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Item, Meyeli prosperierte, kriegte leichte Beine, und Jakobli ward ordentlich stolz, daß er bald ein zweites Kind bekommen sollte. Er fing an, hie und da ein Wort zur Sache zu reden, daß die Andern ganz erschrocken sich umsahen und nicht wußten, von wem es kam. Und wenn sie dann sahen, daß es von Jakobli kam, weil sonst niemand hinter ihm oder neben ihm war, so dachten sie: «Das hat ihm die Frau ygä, ihm wäre das nit zSinn cho.» Weil es von der Frau kam, wie sie glaubten, so fanden Hansli und Sami es bsunderbar gescheut und stimmten ohne Besinnen bei, denn zu der Frau hatten sie das Zutrauen. Und wenn man zu einem das Zutrauen hat, so mag der gixen oder rauen, so meint man, wenn er sagt, das sei klarinettet, es sei klarinettet, und zwar schön.
Nun war, was Jakobli sagte, nicht dumm, hatte Hand und Fuß, wäre weder Hansli noch Sami in Sinn gekommen; aber wenn sie gewußt hätten, daß Meyeli nicht Urheberin sei der vorgebrachten Meinung, daß sie in Jakoblis eigenen Gedanken entsprungen wäre, sie hätten keinen Glauben gehabt, sie hätten, weil beide Jakobli liebten, gelächelt und ihn gefraget: «Het ds Bubi gsoge u hest de Tube gä?» Hätten sie ihn gehaßt, auf der Mugge gehabt, so hätten sie ihm ans Haupt gelacht und gesagt: «Schweig doch, du armer Tropf, von dem verstehst du nichts; gehe nach Jericho, bis dir der Bart gewachsen ist, warte, bis du so alt bist wie wir, dann komm und laß hören, was du meinst, dann wollen wir sagen, ob du noch ein Löhl seiest oder was anderes.»
Es ist ein sehr merkwürdig Ding um das Selbstvertrauen und den Glauben zu Andern. Es gibt Leute, die das ungeheuerste Selbstvertrauen haben und daneben den kindischsten (dieser Superlativ ist etwas schwer zu schreiben) Glauben zu irgendeiner Autorität, irgendeinem Götzen, irgendeinem Ding, und zu diesen Leuten gehören Dumme und solche, welche das Gras wachsen hören, Köchinnen und Juristen, Kammermädchen und Pädagogen, Schneiderinnen und Philosophen, Bürstenbinder und Staatsräte, Sekretäre und Gassenwischer, Knöpf- und Häftlimacher, kurz, es ist ein kurios Ding. Aber ein lieblich Ding ists doch, wenn ein lieblich, mild Fraueli ein Vertrauen rund um sich strahlet in alle Herzen wie die Sonne Wärme in den Boden, so weit sie kömmt, wenn sie das Selbstvertrauen, die Selbstsucht niederschlägt wie bösen Nebel die Sonne, kalte Herzen erleuchtet, entzündet, begeistert, daß selbst so ein Sami auf ihren Wunsch die Holzschuhe weglegte und barfuß sich durch die Hölle machte. Es ist diese Gabe eine wunderbare, ein eigentlicher Zauberstab, der Eiszapfen durchs Feuer jagt, hohe Häupter in Staub schlägt und Demütige zum Himmel hebt; er übt seine Macht hauptsächlich aus holdem Augenpaar hervor, er liegt aber auch zuweilen in grauen Haaren, er ist ein Zepter in eines mächtigen Helden Hand.
Wer sich selbst vergißt und ein anderer wird, merkt es oft lange nicht und weiß nicht, wie gehorsam er fremder Fahne folgt. Doch mag es auch Geister geben, über welche weder holde Blicke noch graue Haare noch ein Heldenarm Macht haben, kein Geist überhaupt; aber einem Stück Speck, einem Glas Bätziwasser, einer Maß Wein sind die Untertan, werden zahm, lassen sich fangen wie Mäuse oder zum Springen bringen wie Rosse mit Hafer.
Sami und Hansli täuschten sich, Meyeli steckte in solchen Dingen nicht hinter Jakobli; in ihm steckte Röseli und dessen Worte. Es war ihm doch ins Herz gegangen, wenn es ihm schon niemand anmerkte, daß Röseli ihn nur so für einen Schlabi ansah, so für ne Bub, der sein Lebtag zu keinem vernünftigen, ernsthaften Wort fest genug werde. Er konnte Röseli nicht unrecht geben, aber eben schämte er sich, daß es recht hatte.
