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Der Herzog von Vallombreuse war nicht der Mann, der über der Rache die Liebe vergessen hätte. Wenn er Sigognac tödlich haßte, so hegte er gleichzeitig für Isabella eine jener wütenden Leidenschaften, die das Gefühl des Unmöglichen in jenen stolzen, gewalttätigen Seelen erweckt, die gewöhnt sind, nirgends auf Widerstand zu stoßen. Die Tugend der Schauspielerin zu besiegen war der herrschende Gedanke seines Lebens geworden. Verwöhnt durch die leichten Siege in seinem Liebesleben, konnte er sich diese Niederlage nicht erklären, und oft sagte er im Verlaufe von Unterhaltungen, Spaziergängen, im Theater wie in der Kirche, in der Stadt wie bei Hofe, in seinem tiefen Hinbrüten von plötzlichem Erstaunen ergriffen zu sich selbst: »Wie geht es zu, daß sie mich nicht liebt?«
Er ließ Dame Leonarda rufen, mit der er nicht aufgehört hatte ein geheimes Einverständnis zu unterhalten, denn es ist immer gut, einen Spion in der Festung zu haben, selbst wenn sie uneinnehmbar ist. Zuweilen ist die Garnison weniger wachsam, und es läßt sich rasch ein Pförtchen öffnen, durch das der Feind eindringt.
Leonarda wurde über eine geheime Treppe in das Privatzimmer des Herzogs eingeführt, wo er nur seine intimsten Freunde und treuesten Diener empfing. Der Herzog machte eine herablassende Handbewegung und lud Leonarda ein, auf einem Stuhle Platz zu nehmen. Ihr schwarzes Kleid verlieh ihr anfangs etwas Strenges und Ehrwürdiges. Das zweideutige Lächeln, das in den dicht behaarten Mundwinkeln spielte, der heuchlerische Blick der von braunen Runzeln eingeschlossenen Augen, der niedrige habgierige und kriecherische Ausdruck ihrer Züge enttäuschten den Beschauer sehr bald.
»Dame Leonarda,« sagte der Herzog, das Schweigen brechend, »ich habe Sie rufen lassen, denn ich weiß, Sie sind in Sachen der Liebe eine sehr erfahrene Dame, und ich wünsche mit Ihnen über die Mittel zu beraten, durch die es mir endlich gelingen könnte, diese spröde Isabella zu verführen. Eine Duenna, die früher einmal selbst erste Liebhaberin gewesen, muß sich auf alle Fächer verstehen.«
»Herr Herzog,« antwortete die alte Komödiantin mit andächtigem Ausdruck, »Sie lassen meinen schwachen Fähigkeiten große Ehre widerfahren, und ich bitte Sie, meinen Eifer, Ihnen in allem gefällig zu sein, nicht zu bezweifeln.«
»Also,« sagte Vallombreuse, »was können Sie dann für mich tun? Suchen Sie in irgendeinem geheimen Schubfache Ihres Hirns eine alte unwiderstehliche Kriegslist, ein triumphierendes Schelmenstück, eine komplizierte Intrige, die mir zum Siege verhilft. Sie wissen, daß Gold und Silber mich nichts kosten.«
Und er tauchte seine Hand, die weißer und ebenso zart war wie die einer Frau, in einen auf dem Tische neben ihm stehenden und mit Goldstücken gefüllten Becher von Benvenuto Cellini. Beim Anblick dieser Münzen und bei ihrem verführerischen Klange begannen die Uhuaugen der Duenna zu funkeln und das gebräunte Leder ihres welken Gesichts durch zwei leuchtende Öffnungen zu durchbrechen. Sie schien in tiefe Gedanken zu versinken, und saß einige Minuten lang stumm da.
Vallombreuse erwartete das Ergebnis dieses Nachdenkens mit Ungeduld.
