Rudolf Greinz
Krähwinkel
Rudolf Greinz

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Die Maienkönigin

Was die Pfarrerköchinnen schon für Unheil in der Welt angerichtet haben, ist nicht zu beschreiben. Nicht nur am Land, wo es einigermaßen selbstverständlich ist, daß ihre Meinung als die allein maßgebende gilt, sondern auch in kleinen Städten ist dieser unheilvolle Einfluß vorhanden.

In dem Städtchen, von dem ich erzählen will, wäre wegen der Pfarrerköchin beinahe eine Revolution ausgebrochen. Und das wäre doch ganz entsetzlich gewesen. Viel hätte nicht gefehlt, und man hätte das ganze Pfarrhaus mitsamt seiner Beherrscherin gestürmt.

Daran war einzig und allein die Lena schuld. Seit vielen Jahren trieb sie nun schon ihr Unwesen in der Stadt. Wenn irgendwo ein Streit ausbrach, wenn einer ins Gerede kam oder wenn man einem Mädchen, das bisher als unbescholten galt, irgend eine Schlechtigkeit nachsagte, dann konnte man ganz 232 sicher sein, daß das böse Maul der Pfarrer-Lena seinen gehörigen Anteil an der Übeltat hatte.

Man hatte es dem Herrn Pfarrer schon öfters nahegelegt, sich doch von der Lena zu trennen. Sie sei ja alt und könne ihren Pflichten doch nicht mehr so nachkommen, meinten die wohlwollenden Ratgeber.

Aber da irrten sich die Leute gewaltig. Die Lena war eine noch sehr rüstige Sechzigerin. Jedoch nur jene, die dies wußten, konnten überhaupt vom Alter bei ihr sprechen. Die andern hätten ihr die Sechziger niemals zugetraut.

Wenn man sie so in ihren schlichten, dunkeln Kleidern mit raschen, kräftigen Schritten durchs Stadtl gehen sah, so hatte die hohe Gestalt beinahe etwas Jugendliches an sich. Ihre Zöpfe, die sie sich noch zu einer Krone um den Kopf legen konnte, waren allerdings schon stark ergraut. Aber das schmale schwarze Samtband, das sich wie ein Stirnband an dem Ansatz der Krone ausnahm, hob den silberenen Schimmer des Haares und erhöhte die gute Wirkung der rosigen Gesichtsfarbe.

Wer die Lena nicht sehr genau kannte, hätte es ihr niemals zugemutet, wie boshaft, herrschsüchtig und klatschsüchtig dieses Weib eigentlich war. Sie hatte ein so gutmütig aussehendes Gesicht . . . und für 233 durchaus gutmütig hielt sie auch der Herr Pfarrer, den sie natürlich vollkommen beherrschte.

Das mußte man der Lena nun allerdings lassen. Den Herrn Pfarrer versorgte sie ganz ausgezeichnet, und eine so vorzügliche Küche, wie im Pfarrhause war, konnte man so leicht weit und breit nicht mehr finden.

Daß es dem alten Herrn, der schon ein guter Siebziger war, recht schwerfallen mochte, sich von seiner Haushälterin zu trennen, war wohl einzusehen. Die Leute setzten auch gar keinen Ehrgeiz darein, die Lena aus dem Stadtl hinauszubeißen . . . wenn sich die Lena nur einigermaßen weniger hervorgetan hätte. Mit der Zeit wurde aber das Auftreten dieser Person geradezu unerträglich.

Es war ein großes Unglück für das Städtchen, daß die Damen der Gesellschaft durchwegs den älteren Jahrgängen angehörten. Und alle waren sie sehr fromm. Die Lena verstand es, sich mit diesen Damen auf guten Fuß zu stellen. Sie grüßte sie untertänigst mit »Küß' die Hand, gnädig' Frau!« und hielt dann immer längere Zeit fromme Gespräche mit ihnen.

So war die Lena bei diesen Damen wohlgelitten, und die andern Frauen vermochten gegen sie nicht aufzukommen. Die Herrenwelt aber konnte die Lena 234 nicht ausstehen. Da gab's keinen, der auch nur einen Funken von Sympathie für sie aufgebracht hätte.

