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Gemach in Merenbergs Schlosse.
Der alte Merenberg (steht am offenen Fenster, die Mütze zwischen den gefalteten Händen).
Die Sonne steigt empor. Hab Dank, o Gott,
Des Greisen Dank, für diesen neuen Tag!
Und für den Tag, den du geschenkt dem Lande,
Da du hervorriefst aus des Dunkels Schoß
Mildglänzend Habsburgs leuchtendes Gestirn,
Das wieder grün macht die zerstampften Auen
Und wieder lau die frostdurchschnittne Luft.
O gib, daß wir, der Deutschen Äußerste,
Teilnehmen an dem Heil, das dort entstand;
Daß alle, die wir Österreicher sind,
Entnommen aus des Fremden harter Zucht,
Wie Brüder kehren in der Eltern Haus,
Von eines Vaters Auge fromm bewacht.
Amen, so soll's geschehn! – Wer klopft?
Frau (von außen).
Ich, Alter!
Merenberg.
Ei, nur herein!
Frau (tritt ein mit einer Schüssel und Wein).
Ich bringe dir das Frühstück.
Merenberg.
Setz immer hin! Wer spricht im Schloßhof unten?
Frau.
Zwei Reiter, die nach dir verlangten.
Merenberg.
Nun?
Warum bringt man sie nicht?
Frau.
Ich dachte –
Merenberg.
Was denn?
Bin ich in Fehde denn mit meinen Nachbarn?
Liebt man den Merenberg nicht rings im Land,
Daß vor zwei Reitern ich mich scheuen sollte?
Wer weiß, was Wicht'ges sie zu melden kommen?
Vielleicht von meinem Sohn! Führ sie herauf!
(Frau ab.)
Das hieße sich noch gar verdächtig machen,
Verschlöss' ich mich vor Botschaft und Besuch.
Ob freilich zwar der böse Zeitenlauf
Zur Vorsicht rät und leicht wohl gar zu Mißtraun;
Doch sind mir zwanzig Knechte ja im Schloß!
(Herbott von Füllenstein und Ortolf von Windischgrätz treten, von Merenbergs Frau geführt, ein. Beide ganz gerüstet und mit geschlossenem Visier.)
Merenberg.
Ei, Gott zum Gruß, ihr Herrn! Frau, bring noch Wein!
(Frau ab.)
Was führt euch her zu mir? Zwar, eh' ihr sprecht,
Setzt euch an Tisch und nehmt mit mir vorlieb;
So ist es Sitt' in unserm Steierland.
(Sie setzen sich.)
Beliebt's euch nicht, den Helm vom Haupt zu nehmen?
(Beide schütteln verneinend die Häupter.)
Verbietet's ein Gelübd'? – Doch wie ihr wollt!
Ihr zieht dem Heer des Königes wohl zu? –
Des Königs Ottokar? – Er lagert an der Donau
Seitwärts Korneuburg, weit bis Tulln hinab
Am linken Ufer, war , mir angesagt.
Und Kaiser Rudolf – nu, den Habsburg mein ich –
Am rechten Ufer hält er Wien belagert.
Den Fluß zu übersetzen scheuen beide.
Allein ihr sprecht nicht, und ihr eßt auch nicht!
Beide (aufstehend).
Wir essen mit Verrätern nicht!
Merenberg (springt auf).
Daß Gott!
Füllenstein (der das Schwert zieht und sich vor die Türe stellt, das Visier öffnend).
Erkennst du mich?
Merenberg.
Herbott von Füllenstein,
(Der andre hat auch das Visier aufgeschlagen.)
Ortolf von Windischgrätz! – Was tut ihr, Herren?
(Ortolf von Windischgrätz ist ans Fenster getreten und stößt ins Horn.)
Füllenstein.
Im Namen unsers Königs Ottokar
Nehm ich dich in Verhaft als Hochverräter.
Merenberg.
Warum?
Füllenstein.
Hast du nicht deinen Sohn gesandt
Mit Klagen an die Fürsten und das Reich?
Merenberg.
Der Unvorsichtige! – Mit Klagen nicht,
Mit Bitten nur für Königin Margrethe
Und ihres angestammten Rechtes Schutz.
Füllenstein.
Dient nicht dein Sohn jetzt in des Kaisers Heer?
Merenberg.
Ich bin verloren!
Füllenstein.
Ja, das bist du! Folge!
Merenberg.
Wohin?
Füllenstein.
Dahin, wo man dich pressen wird,
Bis deiner Ränke letzter dir entgeht.
Von außen.
Macht auf! macht auf!
Füllenstein.
Ortolf, bewach die Tür!
Außen.
Um Gottes willen, öffnet!
Ortolf.
's ist dein Knecht,
Der Duxer, Füllenstein!
