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2. Kapitel.
Feldzug in Tirol

Etwa 4 Jahre waren seit dem Tage vergangen, da man in Aspromonte auf mich schoß. Ich vergesse schnell empfangene Beleidigungen, und darauf verließen sich die Opportunisten, diejenigen, die mehr den eigenen Nutzen als die Moralität der Mittel zur Richtschnur nehmen. Schon seit einiger Zeit redete man von einem Bündnis mit Preußen gegen Österreich, und am 10. Juni 1866 kam mein Freund General Fabrizi nach Caprera, um mich im Namen der Regierung und der Unsrigen aufzufordern, den Oberbefehl über die Freiwilligen zu übernehmen, die in allen Teilen Italiens zahlreich zusammenströmten. Noch an dem nämlichen Tage bestiegen wir einen Dampfer, der uns nach dem Festlande brachte, und eilten dann nach Como, wo die Zusammenziehung der Freischaren statthaben sollte.

Es waren in der Tat zahlreiche Freiwillige da, die mir schon bekannte prächtige und begeisterte junge Mannschaft, allezeit bereit, für Italien zu streiten, ohne nach Belohnung zu fragen. Mit ihr wetteiferten die mutvollen Veteranen von 100 Schlachten, die die Jugend anführen sollten. Andererseits war von Kanonen nicht die Rede: die Freiwilligen mochten sehen, wie sie sich diese selbst verschafften, und wieder gab es schlechte Flinten alter Systeme, nicht aber die guten Gewehre, mit denen die Regulären schon versehen waren. Ferner elende Sparsamkeit im Bekleidungswesen, so daß viele Streiter in bürgerlicher Kleidung dem Feinde entgegengingen. Kurz, die mir schon bekannte Jämmerlichkeit, an die die Stützen der Monarchie unsere Freischaren bereits gewöhnt hatten. – Gleichwohl ließen die Auspizien, unter denen der Feldzug von 1866 eröffnet wurde, für Italien ein glänzendes Ergebnis hoffen – aber das Ergebnis war dann kümmerlich und schimpflich.

So schlecht ist die Methode, mittels der dies Land regiert wird, wo das öffentliche Geld dazu dient, denjenigen Teil der Nation zu bestechen, der unbestechlich sein sollte: nämlich die Abgeordneten zum Parlament, die Offiziere und die Beamten jeder Gattung, alles Leute, die unseligerweise zu den Füßen des Gottes Bauch zu knieen lieben.

Die Bestechung, die von Bonaparte mitgebracht war und dann in Frankreich mit der Verteilung von Wurst und Wein an die Soldaten, die ihm den 2. Dezember bereiten sollten, die größten Dimensionen angenommen hatte, erstreckte sich auch auf unser armes Land, das dazu bestimmt ist, stets den Affen seiner Nachbarländer abzugeben. In der Tat fehlte es in Italien schon früher nicht an Bestechung, und die Verführer waren dort wie überall sehr geschickt; aber angesichts der Erfolge des unheilvoll aufgerichteten Kaiserreichs – eine Lüge dieses Kaiserreich, von seiner Geburt an, denn es trat ins Leben mit der Devise des Friedens Anspielung auf das bekannte Wort des dritten Napoleon: L'empire c'est la paix! und war dann doch nur ein Herd beständigen Krieges, ohne den es wußte, daß es nicht fortexistieren könne, indem es sich überall bemühte, die Freiheit zu unterdrücken und an deren Stelle den Despotismus einzuführen – mit einem derartigen Verführer als Muster, sage ich, wurde die italienische Gesellschaft im tiefsten Innern verdorben und auch unser Heer, das berufen war, eins der trefflichsten der Welt zu werden, wurde angesteckt. Vervollständigt aber wurde das Bild der Korruption durch das bäuerliche Element, das zahlreichste in unserem Heere und das stärkste, das der Priester – wie in Frankreich, so auch in Italien – in der Unwissenheit und im Haß gegen die nationale Sache erhält, was die berüchtigten Niederlagen von Novara und Custoza zur Folge gehabt hat. Für einen Augenblick entzogen wir uns dem schimpflichen Protektorat des Bonaparte; aber da wir niemals auf eigenen Füßen zu stehen vermochten, so geschah es nur, um uns in eine andere, wennschon weniger widerwärtige Verbindung zu stürzen, nämlich die mit Preußen, die uns wahrhaftig mehr Nutzen brachte, als wir verdienten.

