weil wir aber in Huaheine reichlich damit versorgt worden waren, boten unsere Leute nur wenig dafür. In einem der Kanus befand sich ein Befehlshaber mit Namen Oruwherra, der von der Nachbarinsel Borabora gebürtig war. Er war auf den Armen mit viereckigen Flecken, auf Brust, Bauch und Rücken mit langen schwarzen Streifen, an Hüften und Lenden aber durchaus schwarz punktiert. Er brachte einige grüne Zweige und ein Ferkel, das er meinem Vater schenkte, da sich sonst niemand um ihn kümmerte. Nachdem er ein Gegengeschenk von Eisengerät bekommen hatte, kehrte er in seinem Kanu zurück an Land. Bald darauf schickte er an seinen neuen Freund ein zweites Kanu mit Kokosnüssen und Bananen, für die seine Leute kein Gegengeschenk annehmen wollten. Man kann sich vorstellen, wie sehr uns eine so uneigennützige Gutherzigkeit gefallen mußte.
Nachmittags besuchte uns ein anderer Befehlshaber, der ebenfalls von Borabora gebürtig war. Er hieß Herea und war so dick, wie wir sonst niemand in der Südsee gesehen haben. Um den Bauch maß er 54 Zoll, und jeder seiner Schenkel hatte 31¾ Zoll im Umfang. Sein Haar hing in langen geschlängelten Flechten bis auf die Hüften herab und war so stark, daß sein Kopf noch einmal so dick zu sein schien als von Natur. Korpulenz, Farbe und Punkturen waren Unterscheidungszeichen seines Ranges, der ihn zum Faulenzen und zur Schwelgerei berechtigte.
Am zweiten Tage unseres Hierseins begleiteten wir die Kapitäne bis zu einem großen Haus, das dicht am Wasser stand und von Orea, dem Befehlshaber des Distrikts, bewohnt war. Er saß nebst seiner Familie und vielen Leuten von Stande auf der Erde. Kaum hatten wir neben ihnen Platz genommen, als sich ein großer Schwarm von Einwohnern um uns versammelte. Orea war ein dicker Mann von mittlerer Statur mit einem dünnen, rötlichbraunen Bart. Er scherzte und lachte recht herzlich mit uns. Seine Frau war eine ältliche Person, der Sohn und die Tochter aber erst zwölf bis vierzehn Jahre alt. Letztere hatte eine ziemlich weiße Farbe und in den Gesichtszügen nur wenig von dem Nationalcharakter ihres Volkes. Die Nase war schön gebildet, und den Augen nach hätte man sie für eine Chinesin halten mögen. Sie war von zierlichem Gliederbau, vornehmlich aber waren die Hände unbeschreiblich schön, Füße und Beine hingegen etwas zu dick. Es war nicht möglich, ihr etwas abzuschlagen, wenn sie um Korallen oder andere Kleinigkeiten bat.
Nach Tisch machten wir einen Spaziergang und schössen verschiedene Eisvögel. Bei der Rückkehr von der Jagd begegneten wir Orea nebst seiner Familie und Kapitän Cook. Orea kümmerte sich nicht um den geschossenen Vogel, den wir in Händen hatten, seine schöne Tochter hingegen beklagte den Tod ihres Eatua und lief vor uns weg. Ihre Mutter und die übrigen Frauen schienen nicht weniger betrübt zu sein, und als wir zum Schiff zurückfahren wollten, bat Orea uns in ernsthaftem Ton, keine Reiher und Eisvögel mehr auf seiner Insel zu schießen, andere Vögel möchten wir schießen, soviel uns beliebte.
Am folgenden Tage erstiegen wir einen der nahegelegenen Berge und fanden verschiedene neue Pflanzen. Als wir gegen Mittag vom Berge herabkamen, waren die Kapitäne soeben an Bord zurückgekehrt, nachdem sie zuvor einen großen dramatischen Tanz mit angesehen hatten, der von den vornehmsten Frauenzimmern der Insel aufgeführt worden war. Die Hitze hielt den Rest des Tages an, so daß wir erst bei Sonnenuntergang wieder an Land gehen konnten. Wir stiegen am Wasserplatz aus, wo sich ein kleines Tupapau befand, in dem auf einem Gerüst ein toter Körper lag. Ich hatte bisher weder hier noch auf anderen Inseln tote Körper auf eine so sorglose Weise der Verwesung überlassen gefunden und wunderte mich auch nicht wenig, daß der ganze Boden ringsumher voller Totenköpfe und Totenknochen lag. Ich strich eine ganze Zeitlang umher, ohne jemand anzutreffen, denn wie ich nachher erfuhr, hatten sich die Insulaner sämtlich bei der Wohnung des Befehlshabers eingefunden, wo durch die Trommeln das Zeichen zu einem abermaligen Hiva oder öffentlichen Tanz gegeben worden war. Der stille Abend und die Schönheit des Landes machten mir diesen Spaziergang überaus angenehm, und die Abwesenheit der Bewohner brachte eine so einsame Stille zuwege, daß ich auf einer verzauberten Insel zu sein glaubte.
