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Fünfter Band

Den fünften Band der Komödien Lope de Vegas in der Sammlung der Hofbibliothek bildet eine quinta parte einer flor de diferentes autores, in der nur eine einzige Komödie von Lope de Vega enthalten ist. Sie heißt, wenn ich mich recht erinnere – da ich das Buch schon zurückgegeben habe –

El exemplo de la paciencia und behandelt die Geschichte der Griseldis, die hier Laurencia heißt. Die Darstellung ihres ersten ländlichen Zustandes so vortrefflich, als derlei Schilderungen einfacher Glückseligkeit bei Lope de Vega immer sind. Ihre Güte, Milde, Verständigkeit, verbunden mit großer Schönheit, machen begreiflich, daß der Graf von Roussillon, der sich als einen Feind der Ehe aus Mißtrauen gezeigt hat, sich in sie verliebt und sie am Schluß des ersten Aktes heiratet. Im Anfange des zweiten Aktes, wo eben ihr zweites Kind zur Taufe getragen wird, kehrt, man weiß nicht recht warum, der Zweifelsinn des Grafen zurück, und er beschließt, seine Gattin zu prüfen. Er fängt auf gut spanisch gleich mit dem Aeußersten an und begehrt, daß Laurencia ihr eben nur gebornes Kind, mit der ausgesprochenen Absicht, es zu töten, ausliefere. Sie fügt sich in Geduld und wünscht nur, daß man es nicht den wilden Tieren aussetzen möge. Auch ihr älteres, ein Knabe, wird begehrt, weil die edlen Vasallen nicht einem Herrn von so niederer Abkunft dereinst unterthänig sein wollen. Gleiche Willfährigkeit. Offenbar hilft hier nebstdem, daß das Unglaubliche einmal ein Hauptingrediens der Dramen jener Zeit ausmacht, auch die Vorstellung von der Würde des Adels und der Gottähnlichkeit der Herrschergewalt mit, um derlei selbst einem damaligen Publikum zulässig erscheinen zu machen. Endlich trifft er sie mit ein paar Landleuten ihrer frühern Bekanntschaft, die zum Besuch gekommen sind, wirft ihr ihre Niedrigkeit vor, mischt einen sehr gut erzählten Apolog von der Katze ein, die in ein Mädchen verwandelt wurde und sich auch sehr gut menschlich betrug, bis sie zufällig einer Maus ansichtig wurde, wo die alte Natur hervorbrach und sie dem Tierchen nachlief, um es zu haschen. Sie antwortet ihm mit einer andern Fabel, deren Inhalt ich vergessen habe, obwohl die Seite, die Spalte und der Ort, wo sie steht, mir vor den Augen schwebt, und er schickt die Arme ihrem Vater zurück.

Ueberhaupt ist der beinahe gänzliche Verlust meines Gedächtnisses der Grund, warum ich diese Hauptzüge Lopischer Schauspiele hier niederschreibe, damit beim Wiederanblick der Umrisse ich mich der Ausfüllungen zum Teile wenigstens wieder erinnere. Zugleich der immer zunehmende Widerwille gegen das Schreiben, so daß ich mich wenigstens zwinge, die Feder in die Tinte zu tauchen und zusammenhängende Sätze aufs Papier zu werfen.

Laurencia kommt also zu ihrem Vater zurück. Der Graf zieht ins heilige Land, eine Reihe von Jahren vergeht. Unterdessen hört ein Graf von Bearn von Laurencias Vortrefflichkeit und Schönheit, und er trägt ihr durch einen Abgesandten seine Hand an. Zugleich aber ist der Graf von Roussillon zurückgekommen und begehrt sie als Magd in sein Haus, da er gesonnen sei, zu einer neuen Ehe zu schreiten. Laurencia zieht vor, Magd im Hause ihres frühern Gatten zu sein, und weist den vornehmen Heiratsantrag zurück. Wir finden sie mit dem Besen in der Hand in den Zimmern, die sie einst als Gebieterin bewohnt. Die neue Braut langt an, von ihrem Brautführer begleitet. Die vorgebliche Braut ist aber niemand anders als Laurencias Tochter, ihr Begleiter Laurencias Sohn. Das Ende ergibt sich von selbst.

Auch in diesem Stücke kommt ein Belardo vor, der dieses Mal sich sogar mit Versmachen abgibt und gewiß Lope de Vega selbst ist.

A. W. Schlegel, der über Lope de Vega abgeurteilt hat, offenbar, ohne ihn zu kennen, hebt als einen Hauptzug Lopes Neigung zu scholastischen Spitzfindigkeiten heraus. Nichts kann im allgemeinen falscher sein. Das gegenwärtige Stück trägt übrigens mehrere Spuren davon und an Stellen, wo sie nicht hingehören.


Sechster Band

La batalla del honor. Ein König von Frankreich (offenbar Franz I.) ist in die Frau seines Vetters, des Almirante Carlos (der Connetable Karl von Bourbon), verliebt und bedient sich aller Mittel, um zu seinem Zwecke zu gelangen, welche Angriffe und seine eigene Verteidigung dem Almirante unter dem Bilde einer Schlacht oder vielmehr eines Krieges vorschweben, von woher der Titel des Stückes rührt. Den Anfang machen jene Nachtscenen unter den Fenstern der Geliebten, die bei Lope nie fehlen, aber diesmal geschickter angelegt sind, so daß wir hier entweder die Anfänge des Intriguenstückes sehen, das Calderon später so bewunderungswürdig ausgebildet hat, wenn nicht Calderon inzwischen bereits erschienen war und Lope de Vega keinen Anstand nahm, seinen glücklichen Nebenbuhler seinerseits nachzuahmen.

Der Almirante führt also den Verteidigungskrieg seiner Ehre. Er stattet die Dienerinnen seiner Frau aus und verheiratet sie, da er sie als Spione des Feindes betrachtet. Der König läßt die Mauer eines Nachbarhauses einbrechen, um in den Garten seiner Geliebten zu gelangen. Da ist denn eine Belagerung in bester Form. Später will er sogar einen Gang unter der Erde graben lassen; also ein Minenkrieg. Blanka schläft im Garten, der König überrascht sie, aber der Almirante hat sich seinerseits auch hingelegt, und scheinbar im Schlafe sprechend, sagt er einzelne Warnungsworte, die den König vertreiben, ja, als Blanka später aufwacht, setzt er dieses Spiel fort, was er eine glückliche Kriegslist nennt. Da er übrigens gegen seine Frau geäußert, daß die kostbaren Kleider der Frauen nur Mittel seien, Liebhaber anzureizen, so legt diese ihren Schmuck ab und erscheint ganz einfach gekleidet, ja sie meint, ihr Gatte möge jene abgelegten Kleider auf die niedergerissene Mauer, als einer Bresche, fahnenartig aufpflanzen, zum Zeichen, daß an eine Uebergabe nicht zu denken sei. Unterdessen kommt aber der König, findet, daß Blanka, seine Muhme, da er sie so einfach gekleidet sieht, nicht standesmäßig behandelt werde, und gibt seine Absicht zu erkennen, die Ehe auflösen zu lassen. Darüber wird der Almirante Knall und Fall närrisch, und die fixe Idee eines Krieges verfolgend, läßt er sich Sporen anschnallen, eine Lanze geben, glaubt, zu Pferde zu sitzen, und treibt solche Albernheiten, daß man kaum begreift, wie irgend ein Publikum sich derlei gefallen lassen konnte. Die Nachricht von diesem Wahnsinn wirkt andererseits auf den König so wohlthätig, daß er von seiner Liebe absteht und, teils zur Genugtuung, teils um die frühern Vorgänge umzudeuten, die Schwester des Almirante heiratet, wo denn dieser augenblicklich wieder zu Verstande kommt.

La obedincia laureda y primer Cárlos de Ungria. Ein alter Edelmann in Neapel hat zwei Söhne und eine Tochter. Der Vater ist in den jüngern vernarrt, einen liederlichen Burschen, einen Spieler und Schläger, der das Vermögen des Hauses nach und nach durchbringt, die Tochter hat einen nicht kleinen Beischmack von ähnlichem Leichtsinn. Der ältere Sohn Carlos, von der Universität zurückkehrend, findet das Haus in dieser Verwirrung, Seine Schwester zurechtweisend, gibt er ihr eine Ohrfeige, was der alte Vater so übel nimmt, daß er ihn mit dem Stocke verfolgt und, als er ihn einholt, wirklich prügelt, wobei er aber aus Altersschwäche zu Boden fällt. Der fromme Sohn aber hebt den Vater auf, küßt den Stock, mit dem er ihn geschlagen, und da der Alte ihn aus dem Hause weist, nimmt er den Stock als Zeichen des Gehorsams mit auf die Reise. Er kommt ins Lager des Königs von Böhmen, der eben mit der Königin Maria von Ungarn Krieg führt, weil diese seine Hand ausgeschlagen. Er tritt ins Heer des Königs, erwirbt sich dessen Gnade und bietet sich an, als Kundschafter den Fluß zu durchschwimmen, der beide Heere trennt. Am andern Ufer angekommen, findet er sich im Garten der Königin von Ungarn, die mit einer einzigen Begleiterin dort spazieren ging und, von der lauen Sommernacht angelockt, sich entfernt, um im Flusse die Füße zu baden. Carlos sieht die Halbentblößte, ergießt sich in Vergleichungen ihrer Füße mit Marmorsäulen, Jasmin, Schnee, Mondstrahlen, und wird augenblicklich verliebt. Die Frauen hören Geräusch und entfliehn übers Theater, wobei sie Schuhe und Strümpfe in den Händen tragen. Sie erscheinen darauf auf dem Balkon, und Carlos weiß seinen Charakter so glücklich geltend zu machen, daß die Königin, die der Meinung ist, daß der Mann, der sie, wenn auch nur zum Teile, nackt gesehen, sterben oder ihr Gemahl werden müsse, ihn für die nächste Nacht bestellt, wo ihn ein Nachen abholen werde. Er erscheint, begleitet von dem verkleideten König, wo denn die schnell entstandene Neigung sich befestigt und, da sich zeigt, daß Carlos von sehr alter und guter Abkunft sei, die Königin ihm ihre Hand reicht. Sein väterliches Haus ist unterdessen so herabgekommen, daß der Alte mit beiden Kindern auswandert und am Orte der Handlung anlangt, wo sie denn, da sich der König von Böhmen, wie natürlich, in die Schwester Marcela verliebt hat, von diesem zu Carlos' Hochzeitfeste mitgenommen werden, bei welcher Gelegenheit der liederliche Bruder ihm das Waschbecken hält, der alte Vater das Wasser aufgießt und die Schwester das Handtuch reicht. Bei all diesen Wechselfällen hat den gehorsamen Sohn der Stock begleitet, mit dem sein Vater ihn geschlagen. Zum Hauptmann ernannt, befestigt er die eiserne Spitze des Spontons (gineta) an ebendenselben Stock. Da er General wird, läßt er den Stock abschneiden und gebraucht ihn als Kommandostab. Noch einmal muß er abgeschnitten werden, da er als König von Ungarn keinen andern Scepter will, als diesen Stock.

Das wäre nun alles recht gut und Stoff zu einem vortrefflichen Stücke, Leider aber ist die Hauptpartie: die Liebe der Königin von Ungarn und ihr Entschluß, den Abenteurer zu heiraten, so übereilt, daß das Stück von diesem Mangel sich nicht erholen kann. Die Ausführung übrigens vorzüglich, besonders die Haltung der Personen im ersten Alte und die Gartenscenen im zweiten. Auch der Schluß, mit Ausnahme der improvisierten Heiraten, macht sich sehr gut und rundet den Gedanken ab.

El hombre de bien. Da ist denn endlich ein Stück, in dem es so ziemlich vernünftig zugeht und das ein Intriguenstück vorstellen kann, ohne daß die Ereignisse gerade sehr schlagend oder besonders spannend wären. Der König von Dalmatien verliebt sich auf der Jagd in die Tochter eines Landedelmannes, Lucinda, die in einem heimlichen Einverständnisse mit einem seiner Hofleute, Jacinto, steht. Das Mädchen, um sich dem Könige zu entziehen, entflieht mit ihrem Bruder, aber freilich sonderbarerweise nach der Hauptstadt des Landes. Der König hat sie dort bald ausgekundschaftet und stellt sich des Nachts unter ihrem Fenster ein, wohin ein gleiches Verlangen auch den begünstigten Jacinto führt, der, von den königlichen Begleitern angefallen, sich durch alle durchschlägt und auf die Frage nach seinem Namen antwortet: un hombre de bien. Die Aufgabe ist nun, herauszubringen, wer der Unbekannte sei, der auch ein zweites Mal, da der König, auf Anstiften einer verlassenen Geliebten Clavela, von Wegelagerern angefallen wird, ihn befreit und auch hier wieder keine andere Auskunft von sich gibt, als daß er ein ehrlicher Mann sei. Es erfolgen ein paar Eifersuchtsscenen, die auf den Gang des Stückes wenig Einfluß nehmen. Einmal ist es Clavela, die, um herauszubringen, ob Lucinda in den König verliebt sei, zu ihr geht und ihr verstellte Vorwürfe macht, daß sie ihren Liebhaber zu verlocken suche, als den sie auf gut Glück Jacinto bezeichnet. Lucinda hat nichts eiliger zu thun, als sich, vermummt, aufs Ballhaus zu begeben, wo Jacinto mit andern Hofherrn im Spiel begriffen ist, ihn herausrufen zu lassen, ihm die heftigsten Vorwürfe zu machen, wo es sich denn prächtig ausnimmt, wie die hitzige Spanierin ihm geradezu erklärt, daß sie bereit sei, sich dem Könige zu ergeben, was sie in diesem Augenblicke gewiß auch meint. Ein anderes Mal spricht Clavela, die mit Lucinden Freundschaft gehalten hat, aus den Fenstern derselben nachts mit dem Könige, wird von Jacinto für Lucinden gehalten, was einen neuen Sturm erregt, der sich aber wie der erste legt und zwar ohne weitere Folgen. Endlich kommt der König doch auf die Vermutung, daß der verkappte »ehrliche Mann« Jacinto sei, und um sich zu überzeugen, sendet er ihn zugleich mit dem Bruder Lucindens seiner fürstlichen Braut entgegen, die eben in einem entfernten Hafen angekommen ist. Jacinto aber reist in einer verhängten Kutsche fort, steigt außer den Thoren der Stadt aus, und als der König zu Nacht vor den Fenstern Lucindens erscheint, findet er den hombre de bien wieder. Nun ist jeder Gedanke an eine mögliche Identität verschwunden, und da der König, zum Behuf künftiger Pläne, vor seiner eigenen Verheiratung Lucinden mit einem Manne vermählen will, der ihr gleichgültig ist, gibt er die beiden heimlich Liebenden zusammen, wo denn, da der König eine neue Eifersucht stiften will, herauskommt, daß Jacinto der rätselhafte Unbekannte sei.

Das Stück mochte, bei der Vorliebe des spanischen Publikums für Nacht- und Eifersuchtsscenen, einer günstigen Wirkung nicht entbehren.

Servir con mala estrella. Ein Franzose, Roger von Valois, kommt an den Hof König Alfonsos von Kastilien, desselben, der auch Schattenkaiser von Deutschland war. Er nimmt Dienste und zeichnet sich gegen die Mauren bei allen Gelegenheiten aus. Der König würdigt ihn seiner Freundschaft, gibt ihm aber nie etwas. Alle andern werden belohnt, Rugero aber immer vergessen. Das wird ihm denn endlich doch zu viel, und er begehrt seinen Abschied. Der König, der die Ursache davon einsieht und sich seines eigenen Undanks schämt, tröstet sich damit, daß es nicht seine Schuld, sondern der böse Stern des Fremden sein müsse, was ihn unbelohnt gelassen, da, wo alle andern mit Gnaden überschüttet wurden. Er beschließt, die Probe zu machen, und gibt dem Abreisenden einen Begleiter mit, mit dem Auftrage, ihn an den Hof zurückzubringen, wenn Rugero sich über den Undank des Königs beklagen würde, sonst aber seines Weges ziehen zu lassen. Der Begleiter bringt immer das Gespräch auf den König, um Rugeron zu Klagen zu verleiten. Dieser aber weicht aus, und als er nicht mehr kann, läßt er das Bild des Königs, das ihm dieser geschenkt, herbeibringen, indem er sagt: in Gegenwart der Könige beklagt man sich nicht. Da gibt ihm jener den Zurückberufungsbrief des Königs, und sie reisen zurück. Der König hat indessen das reiche Lösegeld eines gefangenen maurischen Fürsten in einer kostbaren Kiste empfangen. Er läßt eine ähnliche anfertigen, die aber leer bleibt. Bei der Rückkunft Rugeros bietet ihm der König die Wahl zwischen beiden Kistchen an, und Rugero greift wirklich nach der leeren. Da ist nun der böse Stern außer Zweifel gestellt, den der König aber außer Wirksamkeit setzt, indem er ihm die volle und dazu die Hand einer in Spanien erworbenen Geliebten gibt.

Diese Idee wäre nun ganz gut, wenn nur dem immer sich miederholenden Vergessen des Königs begreiflichmachende Umstände beigefügt wären. Die Annahme eines bösen Sterns oder eines Unglücklichgeborenseins ist nicht so in der menschlichen Natur begründet, als die Idee eines Schicksals, einer Nemesis, einer ausgleichenden Gerechtigkeit, daß man darauf wie auf ein festes Haus Wechsel ziehen könnte. Lopes Aufgabe war, uns zu seiner Idee hinzuführen, nicht von ihr auszugehen. Ohnehin wird die Wirklichkeit des bösen Sterns durch die Großmut des Königs am Schluß wieder aufgehoben.

Durch das Ganze zieht sich ein Liebesverständnis des Königs zu einer Doña Sancha, das im Gegensatz des Phantastischen krudhistorisch oder sagenhaft behandelt ist. Die Gute nimmt keinen Anstand, ihren eigenen Bruder zu vergiften, dafür wird aber auch ihre und des Königs Tochter von einer wahrsagenden maurischen Zofe im voraus als die »unglückliche« Estefania bezeichnet, als welche sie ohne Zweifel später in der Tradition eine Rolle spielt. So kommt dem Spanier überall ein historischer Anknüpfungspunkt entgegen.

Die bei den altern spanischen Dichtern öfter vorkommende Situation, daß der König, bei seiner Geliebten überrascht, sich nicht verbergen will, sondern bleibt und sich durch Unbeweglichkeit und Schweigen für nicht anwesend gibt, erscheint auch in diesem Stücke. Nur schadet der Großartigkeit hier, daß der eintretende Bruder der Geliebten zwar seine Absicht respektiert, aber von ihm doch, als von einem Bilde des Königs, spricht. Worauf dieser ihm den Rücken wendet und fortgeht.

El cuerdo en su casa. Einer der Lieblingsstoffe Lope de Vegas. Ein schlichter Landmann, der, ohne Bildung, aber mit viel natürlichem Verstand, sich um alles Fremde wenig bekümmert, sondern glücklich und zufrieden in seinem Hause lebt. Er hat sogar seinen nächsten Nachbar, einen Edelmann und Gelehrten, bis jetzt nicht kennen gelernt, mit dem er zu Anfang des Stückes, als mit einem auf der Jagd Verirrten, auf einer entfernten Schäferei zusammentrifft, wo sie die Nacht zubringen und für die Zukunft Freundschaft zu machen beschließen. Der Gelehrte und seine Frau wissen ihren Anteil auf keine bessere Art zu bezeigen, als daß sie sich alle Mühe geben, das Haus des reichen Bauers auf einen vornehmern Fuß einzurichten, was dieser aber entschieden zurückweist. Es haben sich unterdessen auch zwei Neffen des Bischofs gefunden, die sich in die beiden Weiber des Edelmanns und Bauers verlieben. Die Edelfrau ist nicht unempfindlich gegen diese Bewerbungen, die Frau des Bauers weist die auf sie gerichteten entschieden zurück. In der Mitte des Stückes kommt letztere mit einem gesunden Knaben nieder, der Bauer nimmt seinen eigenen Knecht und eine Magd zu Gevattern, obwohl der Neffe des Bischofs und die adeligen Nachbarn sich zu diesem Liebesdienste anbieten. Früher hat schon derselbe Neffe des Bischofs Gelegenheit gefunden, ins Haus des Bauers einzudringen und seine Bewerbungen anzubringen. Die Frau gibt ihm kein Gehör, ist aber kindisch genug, den jungen Menschen, da ihr Mann zurückkommt, hinter einem Vorhang zu verstecken. Mendo entdeckt ihn, zweifelt aber darum keinen Augenblick an der Treue seiner Frau, sondern begleitet den Ertappten selbst aus dem Hause, damit nicht gerade sein heimliches Entschlüpfen Verdacht errege. Minder unschuldig ist die Frau des Gelehrten, und minder klug und besonnen der Gelehrte selbst. Der zweite Neffe des Bischofs findet bis auf einen höchst bedenklichen Grad Gehör bei der Edelfrau. Der Gatte, den man durch seine Lieblingsleidenschaft, die Jagd, ans dem Hause gelockt, kommt unvermutet zurück, und der Liebhaber wird unters Bette versteckt. Der Gatte, der ihn dort entdeckt, bewaffnet sich mit Schild und Schwert, nur daß ihn seine hohe Bildung hindert, sogleich ein Unglück anzurichten, wie er selbst sagt:

Bien dizen, que hay pocos hombres
valientes con muchas letras
porque en abriendo discursos
no se vengan las ofensas.

Er sperrt vielmehr seine Hausthüre zu und ruft den Nachbar Bauer zu Hilfe. Dieser erscheint mit zwei Knechten und nimmt die Sache auf sich. Er verwechselt den versteckten Liebhaber mit dessen im Hause befindlichen Bedienten und schiebt das ganze Ereignis auf diesen letztern, der ein Liebesverhältnis mit der Magd habe. Der Gatte ist froh, dieses zu glauben. Die Gattin sieht sich kaum außer Gefahr, als sie die unschuldig Gekränkte spielt und nur mit Mühe sich begütigen läßt. Alles kehrt in seine Ordnung zurück, und der Bauer ist klug in seinem Hause gewesen, indes die andern, die klug in fremden sein wollen, Narren im eigenen sind.

Es fehlt nicht an Stellen von eigentlicher Lebensweisheit. So als Mendo den Litteraten auf die Ungleichheit ihres Standes aufmerksam macht, sagt ihm dieser:

La vida, Mendo, contiene
un mismo fin, que es vivir
que en el savio hasta morir
con el más rudo conviene.

Ebenso einfach und natürlich ist der Charakter von Mendos Gattin Antona. Als ihr eben Mendo verboten hat, eine reiche Mantille anzunehmen, die ihre vornehmen Freunde ihr ins Haus geschickt haben, und er sie fragt:

¿Estas enojada?

antwortet sie ganz unschuldig:

¿yo?
¿porque he de estar enojada?

Solche Meisterzüge kommen in allen Werken Lope de Vegas vor, mitunter in den absurdesten.

La Reyna Juana de Nápoles. Eines von den Stücken Lope de Vegas, wo, wie mir scheint, schon der Einfluß Calderons sich sichtbar macht, wo nämlich das Märchenhafte nicht mehr als das Geträumt-natürliche, sondern als das absichtlich Gesteigerte vorkommt. Von dieser Art wenigstens ist die Scene, wo Ludovico im Garten einschläft und ihm die Königin, die in ihn verliebt ist, die Krone aufs Haupt setzt. Nur stellt es Lope de Vega nicht so geschickt an, als sein Nebenbuhler, weil ihm das Begriffsmäßige fehlt, das bei jenem derlei Phantasmagorien erst ihre Bedeutung gibt.

Der Inhalt des Stücks absonderlich genug. Die Königin ist eben in jenen Ludovico verliebt, den eine Prinzessin Estela, eine Verwandte der Königin, gleich lebhaft in Anspruch nimmt. Nun ist aber der ungarische Prinz Andreas, begleitet von seinem Vater Mathias, mit einem Heere ins Land gekommen, um das Königreich und die Königin sich zuzueignen. Letztere widersteht aufs äußerste, wird aber von ihren Unterthanen verlassen und muß sich der verabscheuten Verbindung fügen. Ludovico wird dadurch wieder ein herrenloses Gut und den Bewerbungen Estelas zugänglich. Er will eben bei ihr den Brautwerber für seinen Freund Mathias machen und nötigt ihr das Versprechen ab, ihm seine noch zurückgehaltene Bitte nicht abzuschlagen, als Estela von ihm und Mathias sich das gleiche Versprechen geben läßt und nun von Mathias verlangt, seinen Freund zu vermögen, daß er ihr selbst seine Hand gebe. Beide nehmen keinen Anstand, ihr Wort zu halten, und Ludovico ist nun Estelas Verlobter. Darüber wird er verrückt, zündet den Bauern die Ernte an und treibt allerlei Unsinn.

Mittlerweile entwickelt Prinz Andreas den brutalsten Charakter. Er hat seine Gattin satt und stellt Estelan nach. Ja, seine Absicht, ihr Gewalt anzuthun und sie dann von einem seiner Helfershelfer ermorden zu lassen, wird von dem Gerücht als wirklich ausgeführt verbreitet. Diese Nachricht steigert den Haß der Königin gegen ihren Gemahl aufs äußerste, besonders da nun auch die Hoffnung dazu kommt, den durch Estelas Tod freigewordenen Ludovico selbst zu besitzen. Ohnehin hat der König beschlossen, seine Gattin durch Gift aus dem Wege zu räumen. Als er in dieser bösen Absicht zu ihr ins Zimmer tritt, lockt sie ihn in ein Nebengemach, wo sie ihn (hinter der Scene nämlich) mit Hilfe ihrer Frauen erdrosselt oder vielmehr aufhenkt. Sie reicht hierauf, nicht ohne sich den Verlauf des Trauerjahres vorzubehalten, ihre Hand dem geliebten Ludovico, und auch die mittlerweile zum Vorschein gekommene Estela hat nichts mehr einzuwenden, des Prinzen Mathias Frau zu werden.

