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Seit dem Ausbruch der Zwistigkeiten in Amerika zwischen Frankreich und England droht für Europa, insbesondere für Deutschland, ein Krieg mit all dem Elend, das er nach sich zieht. Der König von Preußen hat als einer der vornehmsten Reichsfürsten keine Mühe gescheut, den Sturm zu beschwören. Namentlich in der Absicht, Deutschland vor den Plagen eines Krieges zu behüten, hat Seine Majestät einen Neutralitätsvertrag mit dem König von England geschlossen. Es war anzunehmen, daß der Kaiser als Reichsoberhaupt zu einem für das gemeinsame Vaterland so heilsamen Zweck beitragen müßte. Jedoch ergriff der Wiener Hof aus weiterhin zu erörternden Gründen ganz andere Maßregeln. Er schloß ein Defensivbündnis mit dem französischen Hofe, und da er hierdurch Flandern und Italien gesichert wußte, glaubte er, den König von Preußen angreifen zu können, wider Treu und Glauben der Verträge und trotz der feierlichen Versprechungen und Garantien für Schlesien, die dem König im Frieden von Aachen (1748) gegeben worden. Auch damit noch nicht zufrieden, hat der Wiener Hof seit dem Aachener Frieden nicht aufgehört, Rußland gegen Preußen aufzustacheln. Er war es, der die Abberufung der Gesandten veranlaßte. Er verstand es, beide Höfe durch unwürdige Täuschungen völlig zu entzweien, wiewohl es im Grunde keine Streitfragen zwischen ihnen gibt. Er war es, der die Kaiserin von Rußland zu fortwährenden kriegerischen Demonstrationen an der preußischen Grenze veranlaßte, in der Hoffnung, der Zufall würde eine Gelegenheit zum offenen Bruch zwischen beiden Mächten herbeiführen.
Soviel von den geheimen Machenschaften. Was die Vorgänge im Angesicht der ganzen Welt betrifft, so ist durch den Breslauer Frieden (1742) festgesetzt, daß beide Kontrahenten ihre gegenseitigen Handelsbeziehungen auf dem Fuße von 1739 belassen und künftig versuchen sollen, die Interessen ihrer Staaten durch eine von beiden Höfen eingesetzte Kommission zu regeln. Ein anderer Artikel bestimmte, daß beide Mächte die auf Schlesien ruhenden Schulden nach Maßgabe ihres beiderseitigen Besitzanteils tilgen sollen. Beides mußte gleichzeitig geregelt werden. Aber der Wiener Hof hat unter Nichtachtung der Verträge auf alle schlesischen Erzeugnisse einen Zoll von 30 Prozent gelegt. Obwohl mehrere preußische Kommissare während ihres Aufenthalts in Wien Vorstellungen erhoben, hat der Wiener Hof jede Art von gütlicher Schlichtung ausgeschlagen, ja kurz nach der Unterzeichnung des Versailler Vertrages den Zoll auf alle schlesischen Waren auf 60 Prozent erhöht.
Diese Tatsachen werden hierdurch zur öffentlichen Kenntnis gebracht, damit jedermann über das Benehmen des Wiener Hofes Bescheid weiß. Alle Mächte, die mit dem Wiener Hof über Interessenfragen zu verhandeln hatten, werden in solchen Zügen dessen gewohntes Verfahren erkennen. Jetzt, wo der Wiener Hof sich mit einer der Mächte verbündet, die den Westfälischen Frieden garantiert haben, glaubt er, er könne ungestraft alle Reichsgesetze übertreten, die evangelische Freiheit unterdrücken, seinen Despotismus in Deutschland aufrichten, die souveränen Fürsten zu Vasallen im Stil böhmischer Grafen machen, kurz, den Plan ausfuhren, den Kaiser Ferdinand II. verwirklicht hätte, wäre nicht ein Herzog von Richelieu und ein König Gustav Adolf von Schweden gewesen.
Das Wiener Ministerium glaubt, wenn es erst den König von Preußen gedemütigt habe, werde das übrige ihm leicht fallen. Demzufolge hat es sich zur Ausführung seines Vorhabens gerüstet. Seit dem Frühjahr haben starke Aushebungen stattgefunden; die Kavallerie hat Remonten erhalten. Im Mai wurde bestimmt, daß ein Lager von 60 000 Mann in Böhmen und eins von 40 000 Mann in Mähren errichtet werden sollte. Große Vorräte an Kriegsmunition sind in Prag und in Olmütz angehäuft worden. Im Juni erfolgte ein Ausfuhrverbot für Getreide; die Kriegskommissare erhielten Befehl, sich über die Ankäufe mit dem Lande zu verständigen. Im Juli wurden Truppen aus Ungarn nach jenen Lagern geschickt. Das Kriegskommissariat hat bereits mit der Anlage von Magazinen an der sächsischen Grenze begonnen. Da große Heere zusammengezogen, Magazine errichtet und irreguläre Truppen aufgebracht werden, so ist es offenbar, daß dies nicht zur Bildung von Friedenslagern geschieht, wie es seit dem letzten Kriege Brauch ist, sondern zum Angriff auf den König von Preußen und, wenn möglich, zum plötzlichen Überfall. Der Angreifer ist aber nicht der, der den ersten Schuß tut, sondern der, der den Plan faßt, seinen Nachbarn anzugreifen und dies offen durch seine drohende Haltung kundgibt.
