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Acht Tage nach der »Französischen Revolution« denn wir fingen an die erstbeschriebenen Vorgänge als eine Art von Aera zu betrachten, besuchte ich auf der Jagd ein nicht so gar weit entlegenes indianisches Dorf. Die Stämme sind freundlich genug gegen die Weißen gesinnt, so schlecht sie auch von diesen manchmal behandelt werden, und ich wurde auf das gutmüthigste von den wilden Kindern des Waldes empfangen.
Höchst interessant war es mir dabei ihre Koch- und Lebensart zu beobachten – die Squaws oder Frauen – etwas Seifenwasser hätte ihr Aeußeres entschieden verbessern können – besorgten Küche und Wirthschaft, auf die ich nachher ausführlicher werde zu sprechen kommen, natürlich allein, und die verschiedenen Familien des Stammes bildeten auch, obgleich an einem Feuer für mehre zusammen gekocht wurde, beim Essen ebensoviel verschiedene, für sich selber abgeschlossene Gruppen. Ich wandte mich vor allen Dingen von diesen, einer der am behäbigsten aussehenden zu, wo eine junge ganz hübsche Frau ihrem Mann in einem der gewöhnlichen wasserdicht geflochtenen Korbgefäße einen dünnen hellgelben und sonst ganz appetitlich aussehenden Brei auftrug.
In meiner Unschuld sah ich mich auch nach Löffeln um, denn ich hatte bis dahin wirklich geglaubt daß man einen dünnen Brei entweder trinken müsse, oder nur mit Löffeln oder wenigstens löffelartigen Instrumenten verzehren könne; ein feister, gutmüthig aussehender Bursche von Indianer, jedenfalls der Gemahl der Donna und Vater dreier hoffnungsvoller kleiner Schweinigel die sich hinter ihm am Boden herumwälzten, belehrte mich aber bald eines Besseren. Er nahm ganz gemüthlich den Korb vor sich zwischen die Kniee, steckte, nach vorheriger Prüfung ob die Mischung auch vollkommen gut abgekühlt sey, die vier Finger der rechten Hand tief in den Brei, und schob sie sich dann mit augenscheinlichem Wohlbehagen in das gastlich aufgerissene Verzehrungsorgan hinein, aus dem sie gleich darauf wieder blitzblank zum Vorschein kamen, solche Bewegung jetzt in rascher Reihenfolge solange zu wiederholen, bis der ziemlich gefüllt gewesene Korb wenigstens halb geleert war. Der Daumen mußte bei dieser ganzen Mahlzeit zusehen, und diente nur gewissermaßen zum Widerhaken, daß nicht vielleicht einmal die ganze Hand in den, allerdings weit genug dazu aufgerissenen Schlund hinabgefahren wäre.
Als der Mann seine Mahlzeit beendigt hatte, strich er sich wohlgefällig den Bauch und ich bot ihm, da ich nicht ohne Grund glaubte es würde seiner Verdauung ungemein nützen, meine Brandyflasche an. Er nahm sie, roch daran, erst einmal und dann noch einmal, das zweitemal vorsichtiger als das erste, gab sie mir dann aber, ohne das Feuerwasser auch nur zu kosten, kopfschüttelnd zurück, und suchte mir durch Zeichen verständlich zu machen, daß er nach dem Genuß dieses Getränks umhertaumeln und sich besonders übergeben würde. Dafür aber schob er. mir mit wirklich gutmüthiger Artigkeit den Korbnapf herüber, sein eigenes Ambrosia zu kosten, was ich jedoch, in Befürchtung nicht unähnlicher Folgen gleichfalls dankend ablehnte. Nicht im mindesten darüber beleidigt winkte er nur einfach seiner Squaw es für sich und die »Kindlein« fortzunehmen, lehnte sich dann, der bessern Verdauung wegen, auf den rechten Ellbogen zurück, und erzählte mir nun eine sehr lange Geschichte, an der mir nur weiter nichts leid that, als daß ich auch nicht eine Sylbe davon verstehen konnte.
Bald darauf nahmen jedoch ein paar junge Mädchen meine Aufmerksamkeit in Anspruch, die mit einem ganzen Korb voll Blumen und Kräutersaamen aus dem Wald kamen, diesen in einen der flachen Körbe schütteten, glühende Kohlen dazu legten und das Ganze, nach Art einer Futterschwinge solange durcheinanderwarfen, bis der Samen oder Thee förmlich geröstet war und einen wirklich aromatischen Geruch verbreitete. Er schmeckte eben so gut als er roch und hatte einige Ähnlichkeit mit unserem Brustthee.
Auch große Tannzapfen einer gewissen Schwarzholzart, die in ihrer Form genau einer Ananas glichen, brachten andere herbei. Die Kerne derselben schmeckten vortrefflich, fast ganz wie Nüsse, und die Mahlzeiten der verschiedenen Familien wurden mit solchen Materialien auf das mannigfaltigste bereitet.
Erst gegen Abend, und nachdem ich mehre Kleinigkeiten an Schmuck- und Putzsachen unter die Frauen und Kinder vertheilt hatte, verließ ich, mit den Bewohnern auf vollkommen freundlichem Fuß stehend, das Lager wieder.
Die Indianer des ganzen nordamerikanischen Continents, die des äußersten Nordens vielleicht ausgenommen welche ich noch nicht das Vergnügen hatte kennen zu lernen, haben eine gewisse Familienähnlichkeit miteinander – kupferbraune Haut, lange glatte schwarze Haare, weiße schöne Zähne, wie fast alle nicht civilisirten Stämme, und dunkle Augen. Nur in Größe und Stärke und vielleicht auch an charakteristischem Ausdruck sind sie verschieden, und manche Stämme den andern ungemein überlegen. Das Land selbst, wie es wohl manchmal geschehen mag, hat dabei wie es scheint wenig Einfluß, die Bewohner der Berge, meine ich nämlich, sind vor denen des flachen Landes nicht immer im Vortheil, und die Cumanches und Pawnees der nördlichen Steppen messen sich, nicht selten sehr zu ihrem Vortheil, mit den Blackfeet, den blutdürstigen Panthern der Felsengebirge, während die flüchtigen Pampasstämme an Tapferkeit und kriegerischem Muth, wenn auch vielleicht nicht an geistigen Fähigkeiten, selbst den Araukanern Chiles wenig nachgeben.
