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Vor der Burg zu Prag; ein großes Tor mit Fallgattern in der Mitte des Hintergrundes führt hinein. Daneben ein kleines Ausfallpförtchen, zu dem einige Stufen hinanführen, das aber verschlossen ist. Rechts im Mittelgrunde des Pförtners Wohnung mit einem steinernen Tische und einer Bank. Davor ein Beet mit Blumen.
Milota und Füllenstein von verschiedenen Seiten.
Milota.
Traft Ihr den König?
Füllenstein.
Nein.
Milota.
Ich fand ihn auch nicht.
Füllenstein.
In Znaim verlor er sich von dem Gefolge,
Ein einz'ger Knecht, den man vermißt, mit ihm,
Und irrt seitdem im Land herum von Mähren.
In Kraliz sah man ihn, in Hradisch, Lukow;
Zuletzt in Kostelez, hartbei an Stip,
Da, wo die kleine Wunderquelle fließt,
Zu der die Pilger weitumher sich wenden.
Ein ärmlich Badhaus steht dort in der Tiefe,
Von Menschen abgesondert und Verkehr,
Da hielt er vierzehn Tage sich verborgen;
Ein Ort zum Sterben mehr, als um zu leben!
Und wie die Pilger pflegen dort herum,
Die, eines Wunsches, der sie drückt, gedenkend,
Ein Kreuz von Reisig in den Brunnen werfen
Und aus dem Sinken oder Schwimmen prophezein,
So tat er tagelang und schien betrübt.
Zuletzt erfuhr's der Magistrat von Hradisch
Und ging hinaus, den König einzuholen;
Doch der war nicht mehr da und schon im Weiten.
Milota.
Und wo er jetzt ist, habt Ihr nicht erfahren?
Füllenstein.
Man will ihn auf dem Weg gesehen haben
Nach Prag.
Milota.
Hieher? – ich hoff, er wird jetzt ruhn!
Die stolzen Flügel sind in was gepflückt;
Das Land, das ewig ihn nach außen lockte,
Er hat's zurückgegeben feierlich.
Will er nach Väterweise herrschen hier,
Die Deutschen heißen gehn aus seinem Reich
Und unterm Beistand böhmischer Wladiken
Bedenken seines Volkes wahres Glück:
Vielleicht, daß ich vergesse, was er tat
An mir und meinem Haus. – Geht Ihr zum Kanzler?
So meldet ihm, ein kaiserlicher Herold,
Vollziehung fodernd des geschloßnen Friedens,
Vor allem die Befreiung jener Geisel,
Die noch aus Österreich und Steiermark
Gefangen liegen rings im Land umher,
Ist eingeritten in das Tor von Prag.
Er möge schleunig tun, was man begehrt,
Bevor der König kommt und manches hindert.
Füllenstein.
Doch wenn der König –
Milota.
Tut, was ich Euch sage!
(Füllenstein ab.)
Milota.
Wär' nicht das ganze Land mit ihm beschimpft,
Ich wollte lachen, wie erst Zawisch lachte.
Schnell alles angeordnet, eh' er kommt,
Dann hat er zu bestät'gen und – zu schlafen!
(Er geht ins Schloß.)
(Kurze Pause, dann kommt ein Knappe des Königs, ringsumherspähend, er ruft in die Szene.)
Knappe.
So, jetzt ist niemand hier, mein gnäd'ger Herr!
(Ottokar kommt, in einen dunkeln Mantel eingehüllt, ein schwarzes Barett mit schwarzen Federn tief in die Augen gedrückt.)
Diener.
Den Kanzler soll ich holen? Gnäd'ger Herr,
Beliebt Euch lieber nicht ins Schloß zu treten?
(Ottokar schüttelt das Haupt.)
Diener.
Zwei Tage habt ihr nicht gegessen, nicht
Geschlafen; denkt an Euer teures Leben!
(Der König lacht höhnisch auf.)
Diener.
Laßt Euch erbitten, geht ins Schloß, mein König!
(Ottokar stampft ungeduldig mit dem Fuße.)
Diener.
Ich gehe denn! doch laßt Euch nieder, Herr!
(Geht ab ins Schloß.)
Ottokar.
Ich sollte dich betreten, Schloß der Väter?
Die Schwelle dir entweihn mit meinem Fuß?
Als ich im Sieg, im jubelnden Triumph
Zu dir heranzog durch die lauten Gassen,
Erstrittne Fahnen dir entgegenhielt;
Da machtest du mir deine Pforten auf
Und meine Väter sahn von deinen Zinnen.
Für Helden ward gewölbt dein hoher Bau,
Und kein Entehrter hat ihn noch betreten!