Da der König sich also am Vorabend eines Angriffs von Seiten der Kaiserin-Königin sieht, hielt er es im Interesse seiner Würde und Sicherheit für geboten, einem Feind zuvorzukommen, der ihm und dem ganzen Deutschen Reiche den Untergang geschworen hat. Der König hält sich für berechtigt zum Gebrauch der Macht, die ihm der Himmel gegeben hat, um Gewalt der Gewalt entgegenzusetzen, die Anschläge seiner Feinde zu vereiteln und die Sache des Protestantismus und der deutschen Freiheit vor den Unterdrückungsgelüsten des Wiener Hofes zu schirmen.
Gegen Ende März 1757 bezogen die preußischen Truppen Kantonnementsquartiere. Sie waren in vier Korps geteilt. Prinz Moritz führte den Oberbefehl bei Zwickau. Der König stand mit der Hauptarmee zwischen Dresden, Pirna, Berggießhübel und Dippoldiswalde. Bei Zittau hatte der Herzog von Bevern sein Korps aus den Winterquartieren in der Lausitz zusammengezogen. Feldmarschall Schwerin war mit seiner Armee gegen die böhmische Grenze zwischen Glatz, Friedland und Landeshut gerückt. Nach dem Feldzugsplan sollten die vier Korps gleichzeitig in Böhmen eindringen und auf verschiedenen Wegen bei Prag zusammentreffen, das als Vereinigungspunkt galt. Durfte man sich von diesem allgemeinen Vormarsch doch große Verwirrung unter den verschiedenen, in ihren Quartieren verstreuten feindlichen Korps versprechen. Ja, man konnte hoffen, einige von ihnen zu überrumpeln und mit den anderen Gelegenheit zu Sondergefechten zu finden. Rieb man nur einen Teil davon auf, so hätten die Preußen für den ganzen Feldzug das Übergewicht erlangt. Auch konnte es zu einer Entscheidungsschlacht kommen, die das Schicksal des ganzen Krieges bestimmte. Um so wichtiger war die Geheimhaltung des Planes. Gelingen konnte er nur bei völliger Unkenntnis von Seiten der Feinde, des verräterischen sächsischen Hofes und der Armee selbst, die ihn aus Unachtsamkeit verbreitet hätte.
Um Freund wie Feind gleichermaßen irrezuführen, wurde Dresden befestigt und mit Palisaden versehen, kurz, in verteidigungsfähigen Zustand gesetzt. Gleichzeitig ließ der König, wie zur Vorbereitung auf einen Defensivkrieg, rings um Dresden eine Reihe von starken Lagern abstecken: bei Cotta, Maxen und Possendorf, beim Windberg und bei Mohorn. Die dabei verwendeten sächsischen Jäger hatten nichts Eiligeres zu tun, als es dem sächsischen Hofe zu hinterbringen, und die Königin von Polen verfehlte nicht, die Mitteilung sofort an die österreichischen Generale zu befördern. Indessen ließ man es bei diesen auf Täuschung berechneten Demonstrationen nicht bewenden. Um die feindlichen Generale noch mehr in Sicherheit zu wiegen, wurden einige schwache Einfälle in Böhmen gemacht, gewissermaßen zur Vergeltung für die Streifzüge, die der Feind im vergangenen Winter zur Beunruhigung der Preußen in die Lausitz unternommen hatte. Alle diese kleinen Scharmützel wiegten die Kaiserlichen in Sicherheit. Sie redeten sich ein, der König beschränke sich auf kleine Handstreiche und habe nichts Größeres im Sinne.
Die vier preußischen Heeresabteilungen setzten sich teils am 20., teils am 21. April in Marsch. Prinz Moritz drang über Sebastiansberg in Böhmen ein und rückte von da auf Komotau. Der König lagerte bei Nollendorf, schob seine Avantgarde bis Karbitz vor und detachierte von da die Brigade Zastrow zur Besetzung von Aussig und zur Vertreibung der Österreicher aus dem Schlosse von Tetschen. Am nächsten Tage rückte die Armee bis Hlinay vor, wo Prinz Moritz von Brüx her zu ihr stieß (25. April). Beim Anmarsch der Preußen verlegten die Österreicher ihre Quartiere über die Eger zurück. Das Schloß von Tetschen ergab sich erst am 23. April. Leider fand Zastrow dabei den Tod.
Nun überschritt die Armee den Paschkopole, zog durch die Ebene von Lobositz und lagerte bei Trebnitz. Der rechte Flügel lehnte sich an den Paschkopole. Die Hasenburg wurde besetzt. Die Stellung lag der des Feldmarschalls Browne bei Budin gegenüber. Wie man wußte, erwartete Browne für den nächsten Morgen eine österreichische Division, die im Saazer und Egerer Kreis überwintert hatte. Um ihrer Vereinigung zuvorzukommen, ja selbst einen Angriff zu versuchen, bevor sie das Lager von Budin erreichte, beschloß man, die Armee noch in derselben Nacht anderthalb Meilen oberhalb des Browneschen Lagers über die Eger zu werfen. Bot sich dann auch keine Gelegenheit, die Division auf dem Marsche zu schlagen, so wurde Browne durch diese Bewegung doch wenigstens zum Aufgeben seiner umgangenen Stellung gezwungen. Daraufhin schlug man bei Koschtitz zwei Brücken. Sie wurden aber erst am nächsten Morgen so weit fertig, daß die Truppen über die Eger gehen konnten (27. April). Die sofort zur Rekognoszierung vorgeschickten Husaren stießen bei Perutz auf die Division, die sich mit Brownes Heer vereinigen sollte. Indes hatte der Feind vom Übergang der Preußen Kunde erhalten und zog sich auf Welwarn zurück, ohne daß man ihm etwas hätte anhaben können; denn bisher hatte kaum die Hälfte der Armee den Fluß überschritten. Auch hatte Feldmarschall Browne bemerkt, daß seine Stellung umgangen war, und da er begriff, daß eine Vereinigung mit der heranrückenden Division nur beim Rückzug auf Welwarn möglich war, brach er sofort dahin auf. Die preußischen Husaren beunruhigten seine Nachhut und machten einige Gefangene.