Die californischen Indianer können freilich diesen Stämmen nicht gleich gestellt werden, denn es sind jedenfalls die harmlosesten, friedliebendsten Wilden die ich bis jetzt gesehen habe. Allerdings werfen ihnen die Amerikaner vor sie seyen diebisch und dann und wann selbst mordsüchtig, und führen, Beispiele an, wie sie einzelne in den Minen arbeitende Leute überfallen und oft schmählich gemordet hätten; wer gab aber dazu stets die erste Veranlassung? nur die Amerikaner selber. Gerade jenes wilde Gesindel, das schon im Westen der Vereinigten Staaten immer nur an den indianischen Grenzen herumlag, dort allerlei Unfug trieb, und die stets ausweichenden Indianer endlich so lange reizte bis sie Rache nahmen, und das nun Mord und Zeter schreit über neue indianische Gewaltthaten und Ueberfälle, eben dieses bildet einen großen Theil der jetzigen Minenarbeiter, denn von ihm sind alle nach Californien ausgewandert.
Ich sage alle, denn Mangel an Ueberfahrtsgeld konnte bei ihnen kein Hinderniß seyn; betrügerischer Handel mit den halb civilisirten Stämmen des Westens und falsches Spiel hielt ihre Taschen gewöhnlich schon außerdem gefüllt, und waren sie gerade nicht bei Casse, so machte ihnen ihr Gewissen in der Wahl ihrer Mittel, sich wieder Geld zu verschaffen, auch keine großen Schwierigkeiten. Solche Menschen sind es auch jetzt mit zum Theil, die an den Grenzen der indianischen Bevölkerung, und durch das Vorschieben der Minen, oft mitten zwischen ihr leben, Betrügereien, Verfolgung ihrer Weiber und Mißhandlungen, nicht selten Ermordungen selbst, an den Männern verübt haben, und dann manchmal die Flammen zur lichten Gluth anblasen, die schon unter der Asche, durch die gewaltsame Besitznahme und Zerstörung all ihrer Jagdgründe zu gleicher Zeit, genug und über genug geschürt war.
Noch täglich werden neue indianische Kriege in Kalifornien geführt, sie alle aber sind durch die Amerikaner selber hervorgerufen – nicht durch die Regierung natürlich, sondern durch einzelne schlechte Subjecte – das Resultat derselben kann auch keinen Augenblick zweifelhaft seyn, die Indianer müssen unterliegen, unterliegen auch selbst in allen Scharmützeln, und der Vernichtungskrieg gegen diese armen Wesen hat nun im Osten und Westen zu gleicher Zeit begonnen – noch ein halbes Jahrhundert, und wie wenig werden übrig geblieben seyn, das Schicksal ihrer Väter zu erzählen.
Doch das sind traurige und – nutzlose Betrachtungen – Jene gehen den Weg aller wilden Völker, einige langsam, andere schneller, aber alle unaufhaltsam ihrem gewissen Untergang entgegen. So lange sie aber noch existiren, interessirt es den deutschen Leser vielleicht etwas genaueres über sie zu erfahren, und ich will sie ihm denn, wie ich sie wenigstens gefunden, treulich zu schildern suchen.
Der californische Indianer hat genau die Grundzüge seiner übrigen Brüder im Osten und Süden; kupferfarbene Haut, dunkles langes schwarzes Haar, dunkle Augen. Er ist aber im Allgemeinen ziemlich klein und gedrungen von Gestalt, mit gutmüthigen Gesichtszügen, die Aehnlichkeit mit denen der östlichen Stämme haben. Ihre Gesichtszüge sind oft edel, ja sogar schön zu nennen, eine festgestellte Physiognomie herrscht aber unter ihnen nicht vor, und man findet gerade und römische Nasen – ja unter den Frauen manchmal ganz kecke Stumpfnäschen – hohe wie niedere Stirnen, meistens aber freie offene Gesichter, die weit mehr zutrauliches und gutartiges als boshaftes in sich haben. Und doch suchen die Amerikaner oft – wenn auch fast stets falscher Weise, sie der Falschheit und Grausamkeit zu bezüchtigen. Wo sie ja einmal eine Grausamkeit verübten – und die Fälle selbst sind ungemein selten – waren sie auch sicher vorher dermaßen gereizt, daß ihr Betragen dem Unparteiischen gegenüber nicht allein entschuldigt, sondern sogar oft gerechtfertigt schien.
Ihre Sprache ist ein wunderbares Gemisch von Gaumenlauten, die sie in rascher, höchst eigenthümlich klingender Rede verstoßen. Wie alle Indianer der Südsee, ebenso wie die Malayen, verstärken sie irgend einen Begriff durch die Wiederholung desselben Wortes, z. B. walle Freund, walle walle sehr guter Freund (zugleich ihre Begrüßungsformel). Ein paar Worte der Sprache der südlichen Stämme gehen dem Leser vielleicht einen ungefähren Begriff, nur müssen die einzelnen Sylben scharf, während die Zunge zurückgezogen wird, mehr mit dem Gaumen als den Lippen ausgesprochen werden.
Cutscha Bogen,
toatechi Pfeil,
tschipako Spitze,
hutama Köcher,
lapagai Schlange,
katabo lange Eidechsenart,
aschatschu kaluma Tarantel,
sakackae sehr großer Käfer,
melangaja Wespe,
kilikila kleiner Raubvogel,
hanadu Perlenschmuck,
etakilua Hornfrosch,
pataloc krank,
acamedo Raupe,
tolude Grashüpfer,
schondu Auge,
wangada Arm,
ana Mund,
takatachu Ohr.
Ein r habe ich in keinem ihrer Wörter gefunden, doch können sie diesen im Spanischen vorkommenden Buchstaben sehr gut aussprechen. Bemerkenswerth ist übrigens noch, daß sämmtliche Gegenstände die ihnen von Fremden gebracht wurden, auch ihre eigenen, meist spanischen Namen beibehalten haben, nur hie und da findet manchmal eine Veränderung des Wortes statt, was aber auch ein Gedächtnißfehler gewesen seyn kann.