Füllenstein.
Was will denn der?
(Windischgrätz öffnet die Türe, Knecht tritt ein.)
Knecht.
Herr, Kaiserliche streifen in der Nähe!
Füllenstein.
Verdammt!
Knecht.
Sie haben, heißt es, Gräz genommen,
Des Königs Hauptmann; Milota, gefangen,
Und wenden alles Land dem Kaiser zu.
Füllenstein.
Wie mag das sein?
Knecht.
Ja, Meinhard Graf von Götz
Soll beigetreten sein der Deutschen Sache,
Und der haust also übel hier im Land.
Merenberg.
Nun, Gott sei Dank!
Füllenstein.
Euch soll's nicht helfen, Herr!
Nur fort mit ihm! Ihr wendet eure Schwerter
Auf seine Brust, und wagen's die im Schloßhof
Sich nur zu regen, stoßt ihr stracks ihn nieder!
Die Pfade kenn ich hier herum, ich leit euch!
Merenberg (der abgeführt wird).
Mein Sohn ist frei, die Königin geborgen;
Was liegt an mir? Da wird der Himmel sorgen!
(Alle ab.)
Böhmisches Lager am linken Donauufer. Zelt des Königs. Ein Tisch mit einem Aufriß der Gegend im Vorgrunde.
Ottokar tritt auf, der Kanzler und mehrere hinter ihm.
Ottokar (im Auftreten zu seinen Begleitern).
Ist er geflohn, so laßt den Schurken hängen!
Man hängt ja täglich Diebe. Gottes Donner!
Ein Feiger dünkt mich schlechter als ein Dieb!
(Er kommt in den Vorgrund, der Kanzler folgt ihm.)
Verfolgt Ihr mich denn übrall hin, Herr Kanzler?
Kanzler.
Ja, überall, mein König und mein Herr,
Bis Ihr mich anhört und mir Antwort gönnt.
Herr, es steht schlimm!
Ottokar (auf und nieder gehend).
Es steht sehr gut!
Kanzler.
O Gott!
Die Krankheit herrscht, der Mangel herrscht im Lager.
Ottokar.
Die Krankheit: Furcht, und Mangel wohl an Mut,
Doch nur bei wenigen, so will ich hoffen,
Und von den wenigen hängt einer drauß'!
Hat man jetzt Zeit, um krank zu sein? Und Hunger?
Ich hungre nur nach einem: nach dem Sieg!
Kanzler.
Aus Böhmen seit fünf Tagen keine Nachricht,
Und man besorgt –
Ottokar.
Wahrscheinlich bin ich dort
So schlecht bedient als hier!
Kanzler.
Hier seid Ihr gut,
(auf seine Brust schlagend)
Hier mindstens seid Ihr gut bedient, mein König!
Ottokar.
Mag sein! mag sein!
Kanzler.
Von Östreich die, von Steier,
Allnächtlich fliehn sie haufenweis zum Feind.
Ottokar (stehenbleibend).
Ich will sie treffen! – All dies weite Land,
Zur menschenleeren Wüste will ich's machen,
Daß drin die Füchse hausen und die Wölfe,
Und nach Jahrhunderten der müß'ge Wandrer
Sich streiten soll, wo Neuburg stand und Wien.
Kanzler.
Am linken Ufer schon, auf unsrer Seite,
Will Feinde man sogar gesehen haben.
Ottokar.
Beinahe glaub ich, daß es mancher wollte;
Doch ist's nicht wahr!
Kanzler.
Allein die Wachen sahn's.
Ottokar.
Schickt einen Mutigen, der sieht wohl nichts!
Kanzler.
Bei Wolkersdorf –
Ottokar.
Ich sag Euch: Nein! Ich weiß!
Die Mährer sind's, wenn sich dort Haufen zeigen!
(Er steht am Tisch bei der Karte.)
So war's im Plan! Die Mährer dort von oben,
Im Rücken Milota aus Steiermark,
Und wir, wie Schleien durch die Donau und
Wie Löwen jenseits raus; und dann: (Mit der Hand auf den Tisch schlagend.) Schlag tot!
Ich habe sie!
(Er geht wieder auf und nieder.)
Kanzler.
Du allgerechter Gott!
Ich sinne nach, wie wir uns retten möchten,
Und Ihr sprecht nur von Sieg! – Aus Steiermark
Hört ab und zu man wunderbare Dinge.
Ottokar.
Ei, wundert Euch soviel Ihr wollt, Herr Kanzler!
Dort ist der Milota; ein tücht'ger Mann!
Kein Kopf, doch eine Faust von Stein und Stahl.
Der schlägt Euch zwanzigmal auf einen Fleck
Und frägt nicht, wie's getan.
Kanzler.
Nun denn, so sei's!