Die Armee des Königs lagerte bei Budin und verwandte den folgenden Tag zur Instandsetzung der Egerbrücken, um die Verbindung mit Sachsen zu sichern. Die bedeutenden feindlichen Magazine bei Martinowes, Budin und Charwatetz fielen in die Hände der Preußen, wodurch die Verproviantierung der Truppen bedeutend erleichtert wurde. Von Budin rückten die Preußen auf Welwarn, das der Feind eben geräumt hatte, und schoben eine Avantgarde von 40 Schwadronen und allen Grenadieren der Armee bis nach Tuchomirschitz vor. Der König, der selbst bei der Avantgarde war, sah, daß Brownes Armee sich noch auf dem Marsche befand. Die Nachhut, die den Marschkolonnen folgte, reizte ihn durch ihr unsicheres Benehmen zum Angriff. Zieten führte ihn aus und nahm 300 Mann gefangen. Der Feind hatte sich anfangs auf dem Weißen Berge postiert, verließ ihn aber am 2. Mai. Die preußische Avantgarde besetzte ihn und sah, wie der Feind durch Prag marschierte und ein Lager am jenseitigen Ufer der Moldau aufschlug. Noch am selben Tage besetzte die Armee des Königs die ganze Umgegend der Stadt und schloß sie in eine Art von Ringwall ein. Ihr rechter Flügel lehnte sich an die obere Moldau. Von da zog sich das Lager um St. Rochus, das Kloster St. Maria de Viktoria und Weleslawin bis nach Podbaba an der unteren Moldau.
Während des Vormarsches der vom König geführten Armee war der Herzog von Bevern nicht müßig geblieben. Er war am 20. April in Böhmen eingerückt und hatte seinen Weg über Grottkau und Kratzau auf Machendorf genommen. Unterwegs schlug seine Kavallerie ein österreichisches Detachement unter dem Grafen Königsegg, das zum Rekognoszieren vorgerückt war. Der Feind, dessen Stärke man auf 23 000 Mann schätzte, hatte bei Reichenberg eine vorteilhafte Stellung eingenommen. Am 21. April ging der Herzog von Bevern zum Angriff gegen ihn vor und marschierte in zwei Kolonnen nach Habendorf. Sein Weg führte über einen Damm. Er ließ sich dadurch aber keineswegs aufhalten, da der Feind den Weg nicht mit Musketenfeuer verteidigen konnte. Jenseits des Defilees stand Königseggs Korps in Hufeisenform. In der Mitte hielt die österreichische Kavallerie auf einer kleinen Ebene, zu drei Treffen formiert und von den beiden Infanterieflügeln umfaßt. Diese standen mit dem Rücken an dichte Wälder gelehnt und hatten vor sich an einigen Stellen Verhaue und mit Geschützen besetzte Schanzen, deren Feuer ihre Reiterei deckte.
Der rechte Flügel des Herzogs von Bevern griff den feindlichen linken Flügel an. Zugleich warfen sich 15 preußische Schwadronen auf die in der Ebene stehende Kavallerie und trieben sie in wilder Flucht zurück. Der Prinz von Württemberg verrichtete dabei Wunder der Tapferkeit. Nun griff Lestwitz den rechten feindlichen Flügel und die Schanzen an, die Reichenberg deckten. Obgleich es vorher durch mehrere Defileen mußte, eroberte das Regiment Darmstadt die Schanzen und zwang den Gegner zur Flucht. Er wurde von Höhe zu Höhe bis Röchlitz und Dörfel verfolgt. Aber bei den Schwierigkeiten des bergigen Geländes und bei der Unmöglichkeit, einen in völliger Auflösung fliehenden Feind mit Truppen in geschlossener Ordnung einzuholen, konnte der Herzog von Bevern das feindliche Korps nicht völlig aufreiben. Die Österreicher verloren im Treffen bei Reichenberg etwa 1800 Mann, darunter 800 Gefangene. Dagegen betrugen die preußischen Verluste nicht mehr als 200 Mann, da der Feind keinen hartnäckigen Widerstand geleistet hatte. Der Herzog von Bevern verfolgte Königsegg bis Liebenau. Dort verbot ein unwegsamer Engpaß, hinter dem die Österreicher sich wieder gesammelt hatten, jedes weitere Vordringen.