Die Lena wußte und fühlte das auch deutlich, und sie rächte sich auf ihre Weise dadurch, daß sie mit ihrer scharfen Zunge die Fehler und Lächerlichkeiten der einzelnen Herren zu geißeln verstand.

Bis in die geringste Kleinigkeit war die Lena von allem, was im Stadtl vorging, unterrichtet. Und nicht allein alles vom Stadtl, sondern auch das, was einer der Stadtbewohner anderswo trieb, das erfuhr die Lena ganz genau und sorgte dafür, daß es weiteste Verbreitung fand.

Die Lena hatte es mit den Jahren dazu gebracht, sich zu einer Art Alleinherrscherin über den Pfarrer und somit auch über das Städtchen emporzuschwingen. Was sie sich einbildete, mußte durchgeführt werden. Um jeden Preis. Nur hatte sie es bisher meisterhaft verstanden, sich selber stets zur rechten Zeit in den Hintergrund zu rücken, so daß niemand offen gegen sie Stellung nehmen konnte.

Von dieser weisen und vorsichtigen Haltung war sie aber diesmal abgewichen, und das hatte zu dem Aufruhr geführt, der im Stadtl herrschte.

In Ermanglung neuer Einfälle, mit denen sie die Leute hätte beglücken können, war es der Lena in den 235 Sinn gekommen, daß es eigentlich hoch an der Zeit sei, für die stattliche Pfarrkirche eine neue Muttergottesstatue zu stiften.

Nun bestand allerdings nicht die geringste Notwendigkeit, welche diese Stiftung hätte rechtfertigen können. Die Kirche besaß mehr als genug Bilder und Statuen der Himmelskönigin, und ein eigener, der schmerzhaften Gottesmutter geweihter Altar zierte den einen Seitenflügel der Kirche. Dann gab es noch eine Rosenkranzkönigin, eine Lourdesgrotte und einen Altar mit einer überlebensgroßen Statue der Unbefleckten Empfängnis. Vor letzterem Altar pflegte man zur Maienzeit jedes Jahr die abendlichen Maiandachten abzuhalten.

Das war es aber nun gerade, was der Lena mit einem Male nicht mehr behagte. So lange die Leute denken konnten, war's im Stadtl immer so gewesen. Alljährlich im Mai versammelten sich die Andächtigen zum frommen Gebet. Ein reicher Blumenflor und viele brennende Wachskerzen umgaben die Statue der Gottesmutter.

Sie war wohl schon recht alt diese Statue. Aber niemand, der mit inbrünstiger Andacht vor dem Altar gekniet und gebetet hatte, wäre je auf den Gedanken gekommen, daß es eigentlich eine Schande für die 236 Stadt bedeute, wenn man die Maiandacht nicht vor einer Statue der Gottesmutter als Maienkönigin abhielt.

Der Lena blieb es vorbehalten, diese Idee aufzubringen, und klug, wie sie war, wandte sie sich nicht zuerst mit ihrer Forderung an den Pfarrer, sondern sie ging die Damen der Stadt an und überzeugte zuerst diese, wie es eine unbedingte und äußerste Notwendigkeit sei, daß für die Kirche eine eigene Maienkönigin gestiftet werde.

Einmal bei einem Spaziergang war es gewesen, den die Lena jeden Abend bei schönem Wetter draußen vor dem Stadttor machte. Da waren ihr wie gewöhnlich die Frau Rat und deren verwitwete Schwester, die eine wirkliche Baronin war, begegnet. Und wie an jedem Abend, so auch an diesem, hielten sich die beiden älteren Damen bei der Lena zu einem Gespräch auf.

Die Baronin lobte die Lena, von der sie wußte, daß sie den Blumenflor für den Maialtar besorgte. Der sei heuer ganz besonders schön ausgefallen, meinte die zierliche alte Dame, die einen etwas zimperlichen Eindruck machte, und sah mit wohlwollender Herablassung zu der Lena auf.

