Friedrich der Große
Der Siebenjährige Krieg
Friedrich der Große

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Rückblick

Damit endigte der blutige Krieg, der ganz Europa umzuwälzen drohte und in dem doch keine Macht, mit Ausnahme von Großbritannien, ihr Gebiet um einen Fuß breit erweitert hatte.

Wir können nicht umhin, an die Darstellung all dieser Ereignisse einige Betrachtungen anzuknüpfen. Scheint es nicht erstaunlich, daß alle List und Macht der Menschen so oft durch unerwartete Ereignisse oder Schicksalsschläge genarrt wird? Scheint nicht eine unbekannte Macht verächtlich mit den Plänen der Menschen zu spielen? Ist es nicht klar, daß jeder vernünftige Mensch bei Beginn der Kriegswirren sich ihren Ausgang anders gedacht hatte? Wer konnte voraussehen oder sich denken, daß Preußen dem Angriff jener furchtbaren Liga von Österreich, Rußland, Frankreich, Schweden und dem ganzen Heiligen Römischen Reiche widerstehen und aus einem Kriege, wo ihm überall Untergang drohte, ohne den geringsten Verlust an Besitzungen hervorgehen würde? Wer konnte ahnen, daß Frankreich mit seinen gewaltigen Hilfsmitteln, seinen starken Bündnissen, seiner inneren Kraft seine wichtigsten Besitzungen in Ostindien verlieren und das Opfer des Krieges sein würde? Alle diese Ereignisse mußten im Jahre 1757 unglaublich erscheinen.

Prüfen wir aber hinterher die Ursachen einer so unerwarteten Wendung der Dinge, so finden wir, daß folgende Ursachen Preußens Untergang verhinderten:

  1. Mangel an Übereinstimmung und Eintracht unter den Mächten der großen Allianz; die Verschiedenheit ihrer Interessen, die sie hinderte, sich über manche Operationen zu einigen; der geringe Grad von Einigkeit unter den russischen und österreichischen Generalen, die argwöhnisch wurden, gerade wenn die Gelegenheit kraftvolles Handeln zur Vernichtung Preußens erforderte, was ihnen auch hätte gelingen können.
  2. Die allzu verschlagene und tückische Staatskunst des Wiener Hofes, der die schwierigsten und gewagtesten Unternehmungen auf seine Verbündeten abwälzte, um am Ende des Krieges sein Heer in besserem Zustand und vollzähliger zu haben als die anderen Mächte. Daher kam es, daß die österreichischen Generale es bei verschiedenen Gelegenheiten aus übertriebener Vorsicht verabsäumten, den Preußen den Gnadenstoß zu geben, als diese in verzweifelter Lage und dem Untergang nahe waren.
  3. Der Tod der Kaiserin Elisabeth, die auch das Bündnis mit Österreich mit ins Grab nahm, der Abfall der Russen, das Bündnis der Preußen mit Peter III. und schließlich die Absendung des russischen Hilfskorps nach Schlesien.

Prüfen wir andrerseits die Ursachen für die Verluste der Franzosen, so bemerken wir zunächst den Fehler ihrer Einmischung in die deutschen Wirren. Mit England führten sie bisher nur einen Seekrieg. Nun schlugen sie einen verkehrten Weg ein und vernachlässigten die Hauptsache, um etwas anderes zu betreiben, das sie eigentlich gar nichts anging. Bisher waren sie den Engländern zur See überlegen gewesen. Sobald aber ihre Aufmerksamkeit durch den Kontinentalkrieg abgelenkt wurde und ihre Heere in Deutschland all die Geldmittel verschlangen, die sie zur Vermehrung ihrer Flotte hätten verwenden sollen, gebrach es ihrer Marine am Nötigsten. So erlangten die Engländer das Übergewicht und blieben Sieger in allen Weltteilen. Überdies gingen die ungeheuren Summen, die Ludwig XV. als Subsidien zahlte, und die Kosten für den Unterhalt der Heere in Deutschland außer Landes. Dadurch wurde der Geldumlauf in Paris wie in den Provinzen um die Hälfte vermindert. Um das Unglück voll zu machen, begingen die Feldherren, die der Hof an die Spitze der Armeen stellte und die sich alle für einen Turenne hielten, Fehler, die man einem Anfänger nicht verziehen hätte.

Mögen solche Beispiele wenigstens die Projektemacher unter den Staatsmännern belehren, daß der menschliche Geist, so umsichtig er auch sei, doch niemals all die feinen Verkettungen so zu durchschauen vermag, um Ereignisse, die von künftigen Zufällen abhängen, vorauszusehen oder herbeizuführen. Wir erklären recht gut das Vergangene, weil dessen Ursachen offen daliegen, aber wir irren stets über das Kommende; denn die Ursachen zweiter Ordnung entziehen sich unseren verwegenen Blicken.

