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Unterdes wurde die Aussteuer Lucrezias mit einer Verschwendung besorgt, die einer Königstochter würdig war. Am 13. Dezember 1501 schrieb der Agent des Markgrafen Gonzaga in Rom seinem Herrn: »Die Mitgift wird im ganzen dreimalhunderttausend Dukaten betragen, ohne die Geschenke, welche Madonna an diesem oder jenem Tage erhalten wird: zuerst hunderttausend Dukaten bar und in Ferrara ratenweise; dann Silberzeug für mehr als dreitausend Dukaten, Juwelen, feines Linnen, kostbarer Schmuck für Maultiere und Pferde, im ganzen für andere hunderttausend. Unter anderem hat sie ein besetztes Kleid, mehr als fünfzehntausend Dukaten an Wert, und zweihundert kostbare Hemden, von denen manches Stück hundert Dukaten Wert besitzt; jeder einzelne Ärmel kostet allein dreißig Dukaten, mit Goldfransen und dergleichen.« Ein anderer Berichter meldete der Markgräfin Isabella, daß ein einziges Kleid Lucrezias einen Wert von zwanzigtausend Dukaten habe, ein einziger Hut auf zehntausend geschätzt werde. »Man hat«, so schrieb jener Agent Mantuas weiter, »hier und in Neapel in sechs Monaten mehr Gold verarbeitet und verkauft, als sonst in zwei Jahren. Drittens bringt sie andere hunderttausend Dukaten, den Wert der Kastelle (Cento und Pieve), und die Befreiung Ferraras vom Tribut. Die Zahl der Pferde und der Personen, welche der Papst seiner Tochter mitgeben wird, soll tausend betragen, und zweihundert Wagen, dazu vielleicht einige französische, wenn die Zeit es erlaubt; und dazu wird das Geleite kommen, welches sie abholt.«
Dieses Brautgeleit beschloß der Herzog endlich abzusenden, obwohl ihm die Bullen noch nicht ausgefertigt waren. Da er der nun faktischen Verbindung seines Sohnes mit Lucrezia jetzt auch den größten Glanz geben wollte, schickte er zu ihrer Einholung eine Kavalkade von mehr als fünfhundert Personen. Ihr Führer war der Kardinal Hippolyt, und diesen begleiteten noch andere fünf Mitglieder des herzoglichen Hauses, seine Brüder Don Ferrante und Don Sigismondo, sodann Niccolò Maria von Este, Bischof von Adria, Meliaduse von Este, Bischof von Comacchio, und Don Ercole, ein Neffe des Herzogs. Vornehme Freunde und Verwandte oder Lehnsmannen Ferraras bildeten das Gefolge, die Signoren von Correggio und Mirandola, die Grafen Rangone von Modena, einer der Pii von Carpi, die Grafen Bevilacqua, Roverella, Sagrato, Strozzi von Ferrara, Annibale Bentivoglio von Bologna und viele andere.
Diese Herren, in prachtvolle Gewänder gekleidet, dicke goldene Ketten um den Hals, auf schönen Pferden reitend, brachen am 9. Dezember von Ferrara auf, mit einer Bande von dreizehn Trompetern und acht Pfeifern, und so durchzog die Hochzeitskavalkade, einen lebenslustigen Kardinal an ihrer Spitze, lärmend die Landschaften Italiens. Wer ihr heute begegnen könnte, würde sie für einen Trupp fahrender Kunstreiter halten. Diese munteren Reisenden bezahlten nirgends ihre Zeche; denn im Gebiet von Ferrara lebten sie auf des Herzogs, das heißt seiner Untertanen Kosten; im Gebiet anderer Signoren fanden sie ähnliche Aufnahme, und sobald sie den Kirchenstaat erreichten, mußten die Orte, welche sie berührten, ihren Unterhalt bestreiten.
Trotz allem Luxus der Renaissance war damals das Reisen eine große Mühseligkeit; man reiste überall in Europa, wie man heute noch im Orient reist. Große Herren und Damen, welche jetzt in den bequemsten Salonwagen die Länder durchfliegen und daher auch sehr häufig unterwegs sind, würden sich im 16. Jahrhundert in den zivilisierten Staaten Europas nur zu Pferde und zu Maultier oder abwechselnd in Sänften schrittweise fortbewegt haben, allen Unbilden von Wetter, Wind und grundlosen Straßen ausgesetzt. Um die Entfernung von Ferrara nach Rom zurückzulegen, was man heute in vierzehn Stunden tun kann, brauchte die Kavalkade dreizehn volle Tage.
Sie erreichte endlich am 22.Dezember Monterosi, ein elendes Kastell fünfzehn Millien vor Rom, in einem nahezu schrecklichen Zustande, vom Winterregen durchnäßt, vom Schmutz der Wege entstellt, und Mann und Pferde wie von den Strapazen eines Feldzugs zugrunde gerichtet. Der Kardinal sandte von dort einen Boten mit einem Trompeter nach Rom, die Befehle des Papstes einzuholen. Es kam die Antwort zurück, daß der Einzug durch die Porta del Popolo geschehen solle.
