Ferdinand Gregorovius
Lucrezia Borgia
Ferdinand Gregorovius

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XX

Harte Kämpfe bestand der Erbprinz von Ferrara, ehe er dem Drängen seines Vaters nachgab. Und so fest bestand dieser auf seiner Heirat, daß er ihm erklärte, er selbst werde sich, wenn er bei seiner Weigerung beharre, zur Vermählung mit Lucrezia entschließen müssen. Als der Sohn eingewilligt, als der Herzog seinen Stolz überwunden hatte, betrachtete er diese Ehe lediglich als ein vorteilhaftes Staatsgeschäft. Er verkaufte die Ehre seines Hauses um den höchst möglichen Preis. Die päpstlichen Agenten in Ferrara, erschreckt über seine Forderungen, schickten Raimondo Romolini nach Rom, davon Bericht zu geben, und Alexander suchte die Vermittlung des Königs von Frankreich, um von Ercole billigere Bedingungen zu erlangen. Ein Brief des ferrarischen Gesandten in Frankreich an seinen Herrn wird hierüber am besten aufklären.

»Mein erlauchtester Herr, gestern sagte mir der Gesandte des Papstes, daß Se. Heiligkeit ihm geschrieben, wie Ew. Exzellenz dorthin einen Boten gesandt und gefordert habe zweimalhunderttausend Dukaten, die Befreiung vom Jahreszins, die Verleihung des Juspatronatus für das Bistum Ferrara durch Konsistorialbeschluß, und viele andere Dinge. Er sagte mir, daß der Papst hunderttausend Dukaten geboten habe; für das Übrige solle ihm Ew. Exzellenz vertrauen, da er Ihnen mit der Zeit willfahren und das Haus Este so hoch erheben werde, daß jedermann seine Liebe zu ihm erkennen solle. Er sagte mir ferner, daß er den Auftrag habe, die Allerchristlichste Majestät zu ersuchen, dem Erlauchtesten Kardinal zu schreiben, er möge Ew. Exzellenz ermahnen, sich damit zu begnügen. Als treuer Diener Ew. Exzellenz erinnere ich deshalb, obwohl das überflüssig ist, daß, wenn diese Heirat gemacht werden soll, Sie dieselbe in solcher Weise und mit solcher Sicherheit abschließen, daß nicht ›langes Versprechen und kurzes Halten‹ Sie später es bereuen macht. In einem anderen Brief habe ich Ew. Exzellenz mitgeteilt, wie der Allerchristlichste König mir gesagt hat, daß er in dieser Angelegenheit nichts anderes wolle als Ew. Exzellenz, und daß, wenn diese Sache geschehen soll, Sie aus derselben den höchstmöglichen Vorteil ziehen mögen, wenn aber nicht, so sei Se. Majestät stets bereit, Don Alfonso diejenige Dame zu geben, welche Ew. Exzellenz für ihn in Frankreich begehren wolle. Ew. Herzogl. Exzellenz Diener Bartolomeo Cavaleri. Lyon, 7. August 1501.«

Alexander wollte seine Tochter nicht mit leeren Händen nach Ferrara schicken, aber die Mitgift, welche Ercole forderte, war groß; sie war größer als jene, welche Bianca Sforza dem Kaiser Maximilian mitgebracht hatte, und sie beschädigte geradezu die kanonischen Gesetze. Denn außer der bedeutenden Geldsumme verlangte der Herzog die Erlassung des jährlichen Tributs an die Kirche für das Lehen Ferrara, die Abtretung von Cento und Pieve, Städten, die dem Erzbistum Bologna angehörten, sogar die Abtretung des Porto Cesenatico, und eine Menge von Benefizien zugunsten der Familie Este. Man unterhandelte eifrig, doch so heftig war die Begierde des Papstes, seiner Tochter den Herzogsthron Ferraras zu sichern, daß er sich bereit erklärte, die Forderungen Ercoles im wesentlichen zu bewilligen, und dazu bewog ihn auch die Meinung Cesars. Nicht minder war es Lucrezia selbst, die ihren Vater bestürmte, nachzugeben. Sie wurde seither der beste Advokat des Herzogs in Rom, und Ercole bekannte, daß er hauptsächlich ihrer Klugheit es zu verdanken hatte, wenn er seine Forderungen durchsetzte.