Wie lose und puppenspielartig das Ganze ist, leuchtet ein. Nichtsdestoweniger fehlt es dem Charakter der Königin keineswegs an einer Art wilder Großartigkeit. Schon beim ersten Zusammentreffen mit dem Prinzen Andreas, als sie ihm ihren Abscheu in den stärksten Ausdrücken zu erkennen gibt, dabei aber nicht vergißt, ihn immer mit dem Titel »Eure Hoheit« anzureden, macht sie den Eindruck verhaltener Wut und einer großen Gewalt über sich selbst. Als der König seinen schlechten Charakter gezeigt hat, behandelt sie ihn geradezu als einen Ungezogenen, der sich zu ändern habe, widrigenfalls man ihn zurechtbringen werde, welche Mühe sie auf sich nehmen wolle; wo denn die Ausdrücke: enmendaros, ja castigaros (züchtigen) vorkommen. Das Gewaltigste aber zuletzt, wo die Königin bei ihrer Arbeit sitzt, die in Verfertigung einer Schnur besteht, während ihre Dienerinnen sie mit einem Liede unterhalten, dessen Refrain lautet:

Si te quiere matar
algun enemigo fiero
madruga y mata primero,

welches madruga! ihre Vertraute Margarita ihr während der folgenden Scenen wiederholt zuruft.

Hierzu kommt der König, der schon den Entschluß gefaßt hat, sie mit Gift zu töten. Das Gespräch verdient, ganz hergesetzt zu werden, wobei man sich aber die Königin ganz ruhig denken muß:

Principe. ¿Que estais haziendo?

Reina. Un cordon
para ahorcaros con el.

Princ. ¿Para ahorcarme?

Reina. Para ahorcaros.

Princ. Digo, que de buena gana.
Margarita. Como es San Andreas mañana (des Königs Namenstag)
quiere la Reina colgaros (anbinden, Angebinde).

Princ. (a parte) Que mal que nos ha entendido!
De otra suerte me ahorcara,
si el veeno adevinara.

(Laut, die Idee des Namensfestes fortsetzend.)

Un cordon aveis tegido,
¿no sabremos para que?

Reina. Para ahorcaros.

Princ. (in den Spaß eingehend.) No es bueno
que os pienso yo dar veneno.

Reina. ¿Veneno á mi? Ya lo sè.

Princ. (zu seinem Begleiter.) Conde ¿que os parece desto?
Ella se burlas conmigo
Yo en burlas, veras le digo.

Reina. Yo os he de arhocar bien presto.

Princ. Yo el veneno os he de dar.

Reina. Uno será de los dos
el burlado.

Princ. Sereis vos.

Margerita. (heimlich zur Königin.) ¿Oyes?

Reina. Si.

Marg. Pues madruga!

Reina. Oy fama á mi nombre doy.
Fingiré que tengo sed.
Dai me agua!

Princ. Conde, traed
un vaso á la Reina.

Conde. Voy.

Princ. El veneno.

Conde. Ya lo entiendo.

Und nun folgt die Scene des Erwürgens oder Aufhenkens im Nebengemach, mit derselben Schnur, die die Königin, wie es nun scheint, schon von vornherein zu diesem Zwecke verfertigt.

El Duque de Viseo. Dieses Stück scheint in Spanien einen großen Ruf zu haben und wohl auch bei den Litteraten außer Spanien, denn mir hat neulich ein hiesiger namhafter Dichter – der es wohl nicht gesagt, wenn er es nicht irgendwo gelesen hätte – geradeheraus erklärt, daß er diesen Duque de Viseo für das beste Stück Lope de Vegas halte. Dazu fehlt nun freilich viel, aber merkwürdig bleibt es immer. Es ist von vornherein historisch gehalten, heißt das: in der Art, wie Lope de Vega die Geschichte zu nehmen pflegt. In den ersten zwei Akten sind eigentlich der Herzog von Guimarains und seine drei Brüder die Träger der Handlung. Einer von ihnen, der Condestable von Portugal, kommt eben siegreich aus dem afrikanischen Feldzuge zurück, wird aber, trotz seiner Ansprüche auf Belohnung, von dem Könige Don Juan el Bravo (der Grausame?) höchst widerwärtig empfangen. Die Brüder nehmen das, wie natürlich, sehr übel und äußern sich demgemäß über den König, mit Ausnahme des Herzogs von Guimarains, den seine Ehrfurcht vor der Krone den Träger derselben respektieren heißt. Unglücklicherweise findet sich eine Doña Ines, wie es scheint, eine ehemalige Geliebte des Condestable, die eben im Begriffe steht, sich mit dem Günstlinge des Königs, Don Egas, zu vermählen, und die den Condestable um Auskunft über die Person ihres Bräutigams angeht. Dieser verhehlt ihr nicht, daß Don Egas von weiblicher Seite aus maurischem Blute herstamme, wobei er sich aber ausbedingt, daß sein Name, als des Auskunftgebers, in der Sache nicht erwähnt werde. Nichtsdestoweniger aber läßt sich Doña Ines in dem darauffolgenden Streite mit dem nunmehr verschmähten Bräutigam hinreißen, den Condestable als Bürgen für die Wahrheit der Aufklärung zu nennen. Von diesem Augenblicke ist Don Egas der Feind der Brüder, und er erklärt dieses dem Condestable rund heraus. Der Herzog von Guimarains nimmt es auf sich, die Sache auszugleichen, was nur dadurch geschehen könne, daß Doña Ines den königlichen Günstling dennoch heirate. Als er sie dazu überreden will, geraten sie in einen Wortwechsel, der so weit geht, daß Doña Ines ihn einen Dummkopf nennt, was er ihr mit einer Ohrfeige beantwortet. Auf ihr Geschrei kommt der König herbei, der den Herzog von Guimarains ins Gefängnis schickt und seinen drei Brüdern Verhaft in ihren Häusern gibt.

Der König ist mit der Schwester des Herzogs von Viseo vermählt, demungeachtet aber scheint er an einer Doña Elvira Gefallen zu finden, die die Geliebte seines Schwagers ist. Dieser wendet sich daher an Doña Elvira, damit sie bei dem Könige für den Herzog von Guimarains vorbitte. Der König läßt sich auch bewegen auf die Bedingung, daß Guimarains die beleidigte Doña Ines heirate. Dieser weist die Bedingung als schmählich zurück. Nun läßt ihn der König in Ketten legen und verweist seine Brüder aus Portugal. Auch der Herzog von Viseo, dessen Beliebtheit beim Volke der König seit lange fürchtet und gegen den ihn Don Egas neuerlich eingenommen, wird von Lissabon verbannt. Kaum an seinem Verbannungsorte angekommen, wird er zurückgerufen. In Lissabon angekommen, führt ihn der König ins Gefängnis des Herzogs von Guimarains. Ein Vorhang wird weggezogen, und an einem schwarzbehangenen Tische zeigt sich der Gefangene mit abgeschlagenem Haupte. Der König heißt ihn, das Beispiel als Warnung für sich hinzunehmen, was jener kaum zu bedürfen scheint, da er noch jetzt den König nicht zu tadeln wagt und voll Ehrfurcht und Ergebenheit ist, wie früher.

Im dritten beschließt er, heimlich nach Lissabon zu gehen, um seine geliebte Elvira zu sprechen. Er findet einen bettelnden Studenten, den er beschenkt und der ihm dafür schriftlich sein Horoskop stellt. In Lissabon unter den Fenstern Doña Elviras tauscht er Briefe mit ihr aus, wobei er aus Versehen, statt des seinigen, das Horoskop des Studenten an die herabgelassene Schnur bindet. Dieses, das die Prophezeiung enthält, daß er König sein werde, fällt unglücklicherweise dem lauernden wirklichen König in die Hände, der seines Schwagers Tod beschließt. Nun kommt die schönste Scene des Stückes. Der Herzog von Viseo hat sich, um Elviras Brief zu lesen, an eine Lampe gestellt, die bei einem Kruzifixe brennt. Indem er sich bemüht, die Worte zu entziffern, ertönt ein Getöse von Ketten und gedämpften Trompeten, dem bald darauf eine einzelne Weiberstimme folgt, die den ganzen Verlauf von Viseos Schicksal singt und zuletzt die Warnung hinzufügt, auf seiner Hut zu sein. Wie Lope de Vega überhaupt das Wunderbare gern nach und nach einführt, meint der Herzog: das werde wohl ein Frauenzimmer sein, das bei ihrer Arbeit wacht. Da erscheint aber der Geist des ermordeten Guimarains im weißen Mantel, und an ihm vorüberschreitend, mahnt er ihn, sich vor dem Könige zu hüten. Er versucht, zu entfliehen, wird aber aufgefangen, und nachdem der König vergebens alle seine Höflinge aufgefordert hat, den Herzog zu töten, ersticht er ihn endlich selbst. Zuletzt kommt die Nachricht, daß des Herzogs Knappe den Verräter Don Egas auf der Straße getötet habe.

Ich habe das Stück historisch genannt, insofern es mehr eine Begebenheit als eine Handlung enthält. Der Herzog von Viseo thut eigentlich nichts, um sein Schicksal herbeizuziehen oder abzuhalten. Die Grausamkeit des Königs, das Schicksal der vier Brüder, Viseos Unglück stehen vereinzelt da und werden nur durch das Ereignis zusammengehalten. Ja, man kann sich wundern, daß Guimarains Geist es der Mühe wert findet, denjenigen zu warnen, dem jener erste Mord nicht einmal ein Wort der Mißbilligung entlockte. Aber wie es nun immer sei, der Herzog von Viseo lebte einmal als unschuldig Ermordeter im Munde des Volkes, und als solchen, der sich nicht, selbst mit einem Worte gegen den König verging, hat ihn Lope de Vega genommen. Dichter seiner Art haben immer recht, auch wo sie irren.

Ich komme noch einmal auf den Duque de Viseo zurück, weil ich Lope de Vega nicht gerne unrecht thun möchte. Ihm fehlt das Absichtliche, welches aber gerade das ist, was die Handlung von der Begebenheit unterscheidet. Diese Absicht kann aber entweder in den handelnden Personen liegen oder in dem Dichter oder in den Begebenheiten selbst, in welchem letztern Falle man es das Schicksal nennt. Tritt diese Absicht nun zu sehr in den Vorgrund, so wird das Begriffsmäßige daraus ein geschworener Feind des Natürlichen, und in dieser Gestalt erscheint es bei Calderon, wo es denn dessen ganze belebende Kraft braucht, um das fremde Element dem warmen Organismus zu assimilieren. Bei Lope de Vega steigen die Anschauungen aus dem tiefen Brunnen der Empfindung empor, und sie fordern nicht mehr zum Denken auf, als die Natur selbst den Betrachter dazu auffordert, denn auch das Wunderbare ist bei Lope de Vega ein Teil des Natürlichen. So ist hier die Warnung des Herzogs von Guimarains überflüssig und ohne Wirkung. Daß er sich vor dem Könige zu hüten habe, wußte Viseo ohnehin. Er schlägt die Warnung nicht aus irgend einem bestimmenden Grunde in den Wind. Er thut zu seiner Rettung nicht etwas, das ihn, durch eine schicksalsartige Verkettung in das Gegenteil überschlagend, gerade seinen Feinden in die Hände führte. Er benimmt sich so, wie er sich ohne die Warnung benommen hätte. Er entflieht und wird einfach gefangen.

Andrerseits kommen aber wieder aus der Anschauung hergenommene Intentionen vor, die viel zu flüchtig sind, um mit der Anschauung aufgefaßt zu werden. So, als der Herzog von Viseo, blutig und tot, Krone und Scepter zur Seite, sich dem Zuschauer darstellt, liegt ihm gegenüber, gleichfalls tot, Doña Elvira, und zwar, wie ausdrücklich angegeben wird, eine Hand auf die Wange gelegt. Das soll ohne Zweifel auf die Ohrfeige anspielen, die, von Doña Inez empfangen, Anlaß des ganzen traurigen Herganges war, und zugleich auf eine zweite, die D. Egas im Begriffe war, Elviren zu geben, und nur durch die Anwesenheit des Königs davon abgehalten wurde. Wer Henker soll sich aber derlei denken beim bloßen Anblick der auf die Wange gelegten Hand der Toten!

Während bei Calderon alles, selbst der tiefste Gedanke, auf die Oberfläche herausgeworfen wird, hat Lope de Vega, dieser oberflächlich scheinende Dichter, eine Innigkeit, die häufig bis zum Fehlerhaften geht. So weiß ich nicht, ob jene über alle Beschreibung schöne Scene, wo der Herzog von Viseo durch eine verborgene Weiberstimme vor dem Könige gewarnt wird, möglicherweise auf dem Theater nur die Hälfte des Eindrucks machen wird, zu der sie im Lesen unwiderstehlich hinreißt.

El Secretario de si mismo. Ein Herzog von Mailand, der in kinderloser Ehe lebt, hat einen natürlichen Sohn, Feduardo, den er, um ihn den möglichen Nachstellungen seiner Gemahlin zu entziehen, einem Edelmann Uberto übergibt, der ihn mit seinem eigenen Sohne Cesarino erzieht. Ins höhere Alter gekommen und noch immer kinderlos, verabredet der Herzog eine Heirat dieses seines natürlichen Sohnes mit der Tochter des Herzogs von Mantua, Otavia. Der Wunsch, die Nachfolge zugleich in Mailand und Mantua seinem eigenen Geschlechte zuzueignen, verleitet den Pflegevater Uberto, seinen eigenen Sohn Cesarino für den des Herzogs auszugeben, was um so leichter angeht, da der Herzog sein Kind durch eine Reihe von Jahren nicht gesehen hat. Mittlerweile hat des Alten zweite Frau, Casandra, sich in den jungen Feduardo verliebt, und dieser, um sich ihren Zudringlichkeiten zu entziehen, beschließt, eine Reise zu machen, was sein Pflegevater nur zu gerne zugibt. Er kommt zuerst nach Rom, macht sich dort durch die richtige Erklärung einer eben aufgefundenen alten Statue (ob freilich etwas wunderlich) bekannt, und da bald darauf der Herzog von Mantua dort um einen Lehrer für seine Tochter anfragt, wird ihm Feduardo empfohlen, und er geht nach Mantua. Wie natürlich verlieben sich die beiden jungen Leute unmittelbar ineinander, und es kommt bald dahin, daß ihm die Prinzessin einen Brief an ihren Liebhaber diktiert, den sie ihm abzugeben befiehlt, und als er fragt, wer der Gemeinte sei, sagt sie ihm ganz einfach: Er selbst; wobei sie sich entfernt. Auf diese Art nun ist er der Sekretär seiner selbst. Sie haben bald darauf eine nächtliche Zusammenkunft, bei der sie überrascht werden. Feduardo entflieht, ohne erkannt zu werden, und obwohl dies der Prinzessin Gelegenheit gibt, die Schuld auf einen unbegünstigten Liebhaber, den Prinzen von Visignano, zu schieben, der deshalb auch gefangen genommen wird, so bleibt doch der Makel auf ihrer Ehre, und als bald darauf der unterschobene herzogliche Sohn Cesarino zur Hochzeit anlangt, erklärt man ihm, die Heirat könne unter den obwaltenden Umständen nicht stattfinden. Dieser samt seinem vermeintlichen Vater halten dies nur für eine Ausflucht, um das gegebene Wort zurückzunehmen, und fangen Krieg an. Sowohl der alte Uberto als der mittlerweile nach Hause gekehrte Feduardo samt der verliebten Casandra in Männerkleidern nehmen teil an dem Feldzuge. Casandra hat inzwischen von dem alten Uberto herausgebracht, daß eigentlich Feduardo der wahre Sohn des Herzogs von Mailand sei, und als die Sachen aufs Äußerste gekommen sind, tritt sie mit dem Geheimnisse hervor, wo denn der Schluß sich von selbst ergibt.

Die Erzählung ist zugleich eine Darlegung der Mängel des Stückes. Übrigens ist es einer poetisch unschuldigen Zeit nicht zu mißgönnen, wenn sie an derlei Ereignissen Gefallen findet. Im einzelnen tritt nichts besonders hervor. Höchstens die Stelle, wo der alte Uberto Feduardon das Glück seines Bruders gemeldet hat, und daß er nun Thronfolger von Mailand sei, und ihn nun fragt:

¿pesate de tanto bien?

antwortet dieser mit dem rührendsten Edelmut:

Pesame de que no sea

mi hermano.

Llegar en occasion. Eines jener Stücke von ziemlich lascivem Inhalt, in denen sich Lope de Vega gewöhnlich con amore ergeht. Ein Marchese von Ferrara ist in eine junge Witwe Laura verliebt, der er schon früher nachgestellt, zu der ihm aber jetzt der Tod ihres Mannes den Zugang frei gemacht. Teils die Furcht vor dem Lehensherrn, teils doch eine Art Neigung bringt sie zur Einwilligung, und es wird verabredet, daß er zu Nacht die Thüre offen finden soll. Da kommt ihm aber plötzlich die Nachricht, daß ein Federico, dessen Schwester er verführt, einen Aufstand gegen ihn erregt, was ihn nötigt, sich von Lauras Landsitz nach Ferrara zurückzubegeben, wo er den Aufstand dämpft und seinen Gegner Federico gefangen nimmt. Während Laura ihn erwartet, wird ein Edelmann Otavio in der Nähe ihres Sitzes von Räubern überfallen, die ihm alles nehmen, namentlich die Hosen, so daß er, und zwar zur Winterszeit, im Hemde vor Lauras Hause ankommt, wo ihm anfangs, da Laura allen Männern zürnt, sogar der Eintritt verweigert wird. Endlich läßt sie sich doch erweichen: der Fremde wird aufgenommen, in ein wohlriechendes Bad gesetzt, das für den Marchese bestimmt war, in ein Gewand des verstorbenen Gatten gekleidet, Laura läßt ihn sogar vor sich, ihre Phantasie ist von dem beabsichtigten Rendezvous mit dem Marchese aufgeregt, llega en occasion, er gefällt ihr, und am Schluß des ersten Aktes merkt man, daß er schon etwas wagen dürfe.

Er wagt es auch. Im zweiten Akte erzählt Laura ihrer Vertrauten, daß, als sie von schweren Träumen geplagt in ihrem Bette lag, der Fremde in ihr Zimmer gekommen sei. Sie habe ihn anfangs für eine Erscheinung gehalten, wo er ihr dann sagte:

No soy vision, ni tal pienses;
tientame. Ay triste! Tentéle,
y vi que estava en camisa.
. . . . . . . . . . . .
atrevióse hasta abrazarme.
Dí un grito, más no muy fuerte.
El, porque no diesse más
y á soccorerme viniesses,
Tapóme toda la boca,
y assi me quexé entre dientes.
Fenisa. ¿Con la mano?
Laura. Ay no Fenisa
necia estàs, que no lo entiendes.

Otavio ist als begünstigter Liebhaber im Hause installiert. Der Marchese wird unter verschiedenen Vormunden abgehalten, das frühere Versprechen einzulösen und sein Herrenrecht auszuüben. Einmal führt man ihm Otavio als einen Vetter des Hauses vor, ein andermal soll Lauran ihr verstorbener Gatte erschienen sein, ja, als sie sich nicht anders zu helfen wissen, stellt sich Otavio an, von einem wütenden Hunde gebissen zu sein und auch Lauran seinerseits gebissen zu haben, und was denn des Unsinns mehr ist, was aber nicht hindert, daß der Dialog und die ganze Behandlung sich in echt Lopescher Lebendigkeit und Natürlichkeit erhält. Zuletzt heiratet Otavio Lauran, der Marchese seine verlassene Geliebte und der Rebell Federico des Marchese Schwester.

El testigo contra sí. Das ist nun einmal ein Lustspiel mit einer Verwicklung im eigentlichen Sinne des Wortes, wenn gleich etwas derber Natur. Ein Edelmann, Lisardo, durch einen aufgefangenen Brief eifersüchtig gemacht, verläßt seine Geliebte Estela und Madrid. Er kommt nach Sevilla, wo er nichts Angelegentlicheres zu thun hat, als sich auf einem öffentlichen Spaziergange in eine Dame Otavia zu verlieben, die auch geneigt scheint, ihm Gehör zu geben, als der Bruder seiner verlassenen Geliebten mit einem Gerichtsdiener dazu kommt und ihn kraft seines gebrochenen Eheversprechens gefangensetzen läßt. Zufällig aber ist der Aufseher der Gefängnisse ein Bekannter Lisardos. Dieser läßt ihn auf sein Wort frei. Diese Freiheit benützt er, um sein Abenteuer zu Ende zu führen, und er ist eben in galantem Gespräch mit Otavia, als ihr eigener Bruder und der Madrider Bruder dazu kommen, zwischen letzterem und Lisardo eine Aufforderung stattfindet und in dem daraus entstandenen Zweikampfe Lisardo, wie alle glauben, tot zu Boden fällt.

Zunächst hat sich der rächende Bruder in dieselbe Otavia verliebt, und um ihren Bruder zur Einwilligung geneigt zu machen, verspricht er ihm seine eigene Schwester, die Braut des getöteten Lisardo. Die Sevillianer kommen nach Madrid, und aus Liebe zu ihrem Bruder, und da ihr Geliebter denn doch tot ist, entschließt sich Estela, der Doppelheirat sich zum Opfer zu bringen.

Lisardo, der noch immer für tot gilt, ist aber geheilt worden. Er kommt nach Madrid und beschließt, jene Doppelheirat zu stören. Da Otavia in früherer Zeit ein Verhältnis mit einem Feliciano gehabt hat, der nach Lima gegangen ist, so verkleidet er seinen Bedienten Morato in einen Hauptmann Alvarado, der von Lima mit einer Vollmacht Felicianos komme, um sich in seinem Namen mit Otavia trauen zu lassen. Otavia, als sie von den reichen Geschenken hört, die der Indianer mit sich bringt, ist gleich bereit, ihren Madrider Bräutigam aufzugeben. Kaum aber wieder zurecht gebracht, findet sich ein neues Hindernis, Ein Ricardo, aus Eifersucht gegen welchen Lisardo zu Anfang des Stückes Madrid verlassen hat, gibt vor, ein Eheversprechen von Estela zu haben. Er leitet einen Prozeß ein, und da er sich nach Zeugen, natürlich falschen, umsieht, macht ihn sein Diener auf Lisardo aufmerksam, der, den vorgeblichen Indianer Morato als Bedienter begleitend, zu einem falschen Zeugnis wohl zu bringen sein werde. Lisardo, halb der Intrigue willen, halb weil er von einem frühern Verständnis zwischen Ricardo und Estela sich überzeugt hält, ist bereit, Zeugenschaft abzulegen. Und so ist er denn der testigo contra sí, der Zeuge gegen sich selbst. Die Sache verwirrt sich aber noch mehr, indem der wirkliche Indianer Feliciano anlangt, der Otavien längst vergessen hat, und da er nun hört, daß jemand da sei, der sich in seinem Namen mit ihr vermählen wolle, voll Schreck hineilt, um die Sache zu hintertreiben. Otavia ist gleich wieder bereit, ihrem vergessenen Liebhaber in die Arme zu fallen, der sich gegen sie aus allen Kräften wehrt, ja sie verfolgt ihn endlich bis in sein Gasthaus, nachdem vorher die beiden Weiber, die sich wechselseitig die Schuld der Verwirrungen zuschreiben, bis zum materiellen Handgemenge gekommen sind, so daß man sie kaum auseinander bringen kann. In demselben Gasthofe langt auch Estela an, die mit Lisardo entflohen ist, da man sie infolge von Ricardos gerichtlicher Klage und Lisardos Zeugenschaft verhaften will. Hier klärt sich endlich die Sache auf, Lisardo bekommt seine Estela, und Otavia, da Feliciano durchaus nichts von ihr wissen will, wird denn doch Estelas Bruder zu teile. Das Stück ist sorgfältig und sehr gut geschrieben, der Dialog nach Art Lope de Vegas mit allem Anschein der Zufälligkeit und des absichtlosen Geschwätzes doch so, daß er immer die Situation und die Handlung weiter bringt. Von den Charakteren der etwas derbe Indianer Feliciano sehr gut. Ebenso Otavia, deren unbefangener Eigennutz bei allen Gelegenheiten durch den gemachten sentimentalen Modeton durchbricht.