Dieser Einzug der Ferraresen in Rom ist das heiterste Festgemälde während der Regierung Alexanders VI. gewesen. Die Kavalkade überhaupt war das beliebteste Schaugepränge des Mittelalters. Staat, Kirche und Gesellschaft stellten in Reiterzügen ihren Glanz und ihre Bedeutung wie in öffentlichen Triumphen dar. Das Pferd war noch Symbol und Träger eines großen Teils der Kraft wie der Herrlichkeit der Welt. Seine Bedeutung in der Zivilisation ist mit dem Rittertum geschwunden, und in ganz Europa kam die Kavalkade außer Gebrauch. Wo sie noch in ihren Resten erscheint, als fürstliche Suite bei Revuen oder bei Aufzügen von Zünften, wird sie durch das uniforme oder fade Galakostüm unwirksam. Wie sich der Formen- und Festsinn der Menschen gerade in Italien, dem Vaterland der Kavalkade, verändert hat, konnte man am 2. Juli 1871 in Rom bemerken, als Victor Emanuel in seine neue Hauptstadt einzog. Wenn dieser Moment, einer der bedeutendsten der ganzen Geschichte Italiens, in der Zeit der Renaissance hätte stattfinden können, so würde er sich zu einem der großartigsten Triumphzüge zu Pferde gestaltet haben. Aber der Einzug des ersten Königs des geeinigten Italiens in Rom erschien nur wie eine Auffahrt von bestäubten Wagen, welche Reisende, den König und seinen Hof, von der Eisenbahn in ihre Logis führten. In dieser bürgerlichen Einfachheit lag freilich mehr moralische Größe, als der geräuschvollste Pomp eines Cäsartriumphs würde ausgedrückt haben; doch wir sprechen hier nicht von dem inneren Wert öffentlicher Szenen, sondern nur von der Verschiedenheit der Zeiten in bezug auf ihre festlichen Formen und Bedürfnisse. Das Erlöschen jenes großen Festsinnes, wie ihn die Renaissance ausgebildet hatte, wäre sicherlich eine Verarmung zu nennen; sein Bedürfnis macht sich auch noch heute immer wieder geltend, und die schönsten Schauzüge, welche man in den neuesten Zeiten in Europa sah, waren die Heimzüge der deutschen Krieger aus Frankreich in ihr Vaterland. Sie waren militärische Schauspiele, denen jedoch der reiche Schmuck der Städte und die festliche Teilnahme aller Bürger den einseitigen Charakter nahm.
Das Ansehen AlexandersVI. würde sich geradezu gemindert haben, wenn er bei einer solchen Familienangelegenheit nicht seine Herrlichkeit vor dem Volk in einem glänzenden Schauspiel zur Erscheinung brachte. Deshalb ging später Hadrian VI. im Gespött der Römer unter, weil er diese Bedürfnisse der Renaissance nicht verstand und nicht zu ehren wußte.
Am 23.Dezember gelangten die Ferraresen um zehn Uhr des Morgens nach Ponte Molle, wo sie in irgendeiner Villa ein Frühstück bereit fanden. Das Aussehen der Gegend dort war damals nicht wesentlich anders als heute. Kasinos und Winzerhäuser standen auf den Abhängen des Monte Mario, dessen Gipfel bereits eine Villa der Mellini einnahm, und auf den Hügeln über der Flaminia. Die Tiberbrücke hatte Nicolaus V. erneuert, und auch mit einem Turm versehen, welchen Calixt III. vollendete. Von Ponte Molle zog sich bis zur Porta del Popolo eine ärmliche Vorstadt fort, wie am heutigen Tage.
An der Tiberbrücke wurde das Hochzeitsgeleit vom Senator Roms, dem Stadtgovernator und dem Barisello oder Polizeihauptmann begrüßt, welche Herren mit zweitausend Mann zu Fuß und zu Pferde gekommen waren. Einen halben Bogenschuß vom Tor entfernt traf man sodann das Gefolge Cesars, erst sechs Pagen, dann hundert Edelleute zu Pferde, hierauf zweihundert Schweizer zu Fuß, in schwarzen und gelben Samt gekleidet, die Devise des Papstes, mit Federbaretten, und Hellebarden tragend. Hinter ihnen ritt der Herzog der Romagna neben dem Botschafter Frankreichs. Er trug ein französisches Kostüm mit einem goldenen Gurt. Die Begrüßung fand unter Klängen der Musik statt, wobei alle Herren von ihren Pferden stiegen. Cesar umarmte den Kardinal Hippolyt und ritt dann an seiner Seite zum Stadttor.
Wenn er ein Gefolge von viertausend, die städtischen Obrigkeiten zweitausend Mann bei sich hatten, und wenn man dazu die Menge von Zuschauern rechnet, so begreift man nicht, wie solche Massen sich vor der Porta del Popolo entfalten konnten. Die Häuserreihe vor diesem Tor muß damals nicht bestanden haben, und die Fläche, welche heute die Villa Borghese einnimmt, nahezu frei gewesen sein.
Am Stadttor begrüßten den Zug neunzehn Kardinäle, von denen jeder zweihundert Personen mit sich führte. Der Empfang unter Deklamationen nahm hier zwei Stunden in Anspruch, so daß es darüber Abend wurde. Endlich bewegte sich diese ganze Kavalkade von so viel tausend Reitern unter dem Schalle von Trommeln, Pfeifen und Hörnern durch den Korso über Campo di Fiore nach dem Vatikan, begrüßt von Salutschüssen des Kastells S. Angelo.
Alexander stand an einem Fenster des Palastes, diesen Aufzug zu betrachten, welcher den kühnsten Wünschen seines Hauses die Verwirklichung brachte. Als dann seine Kämmerer die Ferraresen an der Treppe des Palastes empfingen und sie zu ihm führten, kam er ihnen mit zwölf Kardinälen entgegen. Sie küßten seine Füße, und er erhob und umarmte sie. Man blieb eine Weile im heiteren Gespräch, dann führte Cesar die Prinzen Ferraras zu seiner Schwester.
