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Sappho (allein, nach einer Pause).
Der Bogen klang,
(Die Hände über der Brust zusammenschlagend.)
es sitzt der Pfeil! –
Wer zweifelt länger noch? Klar ist es, klar!
Sie lebt in seinem schwurvergeßnen Herzen,
Sie schwebt vor seiner schamentblößten Stirn,
In ihre Hülle kleiden sich die Träume,
Die schmeichelnd sich des Falschen Lager nahn.
Sappho verschmäht um ihrer Sklavin willen!
Verschmähet? wer? Beim Himmel und von wem?
Bin ich dieselbe Sappho denn nicht mehr,
Die Könige zu ihren Füßen sah,
Und spielend mit der dargebotnen Krone,
Die Stolzen sah und hörte und entließ!
Dieselbe Sappho, die ganz Griechenland
Mit lautem Jubel als sein Kleinod grüßte?
O Törin! Warum stieg ich von den Höhn,
Die Lorbeer krönt, wo Aganippe rauscht,
Mit Sternenklang sich Musenchöre gatten,
Hernieder in das engbegrenzte Tal
Wo Armut herrscht und Treubruch und Verbrechen?
Dort oben war mein Platz, dort an den Wolken,
Hier ist kein Ort für mich, als nur das Grab.
Wen Götter sich zum Eigentum erlesen,
Geselle sich zu Erdenbürgern nicht,
Der Menschen und der Überird'schen Los
Es mischt sich nimmer in demselben Becher,
Von beiden Welten eine mußt du wählen,
Hast du gewählt, dann ist kein Rücktritt mehr!
Ein Biß nur in des Ruhmes goldne Frucht,
Proserpinens Granatenkernen gleich,
Reiht dich auf ewig zu den stillen Schatten
Und den Lebendigen gehörst du nimmer an.
Mag auch das Leben noch so lieblich blinken,
Mit holden Schmeichellauten zu dir tönen,
Als Freundschaft und als Liebe an dich locken:
Halt ein Unsel'ger! Rosen willst du brechen
Und drückst dafür dir Dornen in die Brust! –
Ich will sie sehn die wundervolle Schönheit,
Die solchen Siegs sich über Sappho freut!
Was soll ich glauben? Lügt denn mein Gedächtnis,
Das, wenn ich's frage, mir ein albern Kind
Mit blöden Mienen vor die Sinne bringt.
Mit Augen, die den Boden ewig suchen,
Mit Lippen, die von Kinderpossen tönen,
Und leer der Busen, dessen arme Wellen
Nur Lust zu spielen noch und Furcht vor Strafe
Aus ihrer dumpfen Ruhe manchmal weckt.
Wie? oder meinem Aug entging wohl jener Reiz
Der ihn so mächtig zieht in ihre Nähe? –
Melitta! – Ja, ich will sie sehn! – Melitta! –
Eucharis. Sappho.
Eucharis.
Befiehlst du hohe Frau?
Sappho.
Melitten rief ich.
Wo ist sie?
Eucharis.
Wo? auf ihrer Kammer, denk ich.
Sappho.
Sucht sie die Einsamkeit! – Was macht sie dort?
Eucharis.
Ich weiß nicht. Aber seltsam ist ihr Wesen,
Und fremd ihr Treiben schon den ganzen Tag.
Des Morgens war sie still und stets in Tränen,
Doch kurz nur erst traf ich sie heitern Blicks,
Mit Linnen ganz beladen und mit Tüchern,
Wie sie hinabging zu dem klaren Bache,
Der kühl das Myrtenwäldchen dort durchströmt!
Sappho.
Sie freut sich ihres Siegs! Nur weiter, weiter!
Eucharis.
Neugierig zu erfahren was sie suche,
Schlich leis ich ihr ins stille Wäldchen nach.
Da fand ich sie –
Sappho.
Mit ihm?
Eucharis.
Mit wem?
Sappho.
Nur weiter!
Eucharis.
Ich fand sie dort im klaren Wasser stehn.
Die Kleider lagen ringsumher am Ufer
Und hoch geschürzt – sie dachte keines Lauschers –
Wusch, mit den kleinen Händen Wasser schöpfend,
Sie sorgsam reibend Arme und Gesicht,
Die von dem Schein der Sonne durch die Blätter,
Von ihrem Eifer und der rauhen Weise,
Mit der die Kleine eilig rasch verfuhr,
In hellem Purpur feurig glühten.
Wie sie da stand, für eine ihrer Nymphen,
Der jüngsten eine, hätte sie Diana –
Sappho.
Erzählung wollt' ich hören, und nicht Lob!
Eucharis.
Als nun des Bades langes Werk vollbracht,
Getrocknet Angesicht und Brust und Wange,
Ging fröhlich singend sie ins Haus zurück,
Also vertieft und so in sich verloren,
Daß sie der Blätter, die ich aus dem Dickicht
Nach ihr warf, sie zu schrecken, nicht gewahrte.
Hier angelangt trat sie in ihre Kammer,
Schloß ab, und was sie schafft das weiß ich nicht.
Nur hört' ich sie in Schränken emsig suchen,
Dazwischen tönte heiterer Gesang!
Sappho.
Sie singt und Sappho – nein, ich weine nicht!
Bring sie zu mir!
Eucharis.
Melitten?
Sappho.
Ja, wen sonst? –
Melitten! – Ach ein süßer, weicher Name,
Ein ohrbezaubernd liebevoller Name!
Melitta – Sappho! – – Geh bring sie zu mir!
(Eucharis ab.)
Sappho (allein. Sie setzt sich auf die Rasenbank und stützt das Haupt in die Hand. Pause).
Ich kann nicht! Weh! – Umsonst ruf ich den Stolz,
An seiner Statt antwortet mir die Liebe.
(Sinkt in die vorige Stellung zurück.)