El mármol de Felisardo. Hier wird nun wieder die Glaubensfertigkeit eines guten Katholiken sehr in Anspruch genommen. Ein junger Student Felisardo befindet sich auf dem Dorfe, wo er sich in die Tochter des Alkalden, Elisa, verliebt. Er gilt als der Sohn eines vornehmen Mannes und für hohe kirchliche Würden bestimmt. Als man sie aber bei einer verliebten Zusammenkunft überrascht, was das Mädchen in üblen Ruf bringen müßte, und Felisardo verspricht, sie zu heiraten, gibt der Vater denn doch seine Einwilligung. Felisardo ist aber ein natürlicher Sohn des Königs (von Gelanda. Ich weiß nicht, wo das liegt). Da dieser König im Laufe des ersten Aktes durch den Tod seines rechtmäßigen Thronfolgers erblos wird, muß er sich notgedrungen an den natürlichen Sohn wenden, und er schickt den Almirante ab, der ihn auch wirklich an den Hof bringt. Nun fängt der Unsinn an. Elisa hat einen Zwillingsbruder, Celio, der ihr so ähnlich ist, daß, als ihr Vater diesen Celio als Pagen nach Hof bringen will, er sich vergreift und seine Tochter in Pagenkleidern dem Prinzen als Diener stellt, Felisardo ist selbst im Zweifel über das Geschlecht dieses Zwitterwesens, wo ihm denn der lustige Diener Tristan den Rat erteilt, dem Pagen einen Schilling geben zu lassen, wo sich denn herausstellen müsse, ob er ein Mann oder ein Weib sei. Unterdessen will man den Prinzen mit der Tochter des Almirante verheiraten. Tristan gibt wieder den Rat, sein Herr möge sich wahnsinnig und in eine Statue im Garten verliebt stellen (el mármol de Felisardo). Nachdem alle Mittel der Heilung fruchtlos versucht worden sind, gibt der König, wieder auf den Rat Tristans, endlich seine Einwilligung zu der Vermählung mit der Statue. Es versteht sich, daß Elisa in die Statue verkleidet worden ist und der König, durch sein Wort gebunden, nun auch die Ehe mit der lebendigen Stellvertreterin zugeben muß, was er um so lieber thut, da sich zeigt, daß der Alkalde, ihr Vater, eigentlich von hohen Verwandten abstamme. Zuletzt hat sogar der Zwillingsbruder Celio, der in dem Personenverzeichnisse gar nicht vorkommt, einen einzigen Vers zu sagen, als man ihn nämlich mit der für Felisardo bestimmten Tochter des Almirante verheiratet.

El mejor maestro el tiempo. Das ist nun ein ganz vernünftiges Stück, höchstens sollte es statt: der beste Lehrer die Zeit, heißen: der beste Meister das Unglück. Doch kann man die Zeit auch für den Inbegriff alles dessen nehmen, was die Zeit mit sich bringt. Ein König von Iberien hat zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter, beide in Anmaßung und Ungestüm sich ähnlich, was eine gute Wirkung macht, da das Prosaische des Gegensatzes dadurch wegfällt. Die Prinzessin Euphrosia prügelt ihre Muhme (hinter der Scene nämlich) mit einem Gartenpfahl, was der Bruder der Geprügelten übelnimmt, dafür aber von dem Bruder der Prinzessin, Otto, verwundet wird. Diese Gewaltthat bringt das Mißvergnügen des Volkes über die beiden Königskinder zum Ausbruch. Es entsteht ein Aufruhr, in dem der König mit den Seinigen vertrieben wird. Er flüchtet übers Meer und sieht sich genötigt, mit seinen Kindern zu betteln, so daß er froh sein muß, von dem fremden Herzoge eine Gärtnersstelle zu erhalten. Die Kinder sind übrigens jetzt schon von ihrem Uebermute völlig geheilt.

Der Fürst des fremden Landes besitzt ebenfalls einen Sohn und eine Tochter; natürlich verlieben sich die Paare wechselseitig ineinander. Otto benimmt sich wie alle Liebhaber in der Welt. Sehr gut ist sein alter Vater, der, indes er sich völlig in seine neue Lage fügt, doch überall die Würde des Königs durchschimmern läßt. Auch Euphrosia hat von ihrem hohen Sinne so viel bewahrt, als gut ist. Sehr hübsch macht sich die Scene, wo der vertriebene König, von der Dorfgemeinde zum Richter gewählt, dem Herzoge die Hand zu küssen naht und unterdessen seinen Stab der Tochter zu halten gibt. Da sie mittlerweile vom Sohne des Herzogs angesprochen wird, antwortet sie ganz im Sinne eines Richters, dessen Stab sie in den Händen trägt. Lope ist unübertrefflich in solchem Geltendmachen von scheinbaren Zufälligkeiten.

Der Sohn des Herzogs, der den Bruder seiner Geliebten scheut, läßt ihm Geld in den Weg werfen, das dieser findet und sich dafür als Ritter kleidet und ausrüstet, so daß er nun bald als Prinz, bald als Gärtner der Herzogstochter in den Weg kommt, was einige nicht sehr schlagende Verwicklungen gibt, bis endlich die Unterthanen des vertriebenen Königs des eingedrungenen Gewaltherrschers überdrüssig werden, ihn verjagen und den frühern Herrn aufsuchen. Der entdeckte königliche Stand des vermeinten Bettlers macht allen Schwierigkeiten ein Ende, und eine Doppelheirat führt zum Schluß.


Siebenter Band

El villano en su rincon. Das Stück ist durch die Bearbeitung Friedrich Halms für die deutsche Bühne bekannt genug, so daß ich nicht fürchten darf, den Inhalt je aus dem Gedächtnisse zu verlieren, weshalb ich ihn auch gar nicht näher berühren will. Anders ist es aber mit den Charakteren, die Halm, den Bedürfnissen der Zeit und des heutigen Theaters nach, notwendig modifizieren und zum Teil abschwächen mußte. Die Hauptfigur des Juan Labrador steht für sich und gediegen da. Diese mit Stolz gemischte Zufriedenheit, diese Gediegenheit in allem, was er sagt und thut, macht ihn zu einer der vortrefflichsten Theaterpersonen. Der Grund, warum er den König nicht sehen will, obgleich er in seiner letzten Verwirrung einen andern läppischen angibt, ist, außer dem Stolze, die Furcht, daß er weniger zufrieden sein werde, wenn er einen Höhern als sich selbst gesehen, was er im Lauf des Stückes einmal deutlich sagt, Lope de Vega ist bei all seiner Natürlichkeit doch ein Frondeur, er sieht das Nichtige aller Vorurteile seiner Zeit ein. Hier hat er's nun mit der königlichen Macht zu thun. Der König ist durch seine Unbehilflichkeit und Ratlosigkeit, als er sich in der Hütte des Bauers befindet, wo, nach erloschenem Schimmer des Königtums, niemand von seiner Person Notiz nimmt, gedemütigt genug; es muß nun, den Begriffen der Zeit gemäß, auch dem Königtum sein Recht geschehen, und der Bauer wird für das Zuviel seines Selbstgefühles bestraft. Trotz seiner Demütigung bleibt er aber doch der Mittelpunkt des Ganzen, und niemand möchte lieber der König als er sein. Bewunderungswürdig aber ist die Mannigfaltigkeit, die er in die Charaktere und in den, gegen Lopes Gewohnheit, etwas doktrinären Stoff hineinzubringen wußte. Schon daß die Kinder dem Vater so unähnlich sind, ist, obgleich begriffswidrig, da sie seine Weisheit in der Erziehung in Zweifel setzen, doch so ganz natürlich. Der Sohn Feliciano ist in seiner unbestimmten Eitelkeit ziemlich unbedeutend. Dagegen die Tochter Lisarda mit der eigentlichen sal española prächtig und trotz aller Verschiedenheit die wahre Tochter ihres Vaters. Mit ihr im Gegensatze die besonnene und weise Costanza, die der Alte trotz ihrer Armut seinem Sohne zur Frau bestimmt. Der Kämmerling Oton, der, um in seine Liebesbewerbung Interesse und Bewegung zu bringen, gegen den Schluß zu auf den König eifersüchtig werden muß. Die Art, wie der König auf den stolzen Bauer, indem er dessen anticipierte Grabschrift auf dem Kirchhofe liest, zuerst aufmerksam wird, wo unter dem herzugedrängten Volk auch die romanhafte Lisarda sich befindet. Wie die Mädchen und Burschen mit Stangen und Stäben ausziehen, um Oliven abzuschlagen, welche Bewaffnung die Mädchen sehr gut kleiden mußte. Was dabei vorfällt, der Gesang, der Tanz, die gesellschaftlichen Spiele, das alles ist so mannigfaltig und wahr, daß man seiner Bewunderung kein Ende findet. Ich wollte, Lessing hätte Calderon und Lope de Vega gekannt, er hätte vielleicht gefunden, daß ein Mittelweg zwischen beiden dem deutschen Geiste näher stehe als der gar zu riesenhafte Shakespeare.

El castigo del discreto. Der Besonnene ist anfangs ziemlich unbesonnen. Ricardo, die Titelrolle, obgleich mit einer Casandra verheiratet, macht doch der Schwester Albertos, Hippolyta, den Hof. Auf seinen nächtlichen Liebesstreifereien wird er von einem andern Bewerber Hippolytas, Leonelo, in Begleitung zweier Diener überfallen, und es stünde schlimm um ihn, wenn nicht zufällig ein Sevillaner, Felisardo, der eben in Madrid angekommen und in Albertos Hause abgestiegen ist, dazu käme und sich auf Ricardos Seite stellte, mit dessen Hilfe die Angreifer zurückgeschlagen und einer von ihnen schwer verwundet wird. Ricardo nötigt seinen Retter zu sich nach Hause, wo er ihn seiner Gattin Casandra vorstellt, die ihn denn auch wirklich liebenswürdig findet, ohne aber bei ihrer großen Tugend weiter ein Arg zu haben. Von da ab aber ist Ricardo so voll von dem Lobe seines Retters, er schildert dessen Eigenschaften Casandren in so bezauberndem Lichte, daß diese sich endlich in Felisardo verliebt fühlt und beschließt, ihm einen Brief zu schreiben. Während sie damit beschäftigt ist, kommt ein Diener Leonelos, des Veranlassers jenes nächtlichen Ueberfalls, mit einer Ausforderung an Ricardo. Der Bediente des Hauses Pinabel übernimmt den Zettel und bald darauf auch den Brief Casandras an Felisardo, und da er beide in dieselbe Tasche steckt, verwechselt er sie, und gibt Ricardo den Liebesbrief seiner Frau, die Ausforderung aber an Felisardo, Ricardo ist wie aus den Wolken gefallen. Das Einfachste schiene ihm, seine Frau umzubringen, als Besonnener aber beschließt er doch, sie auf eine minder gefährliche Art zu bestrafen. Er beantwortet daher im Namen Felisardos den Liebesbrief und verspricht, sich bei der angebotenen Zusammenkunft einzufinden. Ebenso hat sich Felisardo der Ausforderung gestellt. Leonelo ist zwar über die Verwechslung der Person überrascht, da aber doch Felisardo auch sein Feind noch von jenem nächtlichen Ueberfall her und zugleich sein Nebenbuhler in der Liebe zu Hippolyta ist, so schicken sie sich zum Kampf an, der nur durch die Dazwischenkunft des Gastfreundes Alberto gehindert wird.

Nun kommt die Reihe an die Strafe des Besonnenen. Ricardo gibt eine Reise vor, um seiner Gattin Raum für die verabredete Zusammenkunft zu geben. Nachts zurückgekehrt, kommt er in der Person Felisardos in sein eigenes Haus, wo er die liebesdürstende Gattin, immer im fremden Namen, aufs äußerste durchprügelt, wahrend sein Diener, Pinabel, dieselbe Operation mit der Zofe Teodora vornimmt. Ja, er lädt später Felisardo selber in sein Haus, wo denn die geprügelte Geliebte Feuer und Flammen gegen ihn speit, indes er Felisardon, der sich in alles dies nicht zu finden weiß, glauben macht, seine Frau habe Anfälle von Wahnsinn, wodurch denn auch jeder künftigen Annäherung vorgebeugt wird. Das eigentlich Künstlerische an der Sache aber ist, daß auch Ricardo aus Besorgnis für sein häusliches Verhältnis von seiner Neigung zu Hippolyta geheilt wird und alles mögliche thut, um sie Felisardon zum Weibe zu verschaffen. Ja, derselbe Fall ist mit Leonelo, der ebenso für eine Schwester fürchtet, die er bei sich im Hause hat, und von der er glauben muß, daß Felisardo ihr den Hof mache. Die Heirat kommt denn endlich auch zu stande und entwirrt die Fäden.

Las pobrezas de Reynaldos. Mit diesem Stücke hatte Lope de Vega wahrscheinlich sein Publikum im Kernschusse getroffen. Es ist eine jener Rittergeschichten, die Cervantes mit seinem Don Quixote wohl lächerlich machen, aber nicht töten konnte. Höchstens sind die Unmöglichkeiten abgestreift, die Abgeschmacktheiten aber sind geblieben. Reynaldos, bei Karl dem Großen durch die berüchtigten Mainzer verleumdet, wird aller seiner Güter beraubt, verbannt und in eine solche Armut gebracht, daß er mit Frau und Kind Brot bei den Hirten betteln muß. Ein Einfall der Mauren von Marokko wird seinen Aufreizungen zugeschrieben. Auf sein Schloß Montalvan zurückgezogen, erhält er aber kaum Kunde von diesem Einfalle, als er sich zur Hilfe aufmacht, die Tochter und den Eidam des Königs von Marokko, ja endlich diesen selbst gefangen nimmt, die Reichsfahnen, die der Mainzer Florante auf der Flucht auf die Seite schafft, rettet und überhaupt den schon verlornen Sieg wieder den Franzosen zuwendet. Die Mainzer wissen aber alles das, als von ihnen bewirkt, dem Kaiser darzustellen. Endlich wird er sogar durch Verräterei gefangen, wo sein Bruder Malgesi seine Schwarzkunst zu Hilfe nimmt, ihn befreit und an seiner Stelle einen Spiritus familiaris zurückläßt, der, als man ihn zum Tode führen will, wahrscheinlich zum großen Jubel des Publikums, die verhaßten Mainzer Brüder mit Prügeln traktiert. Ebenso sicher des Beifalls war wohl die Scene, wo in Abwesenheit des Burgherrn das Schloß Montalvan lediglich von seiner Frau und seinem Kinde unter den großsprecherischten Redensarten gegen die sturmlaufenden Soldaten Galalons verteidigt wird. Wer übrigens das Wohlgefallen an derlei Dingen nicht teilt, findet kaum eine einzige erträgliche Scene in dem ganzen Stück.

El gran Duque de Moscovia. Gegen dieses, so Gott will, historische Schauspiel läßt sich nichts einwenden. Es behandelt die Geschichte jenes falschen Demetrius, den Lope de Vega für einen echten nimmt, was ihm, wie natürlich, frei steht. Er fängt nach seiner Gewohnheit mit den Kinderjahren seines Helden an. Seinem Vater Teodoro ist mit Gift vergeben worden, das ihn aber, statt zu töten, blödsinnig gemacht hat. Der Großvater Basilius will daher die Nachfolge auf seinen jüngern Sohn Johann übertragen. In einem entstandenen Wortwechsel tötet er aber diesen durch einen Schlag mit dem Stocke, »der bei den Russen die Stelle des Scepters vertritt«, und stirbt selbst bald darauf aus Gram über diesen Totschlag. Nun soll Demetrius' Mutter statt ihres blödsinnigen Gatten regieren, sie begeht aber die Unvorsichtigkeit, die Gewalt ihrem Bruder Boris zu überlassen, der sich nun des Reiches bemächtigt und vor allem seinen Neffen Demetrius aus der Welt zu schaffen trachtet. Diesen hat die besorgte Mutter zu einem alten Ritter Lamberto in Sicherheit gebracht, der, als die Mörder anlangen, mit einem, damals wohl großen Effekt machenden Heroismus der Treue wissentlich seinen eigenen zwölfjährigen Sohn unterschiebt, nach dessen Ermordung Demetrius für tot gilt. Dieser hat nun verschiedene Schicksale. Zuerst begibt er sich in ein Mönchskloster, aus dem er aber wieder entfliehen muß, da der Tyrann Boris auf einer Rundreise durch seine Staaten im Kloster anlangt und gegen Demetrius aus der Ähnlichkeit mit seinem Vater Verdacht zu schöpfen beginnt. Er kommt darauf als Küchenjunge ins Haus eines polnischen Palatins (aus dem Lope, wahrscheinlich wegen der geläufigen Benennung eines Pfalzgrafen am Rhein, einen Conde Palatino macht). Dort macht dessen Tochter Margarita einen bleibenden Eindruck auf ihn, die aber, wie natürlich, seine Annäherung höchst lächerlich findet. Glücklicher ist er bei dem Vater selbst, dem er sich entdeckt und der ihn ohne viel Umstände für den echten Demetrius nimmt, sowie später der König von Polen selbst. Sie geben ihm eine Armee. Er besiegt den Tyrannen Boris und erhält die Krone des moskowitischen Reiches, sowie die Hand seiner Geliebten, Margarita, die anfangs in höchst komischer Verlegenheit ist, ob er sein als Küchenjunge ihr gegebenes Eheversprechen, das sie damals verlacht, nun als Großherzog auch halten werde. Das Stück ist mit Ausnahme des annehmbaren Verlaufs der Begebenheiten höchst unbedeutend. Allenfalls könnte der Vater des Demetrius, aus dessen Blödsinn Spuren eines unterdrückten Verstandes hindurchblitzen, für etwas gelten. Sehr gut ist auch die Scene, wo der Tyrann Boris mit seiner Frau und mit seinem Vertrauten die auftauchenden Gerüchte bespricht, daß Demetrius noch lebe. Wie der Vertraute versichert, er habe selbst die Leiche des Knaben in den Händen gehalten, ehe sie das Feuer verzehrt, welches das ganze Schloß dem Erdboden gleich gemacht, so daß jetzt mannshohes Gras an der Stelle wachse. Das alles nimmt man für gewiß, und doch taucht die Besorgnis immer wieder auf. Besonders bei der Frau, die allen Gründen ihres Mannes mit einem: so ist es, ich glaube es, antwortet und zuletzt doch wieder darauf zurückkommt: ich möchte wohl das Schloß sehen. Ebenso die Ansicht des Tyrannen in derselben Scene über den Vorschlag, er solle verbieten, Tod und Leben des Demetrius zu besprechen. Er meint nämlich: ein Verbot, zu sprechen, habe notwendig die Wirkung, daß man das Verbot bespreche und somit stillschweigend die Sache.

Las pazes de los Reyes. Eines der besten Stücke von Lope de Vega. Leider hat er sich hinreißen lassen, auch die Jugendgeschichte König Alfonsos mit aufzunehmen. Ich sage: leider, weil, ungerechnet die Unzukömmlichkeit, dieselbe Person als Mann auftreten zu sehen, die im ersten Akte als Kind erschien, diese Ausdehnung der Fabel ihm den Raum genommen hat, die Haupthandlung: das Liebesverhältnis der Jüdin von Toledo, mit gebührender Ausführlichkeit zu behandeln. Der erste Akt, der die Einführung König Alfonsos als Kind in die von den Truppen seines Oheims besetzte Stadt und die Gewinnung von Toledo für ihn zum Gegenstande hat, bewegt sich fast ganz in patriotischen Erinnerungen. Doch ist hineingestreut eine vortreffliche Scene ehelicher Zärtlichkeit zwischen dem Befehlshaber des befestigten Schlosses Lope de Arena, einer vollkommenen Nebenfigur, und seiner Gattin. Lope de Vega wirft häufig seine Perlen so am Wege hin. Im zweiten Akte, bereits Mann geworden und mit der englischen Prinzessin Leonore vermählt, verliebt er sich in die Jüdin von Toledo, die er beim Baden im Flusse überrascht. Es ist dafür gesorgt, daß dieses Vergehen, das unmittelbar nach der Vermählung eintritt, dem Könige nicht gar zu hoch angerechnet werde, denn die Jüdin spricht schon bei ihrem ersten Auftreten von der Kälte des englischen Blutes der Königin, und den Zeitgenossen Lopes mochte eine spanische Jüdin für jeden Fall anziehender vorkommen, als eine Königin aus dem Stamme der verhaßten englischen Elisabeth. Nichtsdestoweniger vertritt ihm aber doch ein Engel den Weg, als er sich nachts zu seiner geliebten Jüdin begeben will, die er in dem Palast Galiana eingeschlossen hält, sowie später ihm ein zweiter Engel erscheint, als er nach der Ermordung der Jüdin Wut und Rache gegen seine Großen und die Königin schnaubt. Auf Aufforderung dieser letztem nämlich wird die Jüdin Rahel überfallen und getötet.

Nun kommt der übervortreffliche Schluß des Ganzen, so vortrefflich, daß ich ihm an Innigkeit beinahe nichts im ganzen Bereiche der Poesie an die Seite zu setzen wüßte. Der König, der an den Hof zurück will, und die Königin, die ihrem Gatten entgegenreist, treffen, ohne voneinander zu wissen, in einer Kapelle zusammen, in der ein wunderthätiges Bild der Muttergottes zur Verehrung aufgestellt ist. Sie knieen, voneinander entfernt, nieder und fangen an, in lauten, sich durchkreuzenden Worten ihr Herz vor der Gnadenmutter auszuschütten. Der König, der sich dadurch in einer Andacht gestört findet, schickt seinen Kämmerling, die fremde Dame um Mäßigung ihres lauten Gebetes zu ersuchen. Die Königin lehnt die Botschaft ab. Sie habe ihren Gatten verloren und sei in ihrem Rechte, zu klagen. Indes ist ihr Kammerfräulein zu dem Kammerherrn des Königs hingekniet, die Erkennungen tauschen sich aus, und das fürstliche Ehepaar feiert seine Versöhnung vor dem Altare der Gebenedeiten.

Merkwürdig ist übrigens, daß Lope de Vega sich so ziemlich auf die Seite der Jüdin stellt. Sie ist durchaus edel gehalten, und selbst den Makel des Judentums nimmt er für den Zuseher dadurch hinweg, daß sie vor ihrem gewaltsamen Tode begehrt, eine Christin zu werden. Wieder ein Beweis von seiner Vorurteilsfreiheit. Ja, selbst in dem Titel: Las pazes de los Reyes liegt vielleicht eine versteckte Ironie. Im ersten Akte wird der Friede des Königreichs durch die verräterische Ermordung Lope de Arenas geschlossen; im dritten ist das Pfand des Friedens der Tod der von allen am wenigst schuldigen Jüdin.

Lope de Vega kommt in der Maske des Gärtners Belardo diesmal völlig deutlich vor.

Los pórceles de Murcia. Dieses Stück wurde wahrscheinlich für das Theater der Stadt Murcia geschrieben. Lope fand daselbst ein edles Geschlecht los Pórceles (die Junker Schweinichen), und die auch anderwärts verbreitete Sage, daß eine Bettlerin, mit Zwillingen auf den Armen, von einer Edeldame als unenthaltsam und unkeusch gescholten, dieser im Zorn angewünscht habe, sie möge so viel Junge gebären als ein Schwein. Diesen unbildsamen und eigentlich undramatischen Stoff hat er nun zum Gegenstande seiner Fabel gemacht. Man möchte sagen: er habe ihn mit Erfindungen bereichert, wenn es eigentlich Erfindungen waren. Er nimmt nur alles, was ihm im Wege liegt, auf, weiß alle Ereignisse so aus sich selbst zu gliedern, gibt allen Nebenpersonen ein, wenngleich loses, doch bestimmtes Verhältnis zum Ganzen, so daß man am Ende erstaunt ist, wie aus dem kleinen Samenkorn, ein wenig Erde und ein bißchen Regen eine Pflanze geworden ist. Er knüpft das Interesse ganz passend an die Bettlerin. Diese ist ein edles Fräulein, das sich in der Liebe vergessen und, nachdem ihr Liebhaber, der seinen Nebenbuhler auf den Tod verwundet, sich zur Flucht genötigt sah, gleichfalls die Flucht ergriff und, von Mutterwehen überrascht, auf freiem Felde Zwillinge zur Welt bringt, die von gutmütigen Landleuten zusamt der Mutter aufgenommen werden. In der Nähe ist eine Kapelle mit einem wunderthätigen Bilde, zu dem eben ein vornehmes Ehepaar aus Murcia seine Zuflucht genommen hat, um Segen für ihre kinderlose Ehe zu erbeten. Hier fällt nun ganz passend die Scene der Verunglimpfung und Verwünschung vor. Aber schon im ersten Alte ist das Eifersuchtsverhältnis der beiden Bewerber dadurch dem Gewöhnlichen und Allgemeinen entzogen, daß der begünstigte Liebhaber, ein wackerer, aber blutarmer junger Mann, von dem die Geliebte, nach damaliger Art, ein Vesperbrot in einem öffentlichen Garten verlangt, das Geld dazu von seinem Nebenbuhler borgt, was die Erbitterung des letztern, als er sie dabei überrascht, wie natürlich verdoppelt.

Im zweiten Akte geht der Fluch der Bettlerin in Erfüllung. Die Edelfrau ist schwanger geworden und gebiert in Abwesenheit ihres Mannes gleich einem Mutterschwein sieben Kinder auf einmal. Die Dame, die sich gegen ihren Gatten vermessen hatte, daß, wenn sie je mehr als ein Kind zur Welt brachte, er sie nur als eine überwiesene Unkeusche auf der Stelle töten möge, wählt in ihrem Schreck das schönste der Kinder aus und gibt die andern sechs einer Sklavin, sie heimlich ins Wasser zu werfen. Die Sklavin fällt dem nach Hause kehrenden Gatten in die Hände, der durch Drohungen die Wahrheit erpreßt und als besonnener Hausvater die sechs Kinder bei Landleuten unterbringt, den Vorfall aber gegen jedermann verschweigt.

Unterdessen ist der entflohene Liebhaber der vermeinten Bettlerin zurückgekommen und hat sich, sowie sie, bei denselben Bauern als Knecht verdingt; der totgeglaubte Nebenbuhler hat sich in die im Stücke nicht vorkommende Schwester seines Gegners verliebt, alles ist zur Versöhnung und Entwicklung reif, als auch der nachkommenreiche Vater Don Lope unter dem Vorwande, das Geburtsfest seines Majoratserben zu feiern, ein Gastmahl anstellt, zu dem auch die ausgesetzten sechs übrigen Kinder mit ihren Pflegeeltern beigezogen werden, wo denn alles sich aufklärt und, ohne daß viel dabei herauskäme, sich abschließt. Es ist hier auch nicht die Rede von einem guten Stücke, sondern nur von dem Reichtum dieser wunderbaren Natur, die aus allem Vorteil zu ziehen weiß und alles spezifiziert.