Hier will ich sitzen, als mein eigner Pförtner,
Und Schande wehren ab von meinem Haus.
(Er setzt sich auf die Stufen am Ausfallstor und verhüllt sein Haupt.)
(Der Bürgermeister von Prag und einige Bürger kommen.)
Bürgermeister.
Ei, laßt mich, ich muß eilen in den Rat.
Ein Herold von des Kaisers Majestät
Ist angelangt, da darf man sich nicht säumen,
Denn Böhmen ist nun wieder an dem Reich.
Der König hat es feierlich gelobt,
Den Eid der Treue knieend übernommen.
Bürger.
Wie, knieend?
Bürgermeister.
Wohl! im kaiserlichen Lager!
Er lag auf seinen Knien, der Kaiser saß,
Das ganze Heer hat's staunend angesehen.
Was regt sich dort?
Bürger.
Ein Mann sitzt auf den Stufen.
Bürgermeister.
Ja, Hochmut kommt zu Fall; ich sagt' es oft!
Seht doch mal hin, wer dort am Tore sitzt!
Verdächtig Volk streift jetzo durch das Land,
Die abgedankten Söldner sind zu scheuen.
Bürger (kommt zurück).
Ach, Herr!
Bürgermeister.
Du zitterst ja!
Bürger.
Es ist der König!
Bürgermeister.
Der Mann dort auf den Stufen? bist du töricht?
Bürger.
Er sah mir ins Gesicht. Schaut nur!
Bürgermeister.
Er ist's!
Wenn er vernommen, was wir hier gesprochen!
Soll ich ihm einen Fußfall tun? – Das Beste,
Wir ziehen uns zurück. Er scheint zu sinnen.
(Sie ziehen sich rechts gegen den Vorgrund.)
(Benesch von Diedicz und seine Tochter treten rechts im Hintergrunde auf.)
Benesch (am Stabe, führt Bertan).
Ei, sieh nur, wie die liebe Sonne scheint!
Du mußt einmal ins Freie! Berta komm!
Die dumpfe Stubenluft ist ungesund.
Und tu mir's auch zulieb, und sprich einmal!
Sprich, Berta, sprich! und wär's ein einzig Wort!
Als: ja und nein. Tu's deinem alten Vater!
Sieh, auf Johanni wird's – ich weiß nicht recht
Wie lang, seit du so vor dich siehst und schweigst.
Das ist recht kläglich! Willst nicht reden, Berta?
Ich hörte lieber dich im Fieber rasen,
Als jetzt den langen Tag kein einzig Wort.
Ei, was vergangen ist, das ist vergangen!
Wir denken nicht mehr dran, und so ist's gut.
Bürgermeister.
Still!
Benesch.
Nun, sie schweigt ja leider ohnehin!
Herr, Tag für Tag, und öffnet nicht den Mund!
Bürgermeister (leise).
Dort sitzt der König!
Benesch.
Wo?
Bürgermeister.
Dort auf den Stufen!
Benesch.
Ei, Berta, sieh, dort sitzt der böse König,
Der dir so weh getan, du armes Kind!
Ei, sprich einmal und schmäl ihn tüchtig aus.
Sag: arger Mann, ich freu mich deines Leids,
Du hast's um mich verdient und meinen Vater.
(Berta hebt eine Handvoll Erde auf und wirft damit, wie Kinder pflegen, gerade vor sich hin, ohne zu treffen.)
Benesch.
Ja, wirf ihn nur! o daß es Dolche wären!
Wirf, Berta, wirf! den argen, bösen Mann.
Doch Gott hat unsre Rach' auf sich genommen:
Gekniet hat er vor seinem ärgsten Feind,
Vor einem Mann, den er sonst wohl verachtet,
Im Angesicht des Heers hat er gekniet.
Ei, rüttle dich, ich fürchte mich nicht mehr!
Ist doch ein Höherer, der dich bezwingt.
Mach erst, daß mir mein Kind da wieder spricht,
Dann laß mich töten, mich bekümmert's wenig.
(Die Königin kommt mit Zawisch und Dienern.)
Kunigunde.
Wer ließ den Aberwitz da vor die Tür?
Hab ich Euch nicht gesagt, Ihr sollt sie hüten?
Benesch (der fortgeführt wird).
Nu, Berta, komm! er hat doch auch sein Teil. (Ab.)
Kunigunde.
Ihr auch fort, alles fort, was Augen hat!
(Alle geben, bis auf sie und Zawisch.)
Kunigunde.
Wir sind allein! allein mit unsrer Schande!