Ich habe mich verwahrt! Als ich Euch sagte:
Herr, traut dem Baier nicht! Ihr trautet doch:
Und nun ließ er den Kaiser durch sein Land.
Ottokar.
Furcht hat 'ne feine Nase für die Furcht;
Den Baier habt Ihr trefflich ausgewittert!
Kanzler.
Der Grafenbund in Schwaben ist zerstreut.
Ottokar.
Der hielt wohl niemals allzufest beisammen!
Kanzler.
Mit einem Wort. Der Kaiser Rudolf, Herr –
Ottokar.
Was Kaiser!
Kanzler.
Nu, der Habsburg also denn!
Er ist der Mann nicht, den wir sonst ihn glaubten.
Ottokar.
Mir sollte leid tun, wenn er schlimmer wäre!
Ein Krieger und ein Mann vielleicht; kein König.
Kanzler.
So dachte mancher, der ihn wählen half;
Doch hat sich's anders, unverhofft bewährt.
In Aachen schon, als man die Lehen gab
Und sich kein Szepter fand – man wollt' ihn stören! –
Da trat er hin und nahm vom Hochaltar
Ein Kruzifix –
Ottokar.
Und gab die Lehn damit?
Wer geben will, der findet leicht ein Werkzeug;
Zum Nehmen rüst' er kräftiger sich aus!
Kanzler.
Die Ruh' ist hergestellt im weiten Deutschland,
Die Räuber sind bestraft, die Fehden ruhn.
Durch kluge Heirat und durch kräft'ges Wort
Die Fürsten einig und ihm eng verbunden;
Der Papst für ihn. Im Land nur eine Stimme,
Ihn preisend, benedeiend als den Retter.
Als auf der Donau nur allsamt dem Heer
Nach Wien er niederfuhr mit lautem Schall,
Da tönte Glockenklang von beiden Ufern,
Von beiden Ufern tönte Jubelruf
Der Menge, die dort kam und staunt' und kniete,
Wie sie den Kaiser sahn im grauen Röcklein
Am Vorderteil des Schiffes stehn allein
Und freundlich grüßend mit des Hauptes Neigen.
Herr, nennt ihn Kaiser, denn fürwahr er ist's!
Ottokar.
Sprichst du so warm für ihn?
Kanzler.
Für Euch wohl wärmer.
Hab ich ihm denn geschworen, so wie Euch?
Doch, daß zwei Herrn, so hoch, so würdevoll,
Sich gegenüberstehn, da's nur ein Wort,
Ein Wort nur brauchte, um sie auszusöhnen –
Ja, Herr, es ist gesagt! Es sei gesagt!
Und mögt Ihr zürnen, melden muß ich's Euch:
Der Kaiser hat gesendet einen Herold
Und lädt Euch ein zu gütlichem Gespräch.
Ottokar.
Schweig still!
Kanzler.
Die Insel Kaumberg ward ersehn;
Von beiden Teilen werde sie besetzt.
Nicht Ihr zu ihm, nicht er zu Euch,
Auf gleichgeteilten Boden sollt Ihr kommen
Und dort verhandeln, was uns allen nützt.
Ottokar.
Bei meinem Zorn –!
Kanzler.
Herr, selbst bei Eurem Zorn!
Nicht schweig ich da, wo reden meine Pflicht!
(Zawisch von Rosenberg kommt.)
Ottokar.
Du kommst zurecht; beschwicht'ge diesen Raben!
Zawisch.
Was will er denn?
Ottokar.
Er spricht mir von Vergleich.
Zawisch.
Wie? Von Vergleich? der kindisch schwache Greis!
Nur eben hat sich eine Schar Kumanen
Durch eine Furt dem Lager angenaht;
Allein ich ging hinaus mit meinen Böhmen,
Und, wie sie flohn, den Rückweg fand wohl keiner!
Ottokar (zum Kanzler).
Seht Ihr?
Kanzler.
Ein einzler Fall entscheidet nicht!
Zawisch.
Doch viele Fälle fällen doch zuletzt!
Die Axt ist an der Wurzel, losgeschlagen!
(Zum Kanzler.)
Habt Ihr ein Heer wie unsers je gesehn?
Voll Kraft und Mut und Zuversicht und Stolz
Auf sich und auf den Führer, der es leitet.
Kanzler.
Ihr wißt wohl, Zawisch, daß es anders ist.
Zawisch (fortfahrend).
Und Ihr könnt von Vergleich und Frieden sprechen?
Sind ihrer viel; wir sind wohl gleicher Zahl!
Sind tapfer sie; wer nimmt es auf mit uns?
Führt sie ein Kaiser; hier steht Deutschlands Kaiser!
Noch diese Schlacht, und, Kanzler, glaubt, er ist's.