Auf dieser Seite wäre ein weiterer Vormarsch der Preußen also unmöglich gewesen, wäre Feldmarschall Schwerin nicht rechtzeitig zur Unterstützung herangerückt. Die schlesische Armee drang am 18. April als erste in Böhmen ein, und zwar auf fünf verschiedenen Straßen. Die erste Kolonne marschierte über Schatzlar und hätte dort beinahe die sächsischen Prinzen überrascht. Die zweite stieß auf der Straße nach Goldenöls auf 200 Panduren, die ihr von einer schroffen Felshöhe herab den Durchzug verwehrten. Aber Winterfeldt fand Mittel und Wege, die Felsen durch einige Truppen erklimmen zu lassen. Sie fielen den Panduren in den Rücken und hieben sie sämtlich nieder. Die drei übrigen Kolonnen, die durch die Grafschaft Glatz rückten, trafen auf keinen Feind und vereinigten sich mit den anderen bei Königinhof. Feldmarschall Schwerin hatte bereits Meldung von allem erhalten, was beim Heere des Herzogs von Bevern geschehen war. Deshalb zog er hinter Königsegg her, um ihn in seinem Lager bei Liebenau zu überrumpeln. Aber die Österreicher brachen ihr Lager in aller Hast ab und wollten auf Jung-Bunzlau marschieren. Hier kam ihnen Schwerin indes zuvor und nahm ihnen zugleich ein bedeutendes Magazin fort, das sie in Kosmanos errichtet hatten (26. April). Dort stieß auch das Lausitzer Korps zur schlesischen Armee.
Während Königsegg sich in Eilmärschen auf Prag zurückzog, folgte ihm der Feldmarschall bis Benatek und detachierte von dort aus General Wartenberg, um dem Feind auf den Fersen zu bleiben. Wartenberg vernichtete bei Alt-Bunzlau die 1600 Mann starke österreichische Nachhut, die fast ganz getötet oder gefangen wurde (2. Mai). Aber auch der tapfere General, einer der besten preußischen Reiterführer, kam dabei ums Leben. Er wurde allgemein betrauert. Nun marschierte Fouqué mit der Avantgarde des Feldmarschalls auf Alt-Bunzlau und blieb dort bis zum 4. Mai, um die Elbbrücken wiederherzustellen, die die Feinde zur Deckung ihres Rückzuges abgebrochen hatten. Noch am selben Tage ging der Feldmarschall mit seinem Heere über die Elbe und schlug anderthalb Meilen von Prag sein Lager auf.
Ein Teil der Truppen, die im letzten Jahre von Piccolomini geführt worden waren, hatte sich noch nicht zusammengezogen. Nach Piccolominis Tode hatte Feldmarschall Daun das Kommando übernommen. Auf das Gerücht von den verschiedenen Einfällen der Preußen erhielt der Feldmarschall Befehl, seine Armee zu versammeln und unmittelbar gegen Prag vorzugehen. Dort erwartete ihn Browne um so sehnlicher, als er sah, daß die ganze preußische Heeresmacht unverzüglich über ihn herfallen würde. Der König erhielt Meldung vom Anmarsch des Feldmarschalls Daun, konnte aber gegen Browne, der durch die Moldau und Prag gedeckt war, nichts unternehmen. Überdies waren die Dinge bereits so weit gekommen, daß das Schicksal der beiden Armeen notwendig durch eine Schlacht entschieden werden mußte. Da man aber nur auf dem jenseitigen Moldauufer fechten konnte, beschloß der König, Browne noch vor seiner Vereinigung mit Daun anzugreifen. Zu dem Zweck ließ er bei Selz eine Brücke über die Moldau schlagen und überschritt sie am 6. Mai mit 20 Bataillonen und 40 Schwadronen. Er hatte Zeit, die feindliche Stellung zu rekognoszieren, und fand, daß ein Angriff auf Brownes Front zu schwierig war, während bei Umgehung des rechten feindlichen Flügels das Gelände größere Vorteile bot.
Bei Anbruch des folgenden Tages (6. Mai) vereinigten sich die beiden preußischen Armeen in Kanonenschußweite vom Feind, und der Angriff ward unverzüglich beschlossen. Der linke Flügel der Österreicher lehnte sich an den Ziskaberg und war durch die Festung Prag gedeckt. Eine Schlucht von mehr als 100 Fuß Tiefe schützte die Front, und der rechte Flügel endigte auf einer Anhöhe, an deren Fuß das Dorf Sterbohol liegt. Um den Kampf nicht mit zu ungleichen Waffen zu beginnen, mußte Browne gezwungen werden, einen Teil der Höhen zu verlassen und sich in die Ebene herabzuziehen. Zu dem Zweck änderte der König seine Schlachtordnung. Die Armee war in mehreren Kolonnen aufgebrochen. Nun wurde sie in zwei Treffen formiert und marschierte auf dem Wege nach Poczernitz links ab. Sobald Browne diese Bewegung bemerkte, rückte er mit den Grenadieren der Reserve, der Kavallerie des linken Flügels und dem zweiten Infanterietreffen parallel neben den Preußen her. Das hatte man gerade erreichen wollen. Die Armee des Königs ging durch Defileen und Sümpfe, die die Truppen etwas auseinanderbrachten, auf Bechowitz vor. Die preußische Kavallerie stieß durch das Dorf und fand dahinter eine von einem Teich begrenzte Ebene, die ihr gerade Raum genug bot, sich zu formieren. Zwischen Dorf und Teich eingekeilt und gegen jeden Seitenangriff geschützt, griff sie die österreichische Kavallerie dreimal hintereinander herzhaft an, durchbrach sie und schlug sie völlig in die Flucht.