Endlich ergriff die Alte wieder das Wort:
»Wenn ich Ihnen auch nicht Isabellas Seele in die Hände liefern kann, so kann dies doch vielleicht mit ihrem Körper geschehen. Ein Wachsabdruck ihres Türschlosses, ein Nachschlüssel und ein guter Schlaftrunk führten sicher zum Ziel.«
»Nichts davon!« unterbrach der Herzog, der sich einer Gebärde des Widerwillens nicht enthalten konnte. »Pfui! Ich sollte eine Schlafende besitzen, einen leblosen Körper, eine Tote, eine Statuensäule ohne Bewußtsein, ohne Willen, ohne Erinnerung – eine Geliebte, die beim Erwachen mich mit erstaunten Blicken betrachten und mit ihrer Liebe zu einem andern auch sofort ihre Abneigung gegen mich wieder annehmen würde! Ich sollte ein Alp, ein schlüpfriger Traum sein, den man am Morgen vergißt! Nie werde ich mich so tief erniedrigen.«
»Sie haben recht, Monseigneur,« sagte Leonarda, »der Besitz ist nichts, ohne Zustimmung, und ich schlug dieses Auskunftsmittel bloß vor, weil ich kein anderes wußte. Aber warum machen Sie, der Sie schön sind wie der von Venus begünstigte Adonis, glänzend reich, am Hofe mächtig, im Besitze von allem, was den Frauen gefällt, warum machen Sie Isabella nicht einfach den Hof?«
»Zum Teufel, die Alte hat recht!« rief Vallombreuse, indem er einen selbstgefälligen Blick in einen venetianischen Spiegel warf. »Isabella mag immerhin kalt und tugendhaft sein; blind ist sie doch nicht, und die Natur ist gegen mich nicht so stiefmütterlich gewesen, daß meine Nähe Abscheu einflößt. Und dann will ich ihr Dinge sagen, denen die Frauen niemals widerstehen. Diese Komödiantin besitzt übrigens Stolz, und die Zudringlichkeit eines Herzogs kann ihr nur schmeichelhaft sein. Ich werde sie im Theater unterstützen und zu ihren Gunsten intrigieren. Es müßte mit Wunderdingen zugehen, wenn sie dann noch an diesen kleinen Sigognac dächte, dessen ich mich schon zu entledigen wissen werde.«
»Sie haben mir also nichts mehr zu sagen, Herr Herzog?« fragte Dame Leonarda, die aufgestanden war und mit über dem Gürtel gekreuzten Händen in respektvoll abwartender Haltung dastand.
»Nein,« antwortete Vallombreuse, »Sie können gehen, vorher aber nehmen Sie dies da« – er reichte ihr eine Handvoll Louisdors – »Ihre Schuld ist es nicht, wenn man unter der Truppe des Direktors Herodes die unwahrscheinlichste Keuschheit findet.«
Als Vallombreuse sich allein sah, klingelte er seinem Kammerdiener, um sich ankleiden zu lassen.
»Picard,« sagte der Herzog, »du mußt dich heute selbst übertreffen und mir eine zum Triumphe verhelfende Toilette zusammenstellen. Wenn ich ohne Beute von meiner Jagd auf die Schönheit zurückkehre, so bekommst du eine tüchtige Tracht Hiebe, denn ich habe keinen Mangel oder Fehler, der künstlich verdeckt werden müßte.«
»Sie sind der schönste Mann, den die Welt je gesehen, gnädigster Herr«, antwortete Picard. »Die Kunst hat an Ihnen weiter nichts zu tun, als die Natur in ihr richtiges Licht zu setzen. Wenn Sie vor dem Spiegel Platz nehmen und sich einige Minuten ruhig verhalten wollen, so will ich Sie auf eine Weise zur Geltung bringen, daß Sie auf keine grausame Schönheit stoßen sollen.«
Nach diesen Worten legte Picard einige Brenneisen in eine silberne Schale, in der, mit Asche bedeckt, Olivennüsse eine milde Glut gleich der der spanischen Braseros unterhielten. Als die Eisen den richtigen Hitzgrad erlangt, wovon Picard sich dadurch überzeugte, daß er sie seiner Wange näherte, begann er die schönen, geschmeidigen Locken seines Herrn zu kräuseln.
Als der Herzog von Vallombreuse frisiert war, trat der Kammerdiener, zufrieden mit seinem Werk, einen Schritt zurück, um es zu betrachten, wie ein Maler, der blinzelnd den letzten Strich an seinem Gemälde betrachtet.