Die Natur der Fabel macht viele Nebenpersonen notwendig. Was diese sagen und thun, steht keineswegs immer mit der Haupthandlung in Verbindung, bezieht sich aber immer auf die Lage und Verhältnisse der Stadt Murcia. Einmal treffen wir die Landleute mit den Bienen beschäftigt, wo der Tölpel mit der Zeidelkappe auf dem Kopfe erscheint, ein zweites Mal wird von der wunderbaren Natur des Seidenwurms gesprochen, und nun war gerade Murcia wegen seiner Seidenkultur berühmt, und es ist wahrscheinlich, daß sie ebenso gute Bienenzüchter waren. Ja, die Wächter, welche die Sklavin mit dem Korbe, indem sie die sechs Kinder trägt, anhalten, sind Gefällsaufseher des Seidenzolles. Es ist ein Einleben in die Sache, die nur bedauern läßt; daß diese Sache keine bessere ist.

La hermosura aborrecida. Der Stoff hat einige Aehnlichkeit mit einem Stücke von Shakespeare: Was ihr wollt; oder wie es heißt. Ein Frauenzimmer, das von dem verschmäht wird, den sie liebt, erwirbt ihn endlich dadurch, daß sie den König von einer schweren Krankheit heilt und nun, halb auf königlichen Befehl, halb durch Insichgehen des geliebten Gegenstandes, in dessen ungestörten Besitz kommt. (Wie mir denn überhaupt Shakespeare mit der spanischen Dramatik seiner Zeit, wenn auch nur aus zweiter Hand, nicht ganz unbekannt gewesen zu sein scheint.) Die Fabel des vorliegenden Stückes ist albern genug. Don Sancho de Guevara verabscheut, aus einem vorherrschenden Hange zur Liederlichkeit, seine schöne und tugendhafte Frau. Von ihm verstoßen, kommt sie mit der Königin Isabella zusammen, die sie gütig aufnimmt, bald aber bemerkt, daß ihr eigener Gatte, König Fernando, Wohlgefallen an der neuen Kammerfrau findet, weshalb die Königin, »wie sie in ähnlichen Fällen immer zu thun pflegte«, den Gegenstand ihrer Eifersucht zu entfernen sucht und daher den brutalen Don Sancho als Vizekönig nach Navarra schickt. Dieser ist aber noch nicht geheilt. Er geht sogar damit um, seine ihm lästige Gefährtin zu ermorden, bis diese sich bereit erklärt, Pamplona heimlich zu verlassen und vor der Welt für tot zu gelten. Sie kommt bei Landleuten an und wird dort von dem Barbier des Dorfes aufgenommen, wo wir denn annehmen müssen, daß sie von der Heilkunde ihres Meisters möglichst profitiert habe. Wenigstens wird sie als angehender Heilkünstler zu einem Bauernmädchen Constanza gerufen, die sich in den hübschen Barbierjungen verliebt hat, zu deren Heilung aber weder ihre wissenschaftliche, noch physische Begabung ausreicht, was eine gute Scene gibt. Unterdessen ist König Ferdinand, der Katholische, bei oder nach der Eroberung von Granada durch einen Mauren schwer verwundet würden. Bei ihm ist der junge Arzt glücklicher. Er stellt den König her und wird dafür mit Ehren und Belohnungen überhäuft. Eben jetzt trifft die Nachricht von den Gewaltthätigkeiten und Ausschweifungen des Vizekönigs von Navarra bei Hof ein. Der junge Arzt bittet als einzigen Lohn aus, daß man ihn als Kommissär zur Untersuchung nach Navarra sende, wie alle Welt glauben muß, um sich an dem treulosen Gatten zu rächen. Es kommt aber ganz anders. In Pamplona angelangt, sucht sie auf alle Art die Anschuldigungen gegen den Vizekönig zu entkräften, Sie läßt die Hauptankläger jeden mit hundert Peitschenstreichen abfertigen und setzt sich dadurch bei dem Angeschuldigten, wie natürlich, in höchste Gunst, so daß, als zuletzt die Identität des königlichen Kommissärs mit der verstoßenen Gattin an den Tag kommt, der Ehetyrann zu Kreuz kriecht und froh ist, wieder mit ihr vereinigt zu werden. Die beste Wendung kommt am Schluß vor, als die Könige selbst nach Pamplona gekommen sind und vor ihnen zwei Ankläger auftreten, von denen der eine den Vizekönig beschuldigt, seine eigne Frau getötet zu haben, der andere, das Landmädchen Constanza, vorgibt, von dem königlichen Kommissär, als ehemaligen Barbiergesellen, entehrt worden zu sein, welche beide Anklagen letzterer durch die einfache Angabe entkräftet, daß er ein Weib und zwar des Vizekönigs Weib sei, so daß er weder ein Mädchen verführen, noch von dem Vizekönig getötet worden sein konnte.

El primer Faxardo. Hier muß dem Dichter ein höchst spezieller Zweck vorgeschwebt haben, ohne Zweifel die Absicht, dem Geschlechte der Faxardo seine Verehrung zu bezeigen, denn es will sich hier gar nichts zusammenbauen, nicht einmal ein Liebesverhältnis. Letzteres ist auf den Abencerragen Abindarraez und die Maurin Xarifa übertragen, ohne daß es aber auch hier durch die Eifersucht des Königs von Granada zu mehr als den ganz gewöhnlichen Verwicklungen und Verfolgungen käme. Der Held des Stückes selbst, Juan Gallego, besiegt den übermütigen Mauren Abenal-Faxar und erhält daher den Namen Faxardo, zeichnet sich als Parteigänger durch glückliche Scharmützel und Ueberfälle aus, verliert im Spiele vier Mauren, die er dann einfängt und unter denen sich auch der verfolgte Liebhaber Abindarraez befindet, den er später wieder freigibt, und der dafür ihn selber wieder befreit, als ihn der König von Kastilien gefangen nehmen läßt. Das Spiel um die vier Mauren mit einem Fähnrich gibt Anlaß zur besten Scene im Stücke. Der Fähnrich nimmt es nämlich sehr übel, daß Faxardo um etwas spiele, das er noch gar nicht habe. Als nun später Faxardo die Mauren fängt und als Spielverlust übergibt, wird er gar nicht fertig zu versichern, daß er gar nicht gewohnt sei, im Spiele oder sonst zu täuschen, daß sein Wort so gut sei als die That selbst, er wiederholt immer das nämliche, und man merkt, daß ihm die Gelegenheit erwünscht wäre, loszubrechen, welche Gelegenheit ihm aber der Fähnrich durch seine Nachgiebigkeit benimmt. Ja, er fordert zwei der Gefangenen zurück, in was aber der andere wieder ohne Streit einwilligt, so daß er sich endlich zur Ruhe geben muß. Eine jener vortrefflichen, naturwahren Nebenscenen, wie sie in Lopes schwachen Stücken häufig vorkommen.

Faxardo wird bei dem Könige verleumdet, wird gefangen genommen, von dem dankbaren Mauren Abinoarraez befreit, muß zu den Mauren nach Granada fliehen, tritt da eine Maurin Fatima, die sich in ihn verliebt, an ihren maurischen Liebhaber ab, kehrt gerechtfertigt an den Hof von Kastilien zurück und ist zum Schluß im Besitz seiner verdienten Ehren.

Viuda, casada y donzella. Da sind nun einmal wieder alle Novellenelemente vereinigt, welche Novellen vor dem Märchen wenigstens das voraus haben, daß das völlig Absurde darin nicht vorkommt. Clavela, Tochter eines Alberto, heiratet gegen den Willen ihres Vaters einen armen Edelmann Feliciano. Nach geschlossener, aber noch nicht vollzogener Ehe findet sich der verschmähte Nebenbuhler Liberio mit Begleitern vor dem Hause ein, um wenigstens durch Lärmmachen zu stören. Feliciano geht mit gezogenem Degen hinaus und hat das Unglück, den Bruder seines Nebenbuhlers zu töten. Er flüchtet und schließt sich einem nach Italien gehenden spanischen Regimente an. Ein Sturm zerstreut die Schiffsabteilung, und Feliciano, der sich mit seinem Diener Celio auf eine wüste Insel rettet, wird dort von Barbareskenseeräubern gefangen. Um nicht als Edelmann eine höhere Ranzion zahlen zu müssen, gibt er sich für einen Arzt aus, wo denn bei der Ankunft in Tremecen seine Kunst sogleich für eine Favoritsklavin Fatima in Anspruch genommen wird, die aber nichts Schnelleres zu thun hat, als sich in den schmucken Spanier zu verlieben. Sie verabreden die Flucht; der Maure Haquelme wird auf die derbste Art von der Welt betrogen, welche Derbheit wahrscheinlich dem Publikum das größte Vergnügen verschaffte. Die Maurin hat einen bedeutenden Schatz an Gold und Edelsteinen mit sich genommen, und so langen sie glücklich in Spanien an. Dort erklärt nach einigem Bedenken Feliciano seiner Maurin (die ihm denn doch nur für eine galga, Betze, gilt), ganz trocken, daß er schon verheiratet sei. Die Heidin begehrt wenigstens ihre Kleinodien zurück, was er ihr ebenso trocken verweigert, sich aber doch endlich zu einer Teilung herbeiläßt und sie mit der Hälfte als Mitgift seinem Diener, dem Spaßmacher Celio, zum Weibe gibt, womit sie sich zur Not zufriedenstellt. Unterdessen hat seine Witwe Clavela, die ihn für tot hält, sich halb gezwungen die Werbungen Liberios gefallen lassen, und sie feiert eben ihre Hochzeit mit ihm, als Feliciano erscheint; die Heirat geht zurück, und Clavela, Witwe, Gattin und Jungfrau zugleich, wird mit dem Gegenstande ihrer ersten Liebe vereinigt. Liberio erhält eine Schwester Felicianos, die er früher verschmäht und die im Laufe des Stückes aus Liebe zu ihm alle möglichen Albernheiten gemacht hat.

El Príncipe despeñado (despeñado im eigentlichen Wortsinne: vom Felsen herabgestürzt, genommen). Ein in seinen Hauptpartieen vortreffliches Stück, nur daß die Nebenereignisse, für uns wenigstens, sehr am Fehler des Läppischen leiden. Nach dem Tode des Königs D. Sancho von Navarra teilen sich die Großen über die Nachfolge in zwei Parteien: für den im reifen Mannesalter befindlichen nächsten Agnaten D. Sancho und für das Kind des Verstorbenen, das die Königin Witwe D. Elvira noch ungeboren im Schoße tragt. An der Spitze der beiden Parteien stehen die zwei Brüder Guevara, der ältere D. Martin für D. Sancho, indes der jüngere D. Ramon an dem Kinde seines Königs festhält. Die Partei D. Martins siegt, die Königin und D. Ramon müssen fliehen, und erstere gebiert mitten in den unwirtbaren Pyrenäen, von einem zufällig hinzugekommenen Landmann unterstützt, einen Knaben, den der Bauer, ohne Mutter oder Kind zu kennen, nach dem Landhause seines Gutsherrn, D. Martins von Guevara bringt, wo er von der Gattin desselben, Doña Blanka, ebenso unbekannterweise aufgenommen wird. Bis hierher ist alles tadellos, ja die Königin Witwe erinnert in der Großartigkeit ihres Schmerzes an ähnliche Figuren in Shakespeare, indes die übrigen ganz in den herben Umrissen der Volkssage gehalten sind.

Aus dieser Fassung fällt das Stück jedoch im zweiten Akte, wo die Königin und D. Ramon, als Wilde, in Felle gekleidet, in den Bergen herumirren und auf sie als auf Tiere Jagd gemacht wird, indes die ländlichen Nebenfiguren mit nichtssagenden Liebes- und Eifersuchtsscenen den Raum nicht sehr interessant ausfüllen.

Das Stück erholt sich jedoch von dem Augenblicke, wo der König sich in die Gattin D. Martins verliebt und zuletzt dem Drang, sie zu genießen, nicht widerstehen kann, was ihm denn auch mit Hilfe eines treulosen Thürstehers gewaltsamerweise gelingt.

Im dritten Akte kommt D. Martin von einem ihm zum Schein aufgetragenen Kriegszuge in sein Haus zurück. Er findet es verödet und sämtliche Bewohner, die ihm ausweichen, in Trauer gekleidet. Er weicht ihnen im Vorgefühl eines Unglücks ebenso aus, wie sie ihm, ja hält den Diener zurück, als dieser eine vorübergehende Kammerfrau um die Ursache dieser Trauer fragen will.

porque quando el mal se acerca
et llegarà sin llamarle.

Endlich tritt eine Dame gleichfalls in Trauer auf ihn zu. Er meint:

La Reyna deve de ser
del estado de la muerte.

Es ist D. Elvira, seine Gattin. Auf seine Frage:

¿quien es muerto?

antwortet sie ihm:

tu honor.

Wunderschön ist nun, wie er, der den Zusammenhang ahnet, sich die Wahrheit und seiner Frau das Geständnis hinauszuschieben sucht. Als sie ihm erzählt:

El Rey don sancho ....

La noche ...........
vino á tu casa, Señor.
D. Mar. ¿Como?
D. Bl. El Rey vino à tu casa.
D. Mar. Mira Blanca lo que dices.
Mira lo que dices Blanca.
Mira que el Rey no seria,
Mira Blanca que te engañas.

Sie aber auch zögert auf alle Art. Sie erzählt ihm ihre weissagenden Träume in jener Nacht, die Vorahnungen und Vorbedeutungen, die er ihr sämtlich widerlegt und natürlich erklärt. Wo sie denn endlich sagt:

No te cuento aquestas cosas
porque las creas, ni hagas
conjetura en tus desichas
mas solo por dilatarlas
que tardandose las nuevas
parece, que el mal se tarda.

Endlich erfährt er den gräßlichen Zusammenhang. D. Elvira will sich töten, er hält sie zurück und beschließt dann, wie natürlich, Rache gegen den König, Er fordert ihn zur Jagd gegen die beiden Wilden oder wilden Tiere im Gebirge auf, findet und erkennt dort seinen Bruder D. Ramon, und beide vereint stürzen den König von einem Felsen herab (el príncipe despeñado). Natürlich wird nun die königliche Witwe zurückgebracht, ihr Kind als König anerkannt und D. Martin, nachdem der Schänder seiner Ehre getötet ist, nimmt seine Gattin als unschuldig wieder auf.

La Serrana de la Vera. Auch hier hatte Lope de Vega, wie aus mehreren Stellen deutlich wird, eine Romanze vor sich von einem Weibe, das an der Spitze einer Räuberbande sich in der ganzen Veragegend furchtbar machte. Nach spanischer Art, die die ästhetische Abschätzung von der moralischen beinahe völlig trennte, werden nun die Greuel dieser Räuberin aufs äußerste übertrieben. Haufen von Ermordeten, Wegelagerung aller Art, Haß gegen das Männergeschlecht, der sich im Tode jedes Vorkommenden sättigte, das alles kommt teils in Erzählung, teils in wirklicher Handlung so massenweise vor, daß man gar nicht begreift, wie ein solches Ungeheuer je wieder in die bürgerliche Gesellschaft als Weib und Gattin zurückgeführt werden konnte, was zuletzt denn doch wirklich geschieht. Ein Umstand erinnert an Calderons Devocion de la cruz, der nämlich, daß die Räuberin als einziger Zusammenhang mit dem Guten, zu jedem Ermordeten ein Kreuz setzen läßt, so daß Calderon die Idee zu seinem eben genannten Stücke vielleicht aus dieser Serrana geschöpft haben könnte, nur daß letzterer, abgesehen von dem Unterschiede zwischen Mann und Weib, auch den Verlauf der Handlung unendlich geschickter anlegt, da sein Eusebio erst durch die Verkettung der grauenhaftesten Ereignisse zu dem Räuberhandwerke und all jenen Greueln getrieben wird, indes bei Lope die ersten zwei Akte eine vollkommen heitere Lustspielverwicklung enthalten, und Leonardas Eifersucht am Schlusse des zweiten höchstens ihre Flucht aus dem Hause ihres Bruders rechtfertigt, keineswegs aber das kannibalische Wüten im Reste des Stückes erklärlich macht.

Leonardas Charakter ist von vornherein komisch ganz gut gehalten. Ihre Lust am Reiten, Fechten und Jagen. Ihr männliches Wesen, das sie besonders zeigt, als sie einmal die Thüre zu schließen befiehlt, um ihre beiden geglaubten Nebenbuhlerinnen durchzuprügeln. Aber zuletzt überstürzt sich alles.

Ein Bild von dem erbärmlichen Hofwesen jener Zeit gibt übrigens die Entwicklung des Stückes, wo eine von Leonarda verschonte Nebenfigur des Stückes, D. Juan, durch eine Verwandte, die als Kammerfrau bei Hofe dient, kurzweg eine königliche Begnadigung für die Räuberin und Mörderin erwirkt, worauf sie denn ohne Umstände ihren gerechtfertigten Liebhaber heiratet: eine allerhöchste Clemenz, an der niemand Anstand genommen zu haben scheint. Die Idee des Spiels ist in allen diesen Stücken vorherrschend.

S. Isidro, labrador de Madrid. Eine Verherrlichung des Madrider Lokalheiligen, Isidor. Auf eine ungezwungene und der Dürftigkeit des Inhalts zu Hilfe kommende Weise läßt er das Stück mit der Rückkehr des Madrider Adels von einem siegreichen Feldzuge gegen die Mauren beginnen, dessen Trophäen sie in der Kapelle der Mutter Gottes von Almudena aufhängen, in welcher Kapelle Isidor gewöhnlich seine Andacht zu verrichten pflegt. Den Rest des ersten Aktes füllt die Verheiratung Isidors mit einem Landmädchen, Maria. Die schlichte Frömmigkeit des Bräutigams und die jungfräuliche Eingezogenheit der Braut sind sehr hübsch gehalten. Letztere ist so groß, daß, weil sie mit niedergeschlagenen Augen dasteht, und man ihr sagt, sie solle doch ihren Verlobten ansehen, sie erwidert, sie werde ihn schon sehen, wenn er einmal ihr Mann sei. Unter den Hochzeitsfeierlichkeiten ist besonders eine Tanzweise überaus schön, deren Worte alle Arbeiten des Landmanns vom Ackern bis zum Einernten schildern, wozu der Tanz das Darzustellende mit Gebärden ausdrückt.

So viele Frömmigkeit erweckt den Zorn der Hölle. Der Neid erscheint und regt die übrigen Arbeiter auf, Isidorn bei seinem Herrn zu verklagen, daß er über dem Gebet die Arbeit versäume. Don Yvan de Vargas, der Gutsherr, bewahrt seine charaktervolle Mäßigung, beschließt aber doch, sich Ueberzeugung zu verschaffen. Er findet wirklich Isidorn, der, statt zu arbeiten, betet, dagegen sieht er aber auch die Engel, die an seiner Statt das Feld bestellen. Zum Neid gesellt sich später auch der Teufel und endlich die Lüge, welche letztere Isidorn die Tugend seiner Frau verdächtig macht. Isidor ist Spanier genug, um eifersüchtig zu werden. Da er sich aber nach der Ermita verfügt, wo Maria dem Gebete obliegt, und diese, da ein Flüßchen sie trennt, ihren Mantel auf das Wasser breitet und darüber, wie über eine Brücke, in seine Arme eilt, erkennt er an diesem Wunder ihre Unschuld, wo denn wieder sehr hübsch ist, daß er bei dieser Aussöhnung seines Verdachtes nicht mit einem Worte erwähnt.

Nachdem das heilige Paar sich entfernt, erscheinen den versammelten Landleuten die Flußgötter Manzanares und Xarama, aus ihren Flußbeeten emporsteigend, und indem sie das Lob von Madrid anstimmen, sagen sie die künftigen Wunder Isidors voraus, sowie daß er nach fünfhundert Jahren werde heilig gesprochen werden. Endlich erscheinen der Teufel und der Neid, die uns sagen, daß Isidor inzwischen gestorben sei, und die vierzig Jahre vorübergehen machen, so daß man die Handlung um ebensoviel später in die Zeit König Heinrich II. versetzt findet. Ein Vorhang wird weggezogen, und man sieht den Heiligen auf einem Prachtbette ausgesetzt. Wunder geschehen. Namentlich an einem Domherrn, der dem Heiligen Haare abschneidet, und an der Königin, die gar einen Finger desselben als Reliquie mitnehmen will, und die sich beide nicht von der Stelle bewegen können, bis sie den frommen Raub zurückgestellt. Ueberhaupt sind Wunder durch das ganze Stück verstreut.


Achter Band

Despertar á quién duerme. Der Grundgedanke des Stückes sehr gut. Graf Anselmo von Barcelona besitzt das Land, nachdem die rechtmäßigen Herrn aus der Familie Moncada von seinen Vorfahren vertrieben worden sind. Obgleich Rugero, der letzte Sprößling der abgesetzten Herrscherfamilie, ruhig auf ein paar Hufen Landes lebt, die ihm geblieben, läßt dem Grafen Anselmo der Gedanke keine Ruhe, daß jener denn doch Absichten zur Wiedergewinnung des Landes hegen könne, und er zieht daher so viele Erkundigungen ein, sendet so oft Spione, ihn auszuforschen, daß in diesem endlich wirklich Pläne wach werden, auf die er früher nicht gedacht. Ja, als er ihn endlich gefangen setzen läßt, spricht er wieder seiner Tochter so viel von dem Prätendenten vor, vergrößert die Gefahr so sehr durch das Anpreisen seiner guten Eigenschaften, daß endlich diese neugierig wird, ihn zu sehen, und sich zuletzt gar in ihn verliebt. Despierta á quién duerme. Die Ausführung bleibt aber hinter dem Gedanken weit zurück, indem sie nichts als ein Abspinnen längst dagewesener und unbedeutender Ereignisse ist. Die Tochter des Grafen befreit den Gefangenen. Dieser findet eine Königin von Sizilien, die eben auf einem anderweitigen Kriegszuge begriffen ist. Sie setzt ihn auch wirklich mit Gewalt der Waffen in das Reich seiner Väter ein, und obwohl der Preis des Beistandes die Hand des neuen Grafen sein soll, so findet sich doch diese Heirat zuletzt unmöglich. Rugero hat nämlich die Hilfe als sein eigener Gesandter angesprochen, indes die Prinzessin Estela in Männerkleidern seine Rolle als wirklicher Thronbewerber spielt. Zwei Weiber können sich nicht heiraten. Die Königin von Sizilien ist daher mit einem gleichfalls zum Beistande gekommenen Herzog von Urgel zufrieden, indes Rugero die Grafschaft und die Hand Estelas erhält.

Eine einzige Scene erhebt sich über das Mittelmäßige. Als Estela Rugeron aus dem Gefängnisse befreit, bringt sie ihn als Diener verkleidet selbst ins Gebirge. Mit einer Umarmung von ihr Abschied nehmend, fühlt er, daß sie ein Weib sei. Sie gibt sich auch als solche, ja endlich als seine Muhme Estela zu erkennen, begehrt aber Achtung für ihr Geschlecht und die Einsamkeit des Ortes, worauf er sich denn auch bescheiden zurückzieht. Nun wird sie aber gar nicht fertig, Abschied von ihm zu nehmen, woraus man merkt, daß der Mißbrauch, den sie sich verbeten, ihr eigentlich nicht gar so unangenehm gewesen wäre. Als er endlich Anstalt macht, ihr zu folgen, meint sie, die Gelegenheit sei versäumt, und entfernt sich vollends. Auch hier ist ein despertar á quién duerme: das Sinnliche der Leidenschaft.

El anzuelo de Fenisa. Man muß annehmen, oder vielmehr es geht aus allen Lustspielen Lope de Vegas hervor, daß Gewinnsucht in den rohesten Formen das Charakteristische der Weiber seiner Zeit war, nicht bloß der absolut liederlichen; dieser letztern also umsomehr. Hier ist nun eine solche Buhlerin Fenisa, die in Palermo ihre Angel auswirft und sich schon ein hübsches Sümmchen erangelt hat. Ein junger Kaufmann aus Valencia, Namens Lucindo, begleitet von seinem Diener Tristan, ist mit einem reichbeladenen Schiffe angekommen und stößt im Hafen auf die dort nach Beute ausgehende Sirene. Trotz der Warnungen seines Dieners beißt er sogleich an den Köder, und es ist recht hübsch, wie er zufolge dieser Warnungen Geld, Kette, alles, was er Wertvolles hat, an den Diener abgibt und nun glaubt, ohne Gefahr ihr in ihre Wohnung folgen zu können. Fenisa, die das bemerkt, richtet sogleich danach die Lockspeise. Statt Geld zu fordern, gibt sie ihm kleine Beträge, beschenkt ihn mit Hemden, und Lucindo findet sich glücklich, nur um seiner selbst geliebt zu werden und aller Gefahr entronnen zu sein. Es soll aber bald anders kommen. Fenisa erhält einen Brief mit der Nachricht, daß ihr Bruder wegen 2000 Dukaten in Gefahr des Todes sei. Sie ist in Verzweiflung, kein bares Geld zu haben, erklärt sich aber bereit, Schmuck und Geschmeide für ein Darlehen zu verpfänden. Lucindo hat aber schon so angebissen und hält sich seiner Sache für so sicher, daß er das Geld ohne Pfand und Schrift hergibt. Kaum aber hat er das Geld gegeben, als er verspottet und abgewiesen wird, ja man stellt sogar den Empfang des Darlehens in Abrede. Mit Verwünschungen kehrt er nach Valencia zurück. Neben diesen Ereignissen spinnt sich aber eine zweite Intrigue fort. Unter den Anbetern Fenisas befindet sich auch ein Sevillaner Albano, der eine Geliebte, Dinarda, zu Hause zurückgelassen hat. Diese folgt ihm in Männerkleidern, und Fenisa hat das Unglück, sich in diesen weiblichen Mann zu verlieben, der, um sich vor den Zudringlichkeiten seiner Reisegefährten zu retten, die in ihm das Weib ahnen, ihr entgegenkommt und sogar die Aussicht auf eine Heirat als Köder braucht. Der Valencianer kann indes den Verlust seines Geldes nicht verschmerzen. Er kehrt nach Palermo zurück, deponiert im Zollamte, unter der Scheinangabe als reiche Waren, mit unbedeutenden Gegenständen gefüllte Kisten und begibt sich, wie ein von der alten Liebe noch Gefesselter zu Fenisa, die von seiner Ankunft und der reichen Ladung bereits Nachricht erhalten hat. Sie empfängt ihn auch mit der alten Zärtlichkeit, und da sich findet, daß seine Waren mit doppeltem Gewinn in späterer Zeit verkauft werden können, erbietet sie sich, jemand zu finden, der ihm gegen zwanzig Prozent 3000 Dukaten vorstrecken wolle. Sie gibt aber das Geld aus ihrem eigenen und empfängt dafür als Pfand die Schlüssel des zollämtlichen Verschlusses. Der Valencianer hat kaum das Geld empfangen, das er als sein eigenes samt Zinsen betrachtet, als er wieder nach Hause segelt. Da sich nun auch Dinarda als Weib zu erkennen gibt, so ist die Buhlerin vielfach betrogen: um ihr Geld, um den Bräutigam und um die Geschenke, die sie in der Freude ihres Herzens aus Anlaß der Heirat an mehrere gegeben hat.

