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Drittes Buch.

Fünfundzwanzigstes Kapitel.

Nach Sibley, wo der große Kriminalfall vor dem Schwurgerichte verhandelt wurde, richteten sich die Blicke des ganzen Landes; man war allgemein auf den Ausgang gespannt, in der Bevölkerung herrschte ungewöhnliche Aufregung.

Die erste Gerichtssitzung war zu Ende, und in einem Zimmer des Gasthauses saßen die beiden uns bekannten Detektivs in eifrigem Gespräch beisammen.

Mir scheint, die Sache steht schlecht, äußerte Byrd bedenklich, schlecht für den Angeklagten, meine ich.

Sie nehmen also Partei für Mansell? fragte Hickory verwundert.

Das nicht gerade, denn ich halte ihn nicht für unschuldig, und die Wahrheit muß ans Licht gebracht werden, mag daraus entstehen, was da will.

Sein echt männliches Auftreten nimmt wirklich sehr für ihn ein, das muß ich sagen, meinte Hickory. Der Ton, in dem er seine Unschuld beteuerte, klingt mir noch in den Ohren, so ruhig und überzeugend, so nachdrücklich und doch freimütig.

Ich glaube, man hätte eine Stecknadel zu Boden fallen hören, so still war es im Gerichtssaal.

Wenn ich nur wüßte, was die verächtliche Miene bedeuten soll, die er zur Schau trägt, fuhr Hickory fort. Es ist nicht Stolz allein, auch keine Unschuldsmaske – die würde ich bald durchschauen – nein, es ist ganz etwas anderes, ich weiß nur nicht was. Dabei legte er bedächtig den Zeigefinger an die Nase.

Auch ich habe keine Ahnung, gab Byrd zurück und warf das Ende seiner Zigarre ins Feuer; Mansell ist mir ein unergründliches Rätsel – und Fräulein Dare desgleichen.

Das wird eine interessante Sitzung werden, wenn wir ihre Zeugenaussage zu hören bekommen.

Haben Sie wohl beobachtet, wie sie dasitzt, ohne einen Blick von dem Gefangenen abzuwenden, während er scheinbar kalt und gleichgültig nach der andern Seite schaut. Der Gedanke, daß sie es ist, die den Verdacht auf ihn gelenkt und ihn in seine jetzige Lage gebracht hat, verläßt ihn offenbar keinen Augenblick.

Hickory klopfte seine Pfeife aus. Soweit ich die menschliche Natur kenne, sagte er, würde Mansell dem Weibe gegenüber, das ihn verraten hat, eher Haß und Wut zeigen, als diese stumme Verachtung. Wer aus Liebe oder Ehrgeiz einen Mord begeht, der fühlt überhaupt zu leidenschaftlich, um Fräulein Dares Handlungsweise verstehen zu können. Wäre er unschuldig, dann freilich bedürfte seine verächtliche Miene keiner weiteren Erklärung.

Byrd warf seinem Kollegen einen raschen, forschenden Blick zu. Er war also doch nicht der einzige, der sich mit Zweifeln quälte.

Ob wohl Fräulein Dares Zeugenvernehmung noch lange auf sich warten läßt, was meinen Sie? fuhr jener fort.

Vielleicht erfolgt sie schon morgen, entgegnete Byrd, froh, dem Gespräch eine andere Wendung zu geben. Ich weiß nicht, ob Sie gemerkt haben, wie methodisch die Anklage verfährt? Zuerst wurde der Beweggrund für das Verbrechen ermittelt. Herrn Goodmans Aussagen und die der andern Zeugen aus Buffalo lauteten einstimmig dahin, daß der Gefangene häufig den Wunsch geäußert habe, genügende Mittel zu besitzen, um seine Erfindung ausführen zu können. Dann ward die Höhe der hiezu erforderlichen Summe festgestellt, und es ergab sich, daß diese genau mit dem Betrag der Hinterlassenschaft seiner Tante übereinstimme. Auch hatte er um ihre Absicht gewußt, ihn zum Erben einzusetzen. Der Anlaß zur Tat war also vorhanden. Nun kamen die Beweise an die Reihe, daß er Gelegenheit gehabt hatte, sie auszuführen.

Um seine Anwesenheit in Sibley außer Zweifel zu stellen, wurden der Bahnwärter der Zwischenstation und die alte Sally Perkins vernommen, zuletzt Sie und ich. Nunmehr leuchtete jedem ein, daß er die Tat verübt haben und dann auf dem Waldweg über die Hügel unbemerkt nach der Station am Steinbruch entkommen sein könne. Was fehlt noch, um ihn zum Verbrecher zu stempeln? Nichts als ein starker Indizienbeweis. Den liefert der Ring. Und wessen Zeugnis bedarf es dazu? Nur das Fräulein Dares. Und sie wird es nicht verweigern können.

Das Gespräch stockte.

Was ist Ihre Meinung über Orkutt? forschte Hickory nach einer Weile.

Er verhält sich merkwürdig ruhig. Jeder, der ihn kennt, wundert sich darüber. Er hat bis jetzt fast kein Kreuzverhör vorgenommen und nichts für die Verteidigung erreicht. Nur das vortreffliche Zeugnis, das Goodman dem Gefangenen ausgestellt, hat, kommt diesem zu gute.

Goodman ist Mansells Freund.

Ich weiß wohl; aber seine kurzen, entschiedenen Aussagen waren von großer Wirkung auf die Geschworenen. Die Art, wie er Mansells Charakter schilderte, mußte sie zu seinen Gunsten stimmen.

Orkutt weiß recht gut, was Eindruck macht.

Er versteht sich auf den vorliegenden Fall und sieht ein, daß es ein vergebliches Bemühen wäre, die Beweise umstoßen zu wollen. Die Tatsachen sprechen zu deutlich, und die Zeugen sind angesehene, zuverlässige Leute. Was die Herren Goodman und Harrison aussagen, steht unerschütterlich fest; auch was wir beide ans Licht gebracht haben, läßt sich nicht wegleugnen.

Nein, das wäre unmöglich.

So wird Orkutt also die Verteidigung auf ganz andere Grundlagen aufbauen wollen. Nach seinem Benehmen zu urteilen, muß er noch etwas Wichtiges in Bereitschaft halten. Aber was das für ein geheimer Punkt sein mag, ist eben die Frage.

Ja, das ist die Frage, wiederholte der andere nachdenklich.

Sie saßen einander noch eine Weile stumm gegenüber, bis Hickory aufstand und sich nach seinem eigenen Zimmer begab.


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