Sie besitzen dabei eine sehr große Fertigkeit, ihnen deutlich vorgesagte Worte richtig nachzusprechen, und freuen sich nachher, wenn sie es können, ganz ausgelassen selber darüber.
Die Indianer in der Nähe der Missionen, von denen dort viele auch als Kinder auferzogen wurden, sprachen oft fertig Spanisch, bei den wilden Stämmen findet man aber nur einzelne die es etwas verstehen, und dann sehr gebrochen reden. Hie und da fangen auch etliche an englisch zu lernen, was sie aber von der Sprache gewöhnlich am ersten begreifen, sind die Flüche – die spanische scheint ihnen auch lieber zu seyn.
Was ihre Kleidung betrifft, so scheint die ursprünglich einfach genug gewesen zu seyn – die Männer trugen gar nichts, und die Frauen nur eine Art Schurzfell, das, nach den verschiedenen Stämmen, oder vielleicht auch nur Gegenden in denen sie wohnten, auch verschieden gearbeitet ist und aus verschiedenem Material besteht.
Den zierlichsten Schurz tragen jedenfalls die nördlichen Indianerinnen, von langgeschnittenen Streifen Hirschfell, jeder einzelne Streifen sehr zierlich mit einer Art feinem Stroh umflochten und dann auch noch oft mit den Hülsen einer braunen sehr harten Nuß auf wirklich geschmackvolle Art verziert.
Die Indianerinnen am Feather-River tragen Binsenschürzen, die Bündeln Stroh nicht unähnlich sehen, und die Frauen und Mädchen der südlicheren Stämme am Macalome, Calaveres und Stanislaus (weiter südlich war ich nicht) Schürzen von gegerbten und verzierten Hirschfellen, denen ganz ähnlich, wie sie die östlichen Stämme Nordamerika's anfertigen.
In ihren Arbeiten sind diese rohen Kinder der Natur überhaupt keineswegs so ungeschickt; die Männer arbeiten ihre Waffen, Bogen und Pfeile auf sehr zierliche Art, und die Frauen wissen selbst sehr hübsch aussehende Körbe zu flechten, die vollkommen wasserdicht sind. Diese Körbe arbeiten sie meistens (die runden ausgenommen, die sie zu Wassergefässen benutzen) unten spitz, wie einen großen Trichter, und die Frauen tragen dieselben an einem Bande, das um das weite Ende dieses Trichters und über ihre Stirne geht, auf dem Rücken.
Ebendaselbst und auf eben solche Art transportiren sie auch das »junge Californien,« in wunderlich gestalteten »Kinderbehältern« – ich weiß wirklich keinen andern Namen dafür – ebenfalls aus Flechtwerk gemacht, in die, das Indianerkindlein gar fest hineingebunden ist, und mit dem kleinen, dicken, erstaunten und stets sehr schmutzigen Gesichtchen rückwärts in die Welt hineinschaut.
Die neuere Zeit hat das Leben der Indianer aber nun, wie man sich auch wohl leicht denken kann, um ein Wesentliches verändert. Sie sind jetzt mit einer Masse von Bedürfnissen bekannt geworden, deren Existenz sie früher nicht einmal ahnten, und das Feuerwasser hat ebenfalls böse Verheerungen unter ihnen angerichtet. Was Kleidungsstücke betrifft, so ist ihre Lage jedenfalls dadurch verbessert worden, denn die wollenen Decken behagen ihnen in der Regenzeit, und auch selbst in den kalten Sommernächten der Gebirge, ungemein; ob sie diesen Luxus aber nicht zu theuer erkauft haben, brauchen wir gar nicht mehr zu fragen, und überhaupt hatten sie ja nicht einmal das Bedürfniß einer wärmeren Kleidung. Von Kindheit auf gewohnt nackt zu gehen, härtete und dichtete sich auch jedenfalls ihre Haut, und die Befriedigung des Bedürfnisses kam hier, wie das in solchen Fällen so oft geht, eher als das Bedürfniß selber.
»Frierst Du nicht, Indianer?« fragte einst einen nordamerikanischen Wilden, der mit einem dünnen, überall zerrissenen baumwollenen Jagdhemd bekleidet und in einfachen Moccasins über den gefrornen Boden hinschritt, ein in einen großen warmen Deckenrock fest eingeknöpften Amerikaner, der an ihm vorüberritt.
»Frierst Du im Gesicht?« frug ihn die Rothhaut dagegen in gebrochenem Englisch.
»Nein, im Gesicht nicht,« erwiederte der Weiße.
»Gut,« sagte der Indianer, still vor sich hinlachend, »ich über und über Gesicht.«
Nie sehen die Indianer übrigens komischer aus, als wenn sie sich außer der Decke auch noch in europäische Kleider stecken, von denen sie nur gar keine Idee haben, in welcher Ordnung sie eigentlich angezogen werden. Erst einen Frack und dann die Hose, dann das Hemd und dann die Weste, oder erst die Weste und dann das Uebrige, oder eines dieser Kleidungsstücke nur, oder mehrere, oder auch, wenn es nicht anders seyn kann, alle viere weggelassen, darauf kommt es ihnen nicht im mindesten an, nur je mehr Kleidungsstücke er im Stande ist, über sich herüber zu ziehen, desto vornehmer fühlt er sich, und besonders ist irgend ein buntes Uniformstück jeder Zeit das Ideal aller seiner Schneiderphantasien.
So sah ich nicht selten Indianer, die bei der furchtbarsten Hitze drei paar Beinkleider anhatten und nur darum besorgt, daß man sie auch alle drei sehen solle, die obersten bis über das Knie, die zweiten bis über die Waden hinaufstreiften, die unteren aber natürlich ganz herunterließen.
Cravatten als Strumpfbänder, Vatermörder verkehrt, die Spitzen nach unten, Westen nach hinten zugeknöpft und mancherlei Unsinn in gleicher Art kommt nur zu häufig vor; wie die Kinder lassen sie alles an und über sich hängen, was man ihnen gibt, oder was sie sich manchmal auch um sauer genug erworbenes Gold erkaufen, bis sie es müde werden und bei Seite werfen. Die Frauen legen jetzt auch schon oft europäische Kleider von buntem Kattun an, da sie dieselben aber nicht nähen können, benützen sie am liebsten ein Stück ungenähten breiten Kattun, den sie nach Art der spanischen Mantilla über die Schultern werfen.