Die Lena lächelte geschmeichelt und sagte mit wehmütiger Stimme: »Ja, mei, Frau Baronin, man 237 muß halt tun, was man kann und so gut man's kann. Für unsere liebe Frau ist mir's ganze Jahr koa Arbeit z'viel. Da bin i schon so. Aber i muß schon aufrichtig sagen, daß mir manchmal völlig 's Herz wehtut, wenn i denk', wie schlecht die Leut' sind. So viel gottvergessen und gleichgültig!«

Die Lena steckte bei dieser trüben Vorstellung über die lieben Nächsten wie fröstelnd die Hände unter ihre schwarze Lüsterschürze und wickelte sie gut ein, um dadurch doch ein bißchen mehr innere Wärme zu erreichen.

Die beiden Damen, kleine zierliche Gestalten in altmodischen schwarzen Kleidern und schlichten Hüten, kamen neugierig näher.

»Ist wieder was passiert, Lena?« frug die Frau Landesgerichtsrat teilnehmend.

»Passiert? Nix extras, das ich wüßt'!« sagte die Lena und hob gleichgültig die schmalen Schultern. »I red' nur im allgemeinen, weil's mich soviel verdrießt. Und i mag's dem Herrn Pfarrer auch nit amal sagen . . .« berichtete sie trotzig.

»Was ist's denn, Lena?« forderte sie die Baronin gütig zum reden auf. »Uns können Sie's ja sagen.«

»Freilich! Ihnen wohl, Frau Baronin! Und Ihnen auch, gnädig' Frau!« machte die Lena jetzt 238 ihrerseits sehr herablassend. »Aber helfen tut's doch nix. Das seh' ich schon kommen.«

»Vielleichts hilft's doch, wenn ich's meinem Mann sage . . .« warf die Rätin zögernd ein.

»Dem Herrn Rat!« Die Lena tat ganz entsetzt. »Du lieber Himmel! Lassen's grad' die Mannsbilder aus'm Spiel, gnädig' Frau! Die haben für so was doch kein Geld.«

»Also um Geld handelt es sich . . .« konstatierte die Baronin trocken und sah bedeutungsvoll auf ihre Schwester.

»Ja. Um Geld. Aber beileib nit für mich, Frau Baronin. Dürfen mir's glauben. Ich tät' gern a fünfhundert Kronen spendieren, wenn ich auch nur a armer Dienstbot bin. Aber natürlich, die andern Leut . . . die denken ja nit amal dran, daß es eigentlich a Sünd' und a Schand' ist, daß unsere liabe Frau nit amal als Maienkönigin verehrt wird. Nach München tät' i fahren und bei an erstklassigen Künstler tät' ich a Maienkönigin bestellen, wenn ich's Geld beisammen hätt'. Aber freilich . . . so viel kriegt man ja bei uns niemals zusammen. Wenn's für an frommen Zweck g'hört, dann schnüren die Leut ihre Geldbeutel zu, daß man ja koan Kreuzer außerkriegt. Für andere Sachen, wo's an die große Glocken 239 g'hängt wird, da sein die Leut z'haben. Aber für die Muttergottes, da ist ihnen alles z'viel.«

Ganz aufgeregt war die Lena geworden und hatte sich derart in heiligen Eifer hineingeredet, daß sie über und über rot im Gesicht geworden war.

Die beiden Damen sahen einander vorwurfsvoll an. Da hatte die Lena, die einfache Person wieder eine ganz famose Idee gehabt. Und für fromme Zwecke waren die Damen leicht zu begeistern. Frömmigkeit war sozusagen ihr Steckenpferd, und sie fehlten niemals bei einer kirchlichen Andacht oder bei einem Begräbnis.

Eigentlich war es doch beschämend, daß nicht sie selber, sondern die Lena auf diesen ausgezeichneten Gedanken gekommen war. Sie mußten der Lena aus innerster Überzeugung beistimmen. In einer Stadt wie der ihrigen, wo es so viele wohlhabende Bürger gab, sollte man denn doch das Geld zu einer Maienkönigin aufbringen. Daß das noch nicht geschehen war, das war eine offensichtliche Nachlässigkeit und mußte schleunigst gutgemacht werden.

Sehr huldvoll verabschiedeten sich die beiden Damen von der Lena, und schon tags darauf berieten sie den Plan mit einigen andern Damen der Stadt. Die Frau Lehrer war gleich Feuer und Flamme für die 240 Sache und erbot sich freiwillig, von Haus zu Haus zu gehen und für die Maienkönigin zu sammeln.