Lucrezia ging ihnen bis zur Treppe ihres Palastes entgegen, gelehnt auf den Arm eines in schwarzen Samt gekleideten ältlichen Kavaliers, der eine goldene Kette um den Hals trug. Nach vorher festgestelltem Zeremoniell küßte sie ihre Schwäger nicht, sondern sie neigte nur Gesicht zu Gesicht, was als französische Form galt. Sie trug ein Kleid von weißem in Gold gestickten Tuch, darüber einen Überwurf aus schwarzbraunem Samt mit Zobelbesatz; die Ärmel von weißem Goldbrokat, eng und mit Querschnitten nach spanischer Mode; der Kopfputz aus grünem Flor, von einem dünnen Goldfaden und zwei Reihen Perlen umgeben; um den Hals hatte sie eine dicke Perlenschnur mit einem nicht gefaßten Balaß. Es wurde eine Erfrischung gereicht, und Lucrezia verteilte kleine Geschenke, Arbeiten römischer Juweliere. Die Prinzen verabschiedeten sich, mit ihrem Empfange wohl zufrieden. »Das weiß ich gewiß«, so schrieb El Prete, »daß unserem Kardinal Hippolyt die Augen leuchteten: sie ist eine reizende und sehr anmutige Dame.«
Auch der Kardinal schrieb noch an demselben Abend an seine Schwester Isabella von Mantua, um ihre Neugierde über den Anzug Lucrezias zu befriedigen. Die Kleidung war damals ein wichtiger Gegenstand, zumal für einen Hof; und wohl gab es keine Zeit, wo das Kostüm der Frauen reicher und edler durchgebildet war als in der Renaissance. Die Markgräfin scheint einen Agenten ausdrücklich nach Rom geschickt zu haben, ihr über Persönlichkeiten und Feste Bericht zu machen, wobei er vorzüglich die Kleidung beachten mußte. El Prete entledigte sich seines Auftrages so gewissenhaft, wie es heute nur ein Reporter der Times tun würde. Nach seinen Schilderungen könnte ein Maler ein Porträt Lucrezias malen, welches der Wirklichkeit ziemlich nahe kommen müßte.
Noch an demselben Abend stattete auch der Gesandte Ferraras Donna Lucrezia seinen offiziellen Besuch ab, worauf er dem Herzog den Eindruck beschrieb, den seine Schwiegertochter auf ihn gemacht hatte:
»Mein Erlauchtester Herr. Heute nach dem Abendessen begab ich mich mit Messer Girardo Saraceno zur Erlauchtesten Madonna Lucrezia, um derselben im Namen Ew. Exzellenz und Sr. Herrlichkeit Don Alfonso aufzuwarten. Bei dieser Gelegenheit hatten wir ein langes Gespräch über verschiedene Dinge. Sie gab sich hier in Wahrheit als sehr klug und liebenswürdig und von guter Natur zu erkennen, Eurer Exzellenz und dem Erlauchten Don Alfonso höchst ehrerbietig ergeben, so daß man wohl urteilen darf, daß Ew. Hoheit und Don Alfonso über sie eine wahre Genugtuung empfinden werden. Sie besitzt außerdem eine vollkommene Grazie in allen Dingen, nebst Bescheidenheit, Lieblichkeit und Sittsamkeit. Nicht minder ist sie eine gläubige Christin und zeigt sich gottesfürchtig. Morgen will sie zur Beichte gehen und dann am Weihnachtsfest kommunizieren. Ihre Schönheit ist schon an sich hinreichend groß; aber die Gefälligkeit ihrer Manieren und die anmutige Weise sich zu geben, lassen sie noch weit größer erscheinen: kurz und gut, ihre Eigenschaften dünken mir solcher Art, daß man von ihr nichts Schlimmes zu argwöhnen hat, vielmehr stets nur die besten Handlungen zu erwarten berechtigt ist. Ich hielt es für passend, durch dieses mein Schreiben der Wahrheit gemäß Ew. Hoheit davon Zeugnis abzustatten, und Dieselbe möge versichert sein, daß gleicherweise wie ich meiner Pflicht und meinem Amt gemäß leidenschaftlos die Wahrheit schreibe, dies mir als Ew. Exzellenz ergebenem Diener zu ganz besonderer Freude gereicht. Ew. Hoheit gnädigem Wohlwollen empfehle ich mich. Rom am 23. Dezember 1501, in der sechsten Stunde der Nacht. Ew. Exzellenz Diener Johannes Lucas.«
Der Brief Pozzis beweist, wie groß das Mißtrauen des Herzogs und seines Sohnes noch in der letzten Stunde war. Es mußte für beide eine Demütigung sein, wenn sie sich herabließen, ihren Gesandten in Rom zum Vertrauten ihrer Aufregung in dieser ihrer persönlichsten Angelegenheit zu machen, und von ihm gleichsam ein Zeugnis über die Eigenschaften einer Dame zu verlangen, welche die künftige Herzogin von Ferrara war. Schon die eine Phrase des Briefes, worin Pozzi zu sagen wagt, daß von Lucrezia nichts »Sinistres« zu argwöhnen sei, beleuchtet die finsteren Gerüchte, welche über sie umgingen. Das Attest fiel glänzend aus. In der Hand jedes Advokaten Lucrezias kann es sogar als eins der wichtigsten Dokumente gelten. Hätte sie selber es lesen können, so würde vielleicht die Beschämung darüber ihrer Genugtuung gleich gekommen sein.