Es wäre aber die Frage, ob dieses allein mächtig genug gewesen wäre, um seinem Mut aufzuhelfen und nach einer gewissen Selbständigkeit zu streben, wenigstens seinen Willen frei und fest zu äußern; aber es kam noch eine Macht hinzu, und die hat in edlen Gemütern schon oft große Dinge verrichtet. Es erwachte in ihm das Gefühl, Vater zu sein, Schirm und Schutz seiner Kinder werden zu sollen. Wenn er sein Kind betrachtete, so freute er sich, dessen Vater zu sein, und zugleich schämte er sich. Denn minder als nie hatte er zu allem zu sagen, nicht einmal etwas zu seinem eigenen Buben. Der war bei der Mutter ganz an seine Stelle getreten, so daß es ihm schien, als könnte er gehen, ohne daß sie ihn besonders missen würde. Es ist dies übrigens eine sehr oft sich wiederholende Erscheinung, daß Großmütter ob Großkindern ihre eigenen Kinder vergessen, dieselben ihnen überflüssig werden, so wie ebenfalls Weiber Kinder über die Männer setzen, sie gerne hießen Band hauen gehen, wenn sie sonst zu essen hätten. Als er nun zum zweitenmal Vater werden sollte, ward er noch stolzer, aber um so dringender auch das Gefühl der Scham. Für was sollten ihn eigentlich seine Kinder halten, wenn sie zum Bewußtsein kamen? Schon jetzt tat der Bub das Gegenteil von dem, was Jakobli von ihm wollte, und wenn er ihm Ernst zeigen wollte gäb wie leicht, so kamen Anne Bäbi und Mädi dahergeflogen wie zwei Gluggeren, denen der Habk hinter ihre Hühner will. Er fühlte, wie schwer es sei, sich geltend zu machen auf neue Weise, da seine frühere Geltung auf seinen Buben übertragen war. Darüber war er nicht schalus; aber nun fühlte er, daß er gar nichts mehr war und doch wieder was werden sollte.
Es gibt Leute, die so spät erwachen, gleichsam erst zu sich selbst kommen, als wären sie bei ihrer Geburt auf den Kopf gefallen und hätten zwanzig bis dreißig Jahre gebraucht, um die Stürmi zu verwinden und das rechte Bewußtsein zu finden. Zu große Härte und zu große Weiche in der Erziehung haben auf schwächere, gutmütige Seelen öfters diesen Einfluß. Erwachen sie einmal aus diesem Zustande, so ists ihnen bald wie einem, der aus schwerem Schlafe in finsterm Walde erwacht; er weiß auch nicht, soll er hott, soll er hüst, oder es ist ihm wie einem, der zu Tische gerufen wird, aber er säumet sich, und wenn er kömmt, ist der ganze Tisch besetzt, ringsum kein Plätzchen mehr für ihn. Entweder muß er jemand wegreißen oder alle zusammenschieben, aber welches von beiden, und wie das Eine oder das Andere anfangen, das ist die schwere Frage, ob deren Lösung die Einen wieder in Schlaf verfallen, Andere gewaltsam zur alten Ruhe gebracht werden. Die Einen sinnen und sinnen, wie sie es anzustellen haben, um zPlatz z'cho, zu gelten, was sie gelten sollten, aber zum Handeln kommen sie nicht, sie gehen rund um den Tisch herum, aber sagen tun sie nichts, sagen höchstens: «Wettisch nit so gut sy un mi o zuchela?» Aber wenn niemand ihnen antwortet, so geht ihr Wachen allmählig wieder in den frühern Zustand über, und wenn sie in diesem Zustande träumen, so ist es die Herrlichkeit der Selbständigkeit, und wie ihnen wäre, wenn sie etwas zu befehlen, etwas zur Sache zu sagen hätten.
Die Andern versuchen eine Revolution, greifen krampfhaft hinein in den geschlossenen Ring, stoßen mit beiden Ellbogen, machen gewaltigen Rumor. Selten sind sie glücklich. Legitimisten, durch die Sympathie des Besitzes verbunden, erheben sich gegen den Eindringling, den Unberechtigten; selten ists, daß er Meister wird, einen Platz erringt, er wird zurückgestoßen, hinausgeworfen, verspottet, mißhandelt, als Rebell gestempelt, als ein unwirscher, aufbegehrischer, anmaßlicher Mensch angesehen fort und fort. So wie ein glücklicher Sieger Kaiser werden und als Kaiser gelten kann sein Leben lang, so giltet der Besiegte sein Lebtag als Rebell, als ein Ungeheuer, mit dessen Umgang niemand sich beflecken mag. Und wie ein Rebell, wenn er mit dem Leben davon kommt, es selten bei einem Versuche bewenden läßt, vide Exempel am Louis Napoleon, sondern mehrfach ansetzt, aber meist immer dümmer und schwächer, so geht es auch diesen armen, zurückgestoßenen Menschen. Sie können ihr Recht nicht verwinden, kauen immer am erlittenen Unrecht, machen dazu mürrische Gesichter, und wenn sie zu neuem Versuch ansetzen, so machen sie Gesichter, als ob sie einen fressen wollten, aber alles umsonst, es geht jedesmal immer schlechter, aber doch nie ohne Zank und Streit, nie ohne länger oder kürzer andauernd bös Wetter ab, wie ein Aufruhr im Volke immer auf lange böse Nachwehen hinterläßt.