Wie dem nun sei, der Feldzug von 1866 wurde unter den glänzendsten Aussichten eröffnet. Die Nation zeigte sich, wennschon durch eine räuberische Regierung erschöpft, voll von Begeisterung und Opferfreudigkeit; der zahlreichen Flotte fiel die Aufgabe zu, sich mit einem schwächeren Feinde zu messen, der sich schon im voraus als besiegt betrachtete, während unser Heer, fast doppelt so stark wie dasjenige, das Österreich in Italien unterhielt, zum ersten Male unter seinen Fahnen alle Söhne der Halbinsel, von Kap Lilibeo bis zum Mont Cenis, vereinigt sah, alle willig und im Wettstreit miteinander, den Erbfeind von Jahrhunderten zu bekämpfen: einzig die hochfahrende Unwissenheit und Unfähigkeit des Leiters Alfonso La Marmora. konnte ein solches Heer nach Custoza führen.

Die Freiwilligen, die sich bis auf 100 000 belaufen konnten, wurden von der kümmerlichen Regierung in der gewohnten Furcht auf etwa ⅓ dieser Zahl herabgesetzt und, was Bewaffnung, Kleidung usw. betraf, in der üblichen Weise behandelt. Und als die Katastrophe von Custoza eintrat, standen einige wenige Tausende in Salò, Lonato und am Gardasee, während das Gros ihrer Regimenter sich noch in Süditalien befand und auf Strümpfe, Waffen und anderes wartete.

Alles versprach einen glänzenden Feldzug trotz aller Hindernisse, einen Feldzug, der unsere Nation in die erste Reihe der Nationen Europas gestellt und Italien, dieser ehrwürdigen Matrone, den Ruhm der ersten jugendlichen Zeiten römischer Größe zurückgegeben hätte. Aber der Verlauf war ein ganz anderer: von dem Jesuitismus im Kriegskleide angeführt, wurde die Nation in eine Dunggrube von Erniedrigungen geschleppt. Von der öffentlichen Meinung gedrängt, rüstet die Regierung, obschon stets den Freiwilligen feind, denen sie mit Mißtrauen und Furcht gegenübersteht, weil jene die Vertreter der Rechte und der Freiheit Italiens sind, einige Freiwillige aus – aber deren Bewaffnung, Organisation und Verpflegung steht unter dem Eindruck der Abneigung und des Übelwollens, mit denen man sie aufnimmt. – Und trotzdem wurden sie an die Grenze geschafft, wo in 2 Tagen die Schlacht toben sollte. Die Überstürzung, mit der die Bewegungen des Heeres betrieben wurden, und die Unfälle, die so schnell erfolgten, begünstigten die Konzentrierung der Freiwilligen; denn – die üblichen jesuitischen Schliche! – es hatte in den leitenden Regionen die Absicht bestanden, die Freiwilligen, um nicht ihrer allzu viele beisammen zu haben, in 2 Teile zu teilen und die Hälfte in Süditalien unter gewissen Vorwänden zu belassen, die man, um die Fehlerhaftigkeit dieser Maßregel zu verschleiern, vorbrachte, aber die eben doch nur Vorwände waren. – Hier muß ich dem König Gerechtigkeit angedeihen lassen. Gleich im ersten Augenblick, da er mir, durch Vermittlung des Doktor Albanese, seine Absicht kundtat, mir den Oberbefehl über die Freiwilligen anzuvertrauen, eröffnete er mir den Plan, uns auf die Küsten Dalmatiens zu werfen, worüber ich mich mit dem Admiral Persano Der Anführer der italienischen Flotte. ins Einvernehmen setzen sollte. Es hieß dann aber, dieser Plan sei von den Generälen und besonders von General La Marmora auf das nachdrücklichste bekämpft worden. Die Absicht, uns am Adriatischen Meere zu verwenden, sagte mir in dem Maße zu, daß ich Viktor Emanuel über seine so vielversprechende und großartige Idee die schönsten Komplimente bestellen ließ. In der Tat aber war die Idee zu herrlich, als daß sie in die Köpfe gewisser Glieder des italienischen Hofrats eingegangen wäre, und ich konnte mich bald davon überzeugen, daß die Zurückbehaltung von 5 Regimentern im Süden lediglich aus Mißtrauen entsprang, da man sie nämlich meinem Oberbefehl entziehen und mit ihnen ungefähr so verfahren wollte wie mit dem Regiment Apenninenjäger im Jahre 1859. So bekam ich denn als Aktionsfeld die Ufer des Gardasees angewiesen, den ersten mir gemachten Vorschlägen zuwider, wo man verhieß, mir die Wahl der Operationen selbst zu überlassen. Welch prächtige Aussichten hätten sich uns im Osten dargeboten! Mit 30 000 Mann an den Küsten Dalmatiens hätten wir die österreichische Monarchie wahrhaftig aus den Angeln heben können. Und wieviele uns befreundete und wohlwollende Elemente hätten wir an jener Stelle des östlichen Europa gefunden, von Griechenland bis Ungarn alles kriegerische Volksstämme und Österreich und der Türkei feindlich, bei denen es nur eines geringen Anstoßes bedurft hätte, um sie zur Auflehnung gegen ihre Beherrscher zu bringen. Wir hätten den Feind ohne Zweifel so beschäftigt, daß er gezwungen worden wäre, ein starkes Heer gegen uns zu senden, wodurch seine Gegenwart im Westen und Norden geschwächt worden wäre; denn sonst würden wir uns in das Herz Österreichs eingenistet und die Brandfackel der Empörung unter die 10 Nationen geworfen haben, die jenen heterogenen, ungeheuerlichen Körper bilden!

