Franz Grillparzer
Sappho
Franz Grillparzer

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Erster Aufzug

Freie Gegend. Im Hintergrunde das Meer, dessen flaches Ufer sich gegen die linke Seite zu in felsichten Abstufungen emporhebt. Hart am Ufer ein Altar der Aphrodite. Rechts im Vorgrunde der Eingang einer Grotte mit Gesträuch und Eppich umwachsen; weiter zurück das Ende eines Säulenganges mit Stufen, zu Sapphos Wohnung führend. Auf der linken Seite des Vorgrundes ein hohes Rosengebüsch mit einer Rasenbank davor.

Erster Auftritt

Zimbeln und Flöten und verworrener Volkszuruf in der Ferne. Rhamnes stürzt herein.

Rhamnes.
Auf, auf vom weichen Schlaf! Sie kommt, sie naht!
O daß doch nur die Wünsche Flügel haben
Und träg der Fuß, indes das Herz lebendig.
Heraus ihr faulen Mädchen! Zögert ihr?
Der trifft euch nicht, der Jugend vorschnell nennt.

(Eucharis, Melitta und Dienerinnen aus dem Säulengange.)

Melitta.
Was schiltst du uns, da sind wir ja!

Rhamnes.
Sie naht.

Melitta.
Wer? – Götter!

Rhamnes.
Sappho naht!

Geschrei (von innen).
Heil, Sappho, Heil!

Rhamnes.
Jawohl, Heil, Sappho, Heil! Du braves Volk!

Melitta.
Doch was bedeutet –

Rhamnes.
Nun bei allen Göttern
Was frägt das Mädchen auch so wunderlich.
Sie kehret von Olympia, hat den Kranz,
Den Kranz des Sieges hat sie sich errungen;
Im Angesicht des ganzen Griechenlands,
Als Zeugen edlen Wettkampfs dort versammelt,
Ward ihr der Dichtkunst, des Gesanges Preis.
Drum eilt das Volk ihr jauchzend nun entgegen,
Schickt auf des Jubels breiten Fittichen
Den Namen der Beglückten zu den Wolken.
Und diese Hand war's, ach, und dieser Mund,
Der sie zuerst der Leier Sprach' entlocken
Und des Gesanges regellose Freiheit
Mit süßem Band des Wohllauts binden lehrte.

Volk (von innen).
Heil Sappho, Sappho Heil!

Rhamnes (zu den Mädchen).
So freut euch doch!
Seht ihr den Kranz?

Melitta.
Ich sehe Sappho nur!
Wir wollen ihr entgegen!

Rhamnes.
Bleibt nur, bleibt!
Was soll ihr eurer Freude schlechter Zoll?
Sie ist an andern Beifall nun gewohnt!
Bereitet lieber alles drin im Hause,
Nur dienend ehrt der Diener seinen Herrn.

Melitta.
Siehst du an ihrer Seite –

Rhamnes.
Was?

Melitta.
Siehst du?
Hoch eine andre, glänzende Gestalt,
Wie man der Leier und des Bogens Gott
Zu bilden pflegt!

Rhamnes.
Ich sehe! Doch ihr geht!

Melitta.
Und erst nur riefst du uns!

Rhamnes.
Ich rief euch, ja!
Ihr solltet wissen, daß die Herrin naht,
Ihr solltet wissen, daß euch Freude Pflicht,
Doch freuen mögt ihr euch nur drin im Haus.
Der Mann mag das Geliebte laut begrüßen,
Geschäftig für sein Wohl liebt still das Weib.

Melitta.
So laß uns nur –

Rhamnes.
Nicht doch! Nur fort, nur fort!
        (Er treibt die Mädchen fort.)
Nun mag sie kommen, nun wird Albernheit
Ihr vorlaut nicht die schöne Feier stören.


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