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Liebende müssen, wenn der Geliebte Kummer hat, ihr Mitgefühl verbergen und doch auch wieder verraten. Dinny fand das gar nicht so einfach. Hätte sie nur die bittre Stimmung ihres Liebsten mildern können! Scharfäugig wie ein Luchs suchte sie eine Gelegenheit zu erspähn; doch er bot ihr keine, obwohl sie einander täglich trafen. Wenn er sich nicht manchmal hätte gehn lassen und vergrämt dreingeblickt hätte, wäre man fast der Meinung gewesen, er nehme die Sache durchaus nicht tragisch. Während der vierzehn Tage, die auf das Derby folgten, besuchte ihn Dinny in seiner Wohnung oder sie unternahmen gemeinsame Autofahrten, in Begleitung ihres Wachtelhundes Foch. Doch mit keiner Silbe erwähnte er die Affäre, die den Gesprächsstoff der ganzen offiziellen und literarischen Kreise Londons bildete. Von Sir Lawrence erfuhr sie, Wilfrid sei von dem Ausschuß des Burton-Klubs aufgefordert worden, in seiner Sache eine Erklärung abzugeben, und habe dieses Ansinnen durch seinen Austritt beantwortet. Und von Michael, der Wilfrid in dieser Angelegenheit nochmals besucht hatte, wußte sie, Wilfrid kenne die Rolle, die Jack Muskham dabei gespielt. Da er sich so hartnäckig weigerte, mit ihr offen zu sprechen, bot sie ihre ganze Selbstbeherrschung auf, sich noch sorgloser zu geben als er. Seine Miene machte ihr oft Kummer, doch wußte sie diesen Kummer zu verbergen. Und die ganze Zeit legte sie sich wieder die Frage vor, ob sie es nicht dennoch wagen solle, diesen Panzer des Schweigens zu durchbrechen. So wurde ihr allmählich die Wahrheit offenbar, daß nicht einmal echte Liebe tiefes Seelenleid erfassen und lindern könne. Die zweite Quelle ihres Kummers, der unablässige, stumme Druck, den die Angst und Sorge der Ihren auf sie übte, rief in ihr eine überreizte Stimmung wach, deren sie sich schämte.
Und dann trat ein Ereignis ein, das für den Augenblick zwar peinlich und aufregend war, dennoch aber fast erleichternd wirkte, weil es jenes unheimliche Schweigen brach.
Sie waren in der Tate-Galerie gewesen und auf dem Heimweg eben die Treppe emporgestiegen, die zur Carlton Terrace führte. Dinny sprach ahnungslos über die Präraffaeliten, da merkte sie plötzlich eine Veränderung in Wilfrids Miene und blickte um sich, den Grund festzustellen. Jack Muskham kam ihnen mit verschlossener Miene entgegen und zog den grauen Filzhut wie vor jemandem, der gar nicht vorhanden war; ein kleiner brauner Mann neben ihm lüftete ebenfalls einen grauen Filz. Im Vorbeigehn vernahm sie Jack Muskhams Worte:
«Da hört doch alles auf!»
Unwillkürlich griff ihre Hand nach Wilfrids Arm, doch zu spät. Spornstreichs machte er kehrt und eilte den beiden nach. Ein paar Schritte weiter sah sie ihn Muskham auf die Schulter klopfen, sah die beiden einander messen und den kleinen Mann zu ihnen emporstarren, wie etwa ein Terrier zwei großen Hunden zusieht, wenn sie aufeinander losgehn wollen. Dann hörte sie Wilfrids leise Stimme sagen:
«Sie feiger Schuft!»
Eine Ewigkeit schien ihr das Schweigen zu währen, das diesen Worten folgte, und ruhelos glitten ihre Blicke von Wilfrids zuckendem Gesicht zu Muskhams starrer, drohender Miene und den schwarzen, weit aufgerißnen Augen des kleinen Mannes. «Gehn wir, Jack!» hörte sie diesen endlich sagen, sah, wie durch Muskhams lange Gestalt ein Beben lief, sah ihn die Hände ballen und vernahm sein Wispern:
«Yule, hast du gehört?»