Die Unterhandlungen nahmen diese günstige Wendung seit dem Ende des Juli oder dem Anfang des August, und dieser Zeit gehören auch die ersten derjenigen Briefe des Herzogs an Lucrezia und den Papst, welche sich im Staatsarchiv des Hauses Este erhalten haben.

Am 6.August schrieb Ercole seiner künftigen Schwiegertochter, daß er ihr Agostino Huet (einen Sekretär Cesars) als Agenten empfehle, welcher in der Führung der Unterhandlungen den größten Eifer bewiesen habe.

Am 10.August setzte er dem Papst den bisherigen Gang dieser Konferenzen auseinander und ersuchte ihn, seine Forderungen nicht unmäßig zu finden. Er wiederholte das in einem Schreiben vom 21., worin er jene, wie ein Kaufmann, als billig und sogar geringfügig hervorhob.

Unterdes war dieser Heiratsplan in der Welt bekannt und zum Gegenstand für diplomatische Erwägungen geworden. Denn weder den Mächten Italiens noch des Auslandes konnte die Stärkung des Papsttums genehm sein. Florenz und Bologna, nach deren Eroberung Cesar trachtete, waren in Furcht; die Republik Venedig, die mit Ferrara in steter Spannung war und Absichten auf die Küsten der Romagna hatte, verhehlte nicht ihre Mißstimmung, zumal sie das ganze Projekt dem Ehrgeiz Cesars zuschrieb. Der König von Frankreich machte nur gute Miene zum bösen Spiel, und dasselbe tat Spanien; aber Maximilian war über die Heirat so ungehalten, daß er sie zu hintertreiben suchte. Ferrara begann gerade das politische Gewicht zu erlangen, welches zur Zeit Lorenzo Medicis Florenz gehabt hatte; seine Parteistellung war daher zu wichtig, als daß dem deutschen Kaiser die enge Verbindung dieses Staates mit dem Papsttum und mit Frankreich gleichgültig bleiben konnte. Außerdem war Bianca Sforza die Gemahlin Maximilians, und andere Mitglieder und Anhänger ihres gestürzten Hauses, erbitterte Feinde der Borgia, befanden sich am deutschen Hof.

Der Kaiser schickte im August Briefe nach Ferrara, worin er Ercole abmahnte, sich mit dem Papst zu verschwägern. Dem Herzog konnte diese Erklärung Maximilians nur erwünscht sein, denn mit ihr vermochte er einen Druck auf den Papst auszuüben. Er machte ihm davon Mitteilung, versicherte ihn aber, daß er in seinem Entschluß nicht erschüttert werde; dann beauftragte er seinen Rat Gianluca Pozzi, auf die Schreiben des Kaisers zu antworten. Der Brief Ercoles an seinen Kanzler datiert vom 25. August; aber noch ehe dessen Inhalt nach Rom gelangte, hatte sich der Papst beeilt, die Bedingungen des Herzogs anzunehmen und den Heiratsvertrag abzuschließen. Dies geschah durch einen gerichtlichen Akt im Vatikan am 26. August 1501.

Unverzüglich übersandte er durch den Kardinal Ferrari diesen Kontrakt an Ercole, und Don Ramiro Romolini nebst anderen Prokuratoren eilte nach Ferrara. Hier wurde im Schloß Belfiore am 1. September 1501 der Ehebund ad verba abgeschlossen.

An demselben Tage schrieb der Herzog an Lucrezia, daß wenn er sie bisher um ihrer Tugenden willen und aus Rücksicht auf den Papst und ihren Bruder Cesar geliebt habe, er sie jetzt mehr als eine Tochter liebe. Er schrieb in demselben Ton an Alexander selbst, teilte ihm den Abschluß der Heirat mit und dankte ihm für die Erteilung der Würde des Erzpriesters von S. Peter an den Kardinal Hippolyt, seinen Sohn.