Die Unbefangenheit von Lope de Vegas Geist gibt sich auch in diesem Stücke kund. Ein spanischer Hauptmann Osorio und mehrere spanische Soldaten lassen sich geradezu als Schreckmittel im Dienste der Buhlerin gebrauchen. Unter den Eigenschaften der Spanier wird geradezu die Prahlerei als charakteristisch aufgeführt. Ja, einmal werden sie als albern bezeichnet, da das Gold ihrer neuen Welt mehr den übrigen Nationen als ihnen selbst zu gute komme.

Übrigens das Ganze roh und wenig bedeutend.

Los locos por el cíelo. Offenbar eines der langweiligsten Stücke, das Lope de Vega oder sonst irgend ein Mensch jemals geschrieben. Der Titel schreibt sich von einer einzigen Scene her, in der die beiden zum Christentum bekehrten Geliebten sich als wahnsinnig stellen, um den Verfolgungen der Heiden zu entgehen, wenn nicht überhaupt ihre Selbstverleugnung und Leiden um des Glaubens willen als ein Wahnsinn im Sinne der Welt bezeichnet werden soll. Die Handlung selbst bilden die Begebenheiten einer heidnischen Priesterin Dona, die auf Befehl des Kaisers Maximinianus das Orakel des Apollo befrägt: Christo vive. Sie verfällt darauf in einen Schlaf, in dem ihr ein Engel erscheint, der ein Buch neben sich hinlegt. Es sind die Briefe des Apostels Paulus mit der aufgeschlagenen Stelle: Mortui enim estis et vita nostra abscondita est cum Christo in Deo. Sie reflektiert darüber, anfangs allein, dann mit ihrem Bräutigam Indes. Eine christliche Dame Agapes hilft ihr auf die rechte Spur, und sie und ihr Geliebter lassen sich taufen. Nun fangen die Verfolgungen an, die mit dem gewaltsamen Tode aller im Stücke vorkommenden christlichen Lehrer und Schüler endigen. Am besten die Scene, wo die Christen in ihrer heimlichen Versammlung ein Weinachtsschauspiel aufführen und, als nun die Heiden hereinbrechen, die Personen des Joseph und der Maria, wie in einer Fortsetzung ihrer Rolle, die bestürzten Zuseher zur Standhaftigkeit und Todesverachtung auffordern. Gleichsam eine Nobilitierung des Schauspiels und der Schauspieler im allgemeinen. Das Stück ist übrigens am Rande mit Citationen aus der heiligen Schrift bedeckt und enthält am Schlüsse die Klausel: Si quid dictum contra fidem et bonos mores, tanquam non dictum, et omnia sub correctione Sanctae Matris Ecclesiae.

El más galán Portugués, Duque de Verganza. Das jedenfalls nicht große Verdienst dieses Stückes besteht mehr in der Haltung der Personen, als in der Ausbildung und Bedeutsamkeit der Handlung. Der erste Akt hängt nach Lope de Vegas übler Gewohnheit mehr in Weise einer Vorbegebenheit mit dem Reste des Stückes zusammen, als daß darin der Keim und die Bedingung des Späteren enthalten wäre. Der Großprior von San Juan, auf einer Geschäftsreise in Portugal und von dem Herzog von Verganza gastfreundlich aufgenommen, läßt, nicht ohne Absicht, unter dem Kopfkissen seines Bettes das Porträt seiner Schwester Mayor zurück. Der Herzog verliebt sich auch nach Wunsch in das Bildnis und sucht den Gegenstand selbst in Kastilien auf. Nun haben zwar die zwei andern Brüder Mayors ihre Schwester dem Almirante von Aragonien zur Ehe versprochen, die Sache wird aber rückgängig gemacht, und der Herzog von Verganza (Braganza?) erhält die Hand seiner phantastisch Geliebten. Man könnte nun allenfalls annehmen, daß die Unglücksfälle des eigentlichen Stückes eine Art Strafe dieses Wortbruches in sich schlössen. Aber einerseits fällt es niemanden im Stücke ein, sich jenes Wortbruches nur noch zu erinnern, andererseits träfe die Strafe gerade diejenigen, die sich keines Treubruches schuldig gemacht haben, das Ehepaar nämlich; auch wäre die Strafe weder durch die Gleichheit des Übels, noch als Fortwirkung eines schuldbaren Charakterzuges mit der Verschuldung in einen kausalen Zusammenhang gebracht. Überhaupt muß man derlei weit her geholte Deutungen bei Lope de Vega nicht suchen, und ich schäme mich, bei seinen leichtblütigen Hervorbringungen auf derlei deutsche Grübeleien auch nur zu denken. Übrigens ist es da und mag für die Spekulanten den ersten Akt mit dem folgenden verbinden.

Das Glück der Ehe wird durch eine Lisarda gestört, die, von ihrem niederträchtigen Geliebten verlassen, ja mit dem Tode bedroht, in Männerkleidern als Page in des Herzogs Dienste tritt. Man muß annehmen, daß die Herzogin durch den spezifischen Geruch, den Lope de Vega bei einer andern Gelegenheit den beiden Geschlechtern zuschreibt, eine dunkle Vorstellung von der weiblichen Natur ihres Pagen erhalten habe, denn ihre Vertraulichkeit geht so weit, daß die Eifersucht des Herzogs halb und halb als gerechtfertigt erscheint. Die verhaltene Wut kommt endlich zum Ausbruch, und während der Herzog mit gezogenem Schwerte fruchtlos den Pagen verfolgt, entflieht die Herzogin an den Hof des Königs von Portugal. Ein Gericht wird angeordnet, die Verwandten der Herzogin kommen aus Kastilien herbei, es erfolgt eine Ausforderung, aber die Enthüllung von Lisardas weiblichem Geschlecht bringt alles ins Gleiche und das Stück zu Ende. Die Spanier nämlich, so haarspaltend in Bezug auf die männliche Ehre, kannten für die weibliche keine andere Verletzung, als die höchst körperliche. Sogar Lisarda heiratet zuletzt, wahrscheinlich auch zur Herstellung ihrer Ehre, ihren niederträchtigen Geliebten.

Wenn die Handlung nicht viel sagen will, so sind doch mehrere der Figuren des Stückes recht gut. Wie der Herzog von Braganza zu dem Beinamen el más galán Portugueés kommt, begreift man nicht wohl. Darin eine satirische Anspielung zu suchen, verbietet die allem Versteckten fremde Natur Lope de Vegas. Besser die Brüder Doña Mayors. Die innige Liebe des Großpriors zu seiner Schwester zeigt sich auf eine einfach sinnliche Art, indem er in dem Gespräch mit ihr immer ihren Vornamen Mayor im Munde führt, obgleich der wunderliche Namen Mayor etwa Lope de Vegan selber gefallen haben mag. Mayor ist ein vollkommenes Weib im spanischen Sinn. Gehorsam ihren Brüdern, wird sie doch durch das Lob, das der Großprior dem Herzog von Braganza spendet, aufmerksam gemacht und erkundigt sich um seinen Wuchs und seine sonstigen Eigenschaften, wo sie denn, obgleich die Braut eines andern, bis zur Äußerung geht: Glücklich, die ihn bekommt! In der Eifersuchtsscene mit dem Herzoge wird ihre Gestalt auf einmal wirklich und lebendig, indem sie sich, mit dem Tode bedroht, trotz ihrer Furcht doch nicht enthalten kann, ihrem Gatten zu sagen: ihre Brüder seien mehr wert, als er. Ebenso der König von Portugal, wenn er gegen den Schluß die Zeugen verhört und, obwohl ihm um die Wahrheit zu thun ist und er von der Unschuld der Herzogin überzeugt ist, er doch die Diener des Herzogs, die zu ihren Gunsten zeugen, hart anläßt und barsch behandelt, weil ihm zugleich leid thut, den Herzog verurteilen zu müssen, und er wohl auch einen Widerwillen empfindet, derlei niedres Volk gegenüber seinem Freund und Verwandten zu Wort kommen zu lassen. In solchen Naturzügen ist Lope de Vega unerreicht.

NB. Am Ende mag doch das gebrochene Wort den versteckten Zusammenhang des Ganzen ausmachen. Durchaus fehlerhaft. Denn, obgleich das Begriffsmäßige der Tod der Poesie ist, so muß doch der geistige Zusammenhang schon im Eindruck liegen und nicht erst hinterher herausgeklügelt werden.

Argel fingido y Renegado de amor. Das Stück fängt mit einem Dialog in jenen Klappversen an, die Lope de Vega so meisterhaft zu gebrauchen weiß, wo jeder einzelne Vers Rede und Gegenrede enthält und Schlag auf Schlag sich alles auf die Spitze getrieben findet. Es ist nämlich ein Rosardo in eine Florida verliebt, die ihn aber trotz seines Reichtums verschmäht und ihre Neigung seinem Nebenbuhler Leonido zugewendet hat. Das Liebespaar überwindet endlich den Einspruch von Floridas Bruder, Aureliano, welcher Einspruch zum Teile auch daher rührt, daß Leonidos Bruder, Manfredo, der begünstigte Liebhaber Flavias ist, des Gegenstandes von Aurelianos eigener Bewerbung. Mit einer, leider nur zu natürlichen Rücksichtslosigkeit opfert auch Leonido das Interesse seines Bruders seinem eigenen auf, entfernt letzteren unter einem Vorwand, und Aureliano, der nun Platz für seine Bewerbung hat, gibt die Einwilligung zur Heirat seiner Schwester. Der verschmähte Liebhaber Rosardo gerät darüber außer sich und erklärt seinen Entschluß, nach Algier zu gehen und als Renegat seine Feinde grimmig zu verfolgen. Er ist aber zu guter Christ, um derlei in Wirklichkeit zu thun. Wohl aber nimmt er mit seinen Leuten maurische Tracht an, zieht sich auf eine benachbarte wüste Insel zurück, und als erste Seeräuberthat nimmt er die beiden Weiber samt dem Bruder Aureliano auf einer Spazierfahrt im Meere gefangen. Er bedroht seine abtrünnige Geliebte mit den fürchterlichsten Dingen, welche seine Drohungen mit ebenso übertriebenen Beteuerungen zurückweist, wo denn Lope den richtigen Sinn hat, daß, obwohl Florida alles für Ernst hält, sie doch gerade durch die Übertreibung unwillkürlich in den Spaß mit eingeht. Leonido und sein inzwischen zurückgekommener Bruder Manfredo verkleiden sich als Mönche vom Orden zur Auslösung der Gefangenen und begeben sich nach der Insel, werden aber gleichfalls erkannt und gefangen. Es leitet sich nun eine wohlfeile Intrigue ein, daß nämlich Rosardo sich anstellt, als ob er seine Liebe von Florida auf Flavia gewendet, und von Leonido verlangt, daß er ihm einen Liebesbrief an Flavia schreibe. Diesen zeigt er Floridan und macht sie glauben, Leonido habe ihn im eigenen Namen an Flavia geschrieben. Ein guter Zug ist, daß, solange Leonido und Florida an die Liebe Rosardos zu Flavien glauben, sie letzterer auf alle Art zureden, den Korsaren zu erhören, und so bereit sind, Flavien ebenso ihrem eigenen Nutzen aufzuopfern, als früher Leonido mit seinem Bruder gethan hat. Sobald aber Florida die Witterung erhalt, daß ihr Leonido Flavien den Hof mache, so ist sie in aufbrausender Eifersucht auf der Stelle bereit, ihren Glauben abzuschwören, den Korsaren zu heiraten u. s. w. Zuletzt klären sich die Dinge auf. Die Gefangenen nehmen den Korsaren, den sie abseits treffen, ihrerseits gefangen, und alles erreicht sein natürliches Ende, ohne daß besonders viel Spaß oder Ernst herauskäme.

In jener Zeit, wo man täglich von Seeräubern und Sklaverei in trauriger Wirklichkeit hörte, mochte eine Art Parodie solcher Zustände einen angenehmen Eindruck machen.

El postrer Godo de España. Das ist nun ein Stück, von dem man, wenn man ihm auf neudeutsche Weise nachhelfen, oder vielmehr es als einen Kanevas für ein erst zu schreibendes Stück betrachten will, recht viel Gutes sagen könnte. Der historische Gang ist eingehalten. Der Kausalnexus der Ereignisse rundet sich zur Handlung. Dem poetischen Gerechtigkeitsgefühl geschieht Genüge. Nur ist aber alles, was einer Ausbreitung und psychologischen Vermittlung bedarf, so knapp und roh aneinandergefügt, daß das Ganze doch mehr eine enumeratio partium, oder vielmehr eine Zusammenfassung ohne vorhergegangene Entwicklung ist. Es ist nämlich die Geschichte der Eroberung Spaniens durch die Mauren. Die Tochter des Königs von Algier wird auf einer Spazierfahrt im Meere von den Spaniern gefangen. König Roderich verliebt sich in sie. Sie nimmt den christlichen Glauben an und wird sein Weib. Während der Tauf- und Trauungsfeierlichkeit kommt Graf Julian mit seiner Tochter an den Hof. Von der Trauung zurückkehrend, sieht König Roderich diese Tochter und verliebt sich ebenso augenblicklich in sie. Im zweiten Akte finden wir Florinden (die Cava) schon sich über Gewalt beklagend, die ihr der König angethan. Graf Julian, als Gesandter bei den Mauren, reizt diese auf die Nachricht von jener Schandthat zum Einfalle in Spanien an. Sie finden das Land unverteidigt und waffenlos. König Roderich fällt im Treffen. Den Grafen Julian befällt die Reue über seinen Verrat. Er macht seiner Verzweiflung gegen die Mauren Luft und wird von ihnen getötet. Die Cava stürzt sich vom Turme herab.

Der letzte Akt befaßt sich mit den Heldenthaten Pelayos, so daß dieses Stück, dessen Gegenstand die Niederlage Spaniens ist, mit dem Siegesgeschrei der Spanier endet, wodurch denn auch dem Nationalgefühl Genüge geschieht.

Alles dies – wobei ich noch zu berühren vergessen habe, daß das Stück eigentlich mit der Thronbesteigung und Krönung König Roderichs anfängt – alles dies in einen Topf geworfen, würde dem Geschmacke jedes Volkes unerträglich sein, wenn nicht diese Ereignisse den Spaniern so geläufig gewesen wären, daß es für sie einer Ausbreitung und weitläuftigen Vermittlung gar nicht bedurfte. Dadurch wird aber das Stück als dramatisches Kunstwerk nicht besser.

La prision sin culpa. Wenn man den Inhalt dieses Stückes aufzeichnen wollte, müßte man eigentlich das ganze Stück abschreiben. Da ist ein Hin- und Hergehen und Kommen, und die Personen werden zuletzt mehr an demselben Orte vereinigt, als daß sie derselben Absicht dienten. Ein D. Felix aus Toledo reist nach Amerika. Er ist zu Hause in eine Lucinda verliebt, an deren voller Gegenliebe er zwar zweifelt, denn, meint er, hätte sie ihn wahrhaft geliebt, so würde sie ihm auch körperlich zu Willen gewesen sein. Vor der Einschiffung in Sevilla übergibt er die Briefe und das Bild seiner Geliebten einem dortigen Freunde D. Carlos, um sich das Marternde der Erinnerung zu ersparen. Dieser hat nichts Schnelleres zu thun, als sich in das Bild zu verlieben. Er reist nach Toledo, macht der zurückgebliebenen Geliebten seines Freundes glauben, dieser sei auf der See verunglückt, und die Geliebte verliebt sich ebenso schnell in ihn. Da ihr aber eine gezwungene Heirat droht, beschließen sie, zu fliehen. In der Dunkelheit der Nacht nimmt sie einen Bedienten ihres Bräutigams für den Diener ihres Geliebten, vertraut ihm ihr Schmuckkästchen und entflieht, von ihm begleitet. Dieser beraubt und verläßt sie, so daß sie kaum so viel behält, um sich Knabenkleider anzuschaffen, in denen sie sich nach Sevilla begibt und als Page in die Dienste von Carlos' Schwester tritt, die eben auch verheiratet werden soll; indes Carlos selbst, die verlorne Geliebte überall suchend, noch immer abwesend ist. Endlich kommt D. Felix aus Amerika zurück und heiratet Carlos' Schwester, indes Carlos selbst seine und seines Schwagers Lucinde zur Frau bekömmt. Der Titel des Stückes rührt von einem gegen das Ende vorkommenden Incidenzfalle her, wo der spitzbübische Bediente, der Lucinden auf ihrer Flucht beraubt hat, eine von jenem Raube herrührende Kette verkaufen will, die D. Carlos als das Eigentum seiner Geliebten erkennt, wo denn der Reihe nach D. Carlos, D. Felix und selbst die als Page verkleidete Lucinde in den Verdacht des Diebstahls kommen und ins Gefängnis gebracht werden. Der Spaß hat aber eigentlich gar keinen Einfluß auf den Gang des Stückes.

Der erste Akt und der Anfang des zweiten übrigens sehr gut geschrieben.

El esclavo de Roma. Die Geschichte jenes Androkles, der einem Löwen den Dorn (hier eine Pfeilspitze) aus der Tatze zieht und dafür von demselben verschont wird, als er in der Arena ihm zum Zerreißen vorgeworfen wird; verbunden mit einer ganz absurden Liebesgeschichte. Das Beste der erste Akt; dann aber folgen Ereignisse, denen man noch zu viel Ehre anthut, wenn man sie als unwahrscheinlich bezeichnet.

La imperial de Oton. Da ist nun die Geschichte Ottokars von Böhmen und sein Kronenstreit mit Rudolf von Habsburg. Leider waren Lopen de Vega die Nebenumstände dieses in sich reichen Stoffes zu wenig bekannt, weshalb er sich zur Ausfüllung eigener Erfindungen bedient, die nicht von der besten Art sind. Da ist nun vor allem ein Gesandter des spanischen Bewerbers um die Kaiserkrone, D Juan de Toledo, und sein Liebesverhältnis zu einer Margarita, die im Personenverzeichnisse als eine Dama Alemana vorkommt, aber im Stücke sich als eine Spanierin zeigt. Dieses Verhältnis wird übrigens nach dem ersten Akte nicht mehr berührt. Lopes Einsicht in die Fehler seiner Nation zeigt sich übrigens auch hier. Dieser D. Juan ist ein lächerlicher Großsprecher, der übrigens durch persönliche Tapferkeit seinen Fehler zum Teile wieder gut macht. Die Hauptpersonen sind ganz historisch treu gehalten. Das Hauptverdienst Rudolfs von Habsburg ist, von Rechtens wegen, daß von ihm das Haus Östreich stammt, dem die damaligen Könige von Spanien ihren Ursprung verdankten. Eine Art Zauberer Merlin sagt ihm auch diese künftigen Dinge voraus. Seine Tapferkeit ist außer Zweifel, mit Treu und Glauben sieht es aber nicht gar gut aus, da jenes sagenhafte Zusammenstürzen des Zeltes während Ottokars Huldigung hier auf sein Geheiß geschieht, über welche Doppelzüngigkeit er sich in der Folge damit rechtfertigt, daß er Ottokarn keinen Eid geschworen und ihm nichts Schriftliches gegeben habe. Überhaupt ist etwas Fadenscheiniges in der ganzen Figur, welches die Meinung ausdrücken dürfte, welche die damaligen Spanier überhaupt von den Deutschen hatten. Die Majestät des Kaisertums, als der Gipfel aller menschlichen Größe, wird übrigens aufs lebhafteste urgiert.

Ottokar steht im Nachteile gegen seine stolze und heldenmütige Gattin, welche hier Etelfrida heißt, ohne gegenüber allen andern dadurch an persönlichem Wert zu verlieren. Seine erste Unterwerfung am Vorabende der Schlacht wird hier auf spanisch-phantastische Art dadurch motiviert, daß ihm eine schwarze Schattengestalt erscheint (man sollte fast meinen, seine eigenen Umrisse und Gebärden nachahmend), die das Schwert gegen ihn zückt, als er mit seinem auf sie losgeht. Er sieht darin ein Vorzeichen seines Todes und eine Bestätigung von den bereits früher in ihm wach gewordenen Gedanken über die Ungerechtigkeit seiner Sache. Er unterwirft sich. Da folgt die Scene mit dem zusammenbrechenden Zelte. Als er nach Hause kommt, verwehrt ihm Etelfrida den Eingang in seine Königsburg. Anfangs auf der Zinne erscheinend, dann mit einem Wurfspieß ins Thor tretend, überhäuft sie ihn mit Vorwürfen und Schmähungen, die sich in bildernden Antithesen überbieten. Er tritt ihr mit männlichem Zorn entgegen, beschließt aber doch im eigenen Gefühle der Schmach, einen solchen Zustand nicht zu ertragen. Er erneuert den Krieg. Als die Entscheidungsschlacht schon verloren ist, erscheint er allein auf der Bühne und ergeht sich, wie in jenem deutschen Stücke, in allgemein menschlichen Betrachtungen, in denen aber doch der Gedanke an seine Frau mit Vorwurf und Liebe vorherrscht. Hier finden und töten ihn gemeine Krieger, wobei die Schattengestalt aus dem zweiten Akte wieder erscheint und ihm von rückwärts die Arme hält.

Auch in der übrigen Haltung finden sich Ähnlichkeiten. Von vornherein die stolze Zuversicht auf den Ausschlag der Kaiserwahl, die Verachtung Rudolfs, als Grafen, gegenüber einem Könige, wogegen die bangen Ahnungen der hochmütigen Königin über den Ausgang schon des ersten Feldzuges recht glücklich und echt künstlerisch abstechen.

El vaquero de Moraña. Ein Graf von Saldaña wird von dem Könige von Leon eingekerkert, ja bei Gelegenheit sogar zur Hinrichtung bestimmt, wegen eines Liebesverhältnisses mit der Infantin Marina, das der König nicht billigt. Das Stück beginnt damit, daß der Graf von einem Freunde D. Juan aus dem Kerker befreit wird, indem dieser die Wachen durch einen betäubenden Trank vorübergehend verrückt macht. Die Infantin, die in ein Kloster eingesperrt ist, findet gleichzeitig Mittel, zu entkommen. Sie erreichen das Gebiet der Grafen von Kastilien und finden sich auf dem Landgute eines D. Fernando zusammen und treten unerkannt in die Dienste desselben, sie als Magd und er als Kuhhirt (vaquero). Daß sich die beiden Sprößlinge des Edelmannes, der Sohn in die Infantin, und die Tochter in den Grafen verlieben, versteht sich von selbst. Die Infantin ist überhaupt der Gegenstand der allseitigen Bewerbung, sogar der alte Edelmann stellt ihr nach und bedient sich sogar seiner Tochter als Gelegenheitsmacherin, was diese ganz natürlich findet. Endlich will er sie zu seinen Zwecken mit dem Tölpel Tirreno verheiraten, wozu dieser, obwohl er eine andere Geliebte hat, doch auch bereit wäre. Die Prinzessin selbst findet sich, nach Lopes Gewohnheit, in ihre Verkleidung so gut, daß sie Zweideutigkeiten anhört und Anstößigkeiten selber spricht, wofür sie sich freilich durch hochtrabende Oktaven entschädigt, wenn sie mit ihrem geliebten Grafen allein ist. So spinnt sich das Stück gut und schlimm durch Bewerbungs- und Eifersuchtsscenen fort. Endlich kommt der König von Leon auf die Vermutung, daß seine Verwandte und ihr Geliebter sich zu den Mauren nach Toledo geflüchtet haben, und er kündigt den letztem Krieg an, wobei er den Grafen von Kastilien als Bundesgenossen gewinnt. Im Lande desselben, zu Moraña, angekommen, findet er die Infantin Marina, die er in ihrer Verkleidung nicht erkennt (!) und sich gleichfalls in sie verliebt. Als zuletzt die Erkennungen erfolgen, erwacht die Verfolgungswut des Königs aufs neue. Der Graf von Kastilien tritt aber als Schützer und Vermittler ein, so daß alle nur irgend zu vereinigenden Paare vereinigt werden.