Der kleine Mann hatte die Hand unter Muskhams Arm geschoben und suchte ihn fortzuzerren. Nochmals wandte die langbeinige Gestalt sich um, dann gingen die beiden davon. Wilfrid schritt wieder an Dinnys Seite.
«Feiger Schuft!» murmelte er, «feiger Schuft! Gott sei Dank, dem hab ich meine Meinung gesagt!» Er warf den Kopf zurück, tat einen tiefen Atemzug und erklärte: «Jetzt ist mir leichter. Bedaure, Dinny, daß du Zeugin warst.»
Dinny war zu aufgewühlt, um sprechen zu können. Diese primitive Kampfgier der beiden! Sie hatte entsetzliche Angst, die Sache könne Folgen nach sich ziehn. Und plötzlich ging ihr ein Licht auf – sie selbst war die geheime Ursache von Muskhams Angriffswut! Die Worte ihres Onkels klangen ihr im Ohr: «Jack hält dich für ein Opferlamm.» Und wenn sie es war? Was ging das diesen langen Laffen an, diesen Weiberfeind? Lachhaft! Sie hörte Wilfrid murmeln:
«‹Da hört doch alles auf!› Keine Ahnung hat er von mir!»
«Ach, Liebster, wenn jeder wüßte, was im andern vorgeht, wären wir ja alle Engel. Und Jack Muskham ist kein Engel, sondern ein Mitglied des Jockey-Klubs!»
«Alles bot er auf, mich hinauszubeißen, und nicht einmal vor dieser Gemeinheit schrak er zurück!»
«Eigentlich sollt ich mich getroffen fühlen, nicht du. Ich zwinge dich ja, mit mir herumzugehn. Doch es macht mir so viel Freude! Deine Geschichte schreckt mich gar nicht. Wozu bin ich denn deine Liebste, wenn ich mit dir nicht durch Dick und Dünn gehn soll?»
«Warum soll ich dich mit Dingen quälen, die ja nicht mehr zu ändern sind?»
«Dazu bin ich doch da. Quäl mich doch, bitte, bitte!»
«Ach, Dinny, du bist ein Engel!»
«Glaub mir endlich; das ist nicht wahr. Ich hab Blut in den Adern.»
«Wenn man Ohrenweh hat, schüttelt man den Kopf immer wieder, doch es hilft nichts. Ich dachte, die Veröffentlichung des ‹Leoparden› würde mich befrein, doch es half nichts. Dinny, bin ich ein Feigling oder nicht?»
«Wenn du feig wärst, hätt ich dich nie geliebt.»
«Na, ich weiß nicht. Frauen sind zu allem fähig.»
«Es heißt doch, wir Frauen bewundern vor allem den Mut. Nun sag ich etwas Brutales: Kränkst du dich darum, weil du selbst an deinem Mut zweifelst? Oder nur, weil du glaubst, daß die andern es tun?»
Er lachte leise, verzweifelt auf. «Ich weiß nicht, weiß nur, es nagt an mir.»
Dinny sah zu ihm empor.
«Ach, Liebster, quäl dich doch nicht! Du darfst dich nicht quälen, ich mag es nicht!»
Einen Augenblick sahn sie einander tief in die Augen. Da trat ein Streichholzverkäufer auf sie zu, dem es sein Geldbeutel nicht erlaubte, auf die Seelenkämpfe seiner Mitmenschen Rücksicht zu nehmen.
«Schachtel Streichhölzer gefällig, Sir?»
Dinny war Wilfrid an diesem Nachmittag nähergekommen denn je zuvor; dennoch kehrte sie voll banger Ahnung in die Mount Street zurück. Muskhams sonderbarer Gesichtsausdruck und seine Frage: «Yule, hast du gehört?» wollten ihr nicht aus dem Sinn.
Zu dumm! Heutzutag führten solche explosive Zusammenstöße schlimmstenfalls zu einem Ehrenbeleidigungsprozeß; und von all den Leuten, die sie je gesehn, konnte sie sich Jack Muskham am wenigsten im Gerichtssaal vorstellen. In der Halle entdeckte sie einen fremden Hut und hörte Stimmen, als sie am Arbeitszimmer des Onkels vorbeikam. Kaum hatte sie ihren Hut abgelegt, da ließ er sie rufen. Er sprach bei ihrem Eintritt mit dem kleinen Mann, der wie ein Terrier aussah und rittlings auf einem Stuhl wie ein Reiter auf dem Roß saß.