Die Prinzen Ferraras bezogen ihre Wohnung im Vatikan, andere Herren im Belvedere; die Mehrzahl wurde bei Kurialen untergebracht, welche ihren Unterhalt bestreiten mußten. Die Päpste behandelten damals ihre Privatangelegenheiten wie solche des Staates. Um deren Kosten aufzubringen, besteuerten sie ohne weiteres ihre Hofbeamten, und der Schwarm dieser lebte und bereicherte sich ohnehin nur durch die päpstliche Gnade. Jedoch auch Kaufleute mußten die Lasten des päpstlichen Glanzes tragen. Mehrere Beamte murrten über ihre ferrarische Einquartierung und versorgten diese so schlecht, daß der Papst einschreiten mußte.
Am Weihnachtsfest las er Messe im Sankt Peter, wobei ihm die Prinzen ministrierten, und der Gesandte des Herzogs beschrieb seinem Herrn die prächtige und auch »religiöse« Erscheinung des Papstes etwa so, wie man das Auftreten eines vollendeten Schauspielers beschreiben würde.
Auf Befehl Alexanders nahm die Karnevalsfeier schon jetzt ihren Anfang, und täglich fanden Feste im Vatikan statt.
El Prete hat von einer Abendunterhaltung im Palast Lucrezias eine naive Schilderung gemacht, welche uns die Sitten jener Zeit vergegenwärtigt. »Diese erlauchte Madonna«, so schrieb der Reporter, »zeigt sich wenig, weil sie mit ihrer Abreise beschäftigt ist. Abends am Sonntag von S. Stefan (26. Dezember) ging ich noch in Eile in ihre Wohnung. Ihre Herrlichkeit saß dort neben dem Bett; in der Ecke des Gemachs standen etwa zwanzig Römerinnen a la romanesca gekleidet, mit den hergebrachten Tüchern auf dem Kopf (con quelli drapi in testa); dann waren da ihre Hofdamen, zehn an der Zahl. Den Tanz begann ein Edelmann aus Valencia mit einem Hoffräulein, welches Nicola heißt. Dahinter tanzte sehr schön und mit vieler Anmut Madonna mit Don Ferrante. Sie trug eine Camorra von schwarzem Samt mit Goldborten und schwarzen Ärmeln; die Manschette enge, das übrige nach oben aufgeschnitten und das Hemde draußen; die Brust bis zum Halse mit einem goldstreifigen Schleier bedeckt, eine Perlenschnur um den Hals, auf dem Kopf einen grünen Putz, eine Lenza von Rubinen; einen Überwurf von schwarzem Samt mit Pelzbesatz, farbig und schön. Ihre Hoffräulein sind noch nicht ausstaffiert; die unsrigen können, was Aussehen und alles übrige betrifft, sich dreist neben sie stellen. Zwei oder drei sind graziös. Eine Valencianerin Catalina tanzte gut; eine andere Angela ist reizend. Ohne daß sie es merkt, habe ich sie zu meinem Liebling auserkoren. Gestern abend (am 28.) ging der Kardinal mit dem Herzog und Don Ferrante maskiert durch die Stadt, und dann gingen wir abends zur Herzogin, wo getanzt wurde. Man sieht in Rom nur Kurtisanen in Masken von Morgen bis zum Abend; denn mit dem Glockenschlag vierundzwanzig dürfen sie sich nicht mehr außer dem Hause sehen lassen, weil es sonst schlimme Händel gibt.«
Obwohl die Heirat schon in Ferrara durch Prokuration abgeschlossen war, so wollte doch Alexander, daß dieser Akt nochmals in Rom geschehe; um nun eine Wiederholung zu vermeiden, war das Gelöbnis zu Ferrara nur durch die Formel vis volo vollzogen, der Ringwechsel aber vorbehalten worden.
Am Abend des 30.Dezember holten die Ferraresen Madonna Lucrezia zum Vatikan ab. Die Braut Alfonsos trat aus ihrem Palast mit ihrem ganzen Hofstaat und fünfzig Ehrendamen. Sie war in Goldbrokat und karminroten Samt mit Hermelinbesatz gekleidet; die Ärmel ihres Gewandes hingen bis zur Erde nieder; die lange Schleppe trugen Hoffräulein. Ihr goldfarbenes Haar umschlang ein schwarzes Band, und ihr Haupt war mit einem Schmuck aus Gold und Seide leicht bedeckt. Sie trug um den Hals eine Perlenschnur mit einem Gehänge, welches aus einem Smaragd, einem Rubin und einer großen Perle bestand.
Don Ferrante und Don Sigismondo führten sie an der Hand; so setzte sich der Zug in Bewegung, während auf der Peterstreppe Musikchöre spielten. In der Sala Paolina erwartete sie der Papst auf dem Thron, dreizehn Kardinäle und seinen Sohn Cesar neben sich. Von fremden Gesandten waren die Botschafter Frankreichs, Spaniens und Venedigs anwesend; der deutsche fehlte. Die Zeremonie begann mit der Verlesung der Mandate des Herzogs von Ferrara. Dann hielt der Bischof von Adria die Trauungsrede, welche jedoch der Papst abzukürzen befahl. Es wurde ein Tisch vor ihn gestellt, an welchen Don Ferrante als Stellvertreter seines Bruders und Donna Lucrezia traten. Ferrante richtete an sie die Frageformel, und auf ihre Bejahung steckte er ihr den Ring an den Finger mit folgenden Worten: Diesen Vermählungsring sendet dir, erlauchte Donna Lucrezia, der erlauchte Don Alfonso aus freier Wahl, und in seinem Namen reiche ich dir denselben dar. Sie antwortete: Und so aus freier Wahl empfange ich ihn.