Angélica en el Catay. Dies ist das einzige aus allen Stücken Lope de Vegas, bei dem ihn sein dramatischer Takt verlassen hat. Alle übrigen, die Begebenheiten und Motive mögen noch so wunderlich, ja mitunter absurd sein, schlingen sich doch zuletzt in einen alles verbindenden und abschließenden Knoten zusammen, hier ist aber von einem solchen dramatischen Zusammenfassen keine Spur, und er hat lediglich Ariosts Abenteuer in Scene gesetzt; Angelika kommt zuletzt in ihr Königreich Catay und macht Medoron zu ihrem Gemahl und zum Könige des Landes, so daß ihre Begebenheiten allerdings als abgeschlossen erscheinen; aber ihre Persönlichkeit ist zu oberflächlich gehalten, als daß eine Charakterentwicklung von ihrer Seite sich als der Mittelpunkt des Ganzen darstellte, sowie Medoros Unbedeutendheit sich nicht einmal, selbst als solche, in einen hervortretenden Kontrast gegen die übrigen Bewerber setzte. Zugleich schweben alle andern Figuren beim Schlusse in der Luft, Reynaldos ist abhanden gekommen. Roldan ist wahnsinnig geworden und wird bei seinem letzten Erscheinen eben als Wahnsinniger eingefangen. Nicht einmal die von allen Umworbene ist Angelika, denn Rodomonte und Mandricardo streiten ebenso heftig um eine Doralize. Die Begebenheiten Zerbins und Isabellens stehen kaum in einer oberflächlichen Verbindung mit dem übrigen. Das alles ist in einem wenig bedeutenden Stücke ziemlich gleichgültig und nur darum zu bemerken, weil Lope de Vega einmal seinem glücklichen Naturell untreu geworden ist. Das fin de la Comedia am Schlusse des Stückes überrascht, als ob man im Traume einen Fall gethan hatte.

Die abenteuerliche Haltung, die Großsprechereien der Helden, in denen manchmal sogar ein Bewußtsein des Lächerlichen durchschimmert, und die Liebesscene zwischen Angelika und Medoro übrigens recht gut.

El niño inocente de la Guardia. Ein eigentlich abscheuliches Stück, da, wenn auch nicht gerade sein Zweck, doch die notwendige Folge eine Steigerung des Hasses gegen die Juden sein mußte. In dieser Abscheulichkeit erreicht übrigens Lope de Vega lange nicht seinen Zeitgenossen Calderon, bei dem Aberglaube und Vorurteil meistens den Anstoß zur Begeisterung darbieten. Der Inhalt des vorliegenden Stückes ist der Martertod eines Kindes, das die Juden, um sich an den Christen zu rächen, in scheußlicher Nachahmung die ganze Leidensgeschichte Christi durchgehen lassen. Den Anfang machen die christlichen Könige Ferdinand und Isabella, die, nach Anpreisung der Inquisition, ihr frommes Werk durch die Vertreibung der Juden zu krönen beschließen. Letztere beschicken einen Magier in Frankreich, der ihnen auch ein Zaubermittel anrät, das in einer geweihten Hostie und dem Herzen eines unschuldigen Kindes besteht, welche, beide vereinigt und in einen Fluß versenkt, alle daraus Trinkenden vergiften werde. Die Abgesandten, um das Mittel zu prüfen, handeln einem französischen Vater sein Kind ab, der sie aber täuscht und ihnen das Herz eines Schweines überantwortet, so daß bei der Probe, statt aller Christen, alle Schweine sterben. Nach Spanien zurückgekommen, beschließen sie daher, sich auf niemand Fremden zu verlassen, sondern stehlen selbst ein Christenkind, das sie unter fortwährenden Mißhandlungen bis zum Osterfeste aufbewahren. Nun fügen sie ihm – wobei die Blasphemie eigentlich auf den Autor und die Zuseher fällt – alle Unbilden und Qualen zu, die die Leidensgeschichte Christi ausmachen. Sie teilen sich in die biblischen Personen. Einer ist Kaiphas, der andere Pilatus; nur Judas kommt mit seiner Rolle zu kurz, da er statt der dreißig Silberlinge, die er verlangt, nur drei erhält. Das Kind benimmt sich ganz wie Christus, spricht auch in den entscheidenden Momenten dieselben Worte wie dieser. Zur Rechtfertigung dieses bei einem Kinde Unglaublichen wird etwas Unmögliches herbeigebracht. Es erscheinen nämlich der Verstand (offenbar der des Kindes) und die Vernunft. Der Verstand wundert sich selbst, mit Aufzählung aller scholastischen Erfordernisse des Verstehens, über seine frühzeitige Ausbildung in dem unmündigen Kinde, wird aber von der Vernunft belehrt, daß durch die Liebe Gottes die Vernunft der Zeit vorauseile und durch den dem Heilande nachgeahmten Tod der Verstand jene Reife erhalte, die dem Alter Christi zur Zeit seines Todes entspricht, nämlich die von dreiunddreißig Jahren. So wird das Kind endlich gekreuzigt und stirbt. Die Vernunft sagt die Strafe der Juden voraus, und damit auch die Auferstehung nicht fehle, fliegt das Kind zuletzt in einer Maschine in die Luft.

Der Umstand, daß Lope das Niño de la Guardia in der Zahl der Heiligen und Märtyrer vorfand, und also mit dem Ganzen vor allem die Verherrlichung eines Schutzpatrones gemeint war, mildert etwas die Atrocität der Unternehmung.


Neunter Band

La prueva de los ingenios. Ein Herzog Alexandro (von Mantua, glaub' ich) hat ein Liebesverhältnis mit Florela, einem durch Wissen und Geist ausgezeichneten Frauenzimmer, von, wenn nicht niedriger, doch keineswegs ausgezeichneter Herkunft. Er aber, der nach einer standesmäßigen und politisch vorteilhaften Heirat strebt, setzt sich in Bewerbung um die Tochter und Erbin des Herzogs von Ferrara, um die aus gleichem Grunde ein Infant von Aragonien und ein Prinz von Urbino in die Schranken treten. Florela beschließt, die Heirat zu stören, und begibt sich unter dem Namen Diana in die Dienste der vielumworbenen Prinzessin Laura. Sie weiß sich in ihre Gunst zu setzen, und dieser einmal sicher, gibt sie sich wunderlicherweise für einen Mann aus und spielt die Rolle des begünstigten Liebhabers. Aus dieser, wie gesagt, höchst wunderlichen Situation ist nicht einmal aller Vorteil gezogen, der sich im Interesse der Romantik daraus ziehen ließ. Die Zweifel, die der Prinzessin über das Geschlecht ihrer Sekretärin aufsteigen, haben nun zur Folge, daß sie dieselbe von einer ihrer Damen im Schlafe überraschen läßt, wo aber diese in ihrer Untersuchung nicht weiter kommt, als auf die Füße, deren blendende Weiße aber ebenso gut einem Weibe als einem Manne angehören kann. Florela erreicht aber wenigstens so viel, daß Laura gegen die Vorzüge Alexandros und ihrer übrigen Bewerber unempfindlich bleibt, ja wünscht, ihrer Bewerbungen enthoben zu sein. Es werden daher unter dem Vorwande, keinen der Freier zurücksetzen zu wollen, Proben des Geistes festgesetzt, denen sich jeder unterziehen und demnach mit der Sekretärin über eine philosophische Frage disputieren und zuletzt noch den Weg in einem eigens zu diesem Zwecke erbauten Labyrinthe bis zum Mittelpunkt finden soll, wo die Prinzessin als Preis des Sieges sich befinden werde. Die Disputation ist über die Vollkommenheit des Weibes und wird in allen Feinheiten der damaligen Hegelschen Philosophie, mit nego majorem, minorem concedo, distinguo, von Florela und den Freiern durchgeführt. Der Unsinn ist von beiden Seiten gleich groß, und man merkt nur aus dem Verstummen der Freier, daß Florela den Sieg davongetragen hat, sowie der ganze Verlauf den Beweis gibt, daß Lope mit Nutzen die unnützen Wissenschaften studiert hat. Um den Weg ins Labyrinth zu finden, hat der Infant von Spanien sein Vertrauen auf einen Knäuel Faden gesetzt, der ihm aber zerreißt. Alexandro hat auf den Rat seines Dieners Kisten mit angeblichen Geschenken ins Labyrinth bringen lassen, in denen aber Zunder und Schwefel nebst Lebensmitteln sich befinden, um den Weg zu erhellen und, wenn die Probe zu lange dauern sollte, nicht zu verhungern. Diese Kisten werden aber auf Florelas Rat geöffnet, die List entdeckt und die Kisten beseitigt. Nur der Prinz von Urbino hat Feuerzeug in dem Griff seines Schwertes verborgen. Er erreicht den Mittelpunkt und erhält die Prinzessin. Alexandro merkt, daß Florela alles aus Liebe zu ihm gethan, und, die vornehme Braut verloren, heiratet er die Verlassene, Auch die Prinzessin gibt sich zufrieden, nachdem sie das wahre Geschlecht ihrer Sekretärin erfahren.

La donzella Teodor. Die Begebenheiten eines gelehrten Mädchens, Tochter des Maestro Leonardo, der Schule hält, wobei er sich seiner Tochter als Unterlehrers bedient. Sie doziert und disputiert auch gleich anfangs nach allen Formen der Dialektik und Scholastik. Einer der Schüler, Don Felix, verliebt sich in sie. Der Vater hat sie aber seinem Freunde, dem alten Catedratico Floresto, zum Weibe bestimmt, der sie auch abzuholen kommt und davonführt, wobei sie aber von Don Felix mit seinem Diener Padilla und einem Freunde Leonelo überfallen werden, welche die Braut als Beute mit sich führen. Es hat aber der König von Oran, von der Vortrefflichkeit der Christennatur überzeugt, beschlossen, seinen Neffen und Thronfolger Celindo mit einer Spanierin zu vermählen, und deshalb Schiffe auf den Mädchenraub ausgesendet. Diesen fallen die Flüchtlinge in die Hände und werden als Sklaven nach Oran geführt. Teils weil Teodor sich taub und blödsinnig stellt, teils weil eine seiner Nichten dem Könige Verdacht gegen seinen Neffen Celindo einzuflößen versteht, ändert der König seinen Plan und beschließt, um doch Christenblut in sein Haus zu bekommen, jene Nichte mit Don Felix zu vermählen. Dieser willigt auch zum Scheine ein, begehrt aber als erste Gunst, daß Teodor nach Spanien zurückgesendet werde, in der Absicht, ihr baldmöglichst selbst zu folgen. Auch diesen Plan wittert die maurische Prinzessin, und Teodor wird, statt nach Spanien, nach Konstantinopel geführt und dort als Sklavin ausgeboten. Dort findet sie der maurische Prinz Celindo, den man in verräterischer Absicht gleichfalls nach Konstantinopel gesendet hat, und kauft sie los. Teodor, die das Ganze einem Wortbruch ihres Liebhabers Don Felix zuschreibt, begibt sich in den Schutz eines Griechen, Finardo, um mit ihm nach Hause zu kehren. Sie leiden aber Schiffbruch, wobei der Grieche sein ganzes Vermögen verliert. Zum Ersatz fordert sie ihn auf, sie für 10 000 Dukaten an den Hof des Schahs von Persien zu verkaufen, der ein großer Freund von Gelehrten ist. Unterdessen hat der türkische Kaiser den Spanier Don Felix vom Könige von Oran als Feldherrn gegen die Perser begehrt. Dieser beschließt vielmehr, die kriegführenden Parteien zu versöhnen, und begibt sich deshalb an den Hof des Schahs von Persien, wo er eben zurecht kommt, um einer gelehrten Disputation beizuwohnen, die der Schah angestellt hat, um sich von dem Wissen seiner teuer erkauften Sklavin zu überzeugen. Ebendaselbst haben sich auch Teodors Vater und ihr verabscheuter Bräutigam Floresto, ihre Spur verfolgend, eingefunden. Die Disputation geht geradezu in der Form eines Rätselspieles vor sich. Teodor besiegt alle Gegner und erhält zum Schluß ihren gerechtfertigten Don Felix, wobei auch dessen Begleiter mit Heiraten nicht übersehen werden.

Das Stück hat nichts von dem schreienden Nonsens anderer Produktionen Lope de Vegas, dafür aber auch nichts von seinen sonstigen einzelnen Schönheiten. Es mochte sich ansehen, wie man ein Märchen erzählen hört. Die Personen sind nicht übel gehalten, und die gelehrte Teodor nimmt sich ganz gut aus.

El Amete de Toledo. Ein abscheuliches und, in seiner Art, wieder vortreffliches Stück. Dem Ganzen ist zu Grunde gelegt, daß die Mauren den Johann den Täufer der Christen ebenso hoch halten, als diese. Der Anfang spielt daher auch in der Johannisnacht. Nachdem D. Juan Castelvi, ein Malteser (deren Schutzpatron Johann der Täufer ist), von seiner Geliebten in Valencia Abschied genommen, weil er zu einem Kreuzzuge einberufen worden ist, werden wir nach Oran versetzt, wo eine Gesellschaft von Mauren dieselbe Nacht feiert. Eine Art Wahrsagerin läßt jedem in einem geheimnisvollen Buche sein künftiges Schicksal in Zeichen ausgedrückt lesen. Hamet, der mit seiner Geliebten Argelina sich unter ihnen befindet, sieht auf seinem Blatte einen Galgen, Feuer, Ketten und eine Menge Johanniskreuze, die gegen Himmel steigen. Die Wahrsagerin macht ihm glauben, er werde viele Sklaven von den Maltesern erbeuten. Zugleich kommt die Meldung, daß ein reiches Christenschiff im Angesicht der Küste sei, und er macht sich, von seiner Geliebten begleitet, auf, um es zu kapern. Statt dessen stößt er auf Malteser Galeeren und wird selbst gefangen. D. Juan de Castelvi sendet durch seinen Diener Beltran das maurische Liebespaar nach Valencia, der Gebieterin seines Herzens zum Geschenk. Diese, Unordnung im Hause besorgend, behält die Maurin, läßt aber den Mauren weiter verkaufen. Erste Verzweiflung, von seiner Geliebten getrennt zu sein. Er wird von einem D. Martin erhandelt, dem er sich aber bald furchtbar macht durch seine ungeheure Körperstärke, indem er im Ringen jeden Gegner besiegt, einen entkommenen Stier bei den Hörnern festhält. Endlich, als er, während sein Herr schläft, dessen Schwert aus der Scheide zieht, vorderhand noch ohne böse Absicht, fühlt sich dieser veranlaßt, ihn auch seinerseits zu verkaufen. So kommt er nach Toledo ins Haus eines D. Gaspar de Suarez, der nur kurz erst seine Muhme geheiratet und mit ihr in einer wahren Taubenehe lebt. Nichts ist lieblicher, als die Art, wie sie ihre Empfindungen austauschen, und ihr Verhältnis erhält einen eigentümlichen Anstrich dadurch, daß in das Eheband auch das Band der Verwandtschaft mit hineinspielt. Auch hier macht der Sklave keinen guten Eindruck auf die Frau, indes der Mann sich der ungeheuren Körperkraft und Tüchtigkeit Hamets erfreut. Auch Beltran, der Diener des Maltesers D. Juan, nimmt Dienste in demselben Hause, da er das für den Sklaven gelöste Geld verspielt hat und sich daher nicht mehr zu seinem Herrn zurückgetraut. Hamets edle Natur hat sich durch so viele Unglücksfälle auf die wildeste Art verhärtet. Er mißhandelt eine Magd des Hauses und nimmt ihr ihr Essen weg. Der Hausherr, darüber erzürnt, straft ihn mit Stockschlägen. Nun ist das Maß voll. Ein edler Maure auf die verächtlichste Art behandelt! Er sinnt Rache. Während D. Gaspar nach Wache geht, um den Sklaven zu binden, schließt dieser das Hausthor. Während man das Thor einbrechen will, hört man von innen die Stimme der zurückgebliebenen Hausfrau und ihrer Magd, um Hilfe rufend. Das Thor wird gesprengt, und Doña Leonor liegt in ihrem Blute. Hamet entkommt, nachdem er vorher den spitzbübischen Beltran schwer verwundet hat. Er durchschwimmt den Tajo und entgeht dadurch der Verfolgung. Auf dem Wege tötet er einen Müller, der ihn erkennt. Er kommt zu ganz fremden Landleuten, hält aber alle ihre unbefangenen Reden für Anspielungen auf ihn und seine That und tötet und verwundet auch hier, wer ihm vorkömmt, so daß des Guten doch eigentlich zu viel wird, bis endlich ein Alkalde mit Begleitung, worunter ein Fechtmeister, seiner Herr wird und ihn, schwer verwundet, einfängt. Seine Strafe soll nun natürlich eine außerordentliche sein. Mit Zangen gezwickt, gebrannt, die Hände und Füße abgehauen und so an den Galgen geheftet. Das alles geschieht nicht ansichtlich, aber man sieht ihn, noch lebend, in diesem entsetzlichen Zustande. Ein Mönch versucht alles mögliche, ihn zum Christenglauben zu bewegen, er verharrt aber im verstockten Stillschweigen. Nachdem die Vorstellung von Gott, Christus, den Aposteln fruchtlos gewesen, fordert er ihn endlich im Namen Johann des Täufers auf. Da bricht der Maure sein Schweigen, begehrt die Taufe und will Johannes geheißen werden. Er wird getauft und stirbt, indem er Jesus, Maria und Johann den Täufer anruft.

Dieses, wie gesagt, greuliche Zeug, wird durch die

lebensvolle Individualisierung aller, selbst der Nebenpersonen, zu einer Art künstlerischen Geltung gebracht. Das fromme Ehepaar, der leichtfertige Beltran, ja selbst die Bäuerinnen, die in ihrem Sonntagsstaat zur Hinrichtung, wie zu einem Feste gehen, das alles lebt und bewegt sich. Ja, selbst eine Art Vergeltung geht durch das ganze Stück: Hamet, der der Wahrsagerin zu seinem Schaden glaubte. Der untreue Beltran, der schwer verwundet wird und bei der Hinrichtung mit verbundenem Kopfe erscheint. Ja, selbst über D. Gaspar und seiner Gattin dürfte vielleicht ein leiser Tadel schweben, daß sie als Nahverwandte eine Ehe eingegangen haben. Lope de Vega erwähnt derlei nicht, aber die Dinge sind da und erweisen sich selbst. Warum denn sonst hätte er sie zu Vetter und Muhme gemacht?

D. Juan Castelvi, der das Stück eröffnet, verschwindet im Verfolge, indes es doch leicht war, ihn allenfalls bei der Zustandebringung des Mörders noch einmal vor die Augen zu bringen.

NB. Was das Verhältnis von Vetter und Muhme betrifft, so könnte ja sein, daß sie's wirklich waren, da das Stück offenbar auf einer wahren Begebenheit beruht. Man muß mit Deutungen nicht zu freigebig sein.

El ausente en el lugar. Dies Stück ist ein kleiner Edelstein. Nicht als wäre es als Lustspiel gar so vortrefflich, dazu ist der Inhalt denn doch zu unbedeutend; aber daß dieser Inhalt, aus Schaum und Nichts gebildet, mit der gewandtesten Kunst, oder vielmehr der glücklichsten Natur, sich in volle drei Akte auseinander legt, so daß die Zuseher, wenigstens die damaligen, keinen Augenblick aus dem Zug der Begebenheiten herauskamen, das ist das wahrhaft Meisterliche an diesem artigen kleinen Ding. Zwei Frauenzimmer mit ihren Zofen und Ehrendienern (von denen der eine Dichter aus Hunger ist, welche Qualifikation er bis ans Ende bewahrt) machen Bekanntschaft auf dem Wege aus der Kirche. Sie plaudern von allem: von Schönheitsmitteln, von ihren Liebhabern, und die eine, Laurencia, verspricht der andern, Elisa, ihr ihren Liebhaber Feliciano zum Scheine mit einem Briefchen zuzusenden, damit sie dessen Bekanntschaft mache. Feliciano stellt sich ein, findet Wohlgefallen an der Freundin seiner Geliebten, wird aber von Elisas Vater und Bruder überrascht, die durch den Besuch die Ehre ihrer Tochter und Schwester bloßgestellt finden und zur Genugthuung auf eine Heirat dringen. Feliciano, der nicht überflüssigen Mut und eine Beimischung von Eigennutz hat, fügt sich dem Unvermeidlichen und ist nun Elisas Bräutigam. Laurencia, von dem Treulosen selbst in Kenntnis gesetzt, beschließt, echt spanisch sich zu rächen, und läßt Elisas Liebhaber Carlos zu sich bitten, unter dem Vorwande, daß sie ihn als einen Erfahrnen in der Astrologie rühmen gehört und sich von ihm wahrsagen lassen wolle. Er erscheint, macht das Kreuz über ihre Hand, küßt dieses Kreuz und somit die Hand, und Wohlgefallen und Rachbegier spielen auch bei ihm ihr natürliches Spiel. Carlos stellt sich an, nach Flandern in den Krieg gehen zu wollen, und begibt sich zu Elisas Vater, um von ihm Wechsel dahin einzuhandeln. Er findet die ganze Familie mit dem Bräutigam Feliciano beisammen. Der Vater muß ihm gestehen, daß seine Vermögenszustände herabgekommen seien, und er keine Verbindungen mit Flandern mehr habe. Unter dem Bilde eines treulos gewordenen Freundes erzählt er das Unglück seiner Liebe, und Elisa ist außer sich. Unterdessen hat aber auch Feliciano seine Treulosigkeit bereut. Da die Kontrakte schon geschlossen sind, nimmt er die Geringfügigkeit der Mitgift zum Vorwande und begehrt statt der versprochenen 6000 Dukaten 10 000. Er glaubt sich nunmehr schon frei, aber Elisas Bruder Otavio, der die Heirat um so mehr wünscht, als er selbst in Laurencia verliebt ist, erklärt, auf seinen Teil der Erbschaft Verzicht zu leisten, ja Elisa dringt selbst auf die Heirat, da sie ihre Ehre für gefährdet hält, wenn ihr Bräutigam etwa gar in der Meinung der Welt wegen eines entdeckten Fehlers selbst zurückträte. Unterdessen hatte Carlos, der für abwesend gilt, vorgeblich als sein eigener Bedienter, mit Elisa nachts am Fenster eine Zweisprache gehalten, an deren Schluß er aus der Verstellung herausfällt und Elisas Bild samt ihren Briefen vor ihrem Angesicht zerreißt, was aber nur Spielkarten sind, die ihm sein Bedienter heimlich zugesteckt. Eine sehr komische Scene ist, wie Elisa, des Skandals wegen, Zofe und Diener herabschickt, um die zerrissenen Trümmer aufzulesen, und sie nun nichts als Spielkarten finden.

Feliciano ist in seinem eigenen Netze gefangen, die Bedingung der vermehrten Aussteuer ist erfüllt, und es kommt zur Verlobung, zu der sich unter den übrigen Gästen auch Carlos und Laurencia vermummt einfinden. Hier tritt nun Elisas eigentliche Absicht hervor. Sie wollte nicht von ihrem Bräutigam aufgegeben sein, aber feierlich um ihr Ja befragt, spricht sie ein festes und bestimmtes Nein aus. Daß nun Carlos in seine alten Rechte tritt, versteht sich von selbst, Laurencia aber, statt zu Feliciano zurückzukehren, wählt Elisas Bruder Otavio, wodurch denn natürlich alle Einwendungen gegen seiner Schwester Heirat hinwegfallen.

Das alles ist nicht viel, aber die Ausführung ist im höchsten Grade lebendig und anziehend.

La niña de plata. Ein bis auf eine einzige Scene sehr gutes Stück, nur leider ist diese einzige schwache die Hauptscene der Handlung. Dorotea, ein wunderschönes, aber armes Mädchen in Sevilla, wegen ihrer Körper- und Geistesvorzüge das Silbermädchen genannt. D. Juan, der Sohn eines Veinticuatro von Sevilla, liebt sie gegen den Willen seines Vaters, der ihn zu einer andern, reichen Heirat zwingen will. Da kommt der König Don Pedro (später der Grausame) mit seinen beiden Brüdern Enrique und dem Meister von Santiago in die Stadt. Enrique wird von der Schönheit des Mädchens getroffen, die von ihrem Balkon dem Einzuge zuschaut. Er sieht sie wieder im Alcazar, wohin sie gleich andern Einwohnern von Sevilla als Zuseherin der Feste kommt; ihr Geist bezaubert ihn nicht weniger, als ihre Gestalt, und er beschließt sie zu besitzen. Unter dem Vorwande eines Pferdehandels läßt er ihren Bruder Don Felix kommen und nimmt diesen in seine Dienste. Als erster Versuch einer Annäherung tritt er bei einem Gange durch die Stadt mit dem Könige und dem Ordensmeister bei Dorotea ein, um ein Glas Wasser zu begehren. D. Juan, der eben gegenwärtig war und sich bei der Ankunft der königlichen Personen versteckt hat, ist Zeuge der Unterredung und bricht nun in eifersüchtige Wut aus, die Doroteen so unbegründet vorkommt, daß sie es als Scherz aufnimmt und in gleichem Tone erwidert, was ihn bis zum Bruch des Verhältnisses aufstachelt, um so mehr, als die drei königlichen Brüder Doroteen Geschenke von Wert zurückgelassen haben.