Kaum waren 10 Bataillone des linken Flügels aufgestellt, so griffen sie, noch ehe das zweite Treffen heran war, den Feind übereilt und mit mehr Mut als Klugheit an. Sie wurden von furchtbarem Artilleriefeuer empfangen und zurückgeworfen, aber wahrlich nicht zu ihrer Unehre; denn die tapfersten Offiziere und die Hälfte der Bataillone bedeckten das Schlachtfeld. Feldmarschall Schwerin war trotz seines hohen Alters noch vom ganzen Feuer der Jugend beseelt. Über das Zurückweichen der Preußen empört, ergriff er eine Fahne, setzte sich an die Spitze seines Regiments und führte es selbst zum Angriff vor. Er verrichtete Wunder der Tapferkeit, aber da noch nicht Truppen genug zur Unterstützung heran waren, so unterlag er und fand selbst den Tod. So endete er sein glorreiches Leben und erwarb sich noch im Sterben neuen Ruhm.
Mittlerweile rückte das zweite Treffen heran. Der König zog noch Prinz Ferdinand von Braunschweig mit einigen Regimentern herbei, und der Kampf wurde wieder aufgenommen. Das war um so leichter, als auch Tresckow mit seiner mehr rechts stehenden Brigade die feindlichen Reihen durchbrach. Nun ließ der König die Regimenter Markgraf Karl und Jung-Braunschweig vorrücken, nahm Tresckow auf und trieb die österreichische Infanterie mit vereinten Kräften bis über ihre Zelte hinaus, zu deren Abbrechen sie keine Zeit mehr gehabt hatte. Jetzt wurde die Flucht auf dem rechten feindlichen Flügel allgemein. Man rief nach der Kavallerie, um die Verwirrung auszunutzen, aber unglücklicherweise waren die Husaren und Dragoner über die Bagage des fliehenden Feindes hergefallen und kamen zu spät, um sich auf die Infanterie zu stürzen. Sonst wäre sie Mann für Mann gefangen genommen oder niedergehauen worden.
Das hinderte den König indes nicht, dem Feinde kräftig nachzusetzen. Puttkamer wurde mit Husaren gegen die Sazawa vorgeschickt, wohin sich ein Teil der Flüchtlinge gerettet hatte, und das Gros der Armee rückte gegen den Wischehrad, so daß der linke Flügel der Österreicher völlig vom rechten abgeschnitten war.
Der rechte preußische Flügel sollte ursprünglich gar nicht in die Schlacht eingreifen, erstens wegen der schon erwähnten vor ihm liegenden tiefen Schlucht und zweitens wegen des unvorteilhaften Geländes. Aber durch die Unvorsichtigkeit Mansteins, den sein allzu hitziger Mut bisweilen fortriß, kam er dennoch ins Gefecht. Mansteins Ungestüm geriet beim Anblick des Feindes in Flammen, und er ging ohne Befehl zum Angriff vor. Prinz Heinrich und der Herzog von Bevern mißbilligten zwar sein Vorgehen, wollten ihn aber nicht im Stiche lassen und unterstützten daher seinen Angriff. Die preußische Infanterie erkletterte schroffe Felsen, die vom ganzen linken österreichischen Flügel und von zahlreicher Artillerie verteidigt wurden. Als Prinz Ferdinand von Braunschweig sah, daß es auf jener Seite zum Gefecht gekommen war und seine Anwesenheit auf dem linken Flügel, wo er keinen Feind mehr vor sich hatte, überflüssig wurde, fiel er den Österreichern in die Flanke und in den Rücken und unterstützte den Angriff des Prinzen Heinrich dadurch so vorteilhaft, daß dieser drei feindliche Batterien erobern konnte und den Gegner von Höhe zu Höhe verfolgte.
Die Besiegten, die sich im Rücken durch preußische Bataillone beim Dorfe Michle von der Sazawa abgeschnitten sahen, wußten sich nicht anders zu retten, als indem sie sich in die Stadt Prag warfen. Sie versuchten zwar nach dem Wischehrad durchzubrechen, wurden aber dreimal von der preußischen Kavallerie zurückgetrieben. Sie versuchten ferner nach Königsaal zu entweichen, aber auch daran wurden sie durch Feldmarschall Keith gehindert, dessen Armee alle Höhen besetzt hielt, an deren Fuß sie vorbei mußten. Man wußte zwar, daß ein Teil der flüchtigen kaiserlichen Armee sich in die Stadt Prag geworfen hatte, aber die genaue Zahl war nicht bekannt, und so mußte man sich damit begnügen, die Stadt einzuschließen und zu blockieren, so gut es die Dunkelheit und das nach Siegen so häufige Durcheinander erlaubte.
Die Schlacht bei Prag begann um neun Uhr morgens und dauerte einschließlich der Verfolgung bis acht Uhr abends. Sie war eine der mörderischsten des ganzen Jahrhunderts. Die Österreicher verloren 24 000 Mann, darunter an Gefangenen 30 Offiziere und 5000 Mann, außerdem 11 Standarten und 60 Kanonen. Die Verluste der Preußen beliefen sich auf 18 000 Mann, darunter Feldmarschall Schwerin, dessen Verlust allein 10 000 Mann aufwog. Sein Tod ließ die Lorbeeren des Sieges welken: er war mit seinem Blute zu teuer erkauft. Bei Prag fielen auch die Säulen der preußischen Infanterie. Fouqué und Winterfeldt wurden schwer verwundet. Es fielen Hautcharmoy und Goltz, der Prinz von Holstein, Manstein vom Regiment Anhalts und zahlreiche tapfere Offiziere und altgediente Soldaten, zu deren Ersatz ein so blutiger und erbitterter Krieg keine Zeit ließ.