Wollt Ihr Euch nicht erheben, großer König,
Und große Worte geben, wie ihr pflagt?
Sieh hin, da sitzt der Stolze, Übermächt'ge,
Dem sonst die Welt zu klein für seine Größe;
Da sitzt er wie ein Bettler vor der Tür
Und holt ein »helf euch Gott!« sich und Verachtung.
Der Mann, der Kronen trug, als wären's Kränze,
Und, wenn die eine welk ward, neue flocht
Aus frischgeschnittnen Blumen fremder Gärten.
Das Leben Tausender in seiner Hand,
Es hinsetzt', wie zum fröhlich leichten Brettspiel,
Auf das von Blut und Staub geteilte Feld
Und ausrief: Schach! als wenn es Steine wären,
Vom Künstler plump geformt aus totem Stoff,
Und Roß und Reiter zubenannt zum Scherz.
Der selbst mit der Natur im Streite lag,
Und wenn er morgens ausritt auf die Jagd
Und sah den Himmel überdeckt mit Wolken,
So sprach er: Wart! rief nach dem Meister Maurer,
Und hieß ihn, mit dem neuen Kirchenbau
In Güldenkron nicht allzusehr zu eilen.
Da sitzt er und starrt leblos auf den Grund,
Den er zuvor gestampft mit stolzen Füßen!
Zawisch.
Ei, gnäd'ge Frau, das Glück ist eben rund!
Kunigunde.
Was andre bindet, das war ihm ein Spiel!
Sein Weib Margrethe stieß er fort von sich: –
Weiß Gott, sie war für ihn, die Alternde,
Die Königin des Jammers stand ihm wohl! –
Und fern aus Ungarn holt' er ein Gemahl.
Was kümmert's ihn, ob sie vielleicht schon längst
Nach einem andern hingewandt den Blick?
Ob grade damals ein Geringerer,
Und doch viel Größrer warb um ihre Hand? –
Ein unbezwungner Führer der Kumanen
Wiegt einen dienstbarn Böhmenkönig auf! –
Was kümmert's ihn! er will ein Weib und Erben,
Mag brechen, was da bricht; und damit gut!
Ein kräftig freies Wesen kam ich her,
Gar würdig wohl des Jünglings zum Gemahl,
Und fand – ei nun, den König Ottokar!
Nicht ganz so kläglich, als er jetzt dort brütet,
Doch nicht viel besser, weiß der große Gott!
Von Rat und Meinung hielt er mich entfernt,
Wie eine Magd viel mehr als eine Fürstin.
Er nur allein, er wollte Herrscher sein.
Zawisch.
Ei, gnäd'ge Fürstin, herrschen ist gar süß;
So süß fast als – gehorchen, und man teilt's nicht!
Kunigunde.
Er hat geherrscht; fürwahr, er hat geherrscht!
Wie eine Seifenblase ist's zerronnen!
Und reden konnt' er, groß und fürstlich reden!
Was nicht gewesen noch und niemals wurde,
In seinem Munde war's! Als der von Nürnberg
Vom Kaiser ihm die erste Botschaft brachte,
Wie er da sprach, wie er sich fürstlich nahm!
Nicht eine Stadt, kein Haus, nicht eine Scholle
Gab er dahin von Östreichs weitem Grund;
Und wenn's die Ärzte hundertmal geschworen,
Des Kaisers hohes Leben hinge dran,
Kein Blättchen Safran, den sie dort gewinnen!
Auf unsern Steppen ist ein Tier, heißt Maultier,
Wenn das den Wolf von weiten kommen sieht,
So röhrt es laut, schlägt aus nach allen Seiten,
Die Erde wirft's in weiten Wirbeln auf;
Doch naht der Wolf, da bleibt es zitternd stehn
Und läßt sich ohne Widerstand erwürgen.
So fast hat dieser König auch getan!
Mit großen Worten zog er aus ins Feld,
Die halbe Welt in seinem Heer versammelt.
Von Polen, Valben, Tartarn, Deutschen, Böhmen
Vermischten sich die Stimmen in dem Lager,
Und Östreich war zu klein für ihre Zahl.
Doch als des Streites ernste Stunde kam,
Da fehlte Herz für so viel rüst'ge Arme;
In seines Feindes Lager – Rosenberg!
Zawisch.
Erlauchte Frau!
Kunigunde.
Habt Ihr schon je gekniet?
Vor Frauen nicht – vor Männern schon gekniet?
Um Sold, um Lohn, aus Furcht, vor Euresgleichen?
Zawisch.
Ich nicht.
Kunigunde.
Und würdet's nie?
Zawisch.
In meinem Leben!