»Welches Kleid wünschen Sie heute anzulegen, gnädigster Herr?« fragte er dann. »Wenn ich mir erlauben dürfte einen Vorschlag zu machen, so würde ich zu dem Kostüm von schwarzem Samt mit dem Atlasbesatz von derselben Farbe nebst seidenen Strümpfen und einem einfachen Halskragen von Raguser Spitzen raten. Brokat, broschierter Atlas, Gold- und Silberstoff und Edelsteine könnten durch ihren unzeitigen Glanz die Blicke zerstreuen, die sich bloß auf ihr Antlitz richten müssen, dessen Reize nie unwiderstehlicher waren als jetzt. Die schwarze Kleidung wird jene zarte Blässe heben, die Ihnen von Ihrer Wunde geblieben ist und die Sie so interessant macht.«
»Der Kerl hat einen guten Geschmack und versteht zu schmeicheln wie ein Höfling«, murmelte Vallombreuse bei sich selbst. »Ja, Schwarz wird mir gut stehen. Isabella ist übrigens nicht die Person, die sich durch den Glanz von Goldstoff oder Diamanten blenden ließe. – Picard,« fuhr er laut fort, »hole mir das Samtwams und die samtenen Beinkleider, dann gib mir den Degen von gebräuntem Stahl. Sage Ramée, er solle anspannen, die vier Braunen, und zwar schnell. In einer Viertelstunde will ich ausfahren.«
Picard verschwand sofort, um die Befehle seines Herrn ausführen zu lassen. Vallombreuse ging, auf den Wagen wartend, im Zimmer auf und ab und warf jedesmal, wenn er an dem venetianischen Spiegel vorüber kam, einen fragenden Blick hinein, der allemal auf die schmeichelhafteste Weise beantwortet wurde.
»Diese Theaterprinzessin müßte ganz verteufelt stolz und spröde sein, wenn sie sich nicht sofort wie toll in mich verliebte, trotz ihrer erheuchelten Tugend und trotz ihres platonischen Schmachtens mit Sigognac. Ja, meine Schöne, deine Niederlage wird meinem Ruhme nicht lange fehlen, denn wisse, meine kleine Komödiantin, dem Willen eines Vallombreuse kann nichts widerstehen. Frango nec frangor, dies ist mein Wahlspruch.«
Ein Lakai kam, um zu melden, daß die Karosse vorgefahren sei. Die Entfernung, die die Rue des Tournelles, wo der Herzog von Vallombreuse wohnte, von der Rue Dauphine trennte, war schnell von den vier kräftigen Rossen zurückgelegt. Als die schöne vergoldete Karosse mit den Lakaien in der Livree des Hauses Vallombreuse in den Hof des Gasthauses der Rue Dauphine einfuhr, kam der Wirt, die Mütze in der Hand, sofort herbeigestürzt, dem vornehmen Besuch entgegen, um ihn nach seinen Wünschen zu fragen.
So schnell der Wirt aber auch herbeieilte, so kam doch Vallombreuse, der ohne Hilfe des Trittbrettes aus dem Wagen gesprungen war, schon mit raschem Schritt auf die Treppe zu. Die Stirn des sich tief verneigenden Wirtes traf ihn fast ans Knie. Der junge Herzog stieß mit zischender Stimme, die seine Erregung verriet, die Worte hervor:
»Wohnt Mademoiselle Isabella in diesem Hause? Ich möchte sie sehen! Ist sie jetzt zugegen? Sie braucht nicht erst von meinem Besuch unterrichtet zu werden. Gebt mir bloß einen Diener mit, der mich bis an ihre Tür begleitet.«
»Ich will Ihnen voranschreiten, um Ihnen den Weg zu zeigen«, sagte der Gastwirt, indem er seine Mütze mit beiden Händen ans Herz drückte.
