Franz Grillparzer
König Ottokars Glück und Ende
Franz Grillparzer

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Ottokar.
Laßt sie herein! – Ihr seht wohl, Margarethe,
Die Unglücksprophezeiung trifft nicht ein!

(Die Stände von Steiermark treten ein, den Herzogshut vor sich her auf einem Kissen.)

Der Wortführer (indem er vor Margarethen das Knie beugt).
Erlauchte Frau!

Margarethe (ablehnend).
Nicht mir!

Ottokar.
Zu mir, mit Gunst!
Der König ist, der Königinnen macht!
Schweigt immerhin, ich weiß schon, was ihr wollt.
Ich hab eu'r Land den Ungarn abgestritten
Und werd es wahren gegen jedermann;
Auch gegen euch, wenn's irgend etwa not.
Stellt euch nur hin und wartet ruhig ab.
Im übrigen betrachtet mich genau,
Damit ein andermal ihr gleich beim Eingang wißt,
Vor wem ihr habt zu knien.

(Die Steirer stellen sich in eine Linie mit den Östreichern, dem Throne gegenüber, die Träger der Kronen voran.)

Ottokar.
Nun noch zum letzten!
Habt Ihr die Handfest hier, Herr Kanzellar,
Die Schenkungsurkund' von der Fürstin Landen?

Kanzler.
Ich nicht; die gnäd'ge Frau

Ottokar.
Habt Ihr sie, Margarethe?

Margarethe.
Im Schrein verschlossen meiner Hauskapelle
Liegt sie verwahrt.

Ottokar.
Nun gut, ich sende drum!

Margarethe.
Noch hat kein menschlich Aug' des Schreines Inhalt,
Den Schatz gesehn, den mir sein Schloß bewahrt.
Bei meines Heinrich teurem Abbild liegt sie,
Bei meiner beiden Kinder Totenhemd,
Beim Schreckenspfeil, den an der Leitha Strand
Man blutig zog aus meines Bruders Herzen.
Erlaubt Ihr, geh ich selbst!

Ottokar.
Wie's Euch gefällt.

(Trompeten und Jubelgeschrei von außen.)

Diener (kommt).
Ach, gnäd'ger Herr!

Ottokar.
Was ist?

(Die Landesherrn von Kärnten, Ritter und Bauern bunt gemengt, treten auf, den Herzogshut vor sich auf dem Kissen.)

Ottokar.
Wer sind die?

Margarethe.
Soll ich?

Ottokar.
Ich bitt Euch drum! – Ihr seht, ich bin beschäftigt!
Noch mehr der Kronen?

(Margarethe geht ab.)

Diener.
Gnäd'ger Herr, der König
Von Ungarn reitet ein –

Ottokar (auf den Kronenträger zugebend).
Wer seid ihr, Leute?

Wortführer der Kärntner.
Der Herzog Kärntens, Euer Gnaden Oheim –

Ottokar.
Ist er gestorben?

Kärntner.
Ja, erlaubter Herr,
Und kraft des Erbvertrags mit Euer Gnaden
Fällt Euch das Land, die Herzogskrone zu.

Ottokar.
Betrauern mag ihn, wer sein Land nicht erbt!
Seid mir willkommen, meine wackern Kärntner!
Fügt eure Krone dort zu jenen beiden
Und laßt mich freun des königlichen Anblicks.

(Die Kärntner stellen sich in die Reihe der andern Stände).

Ottokar.
Man lärmt ja noch! Was ist?

Diener.
Ich sagt' es ja!
Der König Ungarns, Herr, ist eingeritten.
Mit ihm Gesandte von dem Reichsvereine,
Den Doppeladler tragend vor sich her,
Und alles ruft –

Von außen.
Heil Ottokar, dem deutschen Kaiser!

Die im Saale.
Heil Ottokar, dem deutschen Kaiser, Heil!

Ottokar (im Vorgrunde).
Nun Erde, steh mir fest!
Du hast noch keinen Größeren getragen!
(Er eilt in den Hintergrund, dem Ungarkönig entgegen.)

(Indes tritt der alte Merenberg zum Schenk von Emerberg, der ganz im Vorgrunde links, der äußerste unter den östreichischen Ständen, steht.)

