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Redactionszimmer der Union.
Bolz aus der Thür links, gleich darauf Müller
Bolz (zur Mittelthür). Herein mit dem Tisch!
Müller (trägt einen kleinen gedeckten Tisch mit Weinflaschen, Gläsern und Tellern nach dem Vordergrund links, rückt fünf Stühle, sprechend:) Herr Piepenbrink läßt sich empfehlen und sagen, der Wein wäre von dem gelbgesiegelten, und wenn der Herr Doctor Gesundheiten tränke, möchte er auch Herrn Piepenbrinks Gesundheit nicht vergessen. Er war sehr fidel, der dicke Herr. Und Madame Piepenbrink erinnerte ihn daran, daß er auf die Union abonniren sollte; er trug mir auf, das zu bestellen.
Bolz (welcher unterdeß in Papieren geblättert, aufstehend). Her den Wein! (Müller gießt in ein Glas.) Dem würdigen Weinschenk zu Ehren! (trinkt) Ich habe ihn leichtfertig behandelt, aber sein Herz hat sich als treu bewährt. Sagen Sie ihm, die Gesundheit sei nicht vergessen worden. Hier die Flasche für Sie! – Jetzt trollt euch! (Müller ab, Bolz die Thür links öffnend:) Kommt, ihr Herren, heut löse ich mein Wort.
Kämpe, Bellmaus, Körner.
Hier ist das versprochene Frühstück. – Und jetzt, ihr allerliebsten Eintagsfliegen, schnell! malt eure Backen und eure Laune so rosafarben, als eurem Witze nur möglich ist. (einschenkend) Der große Sieg ist erfochten, die Union hat einen der edelsten Triumphe gefeiert; noch in späten Jahrhunderten werden verspätete Enkel staunend sagen: das waren glorreiche Tage und so weiter, Fortsetzung siehe in der heutigen Nummer der Zeitung. – Bevor wir uns setzen, den ersten Toast –
Kämpe. Der erwählte Deputirte –
Bolz. Nein, der erste Toast gilt der gemeinsamen Mutter, der großen Macht, welche Deputirte hervorbringt: die Zeitung, sie florire!
Alle. Hoch! (stoßen an.)
Bolz. Hoch! und zum zweiten lebe – halt, der Deputirte selber fehlt noch.
Kämpe. Da kommt er.
Oldendorf.
Bolz. Der Abgeordnete unserer ehrwürdigen Stadt, Chefredacteur und Professor, Journalist und brave Mann, welcher gegenwärtig zürnt, daß hinter seinem Rücken Allotria in die Zeitung gesetzt worden sind, er lebe hoch!
Alle. Hoch!
Oldendorf (freundlich). Ich danke den Herren.
Bolz (Oldendorf nach dem Vordergrund ziehend, bei Seite). Und du bist nicht mehr böse.
Oldendorf. Deine Meinung war gut, aber es war eine große Indiscretion.
Bolz. Denke nicht mehr daran! – (laut) Hier, nimm das Glas, setze dich zu uns. Sei nicht stolz, junger Staatsmann, heut gehörst du uns. So, hier sitzt die Redaction. Wo ist der würdige Herr Henning, wo steckt der Eigenthümer, Drucker und Verleger Gabriel Henning?
Bellmaus. Wir haben ihn überall gesucht, er ist nirgend zu finden.
Kämpe. Ich begegnete ihm vorhin auf der Treppe, er schlich so scheu an mir vorüber, wie Jemand, der einen dummen Streich gemacht hat.
Bolz. Wahrscheinlich geht es ihm wie Oldendorf, er ist wieder einmal unzufrieden mit der Haltung des Blattes.
Müller.
Müller (den Kopf hereinsteckend). Hier die Zeitungen und Postsachen.
Bolz. Dorthin! (Müller tritt herein, legt die Papiere auf den Arbeitstisch).
Müller. Hier ist der Coriolan. Es steht etwas über unsere Zeitung darin, der Laufbursche des Coriolan grinste mich höhnisch an und empfahl mir den Artikel zur Durchsicht.
Bolz. Geben Sie her! Still, römisches Volk, Coriolan spricht. – Alle Teufel, was soll das? (liest) »Aus der besten Quelle erfahren wir soeben, daß dem Zeitungswesen unserer Provinz eine große Veränderung bevorsteht. – Unsere Gegnerin, die Union, wird aufhören, ihre maßlosen Angriffe gegen alles Hohe und Heilige zu richten.« – Dies Hohe und Heilige heißt Blumenberg. – »Das Eigenthumsrecht an derselben soll in andere Hände übergegangen sein, und es ist sichere Aussicht, daß wir in diesem vielgelesenen Blatt von jetzt ab einen Verbündeten begrüßen werden.« – Wie schmeckt das, ihr Herren?