Nachdem man die Treppe hinaufgegangen war, betrat man einen langen Korridor, in dem sich wie in dem Kreuzgange eines Klosters eine Menge Türen befanden. Vor Isabellas Zimmer angelangt, blieb der Wirt stehen und sagte:
»Wen werde ich die Ehre haben anzumelden?«
»Ihr könnt jetzt wieder gehen.« antwortete Vallombreuse, die Hand an den Schlüssel legend, »ich werde mich selbst anmelden.«
Isabella saß im Morgengewand in einem hohen Armstuhl am Fenster und war beschäftigt, die Rolle zu studieren, die sie in dem neuen Stück geben sollte. Mit geschlossenen Augen, um nicht die geschriebenen Worte zu sehen, sagte sie leise, wie ein Schüler seine Lektion, die acht oder zehn Verse her, die sie soeben mehrmals durchgelesen.
In der Meinung, es sei irgendein Stubenmädchen, schlug Isabella ihre langen Wimpern nicht auf, sondern fuhr fort träumerisch und mechanisch ihre Verse herzusagen, wie man einen Rosenkranz betet, übrigens hegte sie keinerlei Argwohn oder Mißtrauen. Es war ja heller Tag, sie befand sich in diesem von einer Menge Menschen belebten Gasthaus, in der unmittelbaren Nähe ihrer Genossen und wußte nichts davon, daß Vallombreuse in Paris sei.
Vallombreuse war leise auf den Zehen gehend und den Atem anhaltend, um das anmutige Bild, das er mit Entzücken betrachtete, nicht zu stören, bis in die Mitte des Zimmers gelangt. Indem er wartete, bis Isabella die Augen aufschlagen und ihn gewahren würde, hatte er sich mit einem Knie auf den Fußboden niedergelassen und hielt in der einen Hand seinen Hut, während er mit einem Ausdruck, den man einer Königin gegenüber nicht ehrerbietiger hätte wünschen können, die andere Hand aufs Herz legte.
Wenn die junge Schauspielerin schön war, so war Vallombreuse, wie sich nicht leugnen läßt, dies nicht minder. Das Licht fiel voll auf sein Gesicht, das vollkommen regelmäßig war und dem eines jungen griechischen Gottes glich. Die Liebe und Bewunderung, die sich in diesem Augenblick darin malten, hatten daraus jenen gebieterisch grausamen Ausdruck entfernt, den man mit Bedauern zuweilen darin sah. Die Augen sprühten Flammen, der Mund schien förmlich zu leuchten, auf die bleichen Wangen stieg gleichsam ein rosiger Schein aus dem Herzen herauf. Sein zarter und doch kräftiger Hals besaß die Weiße des Marmors. Man begriff, daß ein solcher Herzog unmöglich auf den Gedanken kommen konnte, es gäbe irgendeine Göttin, Königin oder Schauspielerin, die ihm widerstände.
Endlich drehte lsabella den Kopf herum und sah in einer Entfernung von sechs Schritten den Herzog von Vallombreuse knien. Selbst der Anblick eines Medusenhauptes hätte keine furchtbarere Wirkung auf sie äußern können. Wie zu Eis erstarrt, wie versteinert, mit angstvollem Blick und kaum einer Bewegung oder eines Atemzuges fähig, saß sie da. Totenblässe breitete sich über ihre Züge, auf ihrem Nacken perlte kalter Schweiß; sie glaubte ohnmächtig werden zu müssen. Durch eine ungeheure Anstrengung der Willenskraft aber raffte sie ihre Sinne zusammen, um nicht den Unternehmungen dieses Verwegenen ausgesetzt zu sein.