Weniger diplomatisch war die Sprache Ercoles in dem Brief, worin er dem Marchese Gonzaga Meldung von dieser Tatsache machte. Seine kühle Stimmung geht daraus deutlich hervor; er entschuldigte sich gleichsam, zu diesem Schritt gedrängt worden zu sein.

»Erlauchter Herr und unser geliebtester Bruder. Wir haben Ew. Herrlichkeit mitgeteilt, daß Wir in den letzten Tagen uns entschlossen hatten, in die Betreibung der Praktiken zur Verschwägerung mit Sr. Heiligkeit einzuwilligen, dadurch, daß Wir die Erlauchte Donna Lucrezia Borgia, die Schwester des erlauchten Herzogs der Romagna und von Valence als Gemahlin Don Alfonsos unseres Erstgeborenen annahmen, hauptsächlich auf Grund dessen, daß Wir dazu durch Seine Allerchristlichste Majestät dringend aufgefordert wurden, und unter Voraussetzung der Übereinkunft mit Sr. Heiligkeit in bezug auf alle dieses Ehebündnis betreffenden Einzelheiten. Da nun seither diese Angelegenheit verhandelt worden ist, sind Se. Heiligkeit und Wir in ihr übereingekommen, und der Allerchristlichste König hat uns fortdauernd gedrängt, zum Abschluß der Ehepakten zu kommen. Dieser ist denn heute im Namen Gottes unter Vermittlung der (franz.) Gesandten und der hier anwesenden Prokuratoren Sr. Heiligkeit geschehen und am heutigen Morgen verkündigt worden. Ich wollte Ew. Herrlichkeit unverzüglich davon Meldung geben, da unsere gegenseitige innige Verbindung und Liebe verlangt, daß Sie an allem, was uns betrifft, Anteil nehmen. Und so entbieten Wir uns Ihrem Wohlgefallen zu bereitwilligem Dienst. Ferrara am 2. September 1501.«

Am 4.September brachte ein Kurier die Botschaft, daß der Ehekontrakt in Ferrara unterzeichnet worden sei. Alexander ließ sofort Schüsse auf der Engelsburg abfeuern und den Vatikan erleuchten. Ganz Rom erscholl vom Freudengeschrei der Anhänger des Hauses Borgia.

Dieser Augenblick war der Wendepunkt im Leben Lucrezias. Wenn Ehrgeiz und Trieb nach weltlicher Größe in ihrer Seele lebten, so hatte sie jetzt die Gewißheit, auf einen der ältesten Fürstenthrone Italiens zu steigen. Wenn Reue und Abscheu vor dem, was sie in Rom umgab, und Sehnsucht nach besseren Zuständen in ihr mächtiger waren als jene eitlen Empfindungen, so bot sich ihr jetzt ein Ruhehafen dar. Sie sollte die Gemahlin eines Fürsten werden, der nicht als ein genialer und fein gebildeter, aber als ein praktischer und ruhiger Mann galt. In ihrer frühen Jugend hatte sie ihn gesehen, als er nach Rom kam, und sie selbst die Verlobte Sforzas war. Kein Opfer wäre ihr wohl zu schwer erschienen, wenn sie damit die Erinnerungen jener neun Jahre auslöschen konnte, die seitdem vergangen waren. Der Sieg, welchen sie jetzt durch die Einwilligung des Hauses Este gewonnen hatte, war mit einer tiefen Demütigung verbunden, denn sie wußte es, daß Alfonso, nur nach langem Sträuben und gezwungen, sich herabgelassen hatte, ihre Hand anzunehmen. Ein kühnes und ränkevolles Weib konnte sich über diese Demütigung mit dem Bewußtsein ihres Genies und ihrer Künste erheben, ein minder starkes, doch schön und anmutvoll begabtes, einen großen Reiz in der Vorstellung empfinden, einen widerstrebenden Mann durch den Zauber ihrer Persönlichkeit zu entwaffnen. Die Frage aber, ob es ihr Ehre brachte, sich mit einem Gatten zu vermählen, der dies nicht aus freier Wahl war, oder ob nicht der Stolz einer edlen Frau die Ehe unter solchen Verhältnissen von sich weisen mußte, hat ein so eitles Weib, wie Lucrezia war, vielleicht niemals an sich gerichtet, oder wenn sie das wirklich tat, so erlaubten ihr doch Cesar und ihr Vater nicht, diese undiplomatische Frage auszusprechen. Wir entdecken keine Spur von sittlichem Stolz in ihr. Wir sehen nur Zeichen einer kindisch naiven Freude über das ihr bevorstehende Glück.