Schmutzig sind sie übrigens alle auf eine wirklich widrige Art.
Ihre Staatsform ist nach Art der nordamerikanischen Wilden, erbliche Häuptlingsschaft, wobei sich mehrere Stämme mit Unterhäuptlingen oder Capitanos, wie sich dieselben jetzt am liebsten nennen, einem Hauptführer oder Regenten zuwenden, der dann über sie Alle unbeschränkte Gerichtsbarkeit ausübt, ihre Streitigkeiten schlichtet und die Schuldigen bestraft. In den südlichen Minen war dieß der Häuptling »Jesus«, der die Kajotas, die Wynoots und wie alle die kleineren Stämme am Macalome, Calaveres und Stanislaus heißen, unter seinem Scepter vereinte und in nicht geringem Ansehen bei ihnen stand. Doch von diesem später mehr.
Was ihre Religion anbetrifft, so bin ich daraus nie klug geworden. Götzenbilder habe ich übrigens nicht bei ihnen bemerkt, auch keinen gesprochen der etwas dem Aehnliches bei ihnen gesehen hätte, und es ist wohl zu vermuthen, daß sie, wie ihre Brüder im Osten, sehr vernünftigerweise einen »großen Geist« anbeten. Ihre Todten verbrennen sie und halten Wehklagen darüber.
Um die Missionen herum bekennen sich die Indianer allerdings zum christlich katholischen Glauben, die Missionäre haben aber meistens in der jetzt so goldsüchtigen Zeit Californiens ihrem Beruf, einem einträglicheren Geschäfte folgend, entsagt, oder, wo sie wirklich geblieben, sind die Indianer selber gegangen; die Bekehrung derselben ist wenigstens, wo ich nur Gelegenheit hatte es zu beobachten, ganz aufgegeben oder doch so weit vernachlässigt, als es ungefähr der eigene Nutzen des Missionärs verlangt, noch einige »Bekehrte« in seiner Nähe zu behalten.
Amerikanische, protestantische und katholische Geistliche habe ich genug in Californien, selbst weit oben in den Minen, getroffen; in San Francisco, wo es reiche Beisteuern gibt, bauen sie auch Kirchen über Kirchen, selbst in den Minen predigen sie manchmal – sie wollen ja doch einst wieder nach Amerika zurück, und es darf da nicht heißen daß sie in Californien die Religion ganz an den Nagel gehangen hätten; um die armen heidnischen Indianer bekümmert sich aber keiner von ihnen und doch leben sie selbst in ihrer Mitte. Dort wäre ein Feld für den Missionär, zu zeigen, daß er es wirklich des Seelenheils der Heiden wegen thut, dort könnte er sich in den Augen des christlichen Glaubens ein wirkliches Verdienst erwerben – weiter aber auch nichts. Die Indianer Californiens sind blutarm, haben weder Gold noch Grundeigenthum zu vergeben und keine Seele bekümmert sich jetzt um sie, was sie glauben oder nicht und ob sie einst in »Abrahams Schooß« oder »sonstwohin« kommen.
Die Bekehrung der californischen Indianer wäre übrigens ungemein leicht und weder mit großen Gefahren noch zu großen Kosten verknüpft. Für eine wollene Decke könnte man eine ganze Familie zum Christenthum bringen, ja schon für eine einzige Flasche Brandy den ganzen männlichen Theil derselben, und sie würden nachher eben so gute Christen, wie die Südseeinsulaner, ja wie Tausende in Europa selber, seyn; aber wie gesagt, die Zeit ist hier zu kostbar und die Missionäre können sich wahrhaftig nicht damit einlassen.
Ihre Waffen sind so einfach wie nur irgend möglich. Sie führen nur einzig und allein Bogen und Pfeile, die sie jedoch sehr geschickt und zierlich zuzubereiten wissen. Der Bogen ist übrigens klein und selten mehr als 2 ½ Fuß lang, auch haben sie kein passendes zähes Holz dazu, wissen aber dieses durch Auflegen und Ueberspannen von den Rückensehnen der Hirsche zu verbessern und dem Bogen eine sehr große Elasticität und Dauerhaftigkeit zu geben. Die Pfeile sind aus Holz gemacht und dünn und glatt geschliffen, am einen Ende befiedert und am andern mit einer Stein-, oder am liebsten sehr zugeschärften Glasspitze versehen. Die an den Seeküsten wohnenden Stämme haben aber auch Metall zu ihren Pfeilspitzen, besonders Kupfer, was sie von gestrandeten Schiffen nehmen.
Waffen für ein Handgemenge, wie der nordamerikanische Indianer Tomahawk, Kriegskeule und Messer hat, führen sie gar nicht. Messer tragen sie jetzt allerdings dann und wann, doch mehr nur zu friedlichem Gebrauch. Hat der Indianer seine Pfeile verschossen, so flieht er in die Berge und es gehört dann ein schlauer und schneller Feind dazu, ihn wieder einzuholen. Die Pfeile, zehn bis zwölf gewöhnlich – bei deren Befiedern jeder einzelne seine gewisse Farbe und Eigenthümlichkeit hat – trägt er in einem Köcher, mit dem stets gespannten Bogen zusammen in der rechten Hand, einen Pfeil gewöhnlich außerhalb dem Köcher und zum Gebrauch gleich fertig.
Der Köcher besteht aus einem einfachen, gegerbten Fell, gewöhnlich das eines Fuchses, Waschbären oder auch Hundes; die Pfeile liegen so, daß die Spitzen vorn in das Maul des Felles kommen und oben sichtbar sind, während der Schwanz des Thieres unter dem Gefieder herunter hängt.
Die Sehne des Bogens besteht aus einem Seil von feingedrehten Sehnen, das sie selber sehr gleichmäßig mit den Händen zu drehen wissen, doch benützen sie jetzt auch oft Hanfschnüre, die ihnen die Weißen bringen – es ist ihnen das bequemer, also deßhalb auch lieber, denn arbeiten mag der kalifornische Indianer eben so wenig, wie sein östlicher Bruder.