Am folgenden Morgen sandte der König den Obersten Krockow nach Prag, um die Stadt zur Übergabe aufzufordern. Der Oberst war höchst erstaunt, den Prinzen Karl von Lothringen dort zu finden und mit Sicherheit zu erfahren, daß 40 000 aus der Schlacht entkommene Österreicher in Prag eingeschlossen waren. Auf diese Nachricht hin mußte der König verschiedene Maßnahmen ergreifen. Er bemächtigte sich des Ziskaberges, wo nun der rechte Flügel der Armee sein Lager aufschlug. Von hier zog sich die preußische Stellung unter Benutzung aller nach Prag abfallenden Weinberge über Michle bis Podol an der Moldau. Dort wurde zur Sicherung der Verbindung mit Feldmarschall Keith eine Brücke geschlagen, desgleichen bei Branik an der unteren Moldau.
Prag kann eigentlich nicht als Festung gelten. Es liegt in einer Niederung und ist von Weinbergen und Felsen umgeben, die es von allen Seiten gleichmäßig beherrschen. Die Gräben sind trocken, die Festungswerke nur mit leichtem Mauerwerk bekleidet, die Brustwehren an vielen Stellen zu schmal, die Wallinien zu lang, und alles war während des Friedens stark vernachlässigt, so daß man die Werke an verschiedenen Stellen stürmen konnte. Andrerseits konnte die starke Besatzung nur in aller Form angegriffen werden. Dazu bedurfte es aber einer viel stärkeren Armee als der preußischen, die außerdem noch durch Entsendung notwendiger Detachements, auf die wir gleich eingehen werden, geschwächt war. Aus all diesen Gründen begnügte sich der König mit der Einschließung, um die Besatzung womöglich durch Hunger zur Übergabe zu zwingen. Er hoffte, die Getreidemagazine durch ein Bombardement in Brand schießen zu können, zog zu dem Zweck Mörser und Kanonen heran und ließ drei große Batterien errichten, eine auf dem Ziskaberge, die zweite vor Michle, die dritte bei der Stellung des Feldmarschalls Keith, nach dem Strohhof zu. Doch umsonst! In den Kasematten der Bastionen waren die Vorräte vor den preußischen Kanonen geschützt.
Während dieser Vorkehrungen zur Belagerung Prags war Feldmarschall Daun bis Böhmisch-Brod vorgerückt. Sofort sandte ihm der König Zieten entgegen, bald darauf auch den Herzog von Bevern mit 20 000 Mann, der erst nach Kaurzim, dann nach Kuttenberg marschierte und Daun immerfort zurückdrängte, so daß er schließlich bis Habern getrieben wurde. Doch mit jedem Schritt rückwärts kam der österreichische Heerführer seinen eigenen Hilfstruppen näher und konnte die bei der Schlacht von Prag versprengten Truppen, die sich über die Sazawa gerettet hatten, an sich ziehen.
Inzwischen schickte der König den Obersten Mayr mit seinen Freischaren und ungefähr 600 Husaren ins Reich, um die deutschen Fürsten einzuschüchtern, die Versammlung der Reichsarmee zu erschweren und zugleich
die Pedanten in Regensburg zu schrecken, deren beleidigende Geschwätzigkeit allen Regeln des Anstandes Hohn sprach. Mayr drang bis ins Bistum Bamberg ein, rückte bis Nürnberg vor, vertrieb aus Regensburg die hochfahrenden Reichsdeputierten, die sich als Richter von Königen aufspielten, und brach dann in die Oberpfalz ein. Der Kurfürst von Bayern und viele Fürsten erschraken über seinen Einfall und schickten Unterhändler an den König. Kurz, das ganze Deutsche Reich hätte die Partei der Kaiserin-Königin verlassen, wenn nicht einer jener gewöhnlichen Umschläge des Kriegsglücks den Preußen einen Streich gespielt hätte. Im weiteren Verlaufe des Krieges werden wir häufig solchen Wechselfällen begegnen, die bald die Hoffnungen der Preußen, bald die der Kaiserlichen vernichteten. Mittlerweile dauerte die Belagerung Prags fort. Die Stadt wurde beschossen, aber die Österreicher machten häufig Ausfälle. Durch die zahlreichen Bomben wurden einige Stadtteile arg beschädigt. Sogar eine feindliche Bäckerei ging in Flammen auf. Einstimmig berichteten die Überläufer, daß bereits Mangel an Lebensmitteln einträte und daß die Besatzung statt von Schlachtvieh von Pferdefleisch lebte. Ärgerlich war, daß sich weder mit Gewalt noch List gegen die Stadt etwas ausrichten ließ. Man mußte alles von der Zeit erwarten. Nur aus Hunger und Verzweiflung hätte der Prinz von Lothringen den Versuch machen können, sich mit der Waffe einen Weg durch die Preußen zu bahnen, waren doch die Quartiere der Belagerer wegen ihrer starken Verschanzungen unangreifbar. So hätte er sich denn nach einigen fruchtlosen Anstrengungen also doch ergeben müssen.