Orea und sein Sohn kamen am anderen Morgen an Bord, frühstückten mit uns und gingen nach reichlicher Erwiderung ihrer Geschenke an Land zurück. Wir wurden von ihm eingeladen, an einem Hiva teilzunehmen, welches uns desto lieber war, als wir dergleichen noch nicht gesehen hatten. Der Schauplatz war ein ebener Wiesengrund, der zwischen zwei Häusern lag, die gegen den Platz hin offen waren und eine Menge Zuschauer fassen konnten. Der Boden war mit drei großen Teppichen belegt. An der offenen Seite des kleineren Hauses standen drei aus hartem Holz geschnitzte und mit Haifischhaut überzogene Trommeln, die von vier bis fünf Leuten nur mit den Fingern, aber mit großer Geschicklichkeit geschlagen wurden. Nachdem wir eine ganze Weile unter den vornehmen Damen gesessen hatten, erschienen die Aktricen. Eine von ihnen war Poyadua, Oreas schöne Tochter, und die zweite eine große Frau, schön von Gesicht und Farbe. Sie hatten ein Stück Tuch um die Brust geschlagen, das unseren glatt anliegenden Damenkleidern recht ähnlich war. Um die Hüften war eine Wulst ihres einheimischen Zeuges, wechselweise von roter und weißer Farbe, mit einem Strick festgegürtet. Von da hing eine Menge weißen Zeuges bis auf die Füße herab. Hals, Schultern und Arme waren nackt, auf dem Kopfe aber trugen sie eine Menge von Flechten aufgetürmt, an der Vorderseite dieses Turbans steckten weiße Blumen, die einen so schönen Effekt machten wie weiße Perlen. Die Tänzerinnen bewegten sich nun nach dem Schall der Trommeln und unter Anleitung eines alten Mannes, der mittanzte und einige Worte hören ließ, die wir für eine Art Gesang hielten. Sie machten verschiedene Stellungen und allerlei Bewegungen mit den Händen, darunter wohl manche etwas frei, jedoch bei weitem nicht so unanständig wie manches, was die keuschen Augen der englischen Damen in der Oper nur durch den Fächer zu sehen gezwungen sind. In ihrer Art, die Arme zu bewegen, ist viel Grazie, und in dem ständigen Spiel ihrer Finger etwas ungemein Zierliches. Das einzige, was mit unseren Begriffen von Schönheit, Anstand und Harmonie nicht übereinstimmt, war die häßliche Gewohnheit, den Mund auf eine abscheuliche Art zu verzerren. Nachdem sie etwa zehn Minuten getanzt hatten, begaben sie sich in eine Hütte, und fünf in Matten gehüllte Männer traten nun auf, um eine Art von Drama vorzuführen. Dies bestand wechselweise in unanständigem Tanzen und einer Unterredung, wobei sie einzelne Worte überlaut hinausschrien. Dann kündigten die Trompeten den zweiten Akt an, der von zwei Frauen ähnlich wie der erste ausgeführt wurde, dann traten die Mannspersonen abermals auf, und endlich beschlossen die Tänzerinnen das Schauspiel mit einem vierten Tanzakt. Dann setzten sie sich ganz ermattet und in heftiger Transpiration nieder. Die Offiziere beider Schiffe und auch wir überhäuften die Tänzerinnen mit Korallen und anderem Putzwerk.