Da wir nun aber auf dem Gardasee operieren mußten, so verlangte ich, daß die in Salò befindliche Flottille unter meinen Befehl gestellt würde, was man mir auch ohne Schwierigkeit zugestand. Aber wenn man den elenden Zustand erwägt, in dem sich jene Flottille befand, so wird man leicht einsehen, daß sie für mich nur ein Gegenstand der Verlegenheit wurde und mir viel Mühe verursachte, um sie vor der zahlreicheren und viel besser organisierten feindlichen Flottille zu retten. Den größten Teil der Bemannung mußten die Freiwilligen stellen, hauptsächlich an Matrosen; außerdem mußten sie das Seegestade besetzen und schützen, besonders nach dem Unglückstage von Custoza und dem Rückzug unseres Heeres. – Ein vollständiges Regiment mußte in Salò Zurückbleiben zu dem ausschließlichen Zweck, den Wachtdienst an diesem Punkte und an der benachbarten Ufergegend sowie in den Befestigungen zu versehen, die nach und nach zur Sicherung dieser Stellung errichtet wurden. Zu dem gleichen Zweck mußte auch General Avezzana mit einer angemessenen Anzahl von Offizieren und einer starken Abteilung von freiwilligen Matrosen, die aus Ancona, Livorno und anderen Seehäfen gekommen waren, in Salò zurückbleiben.

Die österreichische Flottille auf dem Gardasee zählte 8 Kriegsdampfer, die mit 48 Kanonen und entsprechender Mannschaft ausgerüstet und mit allem, was nötig, versehen waren. Dagegen hatte bei meiner Ankunft in Salò die italienische Flottille nur ein einziges Kanonenboot mit einer Kanone in Ordnung; von den übrigen 5 Schiffen, die ebenfalls Dampfer waren und die nämliche Armierung hatten, lag eins ganz unbrauchbar am Lande, bei den anderen 4 aber waren die Maschinen reparaturbedürftig. Allerdings bemühte man sich alsbald, die 4 schwimmenden Schiffe soweit instand zu setzen, daß sie sich bewegen konnten; allein erst gegen Ende des Feldzugs waren die 5 Kanonenboote, zu je einem 24pfündigen Geschütz, kriegsfertig, so daß wir also nun über 5 Vierundzwanzigpfünder verfügten, während der Feind 48 Kanonen mit einem Kaliber bis zu 70 zählte. – Auch arbeitete man an der Herstellung und Ausrüstung von Flößen, die von nicht geringem Nutzen hätten sein können; allein der Mangel an allem Nötigen und die Langsamkeit der Arbeit bewirkte, daß wir nicht dazu kamen, auch nur ein einziges soweit zu fördern, daß wir es auf den See hätten bringen können.


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