Auf Schmuck, Perlen und dergleichen geben sie nicht viel und ich habe nie gesehen daß sie Gold oder Waffen für etwas derartiges ausgetauscht hätten. Früher mag das wohl geschehen seyn, jetzt sind sie aber unstreitig vernünftiger – vielleicht auch durch Schaden klug geworden. Ein Schmuck nur ist, auf den sie wirklich etwas halten und den sie mit allem bezahlen, was sie nur auftreiben können, und das sind die großen Schaalen der kalifornischen Perlmutter, aus denen sie sehr geschickt länglich viereckige, nach unten etwas breiter auslaufende Stücke zu schneiden wissen und diese dann an Schnüren um den Hals tragen. Fragt man sie, wie hoch sie solchen Putz verkaufen, so fordern sie nie weniger als eine, oft aber auch zwei und drei Unzen dafür und geben ihn noch nicht einmal gern her. Durch die Ohren stecken sie sich ebenfalls Stückchen Holz oder verzierte Federspuhlen, auch habe ich einzelne gesehen, die Löcher durch den Nasenknorpel hatten, Schmuck dort zu tragen, scheinen sie aber abgelegt zu haben. In ihren Kleidern lieben sie dagegen, wie alle wilden Stämme, bunte Farben, am liebsten roth, grell gelb und hell blau, wie sie sich auch bei der Wahl ihrer Decken stets, wenn das irgend möglich ist, gelbe oder rothe aussuchen. Ich werde nie vergessen, wie ich einmal auf der Jagd einen kleinen Hügel überschritt und mich plötzlich von Angesicht zu Angesicht dem schwarzen Jäger gegenüber befand, ganz genau so, wie er im »Freischütz« bei dem ihm fatalen »es lebt ein Gott« über die Bühne springt, bei der Beschwörung seine Perrücke in Gefahr setzt und am Schluß Caspers Seele abholt. Vor mir stand, in rothen Unterhosen, eine rothwollene Decke um sich hergeschlungen, eine rothwollene Mütze auf dem struppigen, rabenschwarzen Haar, gerade aus einem kleinen Klippenhang wild umhergestreuten Gesteins auftauchend, eine hohe, fast außergewöhnlich große Gestalt, aus deren grellrothen Umhüllung nur das kupferfarbige Gesicht mit dem pechschwarzen Haarwulst und die dunklen Hände und Füße hervorschauten. Eine lange einläufige Flinte hielt sie in der Hand und ich konnte das Weiße in ihren Augen blinzen sehen.
»Samiel hilf!« rief ich unwillkürlich, Samiel nahm das aber wahrscheinlich für eine Begrüßung und sagte mit einem gutmüthigen Lächeln, wobei zwei Reihen von Zähnen sichtbar wurden, deren sich kein Wolf hätte zu schämen gebraucht, »walle walle!« Er drehte sich dann vor mir total herum und um seine eigene Achse – wie die Nürnberger Tamboure auf dem kleinen, mit grüner glänzender Wasserfarbe angestrichenen Gestell, als ob er sagen wollte, »bin ich nicht das ausgezeichnete Exemplar eines schönen Indianers? steht mir die rothe Unterhose und die rothe Decke und die Jakobinermütze nicht vortrefflich? paßt diese lebhafte Farbe nicht ganz ungemein zu meinem Teint und kannst du dir füglich einen wohlgestalteteren Jüngling denken?«
Als er wahrscheinlich glaubte, daß er den möglichst günstigen Eindruck auf mich gemacht hatte, nickte er mir freundlichst zu, schulterte seine Flinte, Kolben nach hinten und glitt, von einem kleinen spitzartigen Hund, der mich indessen sehr aufmerksam betrachtet und sich meine Atmosphäre genau gemerkt hatte, gefolgt, in die dichten Rothholzbüsche des Berghanges. Ich blieb noch lange stehen und sah ihm nach, wie die brennend rothe Gestalt nach und nach in dem frischen Grün des Waldes verschwand; unwillkürlich kam mir dabei der Gedanke – »wenn dieser junge Indianer sich plötzlich in diesem Aufzug in Berlin, Dresden oder irgend einer andern Hauptstadt Deutschlands, in einer belebten Straße sehen ließe, wie ungemein sich wohl augenblicklich die Straßenjungen für diesen entsetzlichen rothen oder entsetzlich rothen Republikaner interessiren würden, und welchen von seinen eigenen Erwartungen ganz verschiedenen Eindruck er auf sie machen müßte.
Die Nahrungsmittel der Indianer sind allerdings einfach, aber doch mannigfaltiger als man bei ihrer ersten Bekanntschaft glauben sollte.
Ihr Hauptnahrungsmittel besteht vorerst in Eicheln, die von den Frauen gestampft und zu einem Brei verarbeitet werden. Stampfen thun sie die Eicheln mit länglich runden Steinen in Felsplatten, die sie auf solche Art förmlich mörserartig aushöhlen.
Kochgefässe haben sie dabei nicht, sondern sie höhlen nur in der weichen Erde flache runde Gruben aus, die sie ziemlich fest und glatt klopfen und in diese dann den Brei hineinthun. In einem tüchtigen Feuer glühen indessen eine Portion Steine von zwei bis sechs Pfund groß, diese nehmen sie, wenn sie heiß genug sind, auf sehr geschickte Art mit zwei Stöcken heraus, tauchen sie in einen daneben stehenden mit Wasser gefüllten Korb, um die Asche abzuwaschen und legen sie nun vorsichtig in den Brei, der dann bald zu kochen und Blasen zu werfen beginnt. Wollen sie den Brei noch verdünnen, so legen sie Tannenzweige darüber und gießen durch diese – damit durch das zu rasche Einschütten der Boden des allerdings etwas leicht zerstörbaren Gefässes nicht aufgewühlt wird, vorsichtig das Wasser ein.
Auf ähnliche Weise kochen sie auch in ihren Körben. Diesen Brei verzehren sie übrigens, wenn abgekühlt, mit den Fingern, indem sie die vier Finger der rechten Hand hineinstecken, eine Partie damit aufgreifen und die Portion dann in den Mund schieben. Die Frauen essen, was die Männer übrig gelassen haben, nur Liebesleute scheinen »zweihändig« zu diniren, was in der Ehe aber allem Anschein nach ein Ende nimmt.
Kinder scheinen das Privilegium zu haben mit allen fünf Fingern in den Brei zu fahren; zugleich auch die einzige Art, auf welche ihre Hände gewaschen werden.