Am 14., bei Anbruch des Tages, sandten die Kapitäne jeder ein Boot nach der Insel Tahaa, die innerhalb desselben Felsenriffs wie Raiatea liegt. Sie hofften dort einen Vorrat von Früchten zu bekommen, Dr. Sparman, mein Vater und ich wollten die Gelegenheit, diese Insel kennenzulernen, nicht verpassen und gingen mit. Während ihrer Abwesenheit bat Orea uns zu Gast. Die Kapitäne und einige Offiziere und Passagiere, unter denen auch ich war, gingen zu Mittag an Land, wohlversehen mit Pfeffer, Salz, Messern, Gabeln und einigen Flaschen Wein. Bei der Ankunft im Hause unseres Wirtes fanden wir den Boden mit Blättern bestreut. Rund um diese nahmen wir mit den Vornehmsten des Landes unsere Plätze ein. Wir hatten nicht lange gegessen, als ein Insulaner hereinkam, der ein gebratenes Schwein, in Pisangblätter gewickelt, auf den Schultern trug und mitten vor uns hinwarf. Ein zweiter brachte ein kleineres Schwein, und diesem folgten verschiedene andere mit Körben voll Brotfrucht, Bananen und gegorenem Brotfruchtteig, Mahei genannt. Der Wirt bat, wir möchten uns selbst bedienen, worauf in kurzer Zeit beide Schweine zerlegt waren. Nun drängten sich die Leute herbei, die Frauen und überhaupt alles gemeine Volk bettelten um Schweinebraten, doch teilte jeder, der etwas bekam, seinen Nachbarn redlich davon mit, ja sie reichten es bis ans äußerste Ende des Haufens, von woher die Leute wegen des Gedränges nicht herankommen konnten. Die Männer verzehrten ihren Anteil sogleich mit großem Appetit, die Frauen wickelten ihre Portionen in Blätter und verwahrten sie, bis sie allein sein würden. Gegen Ende der Mahlzeit kamen unsere Weinflaschen dran, und Freund Orea ließ sich sein Gläschen schmecken, ohne die Augen zu verdrehen, worüber wir uns um so mehr wunderten, als die Insulaner sonst überall einen Widerwillen gegen unsere starken Getränke gezeigt hatten. Doch haben sie ein berauschendes Getränk, von dem besonders einige alte Oberhäupter viel halten. Es wird aus dem Saft einer Pfefferbaumwurzel, Kawa genannt, auf eine höchst ekelhafte Weise gewonnen. Nachdem die Wurzel in Stücke geschnitten ist, wird sie von einigen Leuten vollends klein gekaut und die mit Speichel durchweichte Masse in ein großes Gefäß voll Wasser oder Kokosmilch gespuckt. Dieser ungemein appetitliche Brei wird hierauf durch Kokosnußfasern geseiht und sorgfältig ausgedrückt, damit der Saft sich vollends mit der Kokosnußmilch vermischt. Zuletzt wird der Trank in eine andere große Schale abgeklärt und ist alsdann zum Gebrauch fertig. Dies häßliche Gemansch trinken sie mit ungemeiner Gier, und einige alte Säufer tun sich nicht wenig darauf zugute, daß sie viele Schalen davon leeren können. Die Völlerei bleibt indessen gleich jeder anderen Ausschweifung nicht ungestraft. Die Alten, die diesem Laster anhängen, sind dürr und mager, haben eine schuppige, schäbige Haut, rote Augen und rote Flecken am ganzen Leibe. All dieses sind, ihrem Geständnis nach, unmittelbare Folgen des Suffs.
Sobald wir gespeist hatten, machten sich unsere Matrosen und Bedienten mit den übriggebliebenen Brocken lustig, und die Insulaner machten nun ihnen den Hof. Die Matrosen waren aber nur den hübschen Mädchen gegenüber gefällig und verlangten für jeden Bissen Fleisch bald diese, bald jene Unanständigkeit. Um die Freuden dieses Tages vollkommen zu machen, befahl Orea, daß ein Hiva aufgeführt werden sollte. Bei diesem wurden wir in die Kulissen gelassen, damit wir sehen konnten, wie sich die Tänzerinnen ankleideten. Diese Erlaubnis brachte ihnen manches kleine Geschenk ein, so kamen wir zum Beispiel auf den Einfall, ihren Kopfschmuck durch verschiedene Schnüre von Korallen zu verschönern, womit sie sehr zufrieden waren. Unter den Zuschauern befanden sich einige der größten Schönheiten des Landes, vornehmlich war eine von ihnen viel weißer von Farbe. Ihre schönen schwarzen Augen und Haare kontrastierten damit vortrefflich. Man huldigte ihrer Schönheit auch bald durch allerlei kleine Geschenke, allein statt sich damit zu begnügen, wurde ihre Liebe zu Putz und Flitterwerk nur desto mehr erregt, und sie plagte damit einen jeden. Einer von uns hielt zufällig ein kleines Vorhängeschloß in den Händen. Kaum fiel ihr dieses in die Augen, so verlangte sie es zu haben. Der Besitzer war aber so leichtfertig, es ihr ins Ohr zu hängen mit der Versicherung, daß es daran getragen werden müsse. Eine Zeitlang war sie auch mit dem neuen Putz zufrieden, aber es dauerte nicht lange, so fand sie, daß es zu schwer und schmerzhaft sei. Nun warf er den Schlüssel weg und gab ihr zu verstehen, sie solle es zur Strafe für ihr ungestümes Betteln am Ohr behalten. Darauf weinte sie und bat einen nach dem anderen, sie von dem Schloß zu befreien, allein es ging nicht, weil kein Schlüssel dazu da war. Sie wandte sich nun an den Befehlshaber, und dieser legte ein Wort für das Mädchen ein und bot Zeug, Räucherholz und Schweine als Lösegeld, aber alles umsonst. Endlich fand man doch einen Schlüssel, und damit wurde dem Wehklagen des armen Mädchens ein Ende gemacht. Dieser Vorfall hatte aber die gute Wirkung, daß sie und andere Frauen von der Gewohnheit des Bettelns abließen. Mit der gastfreien Aufnahme unseres Wirtes und dem guten Betragen des übrigen Volkes war dieser Tag recht vergnügt vergangen, so daß wir gegen Abend sehr vergnügt an Bord zurückkehrten.