»Ich flöße Ihnen also wirklich unüberwindlichen Abscheu ein,« sagte Vallombreuse, ohne aufzustehen und im sanftesten Tone, »da schon mein Anblick eine solche Wirkung auf Sie äußert. Ein Ungeheuer, mit blutigem Rachen, scharfen Zähnen und ausgestreckten Klauen, aus seiner Höhle hervorbrechend, hätte Sie sicherlich weniger erschreckt. Mein Eintritt ist allerdings in etwas unerwarteter und plötzlicher Weise erfolgt, aber Sie dürfen meiner Leidenschaft wegen des Unpassenden, das sie mich begehen läßt, nicht zürnen. Um Sie zu sehen, habe ich Ihrem Zorne Trotz geboten, und meine Liebe legt sich, selbst auf die Gefahr hin, Ihnen zu mißfallen, Ihnen bittend und schüchtern zu Füßen.«
»Ich bitte Sie, Herr Herzog, stehen Sie auf«, sagte die junge Schauspielerin. »Ich bin weiter nichts als eine arme, wandernde Komödiantin. Meine geringen Reize verdienen nicht eine solche Eroberung. Vergessen Sie eine vorübergehende Laune und sprechen Sie anderwärts Wünsche aus, die so viele Frauen sich glücklich schätzen werden zu erfüllen. Machen Sie nicht Königinnen, Herzoginnen und Marquisen meinetwegen eifersüchtig.«
»Was liegt mir,« rief der Herzog aufstehend und mit Ungestüm, »an allen diesen Frauen, wenn es Ihr Stolz ist, den ich anbete? wenn Ihre Kälte in meinen Augen mehr Reiz hat als die Gunst anderer? wenn Ihre Keuschheit mich berauscht, wenn Ihre Zurückhaltung meine Leidenschaft bis zum Wahnsinn anstachelt, wenn das Leben nur durch Ihre Liebe Wert für mich erhält? Fürchten Sie nichts«, setzte er hinzu, als er sah, daß Isabella das Fenster öffnete, wie um sich hinauszustürzen, wenn er vielleicht Gewalt gegen sie anzuwenden beabsichtigte. »Ich verlange weiter nichts, als daß Sie meine Gegenwart dulden, daß Sie mir erlauben, Ihnen den Hof zu machen und Ihr Herz zu rühren.«
»Ersparen Sie mir diese nutzlose Verfolgung,« antwortete Isabella, »dann werde ich, wenn auch nicht Liebe, doch grenzenlose Dankbarkeit für Sie empfinden.«
»Sie haben weder einen Vater, noch einen Bruder, noch einen Gatten, der etwas dagegen einwenden könnte, wenn ein Ehemann Sie ersehnt und Ihnen zu gefallen sucht«, sagte Vallombreuse. »Meine Huldigungen sind keine Beleidigungen. Warum stoßen Sie mich zurück? Oh, Sie wissen nicht, welches glänzende Leben ich Ihnen eröffnen würde, wenn Sie sich dazu verstünden, meine Huldigungen anzunehmen. Wenden Sie die Augen nicht ab, Isabella; bewahren Sie nicht dieses tödliche Schweigen; treiben Sie eine Leidenschaft, die alles kann, nur nicht sich selbst und Ihnen entsagen, nicht zur Verzweiflung!«
»Diese Leidenschaft, auf die jede andere an meiner Stelle stolz sein würde, kann ich nicht teilen«, antwortete Isabella bescheiden. »Wenn auch die Tugend, die ich höher schätze als das Leben, für mich kein Hindernis wäre, so würde ich doch diese gefährliche Ehre ablehnen.«
»Betrachten Sie mich mit gunsterfülltem Auge,« fuhr Vallombreuse fort, »ich werde Sie zu einem Gegenstand des Neides selbst für die vornehmsten und höchstgestellten Damen machen. Zu einer andern würde ich sagen: Nimm in meinen Schlössern, auf meinen Gütern, in meinen Häusern, was dir gefällt, plündere meine mit Diamanten und Perlen gefüllten Schränke, tauche die Arme bis an die Schultern in meine Truhen voll Gold, kleide deine Diener mit einer Pracht, die selbst für Fürsten zu groß wäre, laß die Pferde deiner Karossen mit Silber beschlagen, halte dir ein Gefolge wie eine Königin, blende Paris, das sich doch nicht so leicht in Erstaunen setzen läßt. Alle diese Verlockungen wären aber zu plump für eine Seele wie die Ihrige. Wohl aber könnten Sie es sich zum Ruhm anrechnen, einen Vallombreuse besiegt zu haben, ihn gefangen hinter Ihrem Triumphwagen herschreiten zu lassen, einen Mann, der noch niemals gehorcht hat und den keine Fesseln zu halten vermochten, Ihren Diener und Ihren Sklaven zu nennen.«
»Dieser Gefangene wäre für meine Ketten zu vornehm, und ich möchte eine so kostbare Freiheit nicht in Fesseln schlagen«, sagte die junge Schauspielerin.