Hier liegt eine immer sprudelnde Quelle von Unheil und Hausstreit. Das ist die Krankheit, an welcher so mancher Mensch verblutet, gemütlich verkrüppelt, der, zu rechter Zeit recht gestellt, ein Wohlgefallen Gottes und der Menschen geworden wäre. Jakobli war nicht von dem Holze, aus welchem die Rebellen geschnitten werden, wohl aber glich er gar sehr dem, das in sich selbst erstickt, in stillem Brüten untergeht, für das innere Empfinden keine Türe nach außen findet.
Manchmal trifft es sich, daß solche Menschen Weiber kriegen, welche sie aufjagen, kuraschiert machen wollen, aber wie Röseli richtig sagte, nicht gegen sich, sondern nur gegen Andere, sie so gleichsam brauchen wie einen Hund, den man Andern anhetzt, den man aber gleich abschaffen täte, wenn er einen selbst beißen würde. Das sind unglückliche Menschen, welche von den Weibern so geguselt werden; sie mahnen mich an Unglückliche, welche, beide Beine gebrochen, am Boden liegen, und die man mit Nadelstichen und Fußtritten aufjagen will vom Boden.
Aber manchmal trifft es sich auch, daß solche Männer zu Weibern kommen, deren innige Liebe ihre Herzen wärmt und stärket, denen das Bewußtsein, diese Liebe gewonnen zu haben, das Vertrauen gibt, noch mehr zu gewinnen in der Welt, das Verlangen gibt, ihnen Siegeskränze zu Füßen zu legen, sich zu bewähren als ihrer würdig. Und diese Weihe kommt über Herzen, die sie dem Namen nach nicht kennen, die Hans Joggi oder Hans Uli heißen und nur am Sonntag Lederschuhe tragen, an andern Tagen aber Holzböden. Es trifft sich, daß ihnen Kinder beschert werden; da erwacht das Gefühl der Vaterwürde, und daß durch ihre Hand Gott Haus und Kinder regieren will, erwacht das Verlangen, vor ihnen zu wandeln, daß sie den Vater ehren müssen und schauen mit Ehrfurcht auf seinen Wandel; und daß sie das nicht können und werden, wenn er nichts ist, wenn er ein Fösel ist, das fühlt er wohl; aus diesem heiligen Herde erhebt eine heilige Flamme sich, die nicht zornig aufschlägt, nicht düster glimmt, sondern stetig und allmählig Wärme durch alle Glieder gießt und ein bestimmtes Leben in jedes Handeln bringt.
So ging es Jakobli. Meyeli stifelte ihn nie auf; Meyeli hatte, wie gesagt, nicht das Gemüt, welches immer nur das rechnet, was ihm noch fehlt, und daran denket, wie es noch viel besser haben könnte; es vergaß keinen Tag, Gott zu danken dafür, daß es soviel besser zweg sei als ehedem, als es je hätte hoffen dürfen, daß man unendlich besser gegen ihns sei und namentlich Anne Bäbi, als es sich je vorgestellt. Und was ihns drückte, was ihns plagte, das versenkte es ins Meer der Dankbarkeit, ward daher nie bitter, nie unzufrieden, nie giftig, stifelte nie auf. Solche Gemüter sind selten auf dieser sündigen Welt; sie sind deswegen köstlicher als der herrlichste Demant, sie sind süße Quellen im bittern Meer, kühle Brunnen in glühender Sandwüste.