Ferner bereiten sie noch ein, wahrscheinlich ganz gut schmeckendes Brod aus den Eicheln und einer Art rother, sehr süßer Beeren, die sie auch geröstet verzehren. Ein Getränk fabriciren sie gleichfalls aus der wilden Kirsche – einer äußerst wohlschmeckenden Frucht, die unserer sauern Kirsche gleicht, nur etwas kleiner ist und in Trauben wächst – und außerdem haben sie noch, nach den verschiedenen Gegenden in denen sie leben, eine Menge der verschiedensten Früchte, denen zu Liebe sie auch wohl ihren Lagerplatz auf so lange, als jene in Reife stehen und gerad ihren Hauptnahrungszweig ausmachen, verändern.
Zu diesen Früchten gehören: Haselnüsse, Himbeeren, Stachelbeeren, Kirschen, Rothholzbeeren, eine Art wilden Kaffee, Kiefernüsse, wilder Wein, an manchen Stellen Erdbeeren und hie und da noch Wurzeln, die sie zu finden und zu benutzen verstehen. Besonders große Vorräthe sammeln sie von den Weintrauben ein, die ihnen ein so wohlschmeckendes als gesundes Nahrungsmittel bieten.
Außerdem verzehren sie übrigens auch noch alles andere, was ihnen vorkommt. Fleisch gehört zu ihren Leckerbissen, Rindfleisch ist aber theuer, und sie können es nicht immer kaufen, die entfernter wohnenden Stämme, die nicht so leicht Entdeckungen zu fürchten haben, stehlen auch wohl ein Maulthier zu gutem Braten; Hunde mästen und schlachten sie ebenfalls. Alles von Wild, vom Hirsch herunter bis zur Waldmaus – was sie davon bekommen können, Raubvögel und Krähen, wie Rebhühner und Tauben, – was sie sämmtlich mit ihren Pfeilen erlegen – wird verzehrt und als Delicatessen, gewissermaßen als Desert, gelten unausgewachsene Wespen, Raupen und Graspferde oder Heuschrecken, von welchen letztern sie, nachdem sie das Gras angezündet und niedergebrannt, ganze Haufen einsammeln und rösten.
Brod essen sie ungemein gern, besonders die Frauen, die, wenn sie nur irgend in die Nähe von Zelten kommen, dort gewiß ein Stück Brod oder Schiffszwieback zu bekommen suchen.
Es versteht sich übrigens von selbst, daß all die verschiedenen Zubereitungen ihrer Speisen, als das Einsammeln und Aufbewahren und Trocknen der Früchte, das Stampfen der Eicheln ec die Frauen besorgen, der Herr Gemahl liegt indessen ruhig im Grase, alle viere ausgestreckt und wartet, bis er zum Verzehren der für ihn angerichteten Speisen gerufen wird, gerade wie in Deutschland; der einzige Unterschied ist, daß das schöne Geschlecht in Kalifornien in den Wald und in Deutschland auf den Markt geht.
Die Erwerbszweige der kalifornischen Indianer sind einfach genug, aber doch nicht mehr so einfach als in früherer Zeit. Früher ging der Mann nur auf die Jagd oder beschäftigte sich auch mit der Fischerei, welche letztere überhaupt noch fleißig getrieben wird; jetzt haben die Stamme aber größere Bedürfnisse kennen gelernt, das Wild ist ihnen zugleich fast total weggeschossen, oder doch vertrieben, und der Indianer, der stolze Sohn der Wälder, muß sogar zu Zeiten, ohne seine Verhältnisse auch nur im mindesten verbessert zu haben, die im Gegentheil eher als verschlechtert angesehen werden können, arbeiten.
Das gefällt ihm nun gar nicht, er thut es auch – das muß man ihm lassen – so selten als möglich, zu Zeiten treibt ihn aber doch der Hunger, vielleicht auch die erst kürzlich geweckte Gier nach berauschendem Getränk, dazu, und man sieht sie dann mit ihren Squaws und allen nur aufzutreibenden Kindern (denn darin geht es ihnen wie allen übrigen faulen Leuten, wenn sie einmal arbeiten, dann sind sie auch gar nicht im Stande zu sehen, daß ein anderer müßig steht) nach irgend einem kleinen Gulch, um etwas Gold auszuwaschen. Ein neues Loch graben sie aber zu diesem Zweck nicht gerne, sondern sie Visitiren lieber alte Gruben, um hie und da noch zurückgelassene gute oder mittelmäßig gute Stellen nachzukratzen. Nun wissen sie aber auch recht gut, daß sie in einer nieder gegrabenen oder auch nur angefangenen Grube – in die letztern gehen sie aber überdieß nie – sobald irgend ein Stück Handwertsgeräth darin steht, nicht arbeiten dürfen, oder wenn sie es doch beginnen wollten, gleich wieder hinausgejagt würden, deßhalb warten sie nun, falls sie einen solchen Platz ausfänden den sie für reichhaltig hielten, bis die Arbeiter in der Mittagszeit ihre Gruben verlassen, um ihr Essen sowohl zu kochen, als auch gewöhnlich ein oder zwei Stunden Rast zu halten. Dann kommen sie hinter dem Hügel, hinter dem sie bis dahin ruhig gelegen, rasch vor; einer steht Wacht und die andern machen sich mit einem Fleiß, den man ihnen kaum zutrauen sollte, über die Grube her, und während die einen, das Werkzeug der Weißen sogleich und ohne viele Umstände benutzend, loshauen, kommen die andern, Frauen und Kinder gewöhnlich, mit ihren Pfannen herbei und waschen aus. Lassen sich die rückkehrenden Miner wieder sehen, so ist auf ein gegebenes und verabredetes Zeichen die ganze Schaar in wenigen Minuten verschwunden, und der, der sich vorher die größte Mühe gegeben hatte, ein Loch vielleicht 8–10 Fuß tief auf die Golderde hinunter zu graben, findet jetzt, daß ihm die besten Stellen schon herausgewaschen sind, oder doch wenigstens ein ganz guter Anfang dazu gemacht ist.
Es ist übrigens wenig genug Gold, das sie auf solche Weise zusammenbringen, sey es aber auch noch so viel, von den Händlern, die in den benachbarten Lagerplätzen Spirituosen, bunte Kattune und Brod feil haben, werden sie doch darum betrogen.