Merenberg (leise).
In dieses Tuch gewickelt ist ein Brief,
Gib ihn an meinen Sohn, er weiß darum.
Ich geh nach Merenberg. Und heiß ihn eilen!
(Er läßt das Tuch mit dem Briefe fallen und entfernt sich. Emerberg hebt es auf.)

(Der König von Ungarn tritt auf mit Gefolge.)

Ottokar (ihm entgegen).
Erlauchter Herr, und Vater, will es Gott!

Bela (zurücktretend).
Bevor ich rede, laßt erst diese sprechen!

(Die Gesandtschaft des Reichstages tritt vor.)

Erster Abgesandter.
Des Heil'gen Röm'schen Reichs gemeine Fürsten,
Zu Frankfurt auf der Kaiserwahl versammelt,
Sie senden uns an dich, o Fürst von Böhmen.
Die Augen haben sie nach dir gewendet,
Die einen Kaiser suchen für das Reich.
Doch ziemt uns nicht, als Herren den zu wählen,
Der unsre Wahl wohl gar zurückeweist:
Drum sollen wir dich fragen, hoher Herr,
Ob, wenn der Wahltag dir die Krone beut,
Dem Reiche du dich unterziehen werdest?
Verweigr' es nicht! es geht ein alter Spruch:
Des Reiches Adler werde Ruh' erst finden
Im Nest des Löwen; wohl, großmüt'ger Löwe,
(er ergreift ein Schild mit dem Sinnbilde des Löwen, das an den Stufen des Thrones lehnt, und hebt es in die Höhe)
Nimm auf den Adler, der verloren fleugt,
Und schirm ihn stark gen alle seine Feinde!

Ottokar.
Ha, was ist das? Wer hat mir das getan?
Das ist der weiße Löwe nicht von Böhmen!
Der Löw' ist rot!

Rudolf von Habsburg (der zur Seite des Thrones rechts im Vorgrunde gestanden hat, vortretend).
's ist Habsburgs Löwe, Herr!
Der Schild ist mein! Ich legt' ihn, kommend, ab.

Ein zweiter der Abgesandten.
Ihr seid der Graf von Habsburg?

Rudolf.
Ja, der bin ich!

Zweiter Abgesandter.
In Böhmen hier?

Rudolf.
Vom Kreuzzug kehr ich heim.

Ottokar.
Genug! – Ihr harret, mein Herr Abgesandter,
Bis man Euch wieder ruft! (Zum König Bela gewandt.) Mein edler Fürst!
Nun ruft die Pflicht mich doppelt her zu Euch!

Bela.
Zuerst stell ich Euch meine Kinder vor.
Hier Ladislaus, der Erbe meines Throns,
Und hier ein anderer.

Ottokar.
Hat König Bela
Der Enkelsöhne mehr?

Bela.
Ihr argwohnt nicht?
Man weiset dich zurück!

Kunigunde.
Und doch war ich's,
Die Euch am meisten wünschte zu gefallen!
Nehmt Ihr mich unter Eure Krieger auf?
(Sie wirft den Reitermantel und ungarischen Kalpak weg und steht als Weib gekleidet da.)

Zawisch (der auf der linken Seite des Saales, nicht weit von ihr steht, laut).
O schöner Krieger!

Kunigunde (umgewendet).
Ha, wer spricht?

Ottokar (zornig).
Wer sprach?

Zawisch (gleichfalls umsehend).
Von dorther schien's, vom Winkel her zu tönen!

Kunigunde (rasch).
Ihr wart's – wohl nicht. Ihr würdet nicht so frech,
Da ich so nahe stand, mir sonst es leugnen!

Mein König, Ihr verzeiht die Überraschung.
Sie wollten erst mich vor den Toren lassen,
Doch trieb's mich, hier zu sein, und also kam ich.

Rudolf (der sich wieder in den Vorgrund rechts gestellt hat).
Der rücksichtslosen, rohen Übereilung!

(Die Königin Margarethe kommt mit Schriften.)

Ottokar (mit einer Bewegung gegen sie hin).
Jetzt ist nicht Zeit!

Margarethe (sich am Sessel haltend).
O Gott! Wer bringt mich fort!

Merenberg (vortretend).
Der Königin zu Hilf'!