Aber eben dieses dankbare Dulden, möchte man sagen, goß Leben in Jakoblis Willen, und die Erkenntnis, daß er Vater sei, brachte ihn zum Nachdenken, was er als Vater sein und vorzustellen hätte. Wie gesagt, zum Rebellen war er nicht geschaffen; in einem Anlauf vermochte er seine Stellung nicht zu erobern, er mußte es auf andere Art versuchen, und glücklicherweise fand er etwas in sich, was niemand in ihm gesucht hätte. Er hatte ein stilles Leben gelebt und zu allem Vorkommenden wenig oder nichts gesagt, weil es niemand in Sinn kam, ihn um seine Meinung zu befragen; aber er hatte, wenn schon nur mit einem Auge, doch viel gesehen, während es Menschen gibt, welche mit zwei offenen Augen den ganzen Tag herumlaufen und doch nichts sehen; denn sie haben wohl Augen, aber den eigentlichen Sehsinn nicht, und mit diesem ist es ein eigen Ding. Er hatte nicht viel geredet, darum desto mehr Zeit, nachzudenken über alles, was er sah, und die Dinge, die er gesehen, zu vergleichen untereinander.
So hatte er gar Manches gesehen, was Hansli und Sami durchaus entgangen war, und wenn sie es schon sahen, so hatten sie nie darüber nachgedacht, sondern sich begnügt, darüber die Nase zu rümpfen, weil es etwas Neues war.
Hansli und Sami waren im alten Trapp zugefahren und hatten seit dreißig Jahren keinen Wank getan; sie hatten Geld gewonnen, und Hansli war um vieles reicher geworden, aber nicht durch Erwerb, sondern durch Zusammenhalten. Niemand in der ganzen Haushaltung vertat etwas; für das Geld in Kurs zu bringen, war niemand abgerichtet. Wenn nun auf einem mittlern Bauernwesen keine Schulden sind, sondern noch Zufluß, die Haushaltungskosten nicht groß sind, so äufnet sich dessen Besitzer, er weiß fast nicht wie; er braucht sich nicht anzustrengen, sondern nur der Sache den Lauf zu lassen.
Das Land war bearbeitet worden wie ehedem; vermehrtes Düngen hatten sie nicht versucht, bessere Futterkräuter nicht gepflanzt oder nur sparsam und aus dem Stall wenig mehr gezogen als die Kälber galten, welche alle Jahre ihre Kühe brachten. Das hatte Jakobli schon lange gesehen, und es hatte ihn gedrückt, und immer besser hatte er sich geachtet, wie es Andere machten; aber gesagt hatte er nichts dazu, von wegen man hatte ihn nicht gefragt. Nun aber, als das Gefühl so recht lebendig war, daß er doch etwas sein sollte, keine Null mehr sein dürfe im Haushalt, da setzte sich zuerst in Bewegung, was schon lange so schwer in ihm gelastet hatte.
«Sami, ich möchte dir etwas sagen», begann er einmal eines Abends, als sie auf dem bekannten Bänkchen saßen und Hanslis warteten, der mit Flachssamen zum Öler gegangen war, «Sami, ich möchte dir etwas sagen, es hat mich schon lange gedrückt, ich durfte es niemand sagen, aber dir will ich es offinieren. Sieh, ich habe der Sache nachgedacht, jetzt haben wir schon bald zwei Kinder, und vielleicht gibt es noch mehr, man kann nicht wissen, und wenn ich jetzt schon alleine erbe, so gibt es später doch mehrere Teile, man kann nicht wissen wie manchen, und zuletzt bekömmt einer gar nichts mehr, und wenn wir es jetzt schon gut machen können, so haben sie vielleicht einst um so böser. Öppe raxe und nicht genug essen und an allen Orten abbrechen, das wär wüst, un ih möchts nit. Aber es hat mich schon lange duecht, wir könnten auf unserem Höfli mehr machen, das schadete niemand und käme doch den Kindern einst chummlich, und wenn ich wieder recht mag werchen und Meyeli öppe helfe, so könnten wir auch noch etwas Land mehr werchen, wir fühlten es nicht, und ds Geld trüg doch etwas ab.»
Nun entwickelte er des Nähern, wie er es eigentlich meine in Stall und Feld, und schloß: «Oder was meinst, Sami, wär nit öppis z'mache? Ich habe gedacht, ich wolle dir emel drvo rede, du werdest mir dann schon öppe sagen, was angehe, was nicht; aber duecht het es mi, öppis sött z'mache sy u no e chly viel, oder was meinst?«
Sami hatte in größerer Andacht zugehört als je der schönsten Predigt und antwortete: «Los, dSach wär nit so dumm, öppis z'mache isch allweg no, öppe nit alles, wie ds meinst, u Hansli, we me vrnünftig mit ihm redet, isch öppe nit dä, wo eim nüt wott la mache.»