Im Anfang, als die Minen zuerst entdeckt wurden, haben sie allerdings zu ganzen Stämmen für Weiße gearbeitet und wenig genug dafür erhalten, und hie und da, besonders in den nördlichen Minen, geschieht das auch wohl jetzt noch, doch haben die Indianer auch schon nach und nach einen etwas bessern Begriff von dem Werth ihrer Arbeit bekommen, und wenn auch billig, sind sie doch nicht mehr so billig zu miethen als früher. In den südlichen Minen habe ich übrigens gar keine für Weiße nach Gold arbeiten sehen, sie haben keine Ausdauer dazu, dagegen beschäftigen sie sich hie und da in den Kaufzelten der Händler, schleppen Holz und Wasser herbei und kehren den Verkaufsraum aus, wofür sie dann zu Zeiten einen Schluck Whiskey und vielleicht etwas Tabak und Schiffszwieback bekommen.
Eines nur ist, wozu sie sich sehr gut gebrauchen lassen, da dieses auch ihrem müßigen, zwecklosen Leben am besten entspricht, und das ist das Hüten der Rinder und Pferde, die man ihnen, wenn man seinen Mann nur ein klein wenig kennt, recht gut anvertrauen kann. Sie sitzen dabei entweder im Sattel oder liegen unter einem Baum, oder schlendern auch nach ihrer Bequemlichkeit unter den Bäumen herum; ein solches Leben ist gerade wie für sie gemacht, und sie sind dann auch mit ziemlich geringer Vergütung zufrieden.
Auf der Jagd oder bei der Arbeit, im Lager oder auf dem Marsch, ist eine eigene Art von Hunden der unzertrennliche Begleiter des Indianers. Er gehört zum Geschlecht der Spitze, oder hat eigentlich ein mehr fuchsartiges Aussehen, aber mit in die Höhe gedrehtem Schwanz. Die Farbe wechselt, ist jedoch meist schwarz und weiß. Diese Hunde sind dabei ein so inniger Theil des Indianers, und theilen so ganz seine Gefühle, daß sie sich selten oder nie mit einem Weißen befreunden, und einen unbändigen Zorn zeigen, wenn sich einer dieser bleichen Eindringlinge sollte beikommen lassen, ihr eigenes Lager zu besuchen. Auf der Jagd sind sie dem Indianer übrigens, besonders auf Eichhörnchen, viel werth, da sich diese in Californien meist auf der Erde aufhalten und von den schon darauf abgerichteten Hunden leicht gefangen werden.
Was die Wintervorräthe der Indianer betrifft (zu denen der Hund übrigens ebenfalls mit gehört), so sammeln sie, neben allen andern Früchten die sie bekommen können, meistens doch Eicheln ein, und sowohl die süße Art der Ebenen als die bittern der Berge. Mit ihren Vorrathskammern geben sich aber die südlichen Stämme nicht so viel Mühe als die nördlichen, welche letztere von Schilf ordentlich zierliche, schlanke und hohe, kegelartige Röhren bauen, in denen sie ihre Früchte aufbewahren. Die Indianer des Südens, so weit ich sie beobachten konnte, flechten um eine Art Nest in niedere Bäume, und schützen dieß, wenn es gefüllt ist, gegen den Regen. Auch sammeln sie nicht so viel ein, und nach der Regenzeit, den ganzen Sommer hindurch bis die jungen Eicheln wieder reif werden, müssen die Frauen mit ihren spitzen Körben hinaus und aufsuchen was sie bekommen können, wobei sie dann sogar nicht die sorgsam und durch Spechte gehackten Löcher in Fichten und die wohl aufgespeicherten und vollkommen sicher geglaubten Eichelvorräthe der armen Eichhörnchen verschmähen oder schonen.
Hie und da trocknen sie auch Fleisch, aber nur selten.
Ihre Wohnungen sind im Sommer die einfachsten Buschhütten, oft nur in die Erde gesteckte Sträucher, in deren Schatten sie liegen. Im Winter bauen sie sich dagegen, besonders im Norden, feste Erdhütten, fast nach Art der Mandanindianer in Nordamerika, nur nicht so geräumig, und hie und da benutzen sie auch nur Kieferrinde dazu, die sie, der durch die Spechte eingehauenen Löcher wegen, doppelt oder dreifach übereinanderlegen und gut befestigen.
Ihre Feuerzeuge, d. h. die, der noch mit den Weißen wenig oder gar nicht in Berührung gekommenen Stämme, denn die andern gebrauchen, schon sehr civilisirt, Streichhölzchen – bestehen aus zwei Stücken Holz, die sie rasch an einander reiben und dadurch entzünden. Die Art, wie sie es thun, ist aber von der verschieden, die ich bis dahin beschreiben gehört habe. Sie nehmen vor allen Dingen nicht ein hartes und ein weiches Stück Holz, sondern zwei weiche Stücke, in das eine schneiden sie dann ein kleines, rundes Loch, dem wiederum ein schmaler Einschnitt an irgend einer Seite Luft gibt, und stecken in dieses einen zugespitzten Stock. Das erste Holz legen sie fest auf irgend einen platten Gegenstand auf, das zweite halten sie aufrecht zwischen ihren beiden Händen und drehen dieses letztere nun wie einen Quirl, so scharf und rasch sie können, in der vorher gemachten Oeffnung herum. Bald darauf kohlt das untere Ende des Quirls, und dieser feine, schwarze Staub der sich dadurch absondert, entzündet sich, mit nur einiger Ausdauer, bald darauf, und brennt dann gerade wie Zunder.
Und was wird das Ende, dieser Stämme seyn? – Fragt die Gebeine der Delawaren und Yemassee's, der Mohawks und wie sie alle heißen, die in den atlantischen Ländern modern, während der Fuß ihrer Sieger und Vernichter ihre Gräber schändet. Von Osten herüber drängt die weiße Bevölkerung in unaufhaltsamem Zug; der Büffel, das einzige Subsistenzmittel der Prairiestämme, wird mit jedem Jahre mehr und mehr ausgerottet, und das Ende dieses stolzen kriegerischen Geschlechts ist vorauszusehen. Bis jetzt waren die östlichen Stämme noch immer auf den Westen angewiesen, aber auch von Westen her wälzt sich nun ebenfalls eine neue Schaar tollkühner. Abenteuerer, und die letzte Zuflucht der armen Indianer müssen zuletzt die unwirthsamen Felsengebirge werden.