«Dinny, Mr. Telfourd Yule. Meine Nichte, Dinny Cherrell.»
Der kleine Mann beugte sich über ihre Hand.
«Yule hat mir eben von jenem Zusammenstoß berichtet», sagte Sir Lawrence. «Er wittert Unheil.»
«Ich auch», entgegnete Dinny.
«Miss Cherrell, ich bin überzeugt, Jacks Äußerung war nicht für fremde Ohren bestimmt.»
«Doch. Da bin ich andrer Meinung.»
Yule zuckte die Achseln und sah ganz traurig drein. ‹Wie komisch häßlich er nur aussieht!› dachte Dinny. ‹Er gefällt mir!›
«Na, zumindest wollte Jack nicht, daß Sie etwas hörten, Miss Cherrell.»
«Es hätte aber mir gelten sollen. Mr. Desert möchte sich lieber nicht öffentlich mit mir zeigen. Ich dränge ihn dazu.»
«Wenn Jack sich ganz in Schweigen hüllt, dann ist die Geschichte bedenklich. Ich kenn ihn schon lange. Drum kam ich zu Ihrem Onkel.»
Stumm saß Dinny da. Die flammende Röte ihrer Wangen war bis auf zwei Flecken geschwunden. Die beiden Männer starrten sie an und dachten wohl, dieses schlanke junge Mädchen mit den Kornblumenaugen und dem schönen Haar passe schlecht zu einer solchen Verhandlung.
«Was kann ich in der Sache tun, Onkel Lawrence?» fragte sie ruhig.
«Ich wüßte nicht, meine Liebe, was sich im Augenblick tun ließe. Mr. Yule sagt, Jack sei gleich darauf nach Royston gefahren. Vielleicht könnte ich ihn morgen mit dir besuchen. Er ist ein sonderbarer Gesell; wenn er nicht so altmodisch wäre, ich legte der Sache nicht viel Bedeutung bei. Derartige Affären sind rasch vergessen.»
Dinny zitterte beinah, doch sie bezwang sich.
«Altmodisch – inwiefern?»
Sir Lawrence sah zu Yule hinüber und sagte: «Wir möchten uns nicht gern lächerlich machen. Meines Wissens hat man seit siebzig oder achtzig Jahren in England kein Duell mehr ausgetragen, aber Jack gehört noch in die gute alte Zeit. Wir wissen nicht recht, was er im Schilde führt. Prügeleien sind nicht nach seinem Geschmack, Prozesse auch nicht. Und doch kann er eine solche Beleidigung nicht ruhig einstecken.»
«Wird er nicht bei Überlegung zur Einsicht kommen, er selbst sei mehr zu tadeln als Wilfrid?»
«Nein», sagte Yule, «das wird er nicht. Glauben Sie mir, Miss Cherrel, die ganze Angelegenheit bekümmert mich aufrichtig.»
Dinny verneigte sich. «Meiner Ansicht nach war es sehr nett von Ihnen, uns aufzusuchen; vielen Dank!»
«Dinny», sagte Sir Lawrence unsicher, «könntest du nicht Wilfrid dazu bewegen, sich bei Jack schriftlich zu entschuldigen?»
‹Also darum habt ihr mich rufen lassen!› fuhr es ihr durch den Sinn. «Nein, Onkel, das kann ich unmöglich, kann ihn nicht einmal darum bitten. Ich weiß bestimmt, er tut es nie und nimmer.»
«Verstehe», murmelte Sir Lawrence düster.