Der Vollzug des Aktes wurde durch den Notar in einem Instrument beglaubigt. Sodann folgte die Übergabe der Juwelen an Lucrezia durch den Kardinal Hippolyt. Der Herzog, welcher ihr dies kostbare Geschenk im Wert von siebzigtausend Dukaten machte, legte ein besonderes Gewicht auf die Weise, in der dasselbe überreicht werden sollte. Am 21. Dezember hatte er seinem Sohn geschrieben, daß er die Juwelen mit denjenigen Worten zu übergeben habe, die ihm sein Gesandter Pozzi angeben würde, und er hatte ihm bemerkt, daß dies aus Vorsicht geschehe, damit im Falle Madonna Lucrezia Alfonso untreu würde, die Kleinodien nicht verloren gingen. Bis zum letzten Augenblick behandelte der Herzog diese Borgia mit dem Mißtrauen eines Mannes, welcher betrogen zu werden fürchtet. Am 30. Dezember schrieb ihm deshalb Pozzi: »Über diese Vermählung ist ein Instrument aufgenommen worden, in welchem nur gesagt ist, daß ihr (Madonna Lucrezia) der Brautring zum Geschenk gemacht werde, aber von keinem anderen Geschenk die Rede ist; und so ist Ew. Exzellenz Absicht auf das beste entsprochen worden. Hier ist also in keiner Weise von Schenkung die Rede, und Ew. Exzellenz darf darüber keinen Zweifel hegen.«
Hippolyt vollzog seinen Auftrag mit solcher Grazie, daß der Papst ihm sagte, er habe die Schönheit des Schmuckes erhöht. Die Kleinode lagen in einem Kästchen, welches der Kardinal erst vor den Papst hinstellte und dann öffnete. Ein ferrarischer Schatzmeister half ihm, die Kostbarkeit der Juwelen ins rechte Licht zu stellen. Der Papst selbst nahm sie in die Hand und zeigte sie seiner Tochter. Es waren Ketten, Ringe, Ohrgehänge und schön gefaßte Edelsteine; besonders prächtig war eine Perlenschnur, und vor allem liebte Lucrezia Perlen. Hippolyt überreichte seiner Schwägerin auch seine eigenen Geschenke, darunter vier schön gearbeitete Kreuze. Die Kardinäle brachten ähnliche Gaben dar.
Hierauf begab man sich an die Fenster des Saales, um die Spiele auf dem St. Petersplatz zu betrachten, nämlich ein Wettrennen und einen Kampf um ein Schiff. Acht Edelleute verteidigten dasselbe gegen acht Angreifer; man kämpfte mit scharfen Waffen, wodurch fünf Personen verwundet wurden.
Sodann ging die Festgesellschaft in das Zimmer des Papageien. Der Papst nahm auf dem Throne Platz, zu seiner Linken die Kardinäle, zu seiner Rechten Hippolyt, Donna Lucrezia und Cesar. »Er forderte«, so schrieb El Prete, »Cesar auf, mit Madonna Lucrezia einen Tanz zu machen, und das tat dieser mit vielem Anstande. Seine Heiligkeit war in beständigem Lachen. Es tanzten die Hoffräulein paarweise und vortrefflich. So dauerte das länger als eine Stunde. Alsdann begannen die Komödien. Die erste wurde nicht zu Ende geführt, weil sie zu lang war, die andere in lateinischen Versen, worin ein Hirt und Kinder auftraten, war sehr schön. Was sie vorstellte, habe ich nicht verstanden. Als die Komödien vorüber waren, ging alles hinweg, nur Se. Heiligkeit, die Braut und die Schwäger blieben, denn an diesem Abend gab der Papst den Hochzeitschmaus, von dem ich nichts zu berichten weiß; man tafelte in Familie.«
Die Feste setzten sich täglich fort, während Rom vom Lärm des Karnevals erfüllt war. Am letzten Jahrestage brachten der Kardinal Sanseverino und Cesar Komödien zur Aufführung. Die von Cesar veranstaltete war eine Ekloge mit landschaftlicher Szenerie, worin Hirten das junge Paar, den Herzog Ercole und den Papst als Beschützer Ferraras verherrlichten.
Mit besonderer Pracht wurde der erste Tag des neuen Jahres (1502) gefeiert. Da setzten die Regionen Roms einen Aufzug in Szene. Dreizehn Triumphwagen, das Banner der Stadt mit den Magistraten an der Spitze, zogen mit Musikchören von der Navona nach dem Vatikan. Im ersten sah man den Triumph des Herkules, in den anderen Julius Cäsar und andere römische Helden. Sie stellten sich vor dem Vatikan auf, aus dessen Fenstern der Papst und seine Gäste das Schauspiel betrachteten. Man deklamierte Verse zu Ehren des Brautpaares. Vier Stunden lang dauerte diese Vorstellung.