Das sah ja schließlich jeder bald ein, daß der Maialtar schöner war, wenn er durch eine richtige Maienkönigin geziert wurde. Sogar die Männer erhoben diesmal keinen Widerspruch, und ein jeder spendete sein Schärflein für die neue Madonnenstatue. Äußerst zuwider für die Herrenwelt war nur, daß die Idee zu der Maienkönigin von der Pfarrerköchin stammte.

Man brachte eine recht ansehnliche Summe zusammen im Stadtl. Schon im Herbst war das nötige Geld vorhanden und wurde dann von den Damen der Stadt dem Herrn Pfarrer ausgehändigt. Bereits im nächsten Mai sollte die neue künstlerische Statue Kirche und Altar schmücken.

Da plötzlich, jäh und unvermittelt kam der Umschwung bei der Lena. Der Herr Pfarrer hatte gerade eingehend mit ihr beraten, was für einen Künstler er wohl mit der Aufgabe betrauen sollte, als die Lena ihr mürrisches und störrisches Gesicht aufsetzte. Vor dem hatte der alte Herr nämlich Spundus; denn es war das Anzeichen, daß die Lena nun bald in einen heftigen Temperamentsausbruch verfallen würde.

241 Das war in früheren Jahren, als die Lena noch jünger war, recht häufig vorgekommen, und der Herr Pfarrer hatte bei Meinungsverschiedenheiten regelmäßig den kürzeren gezogen. Mit der Zeit war die Lena ruhiger geworden, und die Anfälle wurden seltener. Wenn sie aber kamen, fielen sie genau so heftig aus wie vor fünfundzwanzig Jahren.

Der alte Herr mit den schlohweißen Haaren, die seine rosige Glatze wie ein Kranz umgaben, zitterte denn auch nervös mit den Händen, als er jetzt zu der hageren Gestalt seiner Köchin aufblickte.

»Was hast nachher, Lena?« frug er und trommelte mit den zittrigen knochigen Fingern auf die hellpolierte Tischplatte. »Was paßt dir denn nit?« erkundigte er sich über eine Weile und lehnte sich mit scheinbarer Ruhe in seinen Polstersessel zurück.

»Mir wird's wohl passen müssen!« erwiderte die Köchin bissig. »Ich werd' ja nit g'fragt. Nur die noblen Damen, die fragt man. Natürlich, wenn eine Frau Baronin und eine Frau Rat und eine Frau Bürgermeisterin etwas sagen, dann g'fallt's Ihnen und wenn's auch noch so a Stumpfsinn ist.«

»Aber Lena . . .« sagte der alte Herr ganz verzagt. »Ein Stumpfsinn . . . sagst? Ich hab' g'meint, du hast die Idee g'habt?«

242 »Freilich hab' ich die amal g'habt. Aber jetzt hab' ich sie nimmer, weil's ein Stumpfsinn ist!« beharrte die Lena eigensinnig.

»Und warum denn, wenn man fragen darf?« erkundigte sich der Herr Pfarrer ärgerlich.

»Ich will Ihnen was sagen, Hochwürden!« legte jetzt die Lena resolut los. »Ihnere noblen Damen sein keinen Schuß Pulver wert. Das sag' amal ich. Wenigstens der Verstand ist von keiner was nutz. Wenn man einer an Floh ins Ohr setzt, dann hupft sie genau so, wie man sich's gedacht hat. Grad' weil sie soviel g'scheut sein will. Und vor lauter G'scheutheit hat sie's Denken verlernt. Da wird Geld g'sammelt und g'sammelt, und a jede spielt noch a größere Roll'n wie die andere, und zum Schluß will gar a jede für ihren Eifer an päpstlichen Orden haben. Und dabei übersehen die Damen, ob das, für was sie g'sammelt haben, auch praktisch ist. Das wär' doch eigentlich die Hauptsach '. Das Praktische. Aber die Maienkönigin ist unpraktisch, sag' ich, und deshalb spendier' ich nit einen roten Heller. So, jetzt wissen Sie's, Hochwürden, und jetzt können's tun, was sie wollen!«

Energisch wandte sich die Lena der Tür zu, um das Zimmer des Pfarrherrn zu verlassen.