Bis jetzt hatte der Herzog von Vallombreuse sich bezwungen, er zwang seine angeborene Heftigkeit zu einer künstlichen Sanftmut, Isabellas ehrerbietiger und fester Widerstand aber begann allmählich seinen Zorn zu reizen. Er witterte eine Liebe nach einer andern Richtung hinter dieser Tugend, und sein Zorn wuchs infolge seiner Eifersucht. Er näherte sich der jungen Dame, die die Hand an den Riegel des Fensters legte. Seine Züge waren verzerrt, er biß sich auf die Lippen, und der Ausdruck von dämonischer Bosheit kam auf seinem Gesicht wieder zum Vorschein.
»Sagen Sie lieber,« hob er in verändertem Tone wieder an, »daß Sie Sigognac lieben. Dies ist der Grund der Tugend, hinter der Sie sich verstecken. Was besitzt denn dieser glückliche Sterbliche, daß er Sie auf diese Weise bezaubert? Bin ich nicht schöner, vornehmer, reicher, ebenso jung, ebenso geistreich und ebenso leidenschaftlich wie er?«
»Wenigstens,« antwortete Isabella, »besitzt er eine Eigenschaft, die Ihnen abgeht, nämlich die der Achtung vor dem, was er liebt.«
»Weil er nicht feurig genug liebt«, rief Vallombreuse, indem er Isabella, die sich schon zum Fenster hinausneigte und bei seiner Berührung einen schwachen Schrei ausstieß, umarmte.
Im selben Augenblicke öffnete sich die Tür. Der Tyrann trat, sich mit übertriebener Höflichkeit verneigend, in das Zimmer und kam auf Isabella zu, die der Herzog, wütend auf diese Weise gestört worden zu sein, sofort losließ.
»Verzeihen Sie, Mademoiselle,« sagte der Tyrann, indem er dem Herzog einen Seitenblick zuwarf, »ich wußte Sie nicht in so guter Gesellschaft. Aber die Stunde der Probe hat bereits auf allen Uhren geschlagen, und man wartet nur noch auf Sie, um anzufangen.«
In der Tat sah man durch die halbgeöffnete Tür den Pedanten, Scapin, Leander und Zerbine, die eine für Isabellas bedrohte Keuschheit beruhigende Gruppe bildeten.
Der Herzog ging einen Augenblick lang mit dem Gedanken um, sich mit dem Degen in der Hand auf dieses Pack zu stürzen und es auseinander zu jagen. Aber das hätte nutzloses Aufsehen gemacht. Er faßte sich daher, grüßte Isabella, die sich zitternd ihren Freunden genähert, mit eisiger Höflichkeit und verließ das Zimmer. Auf der Schwelle jedoch drehte er sich noch einmal um, machte eine Handbewegung und sagte:
»Auf Wiedersehen, Mademoiselle!«
Es war dies allerdings eine sehr einfache Redensart, die aber durch den Ton, in dem sie ausgesprochen wurde, eine drohende und furchtbare Bedeutung erhielt. Vallombreuses kurz vorher noch so liebenswürdiges Antlitz hatte jetzt wieder seinen Ausdruck teuflischer Bosheit angenommen. Isabella konnte sich eines Schauders nicht erwehren. Sie empfand die tödliche Angst der Taube, über der der Habicht in den Lüften immer engere Kreise zieht.
Vallombreuse stieg, während der Wirt sich hinter ihm in einer Menge überflüssiger Komplimente erschöpfte, wieder in seinen Wagen, und es dauerte nicht lange, so verkündete das Rasseln der Räder, daß der gefährliche Besuch endlich fort war.
Mit dem für Isabella zu so gelegener Zeit gekommenen Beistand war es folgendermaßen zugegangen:
Die Ankunft des Herzogs von Vallombreuse in vergoldeter Karosse vor dem Hotel der Rue Dauphine hatte in dem ganzen Gasthause nicht wenig Erstaunen hervorgerufen, und die Kunde war bald auch zu den Ohren des Tyrannen gekommen, der ebenso wie Isabella in seinem Zimmer saß und seine Rolle studierte. In Abwesenheit Sigognacs, der im Theater war, um ein neues Kostüm anzuprobieren, hatte der brave Herodes, der die schlimmen Absichten des jungen Herzogs kannte, sich vorgenommen, genau aufzupassen und vernahm, indem er mit lobenswerter Indiskretion am Schlüsselloch horchte, jenes Gespräch. Er war entschlossen, sofort dazwischenzutreten, sobald die Sache eine gefährliche Wendung nehmen würde. So hatte seine Klugheit Isabellas Tugend vor der Gewalttätigkeit des übermütigen, von seiner Leidenschaft verblendeten Herzogs bewahrt.