Desto mehr befremdete es uns, daß sich am folgenden Morgen nicht ein einziges Kanu bei dem Schiffe sehen ließ. Um die Ursache zu erfahren, eilten wir nach Oreas Hause, fanden es aber von ihm und seiner ganzen Familie verlassen. Schließlich erfuhren wir von einigen Insulanern, Orea habe sich nach dem Nordende der Insel begeben aus Furcht, wir würden ihn gefangennehmen. Je weniger wir begreifen konnten, was diese unbegründete Besorgnis veranlaßt haben könnte, desto mehr eilten wir, ihm diese zu nehmen. Wir fuhren einige Meilen längs der Küste bis nach dem Ort, wohin er geflüchtet war. Hier fanden wir alles um ihn her in Tränen. Oreas Verwandte klagten uns, Kapitän Cook werde sie gefangennehmen, um ihre Landsleute zu zwingen, unsere nach Tahaa entlaufenen Matrosen wieder herbeizubringen. Nun erkannten wir ihren Irrtum und erklärten ihnen, diese Leute seien keineswegs entlaufen, sondern würden heute noch zurückkommen.
Als wir nun mit Oreas Familie in einem Kreise beisammen saßen, kam Porea, unser Tahitier, der mit uns nach England gehen wollte, zum Kapitän gelaufen, händigte ihm das Pulverhorn aus und sagte, er werde sogleich wiederkommen. Wir warteten lange vergebens und mußten endlich ohne ihn auf das Schiff zurückkehren, bekamen ihn auch nie wieder zu Gesicht. Nach Tische begleitete ich den Kapitän abermals, um Orea einen Besuch abzustatten. Bei dieser Gelegenheit wandte sich ein junger Mensch an mich und bat, ihn mit nach England zu nehmen. Er hieß Hedidi, war ungefähr siebzehn Jahre alt und schien, der Farbe und Kleidung nach, von guter Herkunft zu sein. Ich stellte ihn dem Kapitän vor, der ohne Schwierigkeit in sein Verlangen einwilligte. Hierauf kehrten wir alle an Bord zurück, und noch vor Sonnenuntergang trafen auch die nach Tahaa abgeschickten Boote mit einer Ladung Bananen, Kokosnüsse und auch einigen Schweinen ein.
Am folgenden Morgen kam Orea nebst seiner Familie und anderen Personen, um Abschied zu nehmen. Der größte Teil ihres Zuspruchs galt aber unserem neuen Reisegefährten Hedidi. Alle seine Freunde und Bekannten drängten sich herbei und brachten ihm eine Menge Zeug und Proviant für die Reise, Oreas Tochter, die bisher nie gewagt hatte, uns zu besuchen, kam ebenfalls an Bord, um sich vom Kapitän die grüne Zeltdecke unseres Bootes auszubitten. Sie erhielt eine Menge Geschenke, in der Hauptsache aber konnte der Kapitän ihr nicht willfahren. Die Insulaner ließen sich zu guter Letzt den Handel noch recht angelegen sein und verkauften uns viel Handwerkszeug, Hausrat und dergleichen. Als wir unter Segel gingen, verließen sie uns in großer Betrübnis. Ihre Tränen schienen manchem von uns vorzuwerfen, daß er unempfindlich sei, und in der Tat scheint man bei unserer Erziehung den natürlichen Bewegungen des Herzens zuviel Einhalt zu tun; man will, daß wir uns ihrer in den meisten Fällen schämen sollen, und darüber werden sie unglücklicherweise ganz unterdrückt. Auf diesen Inseln hingegen lassen die unverdorbenen Kinder der Natur allen ihren Empfindungen freien Lauf und freuen sich ihrer Neigung für den Mitmenschen.