«U dMutter, was meinst?» sagte Jakobli. «Oh», sagte Sami, «dere seit me gar nüt, was me mache well, sust ist alles nit gut. Sagt man aber nichts, so merkt die gar nicht, was geht; die hat jetzt genug damit zu tun, dem King nachzusehen und graduse z'brülle, wenns öpper Angers o arühre wetti; es mahnt mi uf un ähnlich dra, wo du jung gsi bisch, da het sis grad so gmacht. Wenn me süferli afat u Mädi, die Täsche, nit ufreiset, su cha me öppe viel mache, eh dies merkt.» «Was wird aber der Vater sagen?» fragte Jakobli. «Das will ich dir morgen sagen», antwortete Sami, «aber wenn alli so vrnünftig wäre im Hus wie er, so ging mängs besser.»
Am Morgen, als Hansli zum Füttern kam, sagte Sami: «Aus unserm Bub gits doch no neuis, ich hätte es gar nicht hinter ihm gesucht.» «Da kann man noch nicht viel sagen», antwortete Hansli, «der ist doch no z'klyne.» «Oh, ich meine nicht den Krot, wo niemere arühre darf, als wenn er gläsig wäre, nei, ih meine üse Bub, üse Jakobli.»
«Z'klage», sagte Hansli, «ist nie über ne gsi, so öppe der Tätigist u Listigist isch er nit, er isch zviel bim Wybervolch ume gsi, u all die wey neue nit recht grate; we si scho nit wüst tüe, so wüsse si doch neue nüt fürznäh as öppe z'wybe.» «Ih has o gmeint», sagte Sami, «und drum ebe hets mi vrwungeret, daß er nit so isch; dä Dolders Bub isch viel en angere, as ih däycht ha; e ganze Kerli isch er, wenn er einist füregit, es wurd ke Mönsch hinger ihm suche, ih glaube nit, daß es üse Herrgott gmerkt heyg, so vrborge chann ers ha.» Und nun erzählte er Hansli, was Jakobli ihm alles gesagt, und wie es ihm von wegen den Kindern wäre, und wie man noch etwas mehr Land kaufen und aus allem fast ds Halb mehr ziehen könnte, und was mit dem Stall zu machen wäre.
Kein Mensch kann sich vorstellen, wie andächtig Hansli zuhörte, so andächtig, daß ihm zuletzt das Wasser in die Augen kam, und als Sami schwieg, antwortete er lange nichts, daß es Sami gegen sein Erwarten fast duechen wollte, es wäre besser, er hätte einstweilen geschwiegen. Endlich sagte Hansli, das hätte er dem Bub nicht zugetraut, sövli Sinn u sövli Vrstang, u lätz sygs, we me nit mitenangere o recht rede chönn, was dr Eint sinn, u was dr Anger sinn. «Es isch mr o scho mängist gsi, man könnte dieses besser machen und jenes; aber ich habe gedacht, es gebe nur ein Branz, wenn ich es sage, darum es für mich behalten, vo wege wenn üser Gattig öppis seyt, su isch ds Wybervolch drwider u sinnet doch selber nüt, nit emal a das, was sött, die Jungi usgno, das isch ganz en Angeri. Mängisch han ih gsinnet akkurat was Jakobli, aber gseit han ih nüt, u dem isch o nit selber zSinn cho; wenn er nit das Fraueli hätt, dAuge wäre dem no nit ufgange. Aber das isch mr aständig, wes ume meh z'säge hätt u gsünger war, doch besserts jetzt. Aber aus der Sache gibt es doch nichts; sobald man etwas anderes anfangen will, so widerredt Anne Bäbi, u Mädi brüllet, mi wells töte, u de isch dr Tschuep aus.»
«Weißt du was», sagte Sami, «fang du an zu jammern, wie das Land neue nichts mehr abtrage, kein Gras mehr geben wolle, und mehr als zwei Kühe sehest du nicht zu halten, und dazu müßten noch die Schafe abgeschafft sein, die Wolle, die man brauche, könne man öppe kaufen. Das mach, wenn dMeisterfrau ohnehin hässig ist. Da gib acht, sie wird dir wüst sagen, wie wir nichts verstünden, andere Leute ds Halb mehr Ware auf ds Halb mingerm Land halten könnten, und wenn wir es machen würden wie die, so hätten wir doch einmal Milch genug, und ds King müßt nit halb verrebeln, und sie wolle eine Kuh mehr; wir könnten sehen, wie wir es machten, und bald mangelte man zwei mehr und noch einmal soviel Schafe, wenn man nicht alle halbe Tag zum Krämer wolle. So wird sie rede, zähl druf! Aber häb mrs nit öppe für ungut; du weißt ja wohl, wie ichs meine, und mir kenne afe dLäuf u dGäng.»