Der Tag sollte überhaupt stürmisch werden.
Lampourde hatte, wie man sich erinnern wird, von Merindol den Auftrag erhalten, den Kapitän Fracasse aus dem Weg zu räumen. Der Bandit lauerte demgemäß, um die Gelegenheit abzuwarten, auf dem freien Platze, auf dem der metallene König steht, denn Sigognac mußte, um in das Gasthaus zurückzugelangen, notwendig den Pont Neuf passieren. So stand er schon seit länger als einer Stunde, blies sich in die Finger, um sie für den Augenblick der Tätigkeit nicht steif werden zu lassen, und stampfte mit den Füßen, um sie sich zu erwärmen. Die Witterung war kalt, und die Sonne ging hinter den Tuilerien in blutigen Wolken unter. Die Dämmerung senkte sich rasch herab, und schon wurden die Passanten seltener.
Endlich erschien Sigognac. Er ging mit eiligen Schritten, denn er fühlte sich wegen Isabellas von einer unbestimmten Unruhe erfüllt und beeilte sich daher nach Hause zu kommen. In dieser Eile sah er nicht Lampourde, der, ihn am Saume des Mantels fassend, mit so plötzlicher Bewegung daran zerrte, daß die Schnüre zerrissen. Mit einem Male sah sich Sigognac im bloßen Wams. Ohne sich um seinen Mantel mit diesem Angreifer zu streiten, den er anfangs für einen gewöhnlichen Straßendieb hielt, zog er blitzschnell den Degen. Lampourde verlor seinerseits ebenfalls keine Zeit, die Klinge aus der Scheide zu reißen. Er freute sich über Sigognacs Kampfbereitschaft und sagte bei sich selbst:
»Wir werden uns erst ein wenig amüsieren.« Die Klingen kreuzten sich. Nach einigem Tasten von der einen wie von der andern Seite versuchte Lampourde einen Stoß, der aber sofort pariert wurde.
»Diese Parade war gut,« fuhr er mit sich selbst, sprechend fort, »dieser junge Mann hat etwas gelernt.«
Sigognac band mit seinem Degen das Eisen des Banditen und führte einen Seitenstoß, den Lampourde durch Zurückbiegen des Körpers parierte, während er zugleich den Stoß seines Gegners wegen seiner Vollkommenheit und akademischen Regelmäßigkeit bewunderte.
»Dies für Sie!« rief er, und sein Degen beschrieb einen funkelnden Ring, traf aber Sigognacs Klinge, die schon auf ihrem Posten zurückgekehrt war.
Nach einer Blöße spähend, um durch sie einzudringen, drehten die durch die Spitzen gebundenen Klingen sich umeinander, bald langsam, bald rasch, mit einer Vorsicht und Klugheit, die die Geübtheit der beiden Kämpfer bewies.
»Wissen Sie, mein Herr,« sagte Lampourde, der seine Bewunderung dieses so sicheren, so geschlossenen und so korrekten Spieles nicht länger unterdrücken konnte, »wissen Sie, daß Sie eine ganz vortreffliche Methode haben?«
»Das freut mich«, antwortete Sigognac, indem er einen geraden Stoß nach dem Banditen führte, der ihn durch einen blitzschnellen Schlag mit dem Knopf seines Degens parierte.
»Das war ein herrlicher, ein prachtvoller Stoß«, sagte der Raufbold, dessen Enthusiasmus immer höher stieg. »Logisch genommen sollte ich jetzt tot sein. Ich bin im Unrecht. Meine Parade war durchaus nicht schulgerecht und nur im äußersten Falle zulässig. Ich schäme mich beinahe, einem guten Fechter wie Ihnen gegenüber davon Gebrauch gemacht zu haben.«
Alle diese Phrasen waren untermischt mit dem Klirren der Klingen, mit Quarten, Terzen und Halbkreisen, die Lampourde immer größeren Respekt vor Sigognac einflößten. Der Bandit schätzte auf der Welt nichts weiter als die Fechtkunst und er bemaß die Achtung, die er jemanden zollte, nach der Geschicklichkeit, die dieser in der Führung der Klinge besaß.