Müller. Donnerwetter!
Kämpe (zugleich). Das ist Unsinn!
Bellmaus (zugleich). Das ist eine Lüge!
Oldendorf. Das ist wieder eine von den abenteuerlichen Erfindungen des Blumenberg.
Bolz. Dahinter steckt was. Holt mir den Gabriel Henning her! (Müller ab.) Dieser Eigenthümer hat den Verräther gespielt, wir sind vergiftet, (aufspringend) und dies ist das Gastmahl der Borgia. Nächstens treten die Barmherzigen Brüder herein und singen unser Totenlied. – Thut mir den Gefallen und eßt wenigstens die Austern auf, bevor es zu spät wird.
Oldendorf (der das Blatt ergriffen hat). Offenbar ist diese Nachricht nichts als ein unsicheres Gerücht. Henning wird uns sagen, daß nichts daran ist. Sieh du keine Gespenster und setze dich zu uns.
Bolz (sich setzend). Ich setze mich, aber nicht, weil ich deinen Worten glaube, sondern weil ich das Frühstück nicht im Stich lassen will. Schafft den Henning her, er soll Rede stehen.
Oldendorf. Du hörst ja, er ist nicht zu Hause.
Bolz (eifrig essend). O du wirst furchtbar erwachen, kleiner Orsina! – Bellmaus, gieße mir ein. – Wenn die Geschichte aber nicht wahr ist, wenn dieser Coriolan gelogen hat, bei diesem Purpur im Glase sei's geschworen! so will ich sein Mörder werden. Die grimmigste Rache, die je ein beleidigter Journalist genommen, soll auf sein Haupt fallen, er soll an Nadelstichen verbluten, jeder Mops auf der Straße soll ihn verächtlich ansehen und sagen: Pfui, Coriolan, von Ihnen nehme ich keinen Bissen an, und wenn's Wurst wäre. – (Es klopft, Bolz legt das Messer hin.) Memento mori! Das sind unsere Totengräber. – Noch die letzte Auster. Und dann lebe wohl, du schöne Welt!
Justizrath Schwarz, Senden (aus der Thür links; die Thür bleibt offen).
Schwarz. Ergebener Diener, meine Herren.
Senden. Verzeihung, wenn wir stören.
Bolz (sitzend am Tisch). Nicht im geringsten. Dies ist unser gewöhnliches Frühstück, contractlich auf ein Jahr ausgemacht, fünfzig Austern und zwei Flaschen täglich für jeden Mitarbeiter. Wer die Zeitung kauft, muß es liefern.
Schwarz. Was uns herführt, Herr Professor, ist eine Mittheilung, welche Ihnen zuerst Herr Henning hätte machen sollen. Er hat es vorgezogen, mich damit zu beauftragen.
Oldendorf. Ich erwarte Ihre Mittheilung.
Schwarz. Herr Henning hat vom gestrigen Tage alle Rechte, welche ihm als Eigenthümer der Zeitung »Union« zustehen, durch Verkauf an mich übertragen.
Oldendorf. An Sie, Herr Justizrath?
Schwarz. Ich gestehe, daß ich nur als Bevollmächtigter eines Dritten gekauft habe. Hier ist der Kaufvertrag; es ist kein Geheimniß darin. (Ueberreicht ein Papier.)
Oldendorf (durchsehend, zu Bolz). Es ist ein notarieller Vertrag in aller Form, – verkauft für dreißigtausend Thaler. – (Aufregung unter den Mitarbeitern.) Erlauben Sie mir auf den Kern der Sache zu gehen. Soll mit diesem Wechsel des Eigenthümers auch eine Aenderung in der politischen Haltung des Blattes verbunden sein?
Senden (hervortretend) Allerdings, Herr Professor, das war bei dem Kaufe die Meinung.
Oldendorf. Sehe ich vielleicht in Ihnen den neuen Eigenthümer?
Senden. Das nicht, aber ich habe die Ehre ihm befreundet zu sein. Sowohl Sie selbst als diese Herren haben das Recht zu verlangen, daß Ihre Contracte erfüllt werden. Ihre Contracte lauten, wie ich höre, auf halbjährige Kündigung. Es versteht sich, daß Sie bis zum Ablauf dieser Zeit Ihren Gehalt fortbeziehen.