Es ist keine Besonderheit unseres Jahrhunderts, daß Staatsmänner sich täuschen. So war es in allen Zeiten, wo der menschliche Ehrgeiz große Pläne gebar. Um sich davon zu überzeugen, erinnere man sich nur der Geschichte der berühmten Ligue von Cambrai, des Scheiterns der Armada, der Kriege Philipps II. gegen die Niederlande, der großen Pläne Ferdinands II. bei Beginn des Dreißigjährigen Krieges, der verschiedenen Teilungspläne vor dem Spanischen Erbfolgekrieg und vor diesem letzten Kriege. Alle jene großen Unternehmungen führten fast zum Gegenteil dessen, was ihre Urheber gewollt hatten. Denn alle menschlichen Dinge sind wandelbar, und wir selbst, unsere Pläne und die Ereignisse sind ewigem Wechsel unterworfen.

Als die kriegführenden Mächte den Kampfplatz verlassen hatten, auf dem sie mit soviel Haß und Erbitterung gefochten hatten, begannen sie ihre Wunden zu spüren und fühlten das Bedürfnis nach Heilung. Alle litten, obwohl an verschiedenen Übeln.

Wir wollen sie hier gleichsam Revue passieren lassen, um ein genaues Bild ihrer Verluste und ihrer jetzigen Lage zu gewinnen.

Preußen berechnete, daß der Krieg ihm 180 000 Mann hingerafft hatte. Seine Heere hatten in 16 Feldschlachten gefochten. Außerdem hatten die Feinde drei preußische Korps fast völlig vernichtet: erstens den Transport nach Olmütz (1758), zweitens das Fincksche Korps bei Maxen (1759) und drittens das Fouquesche bei Landeshut (1760). Zudem ging noch eine Besatzung von Breslau (1757), zwei von Schweidnitz (1757 und 1761), eine von Torgau und Wittenberg (1760) bei der Einnahme dieser Städte verloren. In Ostpreußen rechnete man 20 000 Menschen, die durch die Greueltaten und Verheerungen der Russen umgekommen waren, in Pommern 6000, in der Neumark 4000, in der Kurmark 3000.

Die russischen Truppen hatten 4 große Schlachten geschlagen. Sie berechneten ihren Verlust im Kriege auf 120 000 Mann, einschließlich der Rekruten, die auf ihrem Wege von den Grenzen Persiens und Chinas nach Deutschland umkamen. Die Österreicher hatten 10 Schlachten geliefert, zweimal die Besatzung von Schweidnitz (1758 und 1762) und einmal die von Breslau (1757) verloren: sie bezifferten ihren Verlust auf 140 000 Mann. Die Franzosen gaben ihren Verlust auf 200 000 Mann an, die Engländer und ihre Verbündeten auf 160 000, die Schweden auf 25 000 und die Reichsstände auf 28 000 Mann.

Österreich hatte beim Friedensschluß 100 Millionen Taler Schulden. Die Grenzen Böhmens und Mährens waren verheert worden, doch blieben keine Spuren mehr von Verwüstung und Zerstörung zurück.

Die französische Regierung hatte durch die Räuberei der Finanzleute und die Veruntreuungen der Beamten allen Kredit verloren. Sie sah sich genötigt, die Zinszahlungen für die Anleihen einzustellen, und das wenige, was sie abtrug, wurde unregelmäßig bezahlt. Das Volk seufzte unter der Last der drückenden Abgaben, und obgleich kein Feind verheerend in das Land einbrach, litt der Staat doch nicht minder, weil der Handel mit den Kolonien vernichtet war und so die Quellen des Wohlstandes versiegten. Überdies hatten die Staatsschulden eine derartige Höhe erreicht, daß die außerordentlichen Auflagen noch zehn Jahre nach dem Frieden weiter erhoben werden mußten, um die Zinsen zu bezahlen und einen Tilgungsfonds zu schaffen.

Die Engländer, die zu Wasser und zu Lande siegreich gewesen waren, hatten ihre Eroberungen eigentlich nur mit ungeheuren Kriegsanleihen erkauft, und der Staat war dadurch fast bankrott. Dagegen überstieg der Reichtum der Nation jeden Begriff. Dieser Reichtum und Luxus rührte von den großen Prisen her, die den Franzosen und Spaniern weggenommen waren, und von dem fabelhaften Anwachsen des Handels, den die Engländer während des Krieges fast allein in Händen gehabt hatten.

Rußland hatte zwar beträchtliche Summen ausgegeben, aber mehr auf Unkosten Preußens und Polens als auf eigene Rechnung Krieg geführt. Schweden stand vor dem Staatsbankrott. Dort hatte man nicht nur die Gelder der Bank angegriffen, sondern auch durch eine ungeschickte Finanzoperation das Papiergeld zu stark vermehrt. Dies zerstörte das Gleichgewicht, das jeder gut verwaltete Staat zwischen Papiergeld und Münze halten muß.