Dinny machte Yule eine Verbeugung und wandte sich zur Tür. In der Halle glaubte sie noch durch die Wand hindurch das ratlose Achselzucken der beiden zu sehn – wie düster und beklommen sie nur dreinstarrten! Und sie ging hinauf in ihr Zimmer. Um Entschuldigung bitten! Schon der bloße Gedanke erschien ihr als Beleidigung, wenn sie an Wilfrids gehetztes, zerquältes Gesicht dachte! Schon jetzt marterte ihn unerträglicher Zweifel an seinem Mut, nicht im Traum würde es ihm einfallen, um Verzeihung zu bitten. Bekümmert schritt sie im Zimmer auf und ab, dann holte sie sein Lichtbild hervor. Das geliebte Antlitz blickte ihr mit dem skeptischen Gleichmut einer Photographie entgegen. Eigenwillig, unberechenbar, stolz, verschlossen, mit sich selbst zerfallen, aber nicht grausam – und auch nicht feig – o nein!
‹Du Lieber, Lieber!› dachte sie und legte das Bild wieder hin.
Sie trat ans Fenster und lehnte sich hinaus; ein schöner Abend – der Freitag der Woche, in der das Ascotrennen stattfand, die erste der beiden Wochen, die England fast stets schönes Wetter brachten! Am Mittwoch war ein Wolkenbruch niedergegangen, aber heute war fast ein Hochsommertag. Unten ratterte ein Taxi heran und hielt vor dem Hause; Onkel und Tante fuhren aus zu einem Dinner. Sie kamen mit Blore hinunter, er half ihnen in den Wagen und sah ihnen nach. Nun ließ die Dienerschaft gewiß das Radio spielen. Aha! Da erklang es schon! Sie öffnete die Tür. Opernübertragung, ‹Rigoletto›! Die abgeleierten Melodien drangen zu ihr empor, mit all dem Ungestüm eines Zeitalters, das sich gewiß besser auf die Gefühle eigenwilliger Herzen verstand als die Gegenwart.
Der Gong! Sie wäre lieber nicht zum Essen hinuntergegangen, doch wenn sie nicht kam, waren Blore und Augustine gewiß besorgt. Hastig wusch sie sich, schlüpfte in ein Abendkleid und ging hinab.
Doch während der Mahlzeit wurde ihre Unruhe immer ärger; das Stillsitzen, das Aufmerken auf das Essen steigerten offenbar ihre Angst! Ein Zweikampf! Ausgeburt der Phantasie, heutzutage! Und dennoch – mitunter riet Onkel Lawrence unheimlich scharf, und Wilfrid war just in der Stimmung, irgend etwas zu begehen, um seinen Mut zu erweisen. War das Duell in Frankreich verboten? Gott sei Dank, daß sie soviel Geld zur Verfügung hatte! Ach was! Einfach lachhaft! Seit fast hundert Jahren hatte man einander Schimpfworte ins Gesicht geschleudert, ohne die verletzte Ehre in Blut reinzuwaschen. Nur nicht zu viel sorgen! Morgen würde sie mit Onkel Lawrence jenen Mann aufsuchen. Sonderbar, irgendwie trug sie selbst an diesem Streit Schuld. Was würde wohl einer der Ihren tun, wenn man ihn einen feigen Schuft hieße – ihr Vater, Bruder, Onkel Adrian? Was konnten sie tun? Es dem Gegner mit den Fäusten heimzahlen, mit der Reitpeitsche, oder ihn vor Gericht zerren? Welch nutzlose, rohe, häßliche Mittel! Zum ersten Mal hatte sie die Empfindung, Wilfrid habe nicht recht daran getan, solche Ausdrücke zu gebrauchen. Doch hatte er nicht bloß einen Hieb zurückgegeben? Jawohl! Wieder sah sie ihn vor sich stehn, mit zurückgeworfnem Kopf, hörte ihn murmeln: ‹Ah, jetzt ist mir leichter!›
Schnell trank sie den Kaffee aus, erhob sich und ging ins Speisezimmer hinüber. Auf dem Sofa lag, achtlos hingeworfen, die Stickarbeit ihrer Tante. Dinny besah sie mit leisem Interesse. Ein altfranzösisches kompliziertes Muster, zu dem man viele farbige Wollen brauchte – graue Kaninchen lugten schelmisch über die Schulter hinweg nach hochbeinigen gelben Hunden, die rotäugig und mit hängender Zunge auf ihren grellgelben Hinterpfoten hockten; dann gab es da noch Blätter und Blumen und hier und da einen Vogel, alles auf einem Hintergrund aus brauner Wolle. Tausende und aber Tausende von Stichen, und wenn es dann fertig war, legte man es unter Glas auf ein Tischchen, und dort lag es vielleicht noch, wenn sie alle längst tot und begraben waren und kein Mensch mehr wußte, wer es gestickt hatte. Alles vergeht, alles verweht! Vom Erdgeschoß drangen noch immer die Melodien aus ‹Rigoletto› herauf. Augustine war zweifellos ein tiefdramatisches Gemüt, daß sie es über sich brachte, die ganze Oper anzuhören.