Bolz (aufstehend). Sie sind sehr gütig, Herr von Senden. Unsere Contracte geben uns das Recht, die Zeitung ganz nach unserm Ermessen zu redigiren und sowohl die Haltung als die Parteistellung des Blattes selbständig zu handhaben. Wir werden daher bis zum Ablauf des nächsten Halbjahres nicht nur unsere Gehalte fortbeziehen, sondern auch die Zeitung selbst zum Besten der Partei fortführen, welcher anzugehören Sie nicht die Ehre haben.
Senden (heftig). Wir werden Mittel finden, dem zu begegnen.
Oldendorf. Beruhigen Sie sich! Eine solche Thätigkeit wäre kaum unser würdig. Ich erkläre unter solchen Umständen, daß ich die Redaction mit dem heutigen Tage niederlege und Sie aller Verpflichtungen gegen mich entbinde.
Bolz. Meinetwegen, es sei. Ich erkläre dasselbe.
Bellmaus, Kämpe, Körner. Wir auch!
Senden (zu Schwarz). Sie sind Zeuge, daß die Herren freiwillig auf ihre Rechte verzichten.
Bolz (zu den Mitarbeitern). Halt, meine Herren, sein Sie nicht zu hochherzig. Es ist in der Ordnung, daß Sie sich nicht weiter an dem Blatt betheiligen, wenn Ihre Freunde zurücktreten. Wozu wollen Sie aber Ihre Geldansprüche an den neuen Besitzer aufgeben?
Bellmaus. Ich will lieber nichts von ihnen annehmen, ich will handeln wie du.
Bolz (ihn streichelnd). Gut gedacht, mein Sohn. Wir wollen uns zusammen durch die Welt schlagen. Was meinst du zu einer Drehorgel, Bellmaus? Wir ziehen damit auf die Messen und singen deine Lieder ab, ich drehe, du singst.
Oldendorf. Da keiner von Ihnen Eigenthümer der Zeitung geworden ist, so werden Sie zum Schluß dieser Verhandlung noch die Frage natürlich finden, an wen wir unsere Rechte abgetreten haben?
Senden. Der gegenwärtige Besitzer der Zeitung ist –
Oberst aus der Seitenthür links.
Oldendorf (erschrocken zurücktretend). Herr Oberst?
Bolz. Ah, jetzt wird die Sache hochtragisch.
Oberst (zu Oldendorf tretend). Vor allem, Herr Professor, nehmen Sie die Ueberzeugung, daß ich dieser ganzen Angelegenheit fremd bin und nur auf den Wunsch des Käufers hierher komme. Erst hier habe ich erfahren, worum es sich handelt. Ich hoffe, daß Sie mir das glauben werden.
Bolz. Ich aber finde dies Spiel unpassend und bestehe darauf, zu erfahren, wer der neue Eigenthümer ist, der sich so geheimnißvoll hinter verschiedenen Personen verbirgt.
Adelheid.
Adelheid (aus der Seitenthür links eintretend). Er steht vor Ihnen.
Bolz. Ich wünsche in Ohnmacht zu fallen.
Bellmaus. Das ist ein göttlicher Witz!
Adelheid (sich verneigend). Ich grüße Sie, meine Herren! (zu den Mitarbeitern) Habe ich Recht, wenn ich annehme, daß diese Herren bis jetzt bei der Redaction beschäftigt gewesen sind?
Bellmaus (eifrig). Ja wohl, gnädiges Fräulein! Herr Kämpe für leitende Artikel, Herr Körner für die französischen und englischen Correspondenzen, und ich für Theater, Musik, bildende Kunst und Allerlei.
Adelheid. Ich werde mich sehr freuen, wenn Ihre Grundsätze Ihnen erlauben sollten, auch ferner Ihr Talent meiner Zeitung zu gönnen. (Die drei Mitarbeiter verbeugen sich.)
Bellmaus (die Hand auf's Herz legend). Gnädiges Fräulein, unter Ihrer Redaction bis an das Ende der Welt!
Adelheid (lächelnd und verbindlich). Ach nein – nur bis in jenes Zimmer (weist auf die Thür rechts). Ich brauche eine halbe Stunde, um mich für meine neue Thätigkeit zu sammeln.
Bellmaus (im Abgehen). Das wird eine ausgezeichnete Geschichte! (Bellmaus, Kämpe, Körner ab.)
Adelheid. Herr Professor, Sie haben die Leitung der Zeitung mit einer Bereitwilligkeit niedergelegt, welche mich entzückt. (Mit Bedeutung) Ich wünsche die Union auf meine Weise zu redigiren (faßt seine Hand und führt ihn zum Obersten). Herr Oberst, er ist nicht mehr Redacteur; wir haben ihn überlistet, Sie haben Ihre Satisfaction.
Oberst (die Arme ausbreitend). Kommen Sie, Oldendorf! – Was geschehen ist, that mir leid seit der Stunde unserer Trennung.