Hansli schmunzelte in den Maulecken bei Samis Rede und sagte: «Das ist gut agä. Ih ha gmeint, ih machs am beste mit Schwyge, aber ih traue, allbeeinist wär öppis angers o gut gsi, aber ds Probieren ist mr erleidet. Aber weißt was, säg dus öppeeinist vo wege dr Kuh über Tisch; mi cha de lose, wies tönt, u de geng no luege, was z'mache isch, je nachdem es ageyht.» Sellig Liste syge ihm eigetlig zwider, aber seine Großmutter hätte manchmal gesagt, es gebe Leute, die es wollten ghebt ha, daß me se für e Narre heyg; wer das nit chönn, heyg ds Tüfels Not mit ne.
Wie abgeredet, sagte Sami einmal über Tisch, es duech ne, man könnte es diesen Winter mit zwei Kühen auch machen, sonst müßte man im Haustage Futter kaufen, und selb könnte dann teurer sein; es komme nur darauf an, welche Kuh man verkaufen wolle, den Kleb oder den Blaß.
Potz Himmel, wie ging das los, und was mußte das Mannevolk vernehmen! In keinen Schuh mehr war es gut, ful Hüng, Freßhüng waren sie, die das Land ließen zNeuders (zugrunde) gehen. Während andere Leute immer mehr Waar hätten und Milch und Anken dGnügi, müßten sie ihre vermindern, und man sollte keine Milch mehr haben in der Haushaltung, während man doch immer mehr nötig hätte für dKing; die müßten einmal zuerst haben, verrebeln könnte man sie nicht lassen, die Dolders Schnürfline könnten dann zusehen, wo sie etwas z'saufen hernähmten.
Kurz, das Ende des Liedes war, daß Anne Bäbi rund erklärte, daß, ehe es eine Kuh weniger wolle, wolle es eine mehr oder zwei, sie könnten luegen, wie sie es machten, und wenn sie es machten wie andere Leute und nicht sellig Stopfine und Schnürfline wären, so möchte es sich gar gut geben. Und zuletzt hätte man noch Geld und könne etwas Land kaufen; man hätte es doch am Ende nicht nur für Hochzeitkleider anzuschaffen und für so vo eim Ghältli (Versteck) ins andere zu kräzen (tragen), das trage hell nichts ab, und man hätte nichts davon. Als Sami durch die Küche ging, sagte ihm Mädi: «Gäll, jetz weißt, was ihr seid, und was mit euch ist, es ist es Elend. Es ist doch eis gfellig, wenn es nit e sellige Trappi ha muß, u we mi no hüt Eine wett, unbsinnet sieg ih: ‹Blas mr!› Was luegst mi so a, du Gugag? Uf my Armi sieg ih so, sust probier!» «Ä, ä», sagte Sami, «ih bi ke Narr nit, du chönntisch di angers bsinne, u es chönnt dr zSinn cho, es syg dr gordnet, du söllist mi glücklich mache, u sälb Glück bigehre ih no geng nüt, Mädi, u du mußt dr Lätsch angers mache, wenn ih drytrappe söll.»
«Wottsch mr zur Kuchi us, du Donnstigs Möff!» sagte Mädi, «bin ih nit emal hie meh vor dr sicher! Wohl, wes dMeisterlüt wüßte, was du für e Uflat wärist, si wurde dr!» «Weißt was», sagte Sami, trat dicht vor Mädi, daß dessen Herz ganz erwartungsvoll zu schlagen begann, «su säg nes!» Da hatte er aber Zeit, zu gehen, um der Pfanne zu entrinnen, mit welcher Mädi ihn hauen wollte und ihm damit nachfuhr bis zum Futtergang, hinter dessen Türe Sami zu rechter Zeit sich verschanzen konnte.
So war ein Weg gebahnt zu Jakoblis Bildung und Selbständigkeit, und ein rührigeres Leben kam in den hintern Teil des Hauses, wo das Mannevolk etwas zu sagen hatte, und eine wichtige Verhandlung nach der andern wurde auf dem Bänkli beim Stall abgehalten. Es war in Gutmütigen etwas schwer, Land zu kaufen, besonders schickiges, das heißt zur Bearbeitung wohlgelegenes. Wenn bekannt wurde, daß jemand Lust zu Land hätte, so schraubte man den Preis hinauf, fast wie den Katzen die Speckseiten, und wenn bekannt war, daß ein Stücklein Land feil sei, so waren zehn da, die es wollten. Von wegen Gutmütigen war ein Ort, dem es aufging, und wo nicht ein Hudel dem andern Vogt sein mußte, wo Land verkaufen mehr oder weniger ehrrührig war, wo Geld war; wo auf dem Lande Geld ist, da wird es immer vorzugsweise in Land angelegt und nicht in Gülten.