Mit dreihundert Reitern und vier Bischöfen sah man sie am 5. September durch Rom ziehen. Sie brachte in S. Maria del Popolo ihre Dankgebete dar. Nach dem wunderlichen Gebrauch jener Zeit, wo, wie in Dramen Calderons und Shakespeares, dem Ernsten das Närrische zur Seite stand, schenkte Lucrezia das kostbare Gewand, in welchem sie gebetet hatte, einem ihrer Hofnarren. Der Buffo eilte jubelnd durch die Straßen Roms und rief: Es lebe die erlauchte Herzogin von Ferrara! Es lebe der Papst Alexander! Mit lärmenden Demonstrationen feierten die Borgia und ihre Anhänger das große Ereignis.

Alexander berief ein Konsistorium, als wäre dieses Familiengeschäft eine wichtige Angelegenheit der Kirche. Er rühmte voll kindischer Prahlerei den Herzog Ercole und nannte ihn den größten und weisesten Fürsten Italiens; er pries Don Alfonso, der ein schöner und größerer Mann sei als sein Sohn Cesar, und zu seiner ersten Gemahlin die Schwägerin des Kaisers gehabt habe. Ferrara sei ein glücklicher Staat und das Haus Este sei alt; bald werde ein Hochzeitsgeleit von großen Herren nach Rom kommen, die Braut abzuholen, und diese werde die Herzogin von Urbino begleiten.

Am 14.September kam Cesar Borgia aus Neapel zurück, wo Federigo, der letzte König jenes Landes vom Hause Aragon sich Frankreich hatte ergeben müssen. Er fand zu seiner Genugtuung Lucrezia schon als künftige Herzogin Ferraras wieder. Am 15. trafen die Gesandten Ercoles ein, Saraceni und Bellingeri. Sie sollten dahin wirken, daß die Verpflichtungen des Papstes so schnell als möglich erfüllt würden. Der Herzog traute ihm nicht; er war ein praktischer Mann. Nicht eher wollte er das Brautgeleit absenden, als bis er die Bullen in Händen hatte. Lucrezia unterstützte die Gesandten mit solchem Eifer, daß Saraceni seinem Herrn schrieb, sie scheine ihm bereits die beste Ferraresin zu sein. Sie wohnte im Vatikan den Verhandlungen bei, welche Alexander, um seine Sprachfertigkeit zu zeigen, bisweilen in fließendem Latein führte; eines Tages befahl er, aus Rücksicht auf seine Tochter sich der italienischen Sprache zu bedienen, und dies beweist, daß Lucrezia des Lateinischen doch nicht ganz mächtig war.

Aus den Depeschen jener Gesandten geht hervor, daß man im Vatikan sehr guter Dinge war. Man sang, musizierte und tanzte dort jeden Abend. Es war überhaupt einer der größten Genüsse Alexanders, dem Tanz schöner Frauen zuzusehen. Wenn nun Lucrezia und ihre Hofdamen tanzten, pflegte er die Gesandten Ferraras herbeizurufen, damit sie die Schönheit seiner Tochter bewunderten. Lachend sagte er ihnen eines Abends, sie sollten sehen, daß die Herzogin nicht lahm sei.