243 »Jetzt bleibst da!« gebot der Pfarrer mit hoher Fistelstimme. Die hatte er immer, wenn er ganz besonders erregt war. »Was hast denn nachher du für an praktischen Vorschlag zu machen?« frug er die Häuserin und sah mit unsicherem Blick zu ihr auf. »Dös möcht' i doch wissen!«

»Das können's schon wissen, Hochwürden!« erwiderte die Lena besänftigt. »Gern sogar!« fügte sie freundlicher werdend hinzu. »I mein', viel notwendiger wie a Maienkönigin brauchten wir a neue Statue von der Unbefleckten Empfängnis!« sagte sie bescheiden.

»Bist narrisch?« frug der Pfarrer verwundert. Einen Augenblick zweifelte er tatsächlich an dem Verstand der Lena. »Wir haben ja schon a Unbefleckte Empfängnis.«

»Ja. Aber a ganz an alte, Herr Pfarrer. Das weiße G'wand, das die anhat, ist ja nimmer weiß, sondern grau vor lauter Schmutz. Und der blaue Mantel hat nit amal goldene Stern' drein, und das g'fallt mir nit. Die goldenen Stern' gehören zu dem Mantel. Sonst ist's nit schön!« meinte sie mit frommem Augenaufschlag. »Man denkt so schön an den Himmel, wenn man die Stern' sieht.«

»Die kann man ja drauf malen lassen . . .« meinte 244 der Pfarrer über eine Weile nachdenklich. »Wenn du meinst, daß die Leut frömmer werden, wenn sie die Stern' am Mantel sehen . . .«

Die Lena meinte es, und die Lena hatte so viele überzeugende Gründe vorzubringen, daß es gar nicht solange dauerte, bis sie den Pfarrer auf ihrer Seite hatte. Auch das wußte sie dem Hochwürdigen beizubringen, daß es mit dem bloßen Malen der Sterne auf den Mantel der alten Statue nicht getan sei. Das bleibe halt doch immer nur die alte Statue. Es müsse eine ganz funkelnagelneue Unbefleckte Empfängnis mit einem funkelnagelneuen Sternenmantel her. So wurde denn beschlossen, daß man statt der Maienkönigin eine neue Statue der Unbefleckten Empfängnis bestellen würde.

Das ging den Stadtbewohnern denn doch über die Hutschnur. Die Männer fanden, daß man sich von einer Pfarrersköchin überhaupt nicht alles bieten zu lassen brauche. Auch die Frauen fanden das und protestierten energisch.

Es half aber nichts. Die Lena verstand es, sich zu verteidigen und ihre neue Idee um jeden Preis durchzusetzen. Je heftiger der Widerstand im Stadtl war, desto obstinater bestand sie auf ihrer Idee.

»Schau . . .« versuchte der Pfarrer sie zu 245 bekehren . . . »wenn's amal dagegen sein, könnt' man ihnen die Freud' ja machen.«

»Sie können ihnen ja die Freud' machen, wenn's wollen!« sagte die Lena bös. »Aber i tu nit mit. I zahl' koan Kreuzer nit, sag' i, und auf Lichtmeß können's Ihnen um a neue Häuserin schauen. I bleib' nimmer in der Stadt, wo's so saudumme Weibsbilder gibt!« erklärte sie resolut.

Unwillkürlich mußte der Pfarrer lachen. »Die Mannsbilder sein ja auch so saudumm!« meinte er. »Die wollen's erst recht nit haben.«

»Aber i will. Und justament. Und wenn dem Herrn Pfarrer die Mannsbilder lieber sein wie i, dann kann i glei' gehen. Ich hab' mir gedient g'nug in mein' Leben und hab's satt!«

Das war nun freilich eine ganz fürchterliche Drohung für den alten Herrn, die ihn gewaltig einschüchterte und zur Nachgiebigkeit zwang.

Die Lena konnte er nicht mehr entbehren. Das fühlte er nur zu gut. Und daß sie diese Drohung auch ausführen würde, dafür kannte er sie genau. So mußte er denn wohl oder übel ihre Partei ergreifen, und der Kampf brach offen aus im Stadtl und wurde zu einer Art Aufruhr.