»Darf ich mir vielleicht erlauben, mein Herr, Sie zu fragen, wer Ihr Lehrer gewesen ist? Girolamo, Paraguantes und Côte d'Acier könnten stolz sein auf einen solchen Schüler.«
»Ich habe weiter keinen Lehrer gehabt als einen alten Soldaten, namens Pierre«, antwortete Sigognac, den dieses seltsame Geplauder amüsierte. »Da parieren Sie einmal den da – es ist dies einer seiner Lieblingsstöße.«
»Zum Teufel!« rief Lampourde, indem er einen Fußbreit zurückprallte, »beinahe wäre ich getroffen worden. Die Spitze fuhr mir unter dem Arm durch. Am hellen Tag hätten Sie mich durchbohrt, Sie sind aber noch nicht an diese Kämpfe in der Dämmerung oder Nacht gewöhnt, wofür man Katzenaugen haben muß. Doch gleichviel, Ihr Stoß war ausgezeichnet. Jetzt geben Sie wohl acht, denn ich will nicht verräterisch an Ihnen handeln. Ich werde jetzt meinen geheimen Stoß, das Resultat meiner Studien, das Nonplusultra meiner Wissenschaft, das Elixir meines Lebens an Ihnen versuchen; bis jetzt hat dieser unfehlbare Stoß stets seinen Mann getötet. Wenn Sie ihn parieren, so werde ich ihn Ihnen lehren. Er ist mein einziges Erbe, und ich will ihn Ihnen vermachen. Sonst nehme ich diesen prachtvollen Stoß mit ins Grab, denn bis jetzt hat ihn noch niemand kennengelernt, der fähig gewesen wäre, ihn auszuführen, außer Ihnen, bewunderungswürdiger junger Mann. Wollen Sie aber nicht erst ein wenig ausruhen und zu Atem kommen?«
Bei diesen Worten senkte Jacquemin Lampourde die Spitze seines Degens, Sigognac tat dasselbe. Nach Verlauf von einigen Minuten begann das Duell von neuem. Nach einigen Gängen fühlte Sigognac, der alle Finten kannte, an Lampourdes Bewegungen, der gerühmte Angriff würde jetzt gegen seine Brust losbrechen. In der Tat beugte der Bandit sich plötzlich so tief nieder, als ob er auf die Nase fiele, und der Baron sah keinen Gegner mehr vor sich, aber ein Blitz zischte ihm so urplötzlich nach dem Leibe, daß er nur eben noch Zeit hatte ihn durch einen Halbkreis zu kupieren, der Lampourdes Klinge in der Mitte glatt zerbrach.
»Wenn Sie das fehlende Stück meines Degens nicht im Leibe haben,« sagte Lampourde, sich aufrichtend und den Stumpf, den er noch in der Hand hielt, schwenkend, zu Sigognac, »so sind Sie ein großer Mann, ein Held, ein Gott!«
»Nein,« antwortete Sigognac, »ich bin nicht getroffen und wenn ich wollte, so könnte ich Sie jetzt an die Wand spießen wie eine Eule. Dies widerstrebt aber meiner angeborenen Großmut, und übrigens haben Sie mich durch Ihr seltsames Wesen amüsiert.«
»Baron, erlauben Sie mir fortan Ihr Bewunderer, Ihr Sklave, Ihr Hund zu sein? Man hat mich bezahlt, Sie zu töten. Ich habe sogar schon einen Vorschuß darauf empfangen, den ich vertan habe. Doch gleichviel. Ich werde stehlen, um das Geld zurückgeben zu können.«
Nach diesen Worten hob er Sigognacs Mantel auf, gab ihn wie ein dienstfertiger Kammerdiener dem Baron um, verneigte sich tief gegen ihn und entfernte sich.
Die beiden Angriffe des Herzogs von Vallombreuse waren fehlgeschlagen.
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