Er war unermüdlich, die Nächte so hinzubringen, während doch selbst der kräftige Cesar davon angestrengt wurde. Als sich dieser herabließ, den Gesandten Audienz zu bewilligen, eine Gnade, welche, wie sie nach Ferrara schrieben, kaum von Kardinälen zu erlangen war, empfing er sie angekleidet im Bette liegend, und Saraceni bemerkte darüber in seiner Depesche: ich fürchte, daß er krank ist, denn gestern abend tanzte er ohne Unterlaß, und so wird er auch heute beim Papst tun, zu welchem die Erlauchte Herzogin zur Abendtafel geht. Lucrezia betrachtete es als eine Erholung, daß der Papst auf einige Tage nach Civitacastellana und Nepi ging. Am 25. September schrieben die Gesandten nach Ferrara: »Diese Erlauchte Madonna fährt fort, noch etwas leidend zu sein und sich sehr ermattet zu fühlen; trotzdem mediziniert sie nicht, noch unterbricht sie die Betreibung der Angelegenheiten, und sie gibt wie gewöhnlich Audienz. Wir glauben, daß diese Unpäßlichkeit nichts weiter zu bedeuten hat, denn Ihre Herrlichkeit nimmt sich in acht. Auch wird ihr die Ruhe in diesen Tagen, wo Se. Heiligkeit entfernt sein wird, wohl tun; denn so oft ihre Herrlichkeit bisher zum Papste ging, wurde jede Nacht mit Tanz und Spiel bis gegen zwei oder drei Uhr hingebracht, und dies hat ihr sehr geschadet.«

Ein peinlicher Gegenstand, welchen der Papst damals mit den Gesandten Ferraras besprach, betraf Giovanni Sforza von Pesaro, den geschiedenen und verjagten Gemahl Lucrezias. Was man von ihm fürchtete, zeigt diese Depesche an Ercole:

»Erlauchtester Fürst und unser besonderster Herr. Weil Se. Heiligkeit der Papst gebührende Rücksicht auf solche Dinge nimmt, die dem Gefühl nicht allein Ew. Exzellenz und des Erlauchten Don Alfonso, sondern auch dem der Frau Herzogin, und auch seinem eigenen mißfällig werden könnten, so hat er uns aufgetragen, Ew. Exzellenz zu schreiben und Sie zu bitten, dahin zu wirken, daß der Herr Giovanni von Pesaro, welcher wie Se. Heiligkeit benachrichtigt ist, sich in Mantua befindet, zur Zeit der Hochzeitsfeier nicht in Ferrara anwesend sei. Denn obwohl jene Scheidung zwischen ihm und der vorgenannten Erlauchten Herrin durchaus rechtmäßig und der lauteren Wahrheit gemäß vollzogen worden ist, wie das der Prozeß öffentlich bestätigt und auch Signor Giovanni selbst aus freien Stücken bekannt hat, so kann doch noch ein Rest von Übelwollen bei ihm auch sonstwoher zurückgeblieben sein. Wenn er sich nun an einem Ort befände, wo die genannte Herrin von ihm gesehen werden könnte, so würde Ihre Exzellenz dadurch gezwungen sein, sich in irgendein Gemach zurückzuziehen, um sich nicht die Vergangenheit ins Gedächtnis zurückzurufen. Er ermahnt daher Ew. Exzellenz mit Ihrer gewohnten Einsicht dem vorzubeugen. Se. Heiligkeit ließ sich hierauf über die Angelegenheiten des Herrn Marchese von Mantua aus, tadelte heftig Se. Herrlichkeit, weil nur er allein gestürzten Leuten ein Asyl gebe, und zwar solchen, die nicht nur in seinem (des Papstes), sondern des Allerchristlichsten Königs Banne stehen. Wir bemühten uns zwar, den Herrn Marchese zu entschuldigen, indem wir sagten, daß er, großmütig wie er ist, sich schämen würde, seine Länder denen zu verschließen, die sie aufsuchten, zumal wenn sie große Herren sind, und wir bedienten uns, dies zu verteidigen, aller der Worte, die uns dafür als die passendsten erschienen. Doch mit unserer Entschuldigung schien Se. Heiligkeit nicht zufrieden zu sein. Ew. Exzellenz möge demnach in Ihrer Weisheit diejenigen Anordnungen treffen, welche Sie für geeignet halten. Und so empfehlen wir uns Ew. Exzellenz Gnade in Demut. Rom, 23. September 1501.«