Im zweiten Akte finden wir den Bruder Doroteens, D. Felix, mit seiner Geliebten Marcela, einer Art Courtisane, die eben eine Wohnung sucht. D. Felix bietet ihr seine eigene an, die Dorotea verlassen will, um sich den Besuchen des Infanten zu entziehen. Der Antrag wird angenommen, und es tritt ein Wohnungstausch ein, welcher die Verwicklung des Stückes bildet. D. Juan, noch ganz aufgebracht, erhält einen Brief von Doroteen, begleitet von einem Kästchen, von dem er glaubt, daß sie ihm seine früheren Geschenke zurücksende, in dem sich aber bei der Eröffnung die Gaben der drei Prinzen befinden, mit einem Sonett, das Liebe und Unterwürfigkeit zugleich ausdrückt. Schon ist er überwunden, als sein Diener ihm anzeigt, daß in Doroteas Wohnung kostbares Hausgeräte geschafft werde, was er, der von dem Wohnungstausche nichts weiß, für Geschenke des Infanten nimmt, indes es nichts als die Einrichtung der neuen Mieterin Marcella ist. Aber auch der König, der sieht, daß die Leidenschaft an der Gesundheit, ja dem Leben seines Bruders zehrt, schickt einen Kämmerer in das Haus Doroteas, um sie durch Gold zu bewegen, dem Infanten zu Willen zu sein, welche Botschaft natürlich an die neue Bewohnerin Marcela gelangt, der es auf eine solche Willfährigkeit nicht sehr ankommt. Zugleich aber sendet er einen maurischen Arzt oder Sterndeuter, der eben angekommen ist, zu seinem Bruder, um ihm auch ärztlich beizustehen. Don Juan ist mittlerweile Zeuge, wie Marcela, die er, als aus deren Hause kommend, für Dorotea halten muß, dem Abgesandten des Königs Folge leistet. Er beschließt sich zu rächen und seine Liebe Marcelan zuzuwenden. Er tritt unter ihren Balkon und spricht, statt ihrer, Doroteen an, der er auch mittels eines herabgelassenen Bandes die an ihn gelangten Gaben des Infanten als Liebespfand zusendet.

Nun kommt eine der Großartigkeiten Lope de Vegas. Der maurische Arzt hat sich nicht auf Arzeneien beschränkt, sondern er gibt dem Infanten auch ein Papier, das eine Prophezeiung seiner ganzen Zukunft in astrologischer Bestimmung enthält. Zuerst sagt er ihm, er werde seiner Liebe nicht teilhaftig werden, dann aber auch: der König werde des Infanten Mutter und Bruder töten, selbst aber von Enrique getötet werden und darauf dieser als König in Spanien regieren, was alles dem Infanten unglaublich vorkommt, um so mehr, als eben Dorotea angesagt wird und die Falschheit des ersten Punktes der Prophezeiung die Richtigkeit der übrigen nur zu sehr in Zweifel stellt. Als aber die vorgebliche Dorotea eingeführt wird, ist es Marcela, die der Prinz mit Verachtung von sich weist. Da der Prinz nun seiner Liebe nicht genießt, so schwebt die wahr gewordene Prophezeiung wie ein großartiger Hintergrund über dem Rest des Stückes und knüpft die Gegenwart an eine Ferne, die in der Brust jedes Spaniers vaterländische Empfindungen anregen mußte.

Hierauf gewinnt der Prinz die Tante Doroteas mit Geld, die ihm die Schlüssel des Hauses einhändigt. Er begibt sich zu Nacht in Doroteas Schlafzimmer, wo wir sie halb entkleidet im Nachtgewande mit ihm finden. Sie beschwört ihn jedoch, sie zu schonen, erzählt ihm ihre Liebe zu D. Juan, sowie die Hindernisse dieser Liebe durch den Geiz des Vaters, und der Prinz – verschont sie. Diese Scene ist schwach, nicht allein dem Ausdrucke nach, sondern auch, weil der Prinz nichts erfährt, als was er ohnehin schon wußte: daß Dorotea tugendhaft ist und daß sie – was er sich wohl denken konnte – schon einen andern Liebhaber hat. Nichtsdestoweniger liegt darin die Entwicklung des Stückes. Der Prinz beschließt, das tugendhafte Mädchen glücklich zu machen. Er gibt ihr eine Aussteuer, versichert dem Veinticuatro ein Ordenskreuz von Santiago, und dieser ist bereit, die Heirat Doroteas mit seinem Sohne zuzugeben. D. Juan aber, der von dem nächtlichen Besuch des Prinzen Kunde bekommen hat, sieht darin nur seine Schande und schlägt Doroteas Hand aus. Das Ehrenwort des Prinzen, daß er sie nicht berührt, gleicht zuletzt alles aus, und das Paar wird vereinigt. Auch Don Felix erhält die Hand seiner mehr als zweideutigen Geliebten Marcela. Aber so will es die spanische Theatersitte: auf jeden Topf ein Deckel.

In diesem Stücke kommt auch das berühmt gewordene Sonett vor, das der Bediente Chacon vorbringt: Un soneto me manda hacer Violante, dessen ganzer Inhalt nichts ist, als der Versuch, ein Sonett zu machen, und das Gelingen von Vers zu Vers.

El animal de Ungria. In diesem Stücke wird eben auch wieder der Einfluß Calderons fühlbar. Ohne Zweifel sind die in Felle gekleideten Wilden eine Erfindung dieses letztern. Wenn nun bei Calderon häufig ein solcher Wilder vorkommt, so sind hier zwei und noch dazu Weiber. Auch polemisiert Lope in einer Nebenscene, wo er sich als poetischen Barbier Pablos einführt, gegen die neue spekulative Poesie. Er erklärt, keine Autos machen zu wollen, überhaupt habe er sich immer nur mit menschlichen Dingen auf menschliche Art befaßt, und wenn jeder Tropf ihn tadle, wolle er lieber die ganze Poesie an den Nagel hängen. Er läßt sich bereit finden, auf der Stelle 1000 Sonette auf den König zu verfertigen, indes die andern, wenn man von ihnen ein Sonett für Weihnachten begehrt, damit erst auf Johannis fertig werden.

Faltales el natural
que da cielo, á quién el quiere.

Armer Lope! Deine allerdings zu natürliche Naturgabe sank im Wert, als einmal das Überkünstliche sich Platz gemacht hatte.

Das Stück selbst mochte seinen Zeitgenossen wohl behagen. Eine Königin, die, von ihrer Schwester verdrängt, unter wilden Tieren lebt und selbst für ein solches gilt. Sie findet diese ihre Schwester und Nachfolgerin auf dem Thron und in der Ehe, wie sie bei Gelegenheit einer Jagd von Geburtswehen überfallen wird, und raubt das neugeborne Mädchen, das sie nun in der Wildnis gleich wild erzieht. Aber auch ein Knabe, der illegitime Sohn einer Gräfin von Barcelona, ist in derselben Wildnis ausgesetzt und von mitleidigen Bauern aufgenommen worden. Im zweiten Akte sind die beiden Kinder erwachsen und verlieben sich ineinander, wo denn die verworrenen Begriffe des jungen Mädchens von Liebe, von Mann und Weib, von Erzeugung und Fortpflanzung dem ebenso naiven und noch unabgenützten Publikum viel Spaß geben mochten, besonders wo sie, um zu prüfen, ob der Gegenpart ein Engel oder Teufel sei, wiederholt das Kreuz über ihn macht und jedesmal dazu ausruft: cata la cruz! ihn für einen Engel nehmend, da ihm das Kreuzzeichen keinen Schaden thut. Als der Geliebte in ihrer Verteidigung gefangen wird, begibt sie sich freiwillig zu ihm ins Gefängnis. Ihre wilde Ernährerin folgt ihr, als Bauer verkleidet. Die Falschheit der verräterischen Schwester, die ihren Gemahl bei herannahender Enthüllung vergiften will, kommt an den Tag, und die fromme Königin wird mit ihrem Gemahl vereinigt, indes man die Schwester, in ein Kloster einsperrt. Auch die beiden Findlinge erhalten als ebenbürtig eines das andere.

Del mal lo ménos. (Von Uebeln das geringste.) Ein völlig plausibles Stück. Die ersten beiden Akte als gut an sich und der dritte, wo eigentlich der Hauptknoten schon gelöst ist, durch die wunderbare Gabe Lope de Vegas, die Handlung zu entwickeln und zu gliedern, überall natürliche Motive zu finden und so selbst Neben- und Ausfüllscenen ein Interesse zu geben. Ein spanischer Ritter Don Juan de Mendoza hat sich einer Ehrensache wegen nach Neapel geflüchtet und ist dort, seines persönlichen Wertes wegen und als der natürliche Sohn eines vornehmen Mannes, gut aufgenommen worden. Er verliebt sich dort in die Muhme des Königs, Cassandra, die bereits an den König von Dänemark versprochen ist, und findet Erwiderung. Seine Lage macht ihn einer Unterstützung bedürftig: Cassandra beschließt, sie ihm zu verschaffen, und wendet sich deshalb an die Königin um ihre Vorsprache. Vortrefflich ist die Scene, in der sie dies thut. Die Königin sagt ihr beim ersten Worte schon Gewährung zu, sie fährt aber demungeachtet immer fort, Gründe anzuführen, und nachdem ihr die Königin schon zehnmal ja gesagt, ist sie noch immer nicht müde, sie zu bestürmen. Jeder andere würde der Königin anfangs Weigerungen in den Mund gelegt haben, um der Scene Mannigfaltigkeit zu geben, aber diese Mannigfaltigkeit in der Wiederholung zu finden, in dem Immer-wieder-Aussprechen des einzigen Gedankens, der die Bittwerbende beherrscht, beurkundet den Meister. Die Königin bringt die Bitte an ihren Gemahl, der auch dem Spanier auf der Stelle einen Gnadengehalt bewilligt, obwohl ihm der Eifer seiner Gemahlin bei dieser Fürsprache unangenehm aufgefallen ist. Die aufquellende Eifersucht wird verstärkt, als D. Juan bei einem Turnier durch Sinnbild und Sinnspruch auf seinem Schilde zu erkennen gibt, daß er eine hohe Dame liebe, deren Besitz er nie hoffen könne. Don Juan, der das veränderte Betragen des Königs merkt und keine Ahnung von seinem eigentlichen Verdacht hat, muß glauben, daß der König in Cassandra verliebt sei. Unterdessen verbreiten die Neider, worunter ein Nebenbuhler Don Juans, ein Kartell seines in Spanien zurückgelassenen Gegners, in dem er ihn zum Zweikampf nach Paris fordert, Cassandra, um ihn von der Reise abzuhalten, wendet sich wieder an die Königin, damit deren Gatte die Ehrensache am spanischen Hofe vermittle. Die Königin läßt sich wieder bereit finden, und nun ist für den König kein Zweifel mehr. Er beschließt, Don Juan aus der Welt zu schaffen.

Unterdessen kommt der Connetable des Königs von Dänemark an, um die Braut seines Herrn abzuholen. Cassandra weiß kein Mittel, als eine Krankheit vorzugeben, wobei der Lakai des Spaniers Monyon als verkleideter Chirurg ihr zur Ader läßt und es an Spässen nicht mangelt. Der König hat sich auf die Jagd begeben, und mit D. Juan von seinem Gefolge entfernt, will er diesen töten. Da kömmt endlich das Geheimnis der Liebe zu Cassandra an den Tag, und so peinlich dies Verhältnis dem Könige ist, kann er sich doch vor Freude über das Ungegründete seines Verdachtes gegen die Königin kaum fassen. Da übrigens das Verhältnis der Liebenden bei einem nächtlichen Besuche sehr verwickelt geworden ist, so meint er: Von Übeln das kleinste, und beschließt, das Paar zu vereinigen, zu welchem Ende er D. Juan zum Almirante, zum Oberstkämmerer und mehr dergleichen ernennt.

Aber auch der König von Dänemark, der inzwischen angekommen ist, hat einen Brief von Cassandra erhalten, in dem sie ihm ihre Liebe zu einem andern erklärt. Auch er meint: del mal lo ménos, und zur Schonung seiner Ehre macht er sich zum Freiwerber für Don Juan, der nun Cassandras Gatte wird.

Dieser Auszug ist, wie alle übrigen, sehr liederlich, da ich die Stücke nicht in einem Zuge lese und am Schluß viele Nebendinge wieder vergessen habe. Mir ist aber auch nur um die Hauptsache zu thun.

La hermosa Alfreda. Jene schon mehrfältig bearbeitete Geschichte, wo ein König von England einem seiner Vertrauten den Auftrag gibt, ein wegen ihrer Schönheit berühmtes Frauenzimmer in Augenschein zu nehmen, um, wenn das Gerücht sich bestätigt, in des Königs Namen um sie zu werben, der Abgesandte sich aber selbst in die Schöne verliebt, den König mit falschem Bericht über die Mißgestalt des Mädchens täuscht, sich aber selbst mit ihr vermählt. Als nun der Betrug an den Tag kommt, tötet der erzürnte König den entlarvten Günstling und heiratet die schöne Witwe. Ein ganz guter Stoff, nur daß schwer ein Schluß zu finden ist. Lope de Vega, der die Handlung nach Deutschland verlegt, hat einen Schluß gefunden, aber welchen? Wie er denn überhaupt sein Talent zur Vermannigfaltigung hier auf eine sehr unglückliche Weise in Anwendung gebracht hat. Die schöne Alfreda hat schon einen amante non corrisposto, Selandio, der durch das ganze Stück mit seinen Liebesklagen hindurchgeht. Der Günstling Godofre, dem der König einen Begleiter auf die Gesandtschaft mitgegeben hat, tötet diesen, da er ihn von dem Verrat an seinem Herrn zurückhalten will, schiebt aber die Schuld auf den meuchelmörderischen Anfall eines Unbekannten, so daß diese auf den unglücklichen Selandio fällt, der eben im Zimmer hinter den Tapeten verborgen war. Den König täuscht er mit einem so übertriebenen Bericht von Alfredas Häßlichkeit, daß das Gerücht ihrer Schönheit schon von vornherein unter die Unmöglichkeiten gehört, Demungeachtet erklärt er aber, die Häßliche heiraten zu wollen, um seine Vermögensumstände zu verbessern. Zugleich tritt er dem Könige, der nun einmal im Liebesfieber ist, seine eigene frühere Geliebte, Lisandra, ab, so daß seine Vermahlung zugleich den Anschein einer eifersüchtigen Rache bekommt. Die schöne Alfreda hat nichts weniger als eine besondere Neigung zu Godofre, entschließt sich aber doch zur Heirat, da sie bei einem kalten Temperamente eben nicht anderweitig verliebt ist. Godofre bringt seine junge Frau, um sie den Augen des Königs zu entziehen, auf eines seiner Güter, wo er sie in ländlichen Kleidern unter Landleuten verbirgt, was die Stolze und Eitle ziemlich übel nimmt.

Lope de Vega, der eine große Vorliebe für Ländlichkeit und Landleute hat und beinahe in keinem seiner Stücke versäumt, solche Naturkinder anzubringen, findet hier eine gute Nebenscene, wo ein Bauernbursche Abschied von seinem Vater nimmt, um unter die Soldaten zu gehen, und sich schon im voraus in allen Schwüren, Flüchen und Impertinenzen des damaligen Soldatenstandes an seinem eigenen Vater einübt.

Im Verfolg kommt der König bei Gelegenheit einer Jagd auf das Gut Godofres, sieht dort die schöne Alfreda in ihren Bauernkleidern und will durchaus ihrer habhaft werden. Es nützt nichts, daß Godofre sie für seine Schwester ausgibt, die Begierden des Königs werden dadurch nicht geschwächt. Er muß endlich erklären, daß sie seine Frau sei, dieselbe Alfreda, die er dem Könige als so häßlich geschildert. Der König gerät in den heftigsten Zorn, und die schöne Alfreda, die nun erst erfährt, um welche Hoheit und Größe sie von Godofre betrogen worden, ist, ihrem Charakter getreu, auf der Stelle bereit, dem Könige zu folgen, der ihr seine Hand anträgt, Godofre hat nichts Bessers zu thun, als auf der Stelle wahnsinnig zu werden. Dasselbe thut Lisandra über die Untreue des Königs und hat bereits früher der amante non corrisposto Selandio gethan, so daß wir nun drei Wahnsinnige haben und das Stück dazu als vierten. Der Vermählung des Königs mit Alfreda steht das Leben ihres bisherigen Gatten im Wege. Der König will es kurz abthun und ihn hinrichten lassen, was aber dem Zartgefühle Alfredas widerstrebt. Wie soll nun alles das enden? Auf die natürlichste oder vielmehr unnatürlichste Art von der Welt. Der tollgewordene Gatte kommt mit seinen und Alfredas beiden Kindern auf dem Arme ins Königsschloß und beschwört seine Gattin, ihn nicht zu verlassen. Alfreda wird auch wirklich gerührt und will zu ihm zurückkehren. Als man aber den Hingesunkenen aufheben will, findet sich, daß er tot ist. Das Hindernis ist nun gehoben, und Alfreda heiratet den König.

Das Übelste bei der Sache aber ist, daß dieses Stück im neunten Bande von Lopes dramatischen Werken vorkommt, dem ersten, dessen Herausgabe der Verfasser selbst besorgte, welcher Band, soweit ich ihn bis jetzt gelesen habe, wirklich nur vergleichungsweise gute Stücke enthält, so daß es scheint, daß diese Hermosa Alfreda dem Dichter selbst gefallen habe. Das wäre denn freilich, wie gesagt, ein doppeltes Unglück. Es mag wohl viel Beifall gehabt haben; bunt genug wenigstens ist es.

Los Ponces de Barcelona. Der erste Akt läßt sich recht gut an. Don Pedro Ponce, der Sohn eines reichen, aber geizigen und harten Vaters, heiratet eine arme Malerstochter. Nach dem Tode ihres Vaters, der das junge Paar von dem Ertrage seiner Kunst erhalten hat, führt Don Pedro, von Not getrieben, sein schwangeres Weib seinem Vater zu, der über die Heirat außer sich ist und geradezu verlangt, daß die Ehe getrennt werde. Zuletzt kommt er gar, mit einer Flinte bewaffnet, auf das Landgut, auf das der Sohn seine dem Gebären nahe Gattin gebracht hat, in der ausgesprochenen Absicht, den Ungehorsamen zu töten. Dieser, der fürchtet, sich gegen seinen Vater zu vergessen, entfernt sich, wobei er freilich nicht in Anschlag bringt, daß nun der ganze Zorn sich auf seine Gattin und ihr Kind entladen werde. So weit ist alles gut, ja die Personen sind vortrefflich gehalten. Mit welcher Empfindung mochte wohl Lope das Lob des verstorbenen Malers niederschreiben, wenn Lucretia sagt:

Quedaronnos por hacienda
algunas pintadas tablas
bien hechas por detenidas
pocas por bien estudiadas.

Es liegt in diesen Versen ein Verdammungsurteil über seine eigenen Stücke, die er augenblicks in die Welt schickte, und deren viele waren, weil ohne Überlegung geschrieben.

Mit dem zweiten Akte fängt eine ganz neue Geschichte an, die mit dem ersten eigentlich in gar keiner Verbindung steht: die Begebenheiten des Sohnes, den die verfolgte Lucretia zur Welt gebracht hat und der mittlerweile schon zum Jüngling herangewachsen ist. Er ist Gärtner und dient mit seiner Mutter, unerkannt, in dem Hause eines Gutsherrn, dessen Vater die Hilflosen aufgenommen hat. Eine wechselseitige Liebe zwischen ihm und der Tochter seines Herrn findet ein unübersteigliches Hindernis in der Ungleichheit des Standes. Eine Reihe wenig bedeutender Liebes- und Eifersuchtsscenen, wobei selbst die noch immer schöne Mutter Lucretia ihre ländlichen Bewerber findet, endet mit der Zurückkunft des vermißten Vaters. Dieser ist bis Konstantinopel gekommen, hat dort den berüchtigten Barbarossa von einer Wassersucht geheilt, was höchst rühmend erwähnt wird, obwohl dieser dadurch in den Stand gesetzt wurde, Karl dem Fünften als Gegner in den Weg zu treten. Die Ankunft des Vaters löst den Knoten. Der Sohn ist dadurch ebenbürtig geworden, und die Heirat geht vor sich.

La Varona Castellana. Der erste Akt prächtig, ganz in der besten chronikalischen Manier Lope de Vegas. Der dritte mag hingehen. Der zweite ist vom Teufel. Die Geschichte der Thronbesteigung Alfons' VIII., merkwürdigerweise in einer andern Version, als sie in einem andern Stücke Lope de Vegas vorkommt. Damit ist die Liebesgeschichte der Varona Castellana, Doña Maria Perez, verflochten, die eigentlich das Schlimme an der Sache ist. Sie erscheint als ein heldenmütiges Mädchen, die von ihren zwei Brüdern aus Besorgnis für ihre Ehre von allen männlichen Besuchern entfernt gehalten wird. Der Infant von Navarra, Don Vela, der gekommen ist, um die Brüder zur Hilfe für den jungen Alfons aufzufordern, dem von seinem Stiefvater, dem König von Aragonien, sein Reich vorenthalten wird, gelangt durch Bestechung eines Dieners dazu, sie als Bote verkleidet zu sehen, wo denn eine wechselseitige Neigung entsteht.

Die Brüder, als sie in den Krieg ziehen, nehmen die Schwester, um sie nicht allein zurückzulassen, als Page verkleidet mit sich. Unterdessen haben die Großen von Kastilien beim Papste es dahin gebracht, daß die Ehe des Königs von Aragonien mit Alfons' Mutter wegen naher Verwandtschaft aufgelöst wird, so daß jener, seines Scheinanspruchs beraubt, Kastilien aufgeben muß. Sehr schön die Scene, als die Großen Kastiliens ihren jungen König im Gebirge aufsuchen, wo er, mit Herrschergedanken beschäftigt, die Bäume des Waldes, den einen als seinen Kanzler, den andern als einen sonstigen Beamten anspricht und ihre furchtsamen Meinungen mit seinem eigenen Mute zum Schweigen bringt.

Um die verwitwete Königin wirbt übrigens D. Pedro de Lara, nicht unerhört. D. Vela von Navarra glaubt indessen in dem verkleideten Pagen Doña Maria Perez zu erkennen. Sie leugnet geradezu, und um ihn völlig zu disorientieren, begehrt sie von ihm seinen Diener, um sie auf einem verliebten Abenteuer mit einer Dame zu begleiten. D. Vela, der sich auf diese Art seiner Liebe entrückt findet, bewirbt sich gleichfalls um die Hand der Königin.

Nun kommen die Großthaten der Barona Castellana, von denen die erste sehr hart an den Unsinn streift oder ihn vielmehr völlig erreicht. Es ist ein Löwe seinem Käfig entsprungen, vor dem alles flieht, den aber Doña Maria einfängt und an eine Säule im Palaste festbindet. Über denselben Löwen kommen D. Pedro de Lara und Don Vela in Streit, zufolgedessen sie sich fordern. Doña Maria, unter dem Deckmantel der Nacht, nimmt die Stelle Don Velas ein und besiegt den Gegner desselben im Zweikampf. Da indessen der König von Aragonien ins Land gefallen ist, ficht sie die Schlacht mit, trifft einzeln auf den König, besiegt ihn und bringt ihn gefangen ins Lager. Da sich nun alles aufklärt, lehrt auch Don Vela zu seiner Liebe zurück und wird Doña Marias Gatte.

La dama boba. Den Zusammenhang dieses Stückes habe ich verloren. Die erste Hälfte las ich auf dem Lande. Nach meiner Zurückkunft in die Stadt wurden mir die Abende durch das Lesen der zur Konkurrenz eingelaufenen Preislustspiele weggenommen und jetzt, da ich den Schluß des spanischen Stückes hinzugefügt, weiß ich mich auf den früheren Verlauf desselben nicht mehr genau zu erinnern, ohne Lust zu haben, das Ganze von neuem zu lesen. So viel weiß ich, daß außer ein paar bessern Scenen nicht viel Gutes davon zu sagen ist. Man hofft anfangs, das dumme Mädchen werde durch die Liebe klüger gemacht werden oder gerade durch ihre Dummheit providenziell das Rechte treffen. Manchmal nimmt's auch einen solchen Anlauf, die Erwartung löst sich aber in nichts auf. Transeat! Lopes Wert hängt weder von diesem, noch irgend von einem einzelnen seiner Stücke ab.

Los melindres de Belisa. Ein verzogenes Mädchen, dem die Albernheiten als Kind so wohl angestanden haben, daß sie sich später nicht entschließen konnte, als Erwachsene diese bewunderten Naivetäten abzulegen, und die nun halb ein plapperndes Kind und halb eine eigensinnige Närrin ist. Ihre Mutter, früh verwitwet, hat eine Schuldforderung an einen Edelmann, der sich wohl selbst um die Hand der Tochter beworben hat. Die Gläubigerin läßt den Schuldner auspfänden. Als die Gerichtspersonen in dem Hause des letztern ankommen, hat sich eben ein junger Mann, Felisardo, zu ihm geflüchtet, der, seine Geliebte Celia vor den Zudringlichkeiten eines Navarresen verteidigend, diesen im Zweikampfe schwer verwundet hat. Die ans Haus pochenden Gerichtspersonen werden für die verfolgende Kriminaljustiz gehalten, und Felisardo und Celia, um unerkannt zu bleiben, ziehen die Kleider der eben abwesenden beiden Sklaven ihres Gastfreundes an. Das hat aber zur Folge, daß sie als Eigentum des Schuldners in die Pfändung einbezogen und in das Haus von Belisas Mutter gebracht werden. Es versteht sich von selbst, daß Belisa sich in Felisardo und ihr Bruder D. Juan, ebenso verzogen wie sie, aber in einer derbern Manier, sich in die vermeinte Sklavin Celia verliebt. Das gibt denn Anlaß zu mehreren ganz guten Scenen, bei denen die Zimperlichkeit (melindres) des großgewachsenen Kindes die Hauptunterhaltung ausmacht. Letztere hat sogar ein paar hinreißend schöne Stellen in Art eines musikalischen Solos oder der Opernarie, in denen sie sich über ihren Charakter und Seelenzustand ausspricht. Da die Mutter sich auch in den Sklaven Felisardo verliebt und ihn durchaus heiraten will, wobei der trockene Hausverstand des väterlichen Freundes und Vormundes, Tiberio, sich sehr gut ausnimmt, wird die Sache immer verwickelter. Der Knoten löst sich durch die Nachricht, daß der von Felisardo Verwundete sich außer Lebensgefahr befindet, Felisardo und Celia werden vereinigt, die Mutter muß sich trösten, und für die zimperliche Belisa findet sich jener früher ausgepfändete Schuldner, der es kein Hehl hat, daß er hauptsächlich ihr Gold im Auge habe.