Oldendorf. Mein verehrter Freund!
Adelheid (auf die Thür links deutend). Dort drinnen ist noch Jemand, welcher an der Versöhnung Theil zu nehmen wünscht. Vielleicht ist's Herr Gabriel Henning.
Ida.
Ida (an der Seitenthür). Eduard! (Oldendorf eilt zur Thür, Ida ihm entgegen, er umarmt sie. Beide ab nach links, der Oberst folgt.)
Adelheid (artig). Bevor ich Sie, Herr von Senden, ersuche, sich für die Redaction der Zeitung zu interessiren, bitte ich Sie, diese Correspondenz durchzulesen, welche ich als einen Beitrag für mein Blatt erhalten habe.
Senden (wirft einen Blick hinein). Mein Fräulein, ich weiß nicht, wessen Indiscretion –
Adelheid. Fürchten Sie keine von meiner Seite, ich bin Zeitungsbesitzerin und (mit Beziehung) werde das Redactionsgeheimnis bewahren.
Senden (verbeugt sich).
Adelheid. Darf ich Sie um das Document bitten, Herr Justizrath? Und wollen die Herren die Güte haben, den Verkäufer über den Ausgang des Geschäftes zu beruhigen? (Verbeugungen. Senden und Schwarz ab.)
Adelheid, Bolz.
Adelheid (nach einer kleinen Pause). Nun, Herr Bolz, was soll ich mit Ihnen anfangen?
Bolz. Ich bin auf Alles gefaßt; ich wundre mich über nichts mehr. – Wenn nächstens Jemand ein Capital von hundert Millionen darauf verwendet, alle Neger mit weißer Oelfarbe anzustreichen, oder Afrika viereckig zu machen, mich soll's nicht wundern. Wenn ich morgen als Uhu aufwache, mit zwei Federbüscheln statt Ohren und mit einer Maus im Schnabel, ich will zufrieden sein und denken, es sind schon mehr Schlechtigkeiten vorgefallen.
Adelheid. Was haben Sie, Konrad? Sind Sie unzufrieden mit mir?
Bolz. Mit Ihnen? Sie sind großmüthig gewesen wie immer; nur zu großmüthig! Und Alles wäre recht schön, wenn nur diese ganze Scene nicht möglich gewesen wäre. Dieser Senden!
Adelheid. Er wird nicht wieder kommen. – Konrad, ich halte zur Partei!
Bolz. Triumph! ich höre unzählige Engel Posaune blasen! Ich bleibe bei der Union!
Adelheid. Darüber habe ich nicht mehr zu entscheiden. Denn ich muß Ihnen noch ein Geständniß ablegen. Auch ich bin nicht der wirkliche Eigenthümer der Zeitung.
Bolz. Nicht? – Nun bei allen Göttern, mein Witz ist zu Ende, dieser Eigenthümer wird mir allmählich gleichgültig. Ob er ein Mensch, ein Irrwisch oder Teufel Beelzebub selber ist, ich biete ihm Trotz!
Adelheid. Er ist eine Art Irrwisch, er ist ein klein wenig Teufel, und vom Kopf bis zur Zeh ist er ein großer Schelm. Denn Konrad, mein Freund, Geliebter meiner Jugend, Sie sind es selbst! (gibt ihm das Document.)
Bolz (eine Weile starr, liest). Abgetreten an Konrad Bolz – richtig! – Das wäre so eine Art Geschenk. – Kann nicht angenommen werden, ist viel zu wenig. (wirft das Papier zur Seite.) Hebe dich weg von mir, Ueberlegung! (fällt vor Adelheid auf die Knie) Hier knie ich, Adelheid! Was ich rede, weiß ich vor Entzücken nicht, denn die ganze Stube tanzt um mich herum. Wenn du mich zum Mann nehmen wolltest, so thätest du mir den größten Gefallen von der Welt! Willst du mich nicht, so gib mir einen Backenstreich und jage mich fort.
Adelheid (sich zu ihm neigend). Ich will dich – (ihn küssend) Diese Wange war's.
Bolz (aufspringend). Und dieser Mund ist's. (Küßt sie, sie halten sich umarmt, kleine Pause.)
Oberst, Ida, Oldendorf.
Oberst (erstaunt an der Thür). Was ist das?
Bolz. Herr Oberst, es geschieht unter Verantwortlichkeit der Redaction.
Oberst. Adelheid, was seh' ich?
Adelheid (die Hand nach dem Obersten ausstreckend). Mein Freund! Die Braust eines Journalisten!
(Indem Ida und Oldendorf von beiden Seiten zu dem Paar eilen, fällt der Vorhang.)