So schwer war das Kaufen an sich, und was zu kaufen war, war nicht immer schicklich, und zu fürchten war, daß Anne Bäbi alles, was man haben konnte, nicht wollte, sondern gerade das, was um keinen Preis zu kaufen war. Indessen half man sich da nicht übel; Sami war ein Fuchs, und niemand sah es ihm an, das sind aber eben die schlimmsten Füchse; die, welche es einem auf jeglichem Suppenbröcklein zu verstehen geben, wie schlau sie seien und wie teufelmäßig pfiffig und diplomatisch, die haben, wenn man recht hinsieht, gar keine Fuchsschwänze, sondern einfache Kalberschwänze. Sami machte den Spion, und hatte er irgendwo was erwittert, ein Stücklein Land und einen geldnötigen Besitzer, so gab er ihm auf irgendeine Weise unter den Fuß, Hansli würde vielleicht etwas kaufen, das wäre ein versorgeter Käufer und bar Geld; viel Lärm würde es nicht geben, und man könnte sagen, er hätte es dem Jowäger zu Gefallen getan; er, Sami, wollte einreden, soviel er vermochte, von wegen das Schmürzelen mit dem Heu sei ihm afe erleidet; zu Hause ließ er fallen, es sei lätz, daß man kein recht Land für Flachs, Hanf oder für sonst irgendein Weiberherzplätz hätte; wenn man die Pflanze dort oder dort bauen könnte, sy Seel, er wollte ausbieten, ob jemand schönere Sachen hätte. So reisete er Anne Bäbis Herz unvermerkt gegen einen Acker, den er feil gemacht, und wenn dann der Verkäufer eines Abends wie zufällig zum Haus kam und wie zufällig die Rede auf Kauf und Verkauf kam und Hansli nicht schützig tat und bedächtig werweisete und vom Altwerden und nicht mehr viel Werchenmögen sprach, so war es Anne Bäbi, das ihm den Marsch machte und zum Kauf anstrengte auf seine Weise.
So ging es mehr als einmal. Ein glücklicher Verkäufer, der so um gut Geld und ohne Aufsehen aus einer Verlegenheit kam, machte einen andern lüstern, den gleichen Weg zu suchen. Schwerer als dieses harzeten die dadurch notwendig gewordenen häuslichen Veränderungen. Anne Bäbi haßte wie Feuer alle Arbeitsleute, Schneider und Schuhmacher ausgenommen, welche ihm aus langer Gewohnheit den Laun wußten; keinen Ehrentitel gab es, mit dem es sie nicht belegte; Freßhüng, Uflät u Koldergringe, das waren die höflichsten. So ein Maurer, ein Zimmermeister haben gewöhnlich Feuer im Kopf und Pulver im Leibe und lassen von einem Mann sich nicht viel sagen, geschweige dann von einem Weibe, und wenn Eini ihnen das Maul anhängt, so hängen sie ihm Schlemperligen an durch die Gesellen, und wenn es nicht schweigt, so brennen sie ihm selbst Bomben und Granaten auf den Kopf, bis es sturm wird.
So war es Anne Bäbi mit ihnen ergangen, und darum waren sie ihm, was anderen Menschen Schwefel unter der Nase ist. Als es um Lisis willen das Ofenhaus bauen wollte, da dachte es, einem Gedanken untertan, an diese Nebensache nicht; jetzt aber war nichts so Gewaltiges im Kopfe, daß der alte Haß nicht Platz daneben gehabt hätte. Der Stall sollte eigentlich frisch unterzogen werden; bei dem Anlaß konnte eine Verlängerung der First gemacht, die Schweinställe zweckmäßiger angebracht werden, vor allem aus waren Bschüttilöcher nötig, denn die gegenwärtigen waren so klein, daß sie einem halben Dutzend Engländer als Punschnapf zu klein gewesen wären; denn wenn die recht zum Saufen kommen, so ist die größte Oberländer Kuh nur ein Kalb gegen sie. Es war schon manchmal die Rede von ihrer Vergrößerung gewesen, aber sie waren Anne Bäbi vollkommen recht; so lange hätten sie es mit ihnen gemacht, sagte es, und immer schöne Sachen gemacht, es wüßte nicht, warum jetzt auf einmal mehr Bschütti sein, alles mehr Bschütti mangeln sollte, das sei nur eine verfluchte Mode, und es hasse nichts mehr als die verfluchten Moden, wo alles all Tag angers sein sollte. Es seien Sonne, Mond und Sterne gleich geblieben, alle vier Wochen sei Wädel, und der Herr werd auch der gleiche geblieben sein; es wüßte daher nicht, warum auf einmal die Bschütti bas bschüßen sollte als sonst und besser sein; wenn sich nichts gebessert hätte, so werd dr Dreck öppe o glych blibe sy, mit dem öppe werd dr lieb Gott nit afa dWelt zvrbessere.