Der Lehrer, der auch der Organist im Städtchen 246 war, kam zum Herrn Pfarrer und erklärte ihm kategorisch . . . wenn er seinen Standpunkt nicht aufgebe, dann ginge er nicht mehr auf den Chor. »Denn wir lassen uns von einer Pfarrersköchin absolut nit alles g'fallen, Hochwürden! Wir haben für die Maienkönigin unser schönes Geld hergegeben, und die Maienkönigin wird gekauft! Dabei bleibt's!« erklärte er mit ungewohnter Energie.

»Nein! Dabei bleibt's nit!« rief der Pfarrer erbost. Es ärgerte ihn, daß der Lehrer es wagte, in einem solchen Ton mit ihm zu reden. »Was in der Kirchen g'schieht, ist meine Sach'! Verstehen's mich, Herr Lehrer?« Ganz hoch klang die zittrige Stimme des alten Herrn.

»Gut. Dann werden's schon sehen, was kommt!« rief der Lehrer zornig. »Keine Sängerin macht mehr an Schritt auf'n Chor hinauf!« drohte er.

»Dann les' ich eben stille Messen, bis ihr alle wieder zu mir kommt!« beharrte der alte Herr eigensinnig.

Die Sache kam so weit, daß der Pfarrer im Stadtl herumging wie ein Ausgestoßener. Kaum daß ihn die Leute mehr grüßten. Die Burschen hatten es schon untereinander vereinbart, daß sie, sowie sich eine Gelegenheit bieten würde, sich einmal 247 zusammentun wollten, um die Lena zu nächtlicher Stunde tüchtig durchzuprügeln. Denn das habe sie für alle Bosheiten reichlich verdient.

Die Gelegenheit hiefür aber fehlte den Burschen. Die Lena ließ sich nur mehr wenig sehen im Stadtl. Aber sie handelte, während die andern sich herumstritten.

Sie unternahm kühn eine Fahrt nach München und suchte dort einen Bildhauer dritter oder vierter Güte auf, der ihr einmal empfohlen worden war. Bei diesem bestellte sie eine Statue der Unbefleckten Empfängnis mit einem wunderschön glitzernden Sternenmantel.

Als die Statue kam, wurde sie in aller Stille an den Platz der alten, viel geschmackvolleren gebracht.

Es zeigte sich, wie recht die Lena im Grunde genommen gehabt hatte. Den Leuten gefiel die neue Statue ganz ausgezeichnet. Sie vergaßen Zank und Hader und söhnten sich allmählich wieder mit dem Pfarrer aus.

Die Frau Rat und die Baronin waren die ersten, die den versöhnenden Schritt taten und zu dem Pfarrer gingen. Die Lena empfing die beiden Damen mit einem zuckersüßen demütigen Gesicht. »Sehen's, Frau Rat . . .« meinte sie triumphierend . . . »weil 248 mir nie geglaubt wird. Wenn's a Maienkönigin worden wär' . . . dann hätten die Leut nur einmal im Jahr a Freud' . . . und so haben sie's das ganze Jahr. I sag's ja! Aber so muß g'stritten werden und muß der Herr Pfarrer beleidigt werden. Und grad' deswegen, weil ein einfacher Dienstbot auch amal an g'scheuten Einfall g'habt hat. Aber mei'! I bin nit so. I verübel' Ihnen weiter nix;. Und i verzeih's Ihnen auch.« Und großmütig hielt die Lena den beiden Damen die Hand zur Versöhnung entgegen.

Die Leute fragten sich dann wohl selber manchmal beschämt, wozu sie sich eigentlich so aufgeregt hatten. Es war ja doch alles beim alten geblieben, und die Lena hatte nur wieder einmal recht behalten.

Das machte sie von jetzt ab noch bösartiger und rechthaberischer. Und boshaft lauernd geht sie im Stadtl herum und späht sorgsam aus nach neuen Gelegenheiten, um den Leuten ihre Macht zu zeigen.

Es ist manchmal schade, daß die Zeit der Hexenprozesse vorüber ist. Denn Pfarrersköchinnen gehörten mitunter doch ganz entschieden auf den Scheiterhaufen. 249

 


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