Zehnter Band

El galán de la Membrilla. Der Hauptreiz dieses Stückes für das Publikum von Madrid bestand wohl darin, daß die Handlung in zwei nahe von der Hauptstadt liegenden Dörfern, Membrilla und Manzanares, vorgeht. Mit der Erfindung der Fabel hat sich's Lope nicht schwer gemacht. D. Felix, der Sohn eines armen Edelmanns aus Membrilla, liebt die Tochter eines reichen Landmannes aus Manzanares, um die sich zugleich ein reicher Bauernsohn aus letzterem Orte, Ramiro, bewirbt. Der Vater des Mädchens fügt sich endlich und gibt dem armen Edelmann eine Summe Geldes, um sich damit an den Hof zu verfügen und vom Könige eine Belohnung für geleistete Kriegsdienste zu erbitten. D. Felix ist nicht glücklich in seinen wiederholten Gesuchen, und da zugleich sein Geld und die ihm von dem Vater der Geliebten gesetzte Frist zu Ende gehen, kehrt er heimlich nach Manzanares zurück und bewegt das Mädchen, mit ihm zu entfliehen. Sie begeben sich zum Heere vor Granada und zwar Leonor in Männerkleidern, denen sie durch Tapferkeit so viel Ehre macht, daß der König sie zum Hauptmann ernennt, eine Würde, die sie als zu groß von sich ablehnt und auf ihren eben abwesenden Bruder (D. Felix) überträgt, indes sie sich selbst mit der Fähnrichsstelle begnügt. In Manzanares hat man indes Spottgedichte über Leonors Flucht gemacht, die der unglückliche Nebenbuhler Ramiro vor dem Hause des Vaters absingen läßt. Von diesen Unwürdigkeiten hat D. Felix gehört, ist von der Armee heimlich nach Manzanares abgegangen und hat dort den plumpen Ramiro bei einer solchen Katzenmusik überrascht und aufs gefährlichste verwundet. Unterdessen ist aber auch gegen ihn ein Verhaftbefehl im Lager ausgetrommelt worden, da der König durch den beleidigten Vater von der Entführung in Kenntnis gesetzt worden ist, und die verkleidete Leonor hat den Auftrag zur Vollziehung der Haft erhalten. Die Wirkung dieses Befehls wird dadurch hinausgeschoben, daß das Heer von Granada abzieht. Auf dem Rückmarsch werden D. Felix und die verkleidete Leonor in dem Hause ihres Vaters einquartiert, wo denn das Mädchen als Mann mit der wehenden Fahne sich recht gut ausgenommen haben mag. Um es kurz zu machen: Die Erkennungen erfolgen, der König verzeiht, der Vater auch, und die Sache hat ein Ende.

La venganza venturosa. Dieses Stück hat vor vielen andern Lopes den Vorzug, daß die Begebenheiten im Kreise des Möglichen oder, wenn man will: des Wahrscheinlichen bleiben, die spanischen Ehrbegriffe und die laxe Moral jener Zeit vorausgesetzt. Ein Herzog von Lusignan trägt Verlangen zu Felipa, der Tochter eines armen Edelmanns Feliciano. Um zu seinem Zweck zu gelangen, gibt er ihr ein schriftliches Eheversprechen, in der ausgesprochenen Absicht, es in der Folge nicht zu halten. Bei dem nächtlichen Stelldichein wird er vor vollzogener That von dem Vater überrascht und muß die Flucht ergreifen. Als letzterer am nächsten Tage den Herzog in dessen Wohnung an die Erfüllung des Eheversprechens mahnt, behandelt er ihn mit der größten Geringschätzung und gibt ihm endlich eine Ohrfeige, worüber der Alte, als über eine Vernichtung seiner Ehre, außer sich kommt. Er schreibt seinem Sohne Lisardo, der sich in Portugal bei der Armee befindet, und beauftragt ihn mit der Rache. Dieser nimmt einen Freund Celio und einen gemeinen Soldaten Trebacio mit und begibt sich nach Madrid. Dort findet er durch fingierte Empfehlungsbriefe Mittel, in die Dienste des Marques als Sekretär einzutreten, und wartet auf Gelegenheit, ihn meuchelmörderisch aus der Welt zu schaffen, was damals als Rache für beleidigte Ehre, einem Mächtigen gegenüber, für nicht unerlaubt gegolten haben mag. Es kommt aber anders, als er glaubte. Der Marques, nachdem er ihm einmal, um ihn sicher zu machen, scheinbar das Leben gerettet hat, überhäuft ihn mit Wohlthaten, so daß ein Gefühl der Dankbarkeit ihn bei jeder günstigen Gelegenheit zurückhält. Einmal will er ihn eben vergiften, als aber der Marques den Becher ergreift, macht er ihn, von plötzlicher Reue überfallen, glauben, es sei eben eine Spinne in das Gefäß gefallen, und gießt den Inhalt weg, was denn bei dem damaligen Glauben an die giftige Eigenschaft der Spinnen wieder für eine Lebensrettung gilt, und die Wohlthaten des Marques steigert. Der Soldat Trebacio, der als Diener Lisardos figuriert, hat indessen der Schwester des Marques, Flora, glauben gemacht, sein Herr sei ein Sohn des portugiesischen Herzogs von Aveiro, der, in sie verliebt, sich als Sekretär ins Haus eingeschlichen. Der Dame hat der hübsche junge Mann schon früher gefallen, und der ins Vertrauen gezogene Marques glaubt noch ein gutes Geschäft zu machen, wenn er seine Schwester mit dem reichen Herzogssohne vermählt. Die Verlobung geschieht, und das ist denn die glückliche Rache. Als der Marques den Betrug erfährt, meint er: das haben nicht die listigen Erfindungen eines Bedienten, das hat Gott selber gethan, als Strafe für meinen Hochmut und mein Vergehen, und um die glückliche Rache vollständig zu machen, gibt er seine Hand der früher verachteten Felipa. Man sieht, der Schluß ist recht schön, auch fehlt es sonst nicht an mehreren guten Scenen und Spielintentionen. Der Dialog, bei Lope fast immer vortrefflich, ist es in diesem Stücke noch mehr als gewöhnlich.

Sonderbar ist, daß Felisardos Waffengefährte Celio sich in der Mitte des Stückes in die Schwester Felipa verliebt, am Schluß aber zurücktreten und sich mit einer andern Heirat abfinden lassen muß. Man weiß nicht, ob der Verfasser die sonst kahle Figur dadurch lebendig machen wollte, oder ob er von vornherein noch gar nicht mit sich einig war, auf welche Art er das Stück schließen werde. Da wäre denn Celio Felipas Tröster geworden, und die Idee der Doppelheirat kam ihm vielleicht erst zuletzt.

Wer diesem Zweifel widerstrebt, hat von der Übereilung und Schleuderhaftigkeit dieses, darum nicht weniger außerordentlichen Dichters noch keine eigene Erfahrung.

Don Lope de Cardona. Da sind denn die wunderlichsten Begebenheiten zusammengewürfelt. Ich habe eben eine Geschichte des spanischen Theaters von Schack gelesen. Der preist an Lope de Vega vor allem den Reichtum seiner Erfindungen. Nun bin ich ein großer Verehrer der Erfindungsgabe und Lope de Vegas. Wo diese Gabe sich aber im Zusammenstellen des Absurdesten oder im bloßen Umstellen vielfach sich wiederholender Bestandteile zeigt, da kann ich keine große Achtung dafür haben. Lopes Verdienst liegt nicht im Herbeiführen der Situationen und Ereignisse, sondern in der naturwahren und poetischen Behandlung der unberechtigt und ungerechtfertigt herbeigeführten. Aber auch letzteres findet in dem vorliegenden Stücke nicht Platz. Die Ereignisse wären kaum für ein Melodram gut genug, und die Ausführung ist oberflächlich und gemacht. Höchstens wird er ein wenig warm in der Scene, wo D. Lope de Cardona seine totgeglaubte Frau in Soldatenkleidern wieder findet und ihn die Ähnlichkeit zu Liebesäußerungen hinreißt, die der vermeinte Kriegsmann wie natürlich sehr unschicklich findet, was denn mitten in der Verzweiflung einen halb komischen Effekt macht, auf den wahrscheinlich auch gerechnet war. Der Stoff ist offenbar aus einer Romanze genommen, in die sich der Dichter auch an einer Stelle verirrt, im zweiten Akte nämlich, wo der König befohlen hat, auf den Helden des Stückes zu schießen, wenn er sich der Stadt nähere. Da sagt denn der Königssohn D. Pedro: »Der König befahl, daß man auf ihn schieße, er aber sprach in folgender Weise«, und nun fängt D. Lope an zu sprechen, wie jener angibt, daß er bereits gesprochen habe, in der Romanze nämlich. Der Inhalt ist ein buntes Gemenge von Unterthanentreue und Undank der Könige. Der Kronprinz verliebt sich, unerhört, in D. Lopes Gattin. Als letzterer den Krieg zwischen Sizilien und Aragonien durch einen Zweikampf entscheiden will, stellt man ihm in der Rüstung des Kronprinzen seinen eigenen Vater entgegen, den man zu diesem Ende aus dem Gefängnisse geholt hat. Damit es auch an Eifersucht nicht fehle, fällt D. Lope ein Brief seiner erprobten Gattin in die Hände, den diese im Namen der verliebten Prinzessin von Sizilien an den Kronprinzen von Aragonien geschrieben hat, wo denn D. Lope nicht einen Augenblick ansteht, sie für untreu zu halten, und was denn der eigentlichen Albernheiten mehr sind. Man hat eine geringe Meinung von den Vorzügen eines Schriftstellers, wenn man auch seine Fehler für Vorzüge ausgeben will.

Der Verfasser jener Geschichte des spanischen Theaters ist ein übrig gebliebener Romantiker. Die Romantik nicht im Sinne der heutigen Kunstrichter genommen, wo sie eines und dasselbe mit der Poesie ist, die sie verbannen wollen, sondern im Sinne jener Nebler und Schwebler zu Ende des vorigen und Anfang des gegenwärtigen Jahrhunderts. Diesen Leuten ist der Unverstand ein notwendiges Ingrediens jeder Poesie, weil ihnen der Verstand prosaisch scheint. Sie befinden sich mit einem Lieblingsautor aus alter Zeit in der Lage eines Erwachsenen gegenüber einem reichbegabten Kinde, das sie bewundern und dem sie sich zugleich überlegen fühlen, was denn ein Fest für die Kunstliebe und für die Eitelkeit zugleich ist. Ja, selbst für die Bewunderer Shakespeares liegt der Hauptgenuß darin, daß sie Dinge aus ihrem Eigenen hineinlegen können, von denen sich die übrigen Menschen nichts träumen lassen.

El triunfo de la Humildad y sobervia abatida. Die Geschichte von zwei Brüdern, Herzogen und später Königen von Albanien. Der ältere hochmütig, der jüngere demütig. Der ältere mißhandelt den andern auf jede Art, nimmt ihm sogar seine Braut weg, was dieser sich ergebenst gefallen läßt. Da kommt Isbella, die Tochter des gefangenen und gleichfalls mißhandelten Königs von Makedonien, mit einem Heere ins Land. Der stolze Trebacio sieht sich notgedrungen, dem jüngeren Bruder Filipo die Führung des Heeres anzuvertrauen. Isbella wird von Filipo persönlich gefangen, wobei sich die beiden ineinander verlieben. Trebacio aber begehrt, daß ihm Filipo auch diese neue Geliebte abtrete. Da wird es aber den Großen und dem demütigen Filipo zu viel, und sie verjagen in einem Aufstande den Tyrannen. Dieser flüchtet sich zu Kohlenbrennern, kommt in der Folge mit einem Kohlentransport nach Hof, wo ihn niemand kennt, und muß, da bei der Krönung des jungem Bruders die Stufen des Thrones sich zu hoch vom Boden finden, seinen Rücken als Fußschemel hergeben. Das ist denn die Erniedrigung des Stolzen und die Erhöhung des Demütigen. Es fehlt nicht an einzelnen guten Scenen, z. B. eine rätselhafte Hirtin Lisena, die in prägnanten Momenten vorübergeht und, sich auf einem Instrumente begleitend, das Lob der Demut und die Verwerflichkeit des Hochmuts singt. So wie, wenn der gewaltthätige Trebacio mit der seinem Bruder geraubten Braut in die Kirche eintreten will, dort eben das Magnifikat angestimmt wird, wo denn die Schlußverse: deposuit potentes de sede et exaltavit humiles ihren Eindruck nicht verfehlen. Die Haltung der Personen aber und die Führung der Fabel ist im höchsten Grade roh und willkürlich. Trebacio ist eben nichts als hochmütig und Filipo die Demut selbst. Die Scene, wo sich Filipo und die stolze Isbella auf dem Kampfplatze verlieben, äußerst oberflächlich und ohne überzeugende Motive abgemacht, höchstens sagt die Prinzessin gleich zum Eingang: buen talle tienes. Lope besitzt durchaus nicht die Gabe Calderons, den abstrakten Gedanken mit Fleisch und Blut zu bekleiden, bei ihm ist nur das Ereignis lebendig. Übrigens die Haltung der frühern Geliebten, Felisarda, deren Wiedererscheinen nach der Vertreibung des Tyrannen jeden Dichter in Verlegenheit gesetzt hätte, ganz mit Lopes sicherm Naturgefühle behandelt. Unter den Personen ist auch eine Art Gracioso, ein Spanier Lope, der seinem Herrn Filipo den Wunsch zu erkennen gibt, sein Chronist zu werden, da es gar zu schwer sei, immer der Menge zu gefallen, Lope de Vegas eigener Wunsch, auf den er in mehreren seiner Komödien anspielt.

(Bei Gelegenheit von Schacks Geschichte des spanischen Theaters und der Verbreitung desselben im übrigen Europa bemerke ich auch, daß zur Zeit Holbergs in Kopenhagen ein deutscher Schauspieldirektor war, der, wie es scheint, Stücke aus oder nach dem Spanischen daselbst darstellte. Siehe Holbergs: Zauberei oder blinder Lärm.)

El amante agradecido. Die Dankbarkeit dieses Liebhabers D. Juan rührt daher, daß Doña Lucinda, die er in Toledo auf der Straße kennen gelernt, ihm mit Geld aushilft, als er sich in seinem Wirtshause bestohlen findet. Er kann auf diese Art in seine Heimat Sevilla zurückreisen. Aber auch Lucinda ist von ihrem Oheim eben dahin gebracht worden, da um ihretwillen in Toledo ein Duell vorgefallen und in demselben einer ihrer Bewerber getötet worden ist, so daß der Oheim, den ohnehin Geschäfte nach auswärts rufen, sie zugleich vor den Nachforschungen der Gerichte sicherstellen will. Er bringt sie dort, ohne es zu ahnen, in ein höchst verdächtiges Haus, zu einem alten Weibe, die nicht viel besser als eine Kupplerin ist. D. Juan, der als Begleiter eines Freundes auf die Spur des frischangekommenen Wildes geht, erkennt seine Geliebte aus Toledo, und da alle Umstände gegen ihre Ehrbarkeit sprechen, beschließt er, sie auf eine höchst wunderliche Probe zu stellen. Er verkleidet seinen Diener als reichen Indianer, der ihr auf die plumpste Art Anträge macht, und da sie dem Possenreißer widersteht, ist er völlig von ihrer Unschuld überzeugt. Er trägt ihr trotz ihrer Armut seine Hand an, und nun wäre die Komödie eigentlich zu Ende. Da der dritte Akt aber noch nicht die erforderliche Länge hat, werden noch eine Menge Ereignisse angereiht, worunter auch gehört, daß D. Juan seine Braut in das Haus seiner Mutter, sein eigenes, bringt, wo sie aber von seinem Oheim D. Pedro aufs schmählichste ausgewiesen wird. Bei dieser Gelegenheit kommt ein Zug vor, der allein ein ganzes Stück von gewöhnlicher Mache wert ist. Nachdem der Oheim D. Juans ihr alles Erniedrigende gesagt und sie eigentlich zur Thüre hinausgeworfen hat, versetzt sie, sich auf ihr reines Verhältnis berufend:

pero por el respeto, que se deve
á una muger no más, no porque sea,
ni aya de su jamas lo que decia,
embiadme acompañada de algun hombre
que soy muger de bien y forastera.

worauf D. Pedro einen Diener ruft und ohne Reue oder weitere Reflexion ihm befiehlt:

Llevad aquesta dama,
adonde ella os dixere.

Man kann die Ehrenhaftigkeit des Spaniers und die Achtung gegen das Geschlecht nicht prägnanter zeichnen.

Darum wiederhole ich: wenn man Lope de Vega wieder auflegt, muß man keines seiner Stücke weglassen, es ist kaum eines, welches derlei herrliche Züge, oft, wo man es am wenigsten sucht, nicht aufzuweisen hätte.

Zuletzt kommt Lucindens Oheim zurück, und es findet sich, daß von ihrem Vater, was weiß ich, wie viel tausend Dukaten aus der Neuen Welt für sie angekommen sind, was denn die volle Belohnung des Liebhabers ausmacht.

Überhaupt ist das Stück gar nicht uneben, der erste Akt sogar vortrefflich und auch die übrigen mit Rücksicht auf den höchst einfachen Stoff sehr gut mit allerlei Scenen und Gespräch ausgefüllt.

Los Guanches de Tenerife. Die beiden ersten Akte ziemlich alltäglich. Die Geschichte der Eroberung von Teneriffa durch die Spanier. Letztere ganz gut als Helden mit einiger Verschiedenheit in den Individualitäten charakterisiert. Die Eingebornen so einfach und unschuldig dargestellt, daß man manchmal zu dem Glauben verführt wird, der Verfasser nehme Partei für sie. Das Zusammentreffen des Kapitän Castillo mit der Tochter des Königs von Teneriffa hat einige gute naive Pointen. Der Spaß, daß drei Spanier an ebenso viele Mädchen von Teneriffa ihre Seelen im galanten Verstande schenken und diese im wörtlichen Sinne nehmen, ist, wenigstens für uns, ziemlich frostig. Die Spanier werden durch die Übermacht vertrieben, und der Kapitän Castillo bleibt als Gefangener bei der Königstochter zurück. Der dritte Akt endlich eröffnet die Hauptintention des Stückes: die Verherrlichung einer Señora de la Candela, eines Muttergottesbildes, das, ich weiß nicht wie, in einer Grotte auf der Insel zurückgeblieben oder allenfalls durch ein Wunder dahin gekommen ist. Die Spanier sind zurückgekehrt, und einige Hirten, die ihre Herden in Sicherheit bringen wollen, entdecken die Grotte, in der das Wunderbild verborgen ist. Als solches zeigt es sich sogleich, da ein Eingeborner, der einen Stein nach ihm werfen will, mit steifgewordenem Arme stehen bleibt, und ein andrer, der es mit dem Messer beschädigen will, sich in die eigene Hand verletzt, sobald sie aber sich mit Bitten an die Überirdische wenden, ebenso schnell sich wieder geheilt finden. Die Dankbarkeit dieser Leute und die Art, wie sie einfache Geschenke darbringen, hat etwas Poetisches. Von da an ist diese Muttergottes der Mittelpunkt des Ganzen. In derselben Grotte erscheint dem Könige von Teneriffa der Erzengel Michael und ermahnt ihn, sein Land den Spaniern zu übergeben und selbst katholisch zu werden, was er denn auch thut. Ja, der Kapitän Castillo, der der Königstochter im Angesicht der damals noch unenthüllten Grotte und diese zur Zeugenschaft, die Ehe versprochen, später aber wenig Lust hat, sein Wort zu halten, geht in sich, als die Grotte ihren Schatz enthüllt, und wird der Gatte seiner Geliebten.

La octava maravilla. Tomar, König von Bengalen, will zum Gedächtnis eines erfochtenen Sieges dem Mahomet den größten Tempel erbauen, den es in der Welt gebe. Er läßt sich daher von verschiedenen Architekten Pläne vorlegen, worunter ein Spanier ihm den Abriß des Eskurials zeigt, den der König sofort für das achte Wunder der Welt erklärt. Aber auch sonst begeistert er sich aus den Erzählungen des Baumeisters für Spanien und dessen König Philipp und beschließt, selbst mit einer Flotte dahin zu reisen. Diese Reise beschließt der Vezier und des Königs Schwester, dessen Geliebte, zu benützen, um sich des Thrones zu bemächtigen. Der König leidet Schiffbruch und wird, auf einer Planke schwimmend, auf den Kanarischen Inseln von dem Kapitän Don Baltasar aufgefangen und als Sklave zu seinen Verwandten nach Sevilla mitgenommen.

Einer dieser Verwandten, Don Juan, hat seine Schwester D. Ana einem reichen Indianer zur Ehe versprochen, obwohl diese einen andern liebt. Eben als der Sklave Tomar in Sevilla anlangt, hat jener Indianer, Gerardo, in Erfahrung gebracht, daß seine Braut D. Ana ein uneheliches Kind sei, und sein Wort zurückgezogen. In den Streitigkeiten, die darüber entstehen, zeigt Tomar seine Tapferkeit und Riesenstärke, ja er verliebt sich bei dieser Gelegenheit in D. Ana, die sich ihm gleichfalls geneigt erzeigt, um so mehr, als auch ihr früherer Liebhaber, Don Pedro, sich zurückzieht, da er außer der Bastardschaft auch erfährt, daß die Mutter seiner Geliebten noch dazu eine Maurin gewesen sei. Der Bruder D. Juan tötet den Indianer Gerardo im Zweikampf, und die Familie muß nun fliehen. Sie gehen nach Madrid. Der Anblick der Stadt und des Königs Philipp steigert die Begeisterung Tomars für Spanien. Edelsteine, die Tomar aus seinem Lande mitbrachte und die er jetzt verkaufen will, bringen ihn, ja selbst seinen Herrn, in den Verdacht des Diebstahls, und Tomar wird eingekerkert, wo ihn denn die übrigen Gefangenen, da er sich mit einer Dublone freigebig zeigt, zum König des Gefängnisses ausrufen. Der etwas dunkle Schlußvers des zweiten Aktes läßt zweifelhaft, ob er dieses Ereignis, oder die Stadt Madrid für das achte Wunder der Welt erklärt.

Die Gesellschaft kommt wieder nach Sevilla zurück, und hier eröffnet endlich Tomar seinen wahren Stand und wirbt um D. Anas Hand, Die Verwandten haben nichts Bessers zu thun, als sie ihm zu versprechen und mit ihm nach Bengalen zurückzukehren. Dort hat indes des Königs Schwester und der treulose Vezier den Thron an sich gerissen, ja auf die Nachricht von Tomars Wiederkehr schicken sie Leute, ihn zu fangen und zu töten. Durch die alte Liebe seines Volkes und die Würde, in der er den Mördern entgegentritt, bringt er jedoch das Land auf seine Seite und besteigt wieder den Thron, den er mit D. Ana teilt. Er hat mittlerweile die Taufe und in ihr den Namen Philipp erhalten, so daß bei seiner fortgesetzten Begeisterung für Spanien alle ihm ausgebrachten Viva Felipe vom Publikum sehr leicht auf ihren eigenen König Philipp (III.) bezogen werden konnten, welcher sonach das achte Wunder der Welt vorstellt.

Sembar en buena tierra habe ich in langen Zwischenräumen gelesen und weiß nichts mehr davon. Nur daß nicht viel Besonderes daran ist.

El blason de los Chades de Villalba. Ebenso, kaum daß irgend eine Einzelheit der Erwähnung wert wäre.

Don Juan de Dios y Martin. Die Stiftung eines Ordens, der Hospitäler, besonders für venerische Kranke, gründete. Da kommen denn Männer und Weiber, mit diesem Übel behaftet, und gerieren sich ohne Scheu, wo nur zu wundern ist, daß sich Schauspieler und Schauspielerinnen für derlei Rollen gefunden haben. Das Ganze übrigens nach dem Schnitte dieser Heiligengeschichten, aber mit voller Wirksamkeit. Sogar der gewöhnliche heilige Spaßmacher fehlt nicht, ein früherer Dieb, Spieler und Lump, dessen Erbaulichkeit mitunter spaßhafte Rückfälle hat. Man muß die Spanier glücklich preisen, so aus der Mitte ihrer eigentlichsten Natur ergötzt und erhoben worden zu sein.

El poder vencido y el amor agradecido, oder wie der Titel heißt (denn ich habe das Buch bereits zurückgegeben). Wenn die Erfindung, daß ein zur Heirat Gezwungener, um seiner Braut einen Abscheu zu erregen, seinen Bedienten die Stelle seiner einnehmen läßt und dafür selbst als dessen Bedienter figuriert – von Lope de Vega