Infolge des Dringens Ercoles war am 17. September im Konsistorium die Frage wegen der Herabsetzung des Lehnszinses Ferraras von vierhundert Dukaten auf hundert Floren zur Sprache gebracht worden. Hier fürchtete man einen heftigen Widerspruch. Alexander setzte auseinander, was Ercole für Ferrara getan hatte, seine Stiftung von Klöstern und Kirchen und vor allem seine Befestigung der Stadt, wodurch er diese zu einem Bollwerk des Kirchenstaats gemacht habe. Die Kardinäle waren zugunsten dieser Reduktion bearbeitet worden, durch den Kardinal von Cosenza, ein Geschöpf Lucrezias, und durch Messer Troche, den Vertrauten Cesars. Sie genehmigten den Erlaß, und der Papst dankte ihnen, indem er namentlich die älteren Kardinäle rühmte, während die jüngeren, seine eigenen Geschöpfe, hartnäckiger gewesen seien.

An demselben Tage traf er über die Besitzungen Bestimmung, die er den am 20. August von ihm geächteten Baronen entrissen hatte. Diese Güter, welche einen großen Teil der römischen Campagna umfaßten, wurden in zwei Gebiete geteilt: das eine hatte Nepi, das andere Sermoneta zum Mittelpunkt, Orte, auf welche Lucrezia ihre frühere Herrin, fortan verzichtete. Beide Herzogtümer verlieh Alexander an zwei Kinder, Giovanni Borgia und Rodrigo. Der Papst hatte erst die Vaterschaft des erstgenannten Kindes seinem eigenen Sohne Cesar zugeschrieben, dann aber wieder offen bekannt, daß er selbst dessen Vater sei.

Man möchte an eine so beispiellose Schamlosigkeit nicht glauben, aber die Aktenstücke liegen vor. Beide Bullen sind an den geliebten Sohn, den »Edlen Giovanni de Borgia und römischen Infanten« gerichtet, und beide datieren vom 1. September 1501. In dem ersten erklärte Alexander, daß Giovanni, ein Kind von drei Jahren, der uneheliche Sohn Cesars Borgia sei, eines ledigen Mannes (was er bei dessen Geburt auch war) von einer ledigen Frau. Er legitimierte dieses Kind aus apostolischer Macht und setzte es in alle Rechte seiner Verwandten ein. Im zweiten Breve bezog er sich auf die dem Kinde als einem Sohne Cesars erteilte Legitimation und sagte wörtlich: »Weil Du aber diesen Mangel (legitimer Geburt) nicht von dem genannten Herzog (Cesar), sondern von Uns und der genannten ledigen Frau trägst, was Wir aus guten Gründen in der voraufgegangenen Schrift nicht haben ausdrücken wollen, so wollen Wir, auf daß jene Schrift niemals als null erklärt werde und Dir nicht im Lauf der Zeit daraus eine Beschwerde erwachse, dem in Gnaden vorsehen, und Wir bestätigen Dir aus Unserem freien Entschluß, aus Unserer Großmut und Machtvollkommenheit durch das Gegenwärtige die volle Gültigkeit von allem, was in jener Schrift enthalten ist.« Er erneuerte demnach die Legitimation, und erklärte, daß, wenn sein als Cesars Sohn legitimiertes Kind in der Zukunft in Schriften und Akten jeder Art auch als solcher genannt und bezeichnet werden, und wenn es sich auch des Wappens Cesars bedienen sollte, demselben daraus in keiner Weise ein Nachteil erwachsen dürfe, sondern daß alle solche Akte die gleiche Rechtskraft haben sollten, welche sie haben müßten, wenn dieses Kind in der Legitimationsschrift als sein eigener und nicht als Cesars Sohn wäre bezeichnet worden.

Es wird auffallen, daß diese beiden Schriftstücke an ein und demselben Tage erlassen wurden; aber das erklärt sich daraus, daß die kanonischen Gesetze den Papst verhinderten, einen eigenen Sohn anzuerkennen. Alexander half sich demnach aus dieser Verlegenheit dadurch, daß er in der ersten Bulle eine Lüge aussprach. Diese Lüge machte die Legitimation des Kindes oder dessen Ausstattung mit legitimen Rechten möglich, und nachdem sie zu einem legalen Aktenstück geworden war, konnte der Papst ohne weiteren Schaden für das Kind an die Stelle jener Lüge die Wahrheit setzen.