Und wovon dort leben? – Sorgt euch nicht ihr Vertriebenen, euer Schicksal ist nicht mehr soweit hinausgeschoben; mit dem letzten Büffel stirbt auch der letzte Indianer – wie das Loos aller wilden Stämme bis jetzt gewesen. Nur die Art ist hier trauriger, unwürdiger wie es geschieht, als es, unter den goldgierigen blutdürstigen Spaniern vielleicht ausgenommen, früher gewesen.
In den Vereinigten Staaten drängte eine fleißige, das Land wirklich urbarmachende Bevölkerung, drängte Spaten und Pflug die Stämme in ihre Wildniß zurück, in jedem Fußbreit, den sie ihnen abgewann, den Besiegten auch zugleich selber ein Mittel bietend sich zu erhalten, hier in Californien ist es die reine Gier nach dem Metall, die alle andern Gefühle des Menschen ertödtet zu haben scheint, und zwar nicht mehr von der Regierung, sondern von dem Einzelnen selber ausgehend, die dem Indianer sogar das Recht verweigern wollen, mit ihnen, die ihm den Boden abgestohlen, Gold zu graben.
So war von der Regierung gerade der Agent für indianische Angelegenheiten, ein Mr. Wozencraft, angewiesen worden, den Indianern Landstriche auszusuchen, auf denen sie von da an ungestört hausen könnten. Der Agent that dieß und wurde jetzt von einer Masse Gesindel angefeindet, die »Wilden« auf Kosten der Weißen ungerechter und verrätherischer Weise begünstigt zu haben. Seine Verteidigung dagegen, an die Regierung gerichtet, lautet wörtlich also:
»Einer jüngeren Bevölkerung wird es hier erlaubt, das Land zu betreten und die Schätze unseres Bodens einzusammeln, sie steuert nichts zur Unterstützung des Staates selber bei, kehrt dorthin zurück, woher sie kam, und ermuthigt andere, dasselbe zu thun. Trotzdem leugnen gerade diese Menschen dem Indianer Kaliforniens und früheren rechtmäßigen Eigenthümer« (meiner Meinung nach ist er das jetzt noch ebenso gut als früher) »dieses nämlichen Bodens das Recht ab, hier zu arbeiten, oder wenigstens auf dem Ort zu bleiben, der früher der ihrige war. Eine Bevölkerung, die ihnen vollkommen fremd ist, ja ein großer Theil derselben sogar uns fremd, hat Besitz von ihrer früheren Heimath genommen, ihre Jagdgründe und Fischereien zerstört, ihre Eichelhaine niedergebrannt und sie von alle den Hülfsquellen abgeschnitten, welche eine gütige Vorsehung zu ihrer Erhaltung geschaffen, ja sie mit einem Wort der Möglichkeit beraubt, überhaupt zu existiren. Aber selbst damit nicht zufrieden, wollen ihnen diese Menschen jetzt sogar das Recht verweigern, das wir den Armen und Verbrechern (paupers and convicts) der ganzen Welt gestattet haben – viz: das Recht zu arbeiten und zu bestehen.«
»Ich bin überzeugt, daß Niemand den ganzen Grund und Boden, den ich für den Gebrauch der Indianer reservirt habe, nehmen könnte, wenn er sich verpflichten müßte, die Taxen dafür zu zahlen.«
O. M. Wozencraft, U. S. Indian Agent Middle District Cal. |
Der übrigen Welt gegenüber haben die Bürger der Vereinigten Staaten allerdings ein langes Gesetz erlassen, das die indianischen Stämme dieser Gegenden schützen und schirmen soll, und jeder Alkalde, selbst in den entferntesten Minen, hat davon eine Copie zur Ausführung überliefert bekommen. So günstig aber auch manches von diesen Paragraphen lautet, so hebt Sect. VI sie alle gründlich auf. Dieses heißt: »Klagen können vor einem Friedensrichter durch Weiße oder Indianer vorgebracht werden, in keinem Fall aber soll ein weißer Mann irgend eines Vergehens, auf das Zeugniß eines Indianers oder mehrer, überwiesen werden können. In solchen Fällen soll es der Discretion des Richters oder der Jury überlassen bleiben, nachdem sie die Klage eines Indianers angehört haben.« Auf dem Papier mag dieß Gesetz den Indianer schützen, in Wirklichkeit nicht, und die Beweise davon habe ich, während meines Aufenthalts in den Minen, mehrfach gehabt. So lange ein Indianer nicht auch vor dem Gesetz gegen einen Weißen zeugen kann, vermag ihm das Gesetz auch keinen Schutz zu gewähren, wäre das in den Bergen Californiens überhaupt möglich. Wie oft, wie entsetzlich oft sind die Indianer dort wirklich auf das Nichtswürdigste von Menschen behandelt worden, die überhaupt nichts Heiliges auf der Welt kannten, und offen aussprachen, daß es ihnen eben so viel Vergnügen mache einen Indianer zu schießen wie einen Wolf – und nie hat das Gesetz der Weißen, trotz all seinen wehenden Freiheitsflaggen, prahlerischen Reden und hochtönenden Gerichtsnamen ihnen auch nur den mindesten Schutz gewährt; und dann nennen sie diese armen Teufel »mörderische Schufte«, wenn sie zur Verzweiflung getrieben, aus ihren Jagdgründen verjagt, jedes Subsistenzmittels beraubt die blutenden Leichen der Ihrigen, muthwillig erschlagen vor sich, einmal, und o wie selten das Wiedervergeltungsrecht übten, und nach ihren Gesetzen im besten Recht, ja ebenso vor Gott und jeder Billigkeit Einzelne derer zu tödten suchten, die Tod und Verderben über ihre Stämme gebracht hatten.
Doch genug des Jammers, die Welt geht dabei ihren ruhigen Gang und das Schicksal bedient sich oft wunderlicher Mittel, wunderlicher Werkzeuge für seine unerforschten Wege, die wir immer nur erst in ihren segensreichen Folgen erkennen.