Preußen hatte durch den Krieg am meisten gelitten. Österreicher, Franzosen, Russen, Schweden, Reichstruppen, ja selbst der Herzog von Württemberg hatten das Land verheert. Zum Unterhalt der Armeen und für anderen Kriegsbedarf hatte der Staat 125 Millionen Taler ausgegeben. Pommern, Schlesien und die Neumark bedurften großer Summen zu ihrer Wiederherstellung. Aber auch andere Provinzen, wie das Herzogtum Krossen, das Fürstentum Halberstadt und die Grafschaft Hohenstein, bedurften sehr der Hilfe. Viel Fleiß und Mühe war erforderlich, um sie wieder in den vorigen Zustand zu bringen. Die meisten Felder lagen brach, da es an Saatkorn und Vieh mangelte, und alles, was zur Nahrung eines Volkes dient, fehlte ebenfalls. Zur Linderung all dieses Elends wurden an jene Provinzen 25 000 Wispel Korn und Mehl und 17 000 Wispel Hafer in billiger Weise verteilt. Dem Adel und den Bauern wurden 35 000 Pferde von den Truppenteilen und der Artillerie, sowie Lebensmittel gegeben. Außerdem bezahlte der König an Schlesien 3 Millionen Taler, an Pommern und die Neumark 1 400 000, an die Kurmark 700 000, an das Herzogtum Kleve 100 000 und an Ostpreußen 800 000 Taler zu ihrer Wiederherstellung. Die Steuern im Herzogtum Krossen, in Hohenstein und Halberstadt wurden auf die Hälfte herabgesetzt, kurz, das Volk schöpfte wieder so viel Mut, um nicht an seiner Lage zu verzweifeln, und begann durch Tatkraft und Fleiß den erlittenen Schaden wieder gutzumachen.

Aus dieser allgemeinen Übersicht ergibt sich, daß die österreichische, französische und selbst die englische Regierung tief in Schulden steckten und fast keinen Kredit besaßen, während die Völker, die nicht unmittelbar unter dem Kriege gelitten hatten, ihn nur an den ungeheuren Abgaben spürten, die ihnen auferlegt wurden. In Preußen dagegen hatte die Regierung Geld und Kredit, aber die Provinzen waren durch die Raubgier und Barbarei der Feinde verheert und zugrunde gerichtet.

Nächst Pommern hatte von allen deutschen Ländern das Kurfürstentum Sachsen am meisten gelitten, doch sein guter Boden und der Gewerbfleiß seiner Einwohner waren Hilfsquellen, die der preußische Staat nur in Schlesien hatte. Die Zeit, die alle Übel heilt und tilgt, wird gewiß auch bald den preußischen Provinzen ihren Wohlstand, ihr Gedeihen und ihren alten Glanz wiedergeben. Auch die anderen Mächte werden sich wieder erholen. Dann werden andere Ehrgeizige neue Kriege heraufbeschwören und neues Unheil verbreiten. Denn es ist eine Eigenschaft des menschlichen Geistes, daß Beispiele keinen bessern. Die Torheiten der Väter sind für ihre Kinder verloren; jede Generation muß durch eigenen Schaden klug werden.

Wir wollen dies vielleicht schon zu lange und ausführliche Buch nur noch mit zwei Worten beschließen, um die Neugier der Nachwelt zu befriedigen, die ohne Zweifel wissen möchte, wie ein so wenig mächtiger Fürst wie der König von Preußen sieben Jahre lang einen so verderblichen Krieg gegen die mächtigsten Monarchen Europas aushalten konnte. Wenn der zeitweilige Verlust so vieler Provinzen ihn in große Bedrängnis brachte und die hohen Ausgaben beständig vermehrt werden mußten, so blieben doch immer einige Hilfsquellen übrig.

Der König zog aus den ihm verbliebenen Provinzen, die für die anderen eintreten mußten, 4 Millionen. Die Kriegskontributionen aus Sachsen beliefen sich auf 6 bis 7 Millionen. Aus den englischen Subsidien, die eigentlich nur 4 Millionen betrugen, wurden 8 Millionen geprägt. Die Verpachtung der Münze unter Verminderung der Geldsorten auf den halben Wert erbrachte 7 Millionen. Außerdem wurde die Bezahlung der Zivilgehälter suspendiert, um alle Gelder für den Krieg zu verwenden. Diese verschiedenen Summen ergaben jährlich insgesamt 25 Millionen Taler in schlechter Münze. Das genügte bei guter Wirtschaft zur Besoldung und zum Unterhalt der Armee und für außerordentliche Ausgaben, die bei jedem Feldzug wiederkehrten.

Das Schwert, das mit einem Büschel Lorbeeren vom Blut gereinigt wird, als Symbol des Friedensschlusses.

Wenn die Vorsehung auf die menschlichen Armseligkeiten herabblickt, so gebe der Himmel, daß Preußen unveränderlich blühe und in Zukunft vor dem Jammer und Elend bewahrt bleibe, die das Land in diesen Zeiten des Umsturzes und der Verwirrung heimgesucht haben. Mögen seine Herrscher niemals gezwungen werden, zu den gewaltsamen und verhängnisvollen Mitteln zu schreiten, die der König zur Verteidigung des Staates gegen den Haß und den Ehrgeiz der europäischen Fürsten ergreifen mußte, als sie das Haus Brandenburg vernichten und den preußischen Namen für immer austilgen wollten!


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