Der Plan, Prag mitsamt der eingeschlossenen Armee zu erobern, wäre indessen geglückt, hätte man ihm Zeit zum Reifen lassen können. So aber galt es, dem Feldmarschall Daun entgegenzutreten. Man mußte eine Schlacht liefern, und die ging verloren.
Wir verließen den Herzog von Bevern in seinem Lager in Kuttenberg und Feldmarschall Daun bei Habern. Dort erhielt dieser alle Verstärkungen, die der Wiener Hof aus den Garnisonen der Erbländer und von den ungarischen Truppen herbeiziehen konnte. Dazu kamen die Flüchtlinge aus der Prager Schlacht, so daß seine Armee von 14 000 Mann, die sie bei Beginn des Feldzuges gezählt hatte, nun auf 60 000 anwuchs. Die starke Vermehrung seiner Streitkräfte warf alle bisherigen Pläne des Königs um. Er mußte den Herzog von Bevern unbedingt unterstützen, wenn dieser sich gegen eine dreifache Übermacht behaupten sollte. Andrerseits war eine Schwächung der Belagerungsarmee gewagt, da sie einen weiten Umkreis zu verteidigen hatte und die in der Stadt eingeschlossenen 40 000 Mann von Tag zu Tag einen Ausfall machen konnten. Dennoch erübrigte man durch sparsame Besetzung und teilweise Zusammenziehung oder Verstärkung der Stellungen 10 Bataillone und 20 Schwadronen. Dies Detachement durfte sich zwar von Prag entfernen, aber nicht zu lange, oder die Blockade mußte darunter leiden. Wollte man Prag und die darin eingeschlossene Armee in seine Gewalt bekommen, so mußte Feldmarschall Daun aus jener Gegend unbedingt vertrieben werden. Die Belagerungstruppen hatten zwar günstige Stellungen, um Ausfälle zurückzuweisen, bildeten aber nur ein einziges Treffen, und es wäre ihnen daher nicht möglich gewesen, sich in Front und Rücken zugleich zu verteidigen. Auch wäre den Belagerern, hätten sie sich rings um Prag selbst einschließen lassen, die Fourage ausgegangen, die sich die Kavallerie schon vier bis fünf Meilen weit vom Lager suchen mußte. Aus diesen triftigen Gründen beschloß der König, sich persönlich an die Spitze des Hilfskorps zu setzen, das zum Herzog von Bevern stoßen sollte. Er wollte sich an Ort und Stelle selber ein Urteil bilden, was am besten zu tun sei.
Am 13. Juni brach der König von Prag auf und marschierte über Schwarz-Kosteletz auf Malotitz. Seine Absicht war, Kolin zu erreichen, um sich mit dem Herzog von Bevern zu vereinigen. Jedoch stieß er bei Zasmuk auf eine starke feindliche Abteilung unter Nadasdy, die den Herzog von Bevern eigentlich schon von der preußischen Armee abschnitt. Bald darauf entdeckte man in der Ferne auf der Straße nach Kolin zwei Kolonnen, die in der Richtung auf Kaurzim marschierten. Durch abgesandte Kundschafter erfuhr man, es sei der Herzog von Bevern, der zur Vereinigung mit dem Heere des Königs heranrücke. Es war schon gegen Abend, und die Nacht brach herein, ohne daß der Herzog herankam. So mußte sich der König damit begnügen, ein Lager aufzuschlagen, so gut es die Dunkelheit erlaubte. Allerdings war er erstaunt über die völlig unerwartete Bewegung des Herzogs. Sie hatte indes folgende Gründe.
Der Herzog war von Nadasdy am 13. Juni bei Kuttenberg angegriffen worden und hatte ihn zurückgeschlagen. Gleichzeitig aber hatte Feldmarschall Daun die preußische Flanke zu umfassen versucht. Dieser Umgehung hatte der Herzog sich entzogen, indem er seine Stellung bei Kuttenberg mit der bei Kolin vertauschte. Dort erhielt er die Meldung, daß die bei Wysok lagernden Österreicher sich für den folgenden Morgen zum Angriff anschickten. Um sich dieser Gefahr nicht auszusetzen, zog er es vor, dem preußischen Hilfskorps entgegenzurücken, dessen Anmarsch ihm gemeldet war. Am nächsten Tage sollten die Wege nach Wysok rekognosziert werden, um Gewißheit über die Stellung des Feindes zu erlangen. Das mißlang aber wegen der dichten Wälder, die zudem voller Panduren waren.
Das Gelände des preußischen Lagers war nicht vorteilhaft genug, um den Feind in gesicherter Stellung zu erwarten. Daher beschloß der König, nach Swojschitz zu rücken, wo die Gegend zur Verteidigung geeigneter war. Kaum aber war die Armee zur Besetzung dieser Stellung abmarschiert, so tauchte das Heer des Feldmarschalls Daun auf und formierte sich bei Swojschitz in einer Art Dreieck. Der linke Flügel zog sich nach Zasmuk, der rechte nach der Elbe zu. Die Front lag den Orten Kaurzim und Malotitz gegenüber. Sie war von einer sumpfigen Wiese gedeckt, durch die sich ein morastiger Bach schlängelte. Die veränderte Stellung des Feindes zwang auch den König zur Änderung seiner Dispositionen. Die Armee schlug eine andere Richtung ein, zog sich mehr links auf Nimburg und lagerte dort in der Weise, daß sie links von ihrer Front Planjan und rechts Kaurzim hatte. Dieser Ort wurde zur Deckung der Flanke mit einem Bataillon besetzt. Bei Planjan stieß man auf ein österreichisches Korps, das offenbar einen Handstreich auf die preußischen Magazine bei Nimburg plante. Es wurde aber zum Rückzug gezwungen und nahm Stellung auf einer Anhöhe hinter Planjan, wo es die Nacht über blieb.