Es folgten Komödien in der Kammer des Papageien und eine glänzende Moresca, das heißt ein Ballett, im »Saal der Päpste«, für welchen ehedem Innocenz VIII. die schönsten Polster von Goldstoff hatte anfertigen lassen. Hier war eine niedrige Bühne aufgeschlagen und mit Laub geschmückt. Fackeln erhellten sie. Die Zuschauer nahmen auf Bänken oder an der Erde Platz, wie es jedem bequem war. Nach dem Vortrag einer Ekloge begann ein als Weib verkleideter Jongleur die Moresca zu tanzen. Auch Cesar trat in ihr als Tänzer auf, im reichsten Kostüm und trotz der Maske sofort kenntlich. Dieses Ballett begleitete der Schall von Tamburinen. Trompeten kündigten ein zweites an: es erschien ein Baum, auf dessen Gipfel ein Genius schwebte und Verse rezitierte; er warf neun seidene Stricke herab, deren Enden neun Tänzer ergriffen, worauf sie um den Baum her ein Ballett aufführten, welches der Genius aus seiner Hand zu spinnen schien. Diese Moresca fand sehr großen Beifall. Zum Schluß wünschte der Papst, seine Tochter tanzen zu sehen. Sie tanzte mit dem Hoffräulein aus Valencia, und hinter ihr folgten paarweise alle Tänzer und Tänzerinnen des Balletts.
Komödien und Moresken waren demnach bei diesen Festlichkeiten die Hauptsache. Die Dichter Roms, die Porcari, Mellini, Inghirami, Evangelista Maddaleni mochten diese Stücke verfaßt haben und vielleicht selbst in ihnen auftreten; denn seit lange hatten die Römer keine so glänzende Gelegenheit gefunden, ihre Fortschritte in der dramatischen Kunst darzutun. Lucrezia wurde täglich mit einem Regen von Sonetten und Epithalamien überschüttet. Um so auffallender ist es, daß sich von all' dem nichts erhalten hat, ja daß nicht einmal ein römischer Poet jener Tage als Verfasser irgendeiner Festkomödie genannt wird.
Am 2.Januar gab man ein Stiergefecht auf dem St. Petersplatz. Die spanische Sitte der Stierkämpfe war schon im 14. Jahrhundert nach Italien eingedrungen, aber erst im folgenden wurde sie allgemeiner. Die Aragonen verpflanzten sie nach Neapel, und die Borgia nach Rom, wo man bisher nur Stierhetzen auf der Navona oder am Testaccio zum besten gegeben hatte. Cesar zeigte in diesen barbarischen Spielen gern seine Gewandtheit und Kraft. Bei einem solchen Kampf im Jubiläumsjahr hatte er ganz Rom zur Bewunderung hingerissen, denn mit einem Hieb vermochte er einem Stier das Haupt abzuschlagen.
Er ritt am 2.Januar mit neun anderen Spaniern, welche wirkliche Matadore sein mochten, in das Gehege, wo zuerst zwei Stiere losgelassen wurden. Den wildesten bestand er allein, zu Roß und mit der Lanze. Dann trat er auch zu Fuße auf, in Gesellschaft von zehn anderen Spaniern. Nach diesem Heldenstück überließ der Herzog die weitere Arbeit den Matadoren. Man erlegte zehn Stiere und einen Büffel.
Am Abend wurden die Menächmen des Plautus und andere Szenen aufgeführt, welche die Verherrlichung Cesars und Ercoles zum Inhalt hatten. Die Gesandten Ferraras gaben davon einen Bericht, der ein kostbares Zeitgemälde zu nennen ist.
»In dieser Nacht wurden im Gemache des Papstes die Menächmen (la comedia del Menechino) rezitiert, und sehr gut führten ihre Rollen aus der Sklave, der Parasit, der Kuppler und die Frau des Menechino. Aber die Menächmen selbst spielten ohne Grazie; sie hatten keine Masken, auch gab es keine Szenerie, denn das Gemach war nicht groß genug. In jener Stelle, wo Menechino auf Befehl des Schwiegervaters, der ihn für närrisch hält, ergriffen wird und wo er schreit, daß ihm Gewalt angetan werde, sagte er: es sei unbegreiflich, daß ihm dies geschehe, da Cesar mächtig, Zeus gnädig und Herkules günstig sei.
Vor der Aufführung dieser Komödie fand folgende Vorstellung statt: zunächst erschien ein Knabe in Frauenkleidern, welcher die Tugend darstellte, und ein anderer in der Figur der Fortuna. Sie haderten darüber, welche die mächtigere sei, und siehe, da erschien der Ruhm auf einem Triumphwagen, stehend über einem Globus, auf dem man diese Worte las: Gloria Domus Borgiae. Der Ruhm, welcher sich auch das Licht nannte, gab der Tugend vor dem Glück den Preis, indem er sagte, daß Cesar und Ercole durch die Virtus die Fortuna besiegt hätten, und er berichtete von vielen edlen Taten des Erlauchten Herzogs der Romagna. Hierauf erschien Herkules mit dem Löwenfell und der Keule, und gegen ihn schickte Juno die Fortuna aus. Herkules überwand sie, ergriff und fesselte sie. Sodann bat Juno Herkules, die Fortuna freizulassen, und er, milde und hochherzig, bewilligte sie der Juno unter dieser Bedingung, daß weder sie noch jene je etwas Feindliches wider das Haus Ercoles und das Haus Cesars Borgia unternehmen solle. Das gelobten sie, und außerdem versprach Juno, den zwischen beiden Häusern geschlossenen Ehebund zu begünstigen.