Dagegen wußten sie nichts zu sagen, sie wußten nämlich nicht, daß in der Reformation besonders der Dünger verbessert und anders geworden sein soll. Es gibt nämlich Katholiken, welche sagen, sie wüßten wohl, woher es komme, daß das Land der Reformierten viel besser sei als das der Katholiken, es komme nämlich daher, daß die Reformierten keine Fasttage hätten, darum täten sie viel mehr Fleisch essen, und daher sei ihr Dünger viel bschüssiger. Weiß nicht, man sollte dem Professor Liebig in Gießen zwei Druckli schicken, eins mit katholischem Dreck und eins mit reformiertem Dreck, der hülfe einem bald aus dem Gwunder.
Da aber weder Sami noch Jakobli mit der Chemie sich abgaben, so wußten sie gegen Anne Bäbis Theorie nichts einzuwenden, Theoretisches nämlich, aber Sami half sich praktisch. Er wußte aus langer Erfahrung, wann die Weiber das Bschütten ankam, und allemal, wann es sie ankam, fanden sie die Löcher leer. Wohin die Bschütti gekommen, wußte niemand zu sagen, und niemand ergründete es. Sami sah man aparti nicht bschütten, auch keine Engländer um die Löcher sitzen, die Kühe nicht verstopft; am Ende wußte man nicht anders zu helfen als die Löcher untauglich zu erklären. Anne Bäbi ward nun verfluxt bös über die Löcher und erklärte, es böse immer in der Welt, und nichts sei mehr etwas wert. Allbets wären doch wenigstens noch die Löcher gut gewesen, jetzt sei es auch mit diesen nichts mehr. Seine Schwieger selig, gottlob, hätte manchmal gesagt, die seien just gemacht worden, wo ihre Schwieger ins Haus gekommen, das werd nit emal no hundert Jahr sy. Indessen war nichts anders zu machen, die Reparatur wurde beschlossen, und vom Größermachen redete man nicht viel, und als man sie größer sah, hieß es, gäb e chly größer oder e chly klyner, das gehe in einen Kösten zu, und vier Kühe machten auch mehr als drei.
Wenn aber einmal in Grundsätze und Gewohnheiten ein Loch gemacht wird, so weiß kein Mensch, wie groß es wird, und was nach neuen Bschüttilöchern noch all Neues kömmt. So trat ins alte Leben Regsamkeit, brachliegende Kräfte wurden entbunden, ergrauete Neutaler gelüftet, aber dem neuen Leben legten sich auch neue Hemmungen in den Weg. Wer hat das nicht schon erfahren inwendig und auswendig! Wie mancher Hausvater arbeitete im Schweiße seines Angesichtes durch Not und Kummer, überwand das meiste, sah nur noch ein Berglein vor sich, nahm neuen Anlauf, streckte schon den Kopf darüber auf, da kam rasch heran wie eine Wolke im Berglande eine neue Bedrängnis und drückte ihn wieder nieder, und dann wieder eine und wieder eine. Das sind Prüfungen des Mutes, und wer ihn nicht verliert, überwindet. Geduld überwindet Sauerkraut, heißt es. So geht es auch mit dem inwendigen Menschen mit Buße und Bekehrung. Da, wenn der gute Wille kömmt, kömmt auch der Reiz und die Versuchung mit verstärkter Macht, die Welt legt Hemmungen in den Weg, zieht durch etwas Besonders den Blick der Menschen ab vom Notwendigen aufs Auswendige, zieht durch ein Ereignis des Menschen Kräfte vom innern Werk auf ein äußeres Werk, nimmt das Ziel plötzlich weg, stellt ein anderes dar, nach dem all Dichten und Trachten sich richtet. Kurz, der Teufel ist ein Hexenmeister, kann Täschlispielen wie keiner, und wer ihm nicht auf die Finger zu klopfen weiß, wird sein Narr.