Des Königs Lage wurde von Tag zu Tag mißlicher und schwieriger. Seine Stellung taugte nichts, sein Lager war schmal und an die Berge gedrängt. In der Front war es freilich unangreifbar wegen des Morastes und des Baches, die beide Armeen trennten. Aber sein rechter Flügel war bei Kaurzim schlecht angelehnt, und Feldmarschall Daun hätte ihn jederzeit umgehen können, sobald er von Zasmuk auf Malotitz rückte. Hätte er das getan, so wäre er den Preußen in die Flanke gekommen und hätte sie rettungslos niedergehauen. Außerdem waren eine Menge entgegengesetzter Maßnahmen zu treffen, die gar nicht alle auf einmal ausführbar waren, und doch durfte keine von ihnen ohne schweren Nachteil unterlassen werden. So mußte man die Magazine von Brandeis und Nimburg sichern, aus denen die Beobachtungsarmee ihr Brot bezog, mußte die Belagerungsarmee vor Prag decken, d.h. mit einem schwachen Korps eine doppelt überlegene Armee daran hindern, Detachements nach Prag zu schicken oder selbst heranzurücken. Denn je mehr der Feind die Schwäche der Preußen durchschaute, desto mehr hatten sie auf die Dauer eine Niederlage zu befürchten. Selbst wenn sie sich in der eingenommenen Stellung behaupteten, konnten sie Feldmarschall Daun doch nicht an der Absendung eines großen Detachements hindern, das längs der Sazawa vorrücken und den Preußen im Lager zwischen Branik und Michle in den Rücken fallen konnte. Dann wäre die Belagerungsarmee zwischen zwei Feuer geraten. Sie wäre im Rücken angegriffen worden, und zugleich hätte der Prinz von Lothringen einen Ausfall aus Prag gemacht. Dabei wäre sie wohl gänzlich geschlagen worden. Änderte der König aber seinen Entschluß und hielt es für geratener, sich auf Schwarz-Kosteletz oder Böhmisch-Brod zurückzuziehen, so fand er dort allerdings bessere Lagerplätze, aber die anderen erwähnten Unzuträglichkeiten blieben die gleichen. Denn näherte er sich der Elbe, so deckte er zwar die Magazine, ließ aber den Weg nach Prag offen. Zog er sich hingegen mehr auf die Sazawa zurück, so deckte er zwar die Belagerungsarmee besser, gab aber die Magazine preis und verließ obendrein eine zum Fouragieren geeignete Gegend, um sich in einem ausgesogenen Lande zusammenzupferchen, wo alle Lebensmittel aufgezehrt waren.
Andere, noch wichtigere Bedenken traten hinzu. Feldmarschall Daun führte eine Armee von 60 000 Mann, die die Kaiserin-Königin mit großen Kosten zusammengebracht hatte. Aller Wahrscheinlichkeit nach hätte es der Wiener Hof nicht ungestraft zugelassen, daß die Preußen im Angesicht einer solchen Truppenmacht den Prinzen von Lothringen mit 40 000 Mann zu Kriegsgefangenen machten. Wußte man doch bereits, daß Feldmarschall Daun Befehl hatte, zum Entsatz des Prinzen das Äußerste zu wagen. So blieb dem König eigentlich nur die Wahl zwischen zwei Entschlüssen. Entweder er überließ es dem Feinde, die preußischen Truppen in ihren Stellungen anzugreifen, oder er kam dem Feinde selbst mit einem Angriff zuvor. Bedenkt man ferner, daß die Einnahme Prags jetzt nach der Verstärkung des Feldmarschalls Daun ohne einen zweiten Sieg unmöglich war, daß es aber die Waffenehre preisgeben hieß, wenn man die Belagerung beim Anrücken des Feindes aufhob, so war das schlimmste, was im Fall eines feindlichen Sieges geschehen konnte, der Verzicht auf diese Belagerung.
Aber ein noch viel triftigerer Grund zwang den König zu einem entscheidenden Schlage. Gewann er nämlich noch eine Schlacht, so war seine völlige Überlegenheit über die Kaiserlichen besiegelt. Dann hätten die ohnedies schwankenden und unentschiedenen Reichsfürsten ihn um Bewilligung der Neutralität angefleht. Die Operationen der Franzosen in Deutschland wären gestört worden und vielleicht ganz zum Stillstand gekommen. Schweden wäre friedfertiger und vorsichtiger geworden. Ja, selbst der Petersburger Hof hätte sich seine Schritte noch überlegt. Denn der König hätte dann seine Armee in Ostpreußen und sogar die des Herzogs von Cumberland unbedenklich verstärken können.
Alle diese gewichtigen Gründe bewogen den König, Feldmarschall Daun am nächsten Tage in seiner Stellung anzugreifen.