«La Donna è mobile!»
Dinny griff wieder zu ihrem Buch, den ‹Erinnerungen der Harriet Wilson›, ein Band, in dem keine einzige erinnerungswürdige Gestalt vorkam, abgesehen von der Verfasserin, und auch die war es wohl nur in ihren eignen Augen. Ein leichtlebiges, lustiges, eingebildetes Frauenzimmer, anziehend und gutherzig, und unter ihrem Schock von Liebesaffären war eine echte.
«La Donna è mobile!» Herausfordernd klang es vom Treppenhaus empor, wohlklingend und frei, als habe der Sänger endlich sich selbst gefunden. Mobile! Nein, das durfte man mit viel größerem Recht von den Männern behaupten! Frauen hielten ja doch unwandelbar an dem geliebten Wesen fest, außer in Amerika, doch dort, hieß es, schlage ja gar nichts tiefe Wurzeln. Man liebte und verlor den Geliebten – vielleicht! Mit geschloßnen Augen saß sie da, bis die letzten Klänge des letzten Aktes verhallt waren, dann ging sie hinauf zu Bett. Sie verbrachte die Nacht in unruhigen Träumen und wurde am Morgen aus dem Schlaf geweckt:
«Miss Dinny, jemand will Sie am Telephon sprechen.»
«Mich? Was? Wie spät ist es?»
«Halb acht, Miss.»
Erschrocken setzte sich Dinny im Bett auf.
«Wer ist es?»
«Nennt keinen Namen, Miss, will Sie aber unbedingt persönlich sprechen.»
‹Wilfrid!› fuhr es ihr durch den Sinn, sie sprang auf, schlüpfte in Morgenrock und Pantoffeln und lief hinab.
«Ja. Wer dort?»
«Stack, Miss. Tut mir leid, daß ich Sie so zeitig störe; doch halt ich's für nötig, mich an Sie zu wenden. Mr. Desert ging gestern wie gewöhnlich schlafen. Doch heut früh hör ich den Hund in seinem Zimmer winseln, geh hinein und seh, daß mein Herr das Bett nicht einmal berührt hat. Er muß ganz früh am Morgen fortgegangen sein, ich bin schon seit halb sieben auf und hab ihn nicht gehört. Tut mir leid, Miss, daß ich Sie störe, aber sein Aussehn gestern abend gefiel mir nicht … Verstehn Sie mich, Miss?»
«Ja. Nahm er Kleider oder andres Gepäck mit?»
«Nein, Miss.»
«Hatte er gestern abend Besuch?»
«Nein, Miss. Doch ein Bote brachte ihm gegen halb zehn einen Brief. Als ich ihm den Whisky hineintrug, merkte ich gleich, wie verstört er dreinsah. Vielleicht hat es gar nichts zu bedeuten – immerhin, er faßt manchmal so plötzliche Entschlüsse, drum dacht ich … Verstehn Sie mich, Miss?»
«Ja. Ich kleide mich rasch an und komm dann gleich hin. Stack, könnten Sie mir inzwischen ein Taxi besorgen oder lieber ein Tourenauto?»
«Ich besorge ein Auto, Miss.»
«Gibt es so zeitig früh eine Zug- oder Flugzeugverbindung nach Frankreich?»
«Nicht vor neun Uhr.»
«Ich komm so schnell wie möglich.»
«Schon recht. Beunruhigen Sie sich nicht, vielleicht will er nur ein wenig Bewegung machen.»
Dinny hängte das Hörrohr zurück und eilte die Treppe empor.