Ottokar.
Wer rief Euch, Herr?
Wer hieß Euch weichen dort von Eurem Platz?
Ihr habt Euch einmal unnütz schon gemacht!
Dorthin!

(Merenberg tritt zurück.)

Margarethe (schwach).
Nur fort! – Nimmt sich denn niemand an?

Rudolf von Habsburg.
Hier ist mein Arm, erlauchte Königin!
Stets war bei Habsburg der Gekränkten Schirm.

Ottokar.
Und wer hat's Euch geheißen?

Rudolf.
Kennt ein Heißen,
Wer kein Verbieten kennt?

Ottokar.
Ihr seid, vergeßt's nicht,
In meinem Land!

Rudolf.
Nicht länger, als ich will!
Als freier Krieger focht ich Eure Schlachten,
Um Lohn nicht, und den Dank selbst schenk ich Euch!
Ich bin nicht Euer Mann.

Ottokar.
Nicht von der Stelle,
Bis der entschieden, dem Entscheidung ziemt!

Der zweite der Abgesandten (tritt vor).
So will denn ich hier diese Fürstin schirmen!
Der Kanzler ich des Erzbischofs von Mainz,
Von ihm der Wahlgesandtschaft beigesellt,
Damit ich höre, wo die andern reden.
Erkennt Ihr mich, Graf Habsburg?

Rudolf.
Nein, fürwahr.

Zweiter Abgesandter.
Gabt Ihr nicht einst im Walde nah bei Basel
Dem Priester, der das Allerheil'ge trug
Zu eines Kranken Trost und, aufgehalten
Vom wüt'gen Strom der Aar, am Ufer irrte,
Das eigne Pferd, die Flut drauf zu durchsetzen?

Rudolf.
Und dieser Priester –?

Abgesandter.
Habt nicht später dann
Den Erzbischof von Mainz Ihr treu geleitet
Durch feindlich Land, durch Krieg und Brand und Tod,
Als er nach Rom zog zu dem Heil'gen Vater?
Des Bischofs Sekretär, auf sein Geheiß,
War oft Euch nah und prüft' Euch im Gespräch;
Vermöchtet Ihr ihn nicht mehr zu erkennen?

Rudolf.
Seid Ihr's?

Abgesandter (zur Versammlung gewendet).
Für diese Frau, als Reichesfürstin,
Begehr ich frei und offenes Geleit.
Herr Graf von Habsburg, gebt ihr Euren Arm,
Wir wollen sie zur sichern Ruhstatt führen!

Im Namen denn des Heil'gen Röm'schen Reichs,
Gebt Raum der Herzogin von Österreich!
(Führt mit Rudolfen die Königin Margarethe ab.)

Ottokar.
Bin ich eu'r Kaiser, sollt ihr anders sprechen!

Der erste der Gesandtschaft.
Geliebt's Euch, Herr, uns Antwort zu erteilen?

Zawisch (sich vordrängend).
Raubt ihr uns unsern König, unsern Herrn?
Ist er nicht mächtig? was bedarf er euer?
Wie Gott im Himmel, herrschet er auf Erden;
Nur Sorgen und nicht Nutzen schafft das Reich,
Laßt ihn und bietet Deutschen eure Gaben!
Ihr gebt nur, weil ihr braucht! Laßt unsern Herrn!

Ottokar.
Er spricht zum Teil ganz gut, Herr Abgesandter.
Gar viel ist abzustellen in dem Reich,
Gar mancher Trotz zu beugen und zu strafen;
Ich seh wohl, euer Herr war euer Knecht.
Ich bin ein reicher Fürst von Böhmen, Gott verhüte,
Daß ich ein armer Kaiser wollte sein.
Doch mögt Ihr harren, ob es uns gefällt,
Vielleicht Euch günst'gre Antwort zu erteilen.
(Zu Kunigunden gewendet.)
Nun bin ich Euer, ganz mit Seel und Leib.

Zawisch.
Es lebe Ottokar!

(Unter Trompetengetön.)

Zuruf von allen Seiten.
Von Böhmen König!
Herzog von Östreich! – Steier! – Kärnten! – Krain!
Der Deutschen Kaiser! Lebe Ottokar!

(Der Vorhang fällt.)


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