Cesar befand sich an jenem 1. September 1501 nicht in Rom. Vielleicht würde selbst ein Mensch seiner Art über seinen Vater errötet sein, der ihn, den Sohn, zum Nebenbuhler in dem Eigentumsrecht auf einen Bastard machte. Der kleine Giovanni Borgia galt in der Tat später, nach dem Tode Alexanders, als Cesars Sohn, aber auch noch der Papst selbst bezeichnete ihn mehrmals in Breven als solchen.

Wer die Mutter dieses rätselhaften Kindes war, ist unbekannt. Burkard nennt sie nur eine gewisse Römerin. Wenn Alexander, welcher sie eine ledige Frau nannte, hier die Wahrheit sagte, so würde das den Gedanken an Julia Farnese ausschließen. Es könnte aber noch ein anderer Fall möglich sein, nämlich dieser, daß auch die zweite Aussage des Papstes eine Unwahrheit, und daß der »römische Infant« nicht sein Sohn, sondern ein uneheliches Kind Lucrezias war. Man wird sich erinnern, daß ein ferrarischer Gesandter im März 1498 dem Herzog Ercole meldete, daß man von Rom her versichere, die Tochter des Papstes habe ein Kind geboren. Dieses Datum stimmt vollkommen zu dem Lebensalter, welches der Infant Giovanni im September 1501 hatte. Die beiden Aktenstücke von dessen Legitimation, welche heute das Archiv Este bewahrt, kamen in dasselbe aus der Kanzlei Lucrezias, sei es, weil sie dieselben schon von Rom nach Ferrara mit sich genommen oder später an sich gebracht hatte. Wir werden endlich den Infamen an ihrem eigenen Hof in Ferrara, freilich als ihren »Bruder«, auftreten sehen. Alle diese Tatsachen könnten zu der Meinung führen, daß der mysteriöse Giovanni Borgia ein Sohn Lucrezias gewesen ist, aber diese Meinung hat immer nur die geringe Kraft einer Hypothese und nichts mehr.

Dieses Kind also erhielt die Stadt Nepi als ein Herzogtum mit sechsunddreißig anderen Ortschaften.

Das zweite Ländergebiet mit dem Herzogtum Sermoneta und achtundzwanzig Kastellen wurde dem kleinen Rodrigo zugewiesen, dem einzigen Sohn Lucrezias von Alfonso von Aragon. Das Dasein dieses Kindes war unter den neuen Verhältnissen für sie, die Mutter, eine offenbare Verlegenheit, denn sie mochte oder durfte keinen Stiefsohn mit sich nach Ferrara nehmen. Wir wollen zu ihrer Ehre glauben, daß sie gezwungen wurde, dieses ihr rechtmäßiges Kind fremden Händen zu überlassen, aber die Forderung, das zu tun, scheint nicht von Ferrara ausgegangen zu sein. Denn der Gesandte Gerardi gab am 28. September seinem Herrn von einem Besuche Meldung, welchen er Madonna Lucrezia machte, und er schrieb davon: »Da hier ihr Sohn anwesend war, so fragte ich mit einer geschickten Wendung, was mit ihm werden solle, und sie antwortete mir: er wird in Rom bleiben und eine Rente von fünfzehntausend Dukaten haben.« In der Tat wurde für den kleinen Roderich reichlich gesorgt. Er ward unter die Vormundschaft zweier Kardinäle gestellt, des Patriarchen von Alexandria und des Francesco Borgia, Erzbischofs von Cosenza. Er bezog die Einkünfte Sermonetas und besaß auch Biselli, das Erbe seines unglücklichen Vaters. Denn am 7. Januar 1502 bevollmächtigten der König Ferdinand und Isabella von Kastilien ihren Botschafter in Rom, Francesco de Roxas, jenem Rodrigo den Besitz des Herzogtums Biselli und der Stadt Quadrata zu bestätigen. Seine Titel waren diesem Akt gemäß: Don Roderico Borgia von Aragon, Herzog von Biselli und Sermoneta und Herr von Quadrata.


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