Darauf kam Roma auf einem Triumphwagen. Sie beklagte sich, daß Alexander, der die Stelle Jupiters vertrete, ihr so viel Unrecht antue, daß er ihr die Erlauchte Madonna Lucrezia hinwegnehme, und sie pries dieselbe mit hohem Lobe, indem sie zeigte, daß sie die Zuflucht von ganz Rom sei. Hierauf kam Ferrara, doch ohne Triumphwagen, und diese sagte, daß Madonna Lucrezia nicht in eine unwürdige Stadt gehe und Rom sie nicht verliere. Es trat Merkur hinzu, von den Göttern abgesandt, Rom und Ferrara zu versöhnen, denn ihr Wille sei es, daß Madonna Lucrezia nach Ferrara gehe. Hierauf ließ er Ferrara sich auf dem Ehrenplatz im Triumphwagen niedersetzen.
Alle diese Dinge wurden in sehr elegantem heroischem Versmaß rezitiert. Man verherrlichte dabei stets die Verschwägerung zwischen Cesar und Ercole, mit der ausdrücklichen Absicht darzutun, daß beide vereint große Taten gegen die Feinde Ercoles verrichten würden. Wenn demnach die Wirklichkeit diesem Prognostikon entsprechen sollte, so würden unsere Angelegenheiten einen guten Gang nehmen. Und so empfehlen wir uns Ew. Exzellenz Gnade. Rom, am 2. Januar 1502. Ew. Hoheit Diener Johann Lucas, Gerardus Saracenus.«
Es kam endlich der Tag der Abreise Lucrezias, der 6. Januar. Mit der größten Pracht sollte ihr Auszug vor sich gehen; wie eine Königin sollte sie durch die Landschaften Italiens einherziehen. Selbst ein Kardinal fand sich, sie als Legat zu begleiten, Francesco Borgia, der Erzbischof von Cosenza. Er hatte den Purpur Lucrezia zu verdanken und war ihr treuester Anhänger, ein alter Herr und eine gute Person vom Haus der Borgia, wie Pozzi nach Ferrara schrieb. Auch drei Bischöfe, von Carniola, Venosa und Orte, wurden Madonna mitgegeben.
Alexander suchte so viel römische Edelleute und Edelfrauen als möglich zu überreden, sich dem Brautzuge anzuschließen. Er setzte das auch durch. Denn die Stadt Rom ernannte vier Ehrengesandte, welche auch den Festen in Ferrara beiwohnen sollten: Stefano del Bufalo, Antonio Paoluzzo, Giacomo Frangipane und Domenico Massimi. Der römische Adel wählte zu gleichem Zweck Francesco Colonna von Palestrina und Giuliano, Grafen von Anguillara; dazu kamen noch Ranuccio Farnese von Matelica und Don Giulio Raimondo Borgia, Kapitän der Palastwache, des Papstes Nepot. Von römischen Edelleuten zweiten Ranges sollten Lucrezia acht Herren begleiten.
Cesar rüstete in seinem eigenen Namen ein Ehrengeleit von zweihundert Reitern, mit einem Musikchor und mit Buffonen, die seine Schwester unterwegs erheitern sollten. Spanier, Franzosen, Römer und Italiener aus vielen Provinzen setzten diese Schar zusammen. Unter ihnen erlangten später zwei einen berühmten Namen, Ivo d'Allegre und Don Ugo Moncada. Von Römern waren in demselben Gefolge der Ritter Orsini, Piero Santa Croce, Giangiorgio Cesarini, ein Bruder des Kardinals Julian, und andere Herren von den Alberini, Sanguigni, Crescenzi und Mancini.
Lucrezia selbst nahm einen Hofstaat von hundertundachtzig Personen mit sich. In der uns aufbewahrten Liste desselben werden auch ihre Hofdamen namentlich angegeben. Ihr erstes Hoffräulein war Angela Borgia, una damigella elegantissima, wie sie ein Chronist von Ferrara nennt. Ihre Schönheit pries schon in Rom ein Dichter, Diomede Guidalotto. Mit ihr war auch ihre Schwester Donna Girolama, die Gemahlin des jungen Fabio Orsini. Sodann begleiteten Lucrezia Madonna Adriana Ursina, eine zweite Adriana, die Gemahlin des Don Francesco Colonna, und noch eine Dame vom Haus der Orsini, welche nicht mit Namen bezeichnet wird. Daß unter ihr Julia Farnese zu verstehen sei, ist nicht wahrscheinlich.
Viele Wagen, welche der Papst in Rom hatte bauen lassen, und hundertundfünfzig Maultiere trugen die Aussteuer Lucrezias. Diese Bagage wurde zum Teil vorausgeschickt. Die Herzogin nahm alles mit sich, was ihr der Papst zu nehmen erlaubt hatte. Er wollte auch nicht, daß davon ein Inventarium gemacht wurde, wie dies der Notar Beneimbene angeraten hatte. »Denn ich will«, so sagte er den ferrarischen Gesandten, »daß die Herzogin über ihr Besitztum frei verfüge und es nach Belieben verschenke.« Er hatte ihr auch neuntausend Dukaten zu ihrer und ihrer Diener Bekleidung verehrt und eine schöne Sänfte nach französischer Mode geschenkt, worin die Herzogin von Urbino neben ihr sitzen sollte, sobald sie dieselbe unterwegs würde getroffen haben.
Indem Alexander vor den Gesandten Ferraras die Keuschheit und Sittsamkeit seiner Tochter pries, sprach er den Wunsch aus, daß ihr Schwiegervater sie nur mit rechtschaffenen Hofdamen und Kavalieren umgeben möge. »Sie selbst habe ihm gesagt«, so schrieben diese Gesandten ihrem Herrn, »daß sie Se. Heiligkeit durch ihre Handlungsweise nie beschämen werde, und das halten wir für gewiß, soweit wir urteilen können; denn je länger wir mit ihr verkehren und je genauer wir ihr Leben betrachten, um so größer wird unsere Meinung von ihrer Güte, ihrer Sittsamkeit und Diskretion. Wir bemerken auch, daß das Leben in ihrem Hause nicht nur ein christliches, sondern auch ein religiöses ist.«
Selbst der Kardinal Ferrari erdreistete sich, dem Herzog, dessen Diener er einst gewesen war, einen Brief zu schreiben, worin er ihn in salbungsvollem Ton ermahnte, seine Schwiegertochter liebevoll zu behandeln, und deren außerordentliche Eigenschaften in den Himmel erhob.
Am 5.Januar wurde der Rest der Mitgift in barem Gelde den Ferraresen ausgezahlt, und die Gesandten meldeten dem Herzog, daß alles geordnet sei, daß seine Schwiegertochter auch die Bullen mit sich bringe, und die Kavalkade sich in Bewegung setzen werde.
Alexander hatte die Stationen dieser langen Reise vorgeschrieben; sie waren folgende: Castelnovo, Civitacastellana, Narni, Terni, Spoleto, Foligno. Hier sollte sich der Herzog Guidobaldo oder seine Gemahlin einfinden, um Madonna Lucrezia nach Urbino zu geleiten. Von dort sollte sie durch die Staaten Cesars, über Pesaro, Rimini, Cesena, Forlì, Faenza und Imola nach Bologna ziehen, und sodann auf dem Po Ferrara erreichen.
Weil die Orte, die man passierte, zu große Lasten hätten tragen müssen, wenn sie die ganze Kavalkade zugleich beherbergten, so wurde diese bisweilen geteilt und schlug verschiedene Wege ein. Wie man hierbei verfuhr, mag das Breve des Papstes an die Prioren von Nepi lehren, welches der Großkönig von Persien nicht lakonischer hätte verfassen können:
»Geliebte Söhne, Gruß und den apostolischen Segen. Weil bei der Reise unserer in Christo geliebten Tochter, der edlen Frau Herzogin Lucrezia de Borgia, welche von hier am nächsten Montag zu dem geliebten Sohn, dem edlen Alfonso von Ferrara, des Herzogs Erstgeborenen, ihrem Gemahl, mit einem großen Geleit von Edlen hinübergeführt werden soll, zweihundert Reiter zu Euch den Nebenweg nehmen werden, so wollen Wir und so befehlen Wir Euch, sofern Ihr unsere Gnade wert haltet und unsere Ungnade vermeiden wollet, daß Ihr die genannten zweihundert Reiter, die einen Tag und zwei Nächte bei Euch bleiben werden, aufnehmet und sie ehrenvoll traktiert, denn so wird Euch aus Eurer Bereitwilligkeit bei Uns ein verdienter Beifall erwachsen. Gegeben zu Rom am St. Peter, unter dem Fischerring, am 28. Dezember 1501, dem zehnten Jahre Unseres Pontifikats.«
In gleicher Weise wurde mit vielen anderen Orten verfahren. In jeder Stadt, welche die Kavalkade berührte und zumal da, wo sie rastete, sollte man Lucrezia, dem Befehle des Papstes gemäß, mit Ehrenpforten, Illuminationen und Aufzügen begrüßen. Allen diesen Aufwand mußten die Stadtgemeinden unentgeltlich bestreiten.
Am 6.Januar nahm Lucrezia Abschied von Rom, von ihrem Kinde Rodrigo, von ihrem Bruder Cesar und ihren Eltern. Sie mag nur unter vier Augen Vannozza gesehen haben. Keiner der Berichterstatter über die Festlichkeiten im Vatikan hat dieser Frau auch nur mit Namen gedacht.
In der Kammer des Papageien verabschiedete sie sich von ihrem Vater, mit dem sie eine Weile allein blieb, bis Cesar hinzukam. Als Alexander sie entließ, rief er ihr mit lauter Stimme zu: Sie solle guten Mutes sein und ihm schreiben, so oft sie etwas von ihm wolle, denn er werde in der Ferne mehr für sie tun, als er in Rom für sie getan habe. Er ging sodann von Ort zu Ort, der Tochter nachzusehen, bis er ihre Kavalkade aus dem Auge verlor.
Der Abzug Lucrezias fand um drei Uhr nachmittags statt. Bis vor die Porta del Popolo begleiteten sie alle Kardinäle, die Gesandten und die Magistrate Roms. Sie ritt auf einem weißen mit Gold gezäumten Zelter in einem Reiseanzug von roter Seide und Hermelin, einen Federhut auf dem Kopf, mitten in einem Zuge von mehr als tausend Personen. Neben sich hatte sie die Prinzen von Ferrara und den Kardinal Cosenza. Ihr Bruder Cesar begleitete sie eine Strecke lang, dann kehrte er mit dem Kardinal Hippolyt nach dem Vatikan zurück.
So schied Lucrezia Borgia für immer von Rom und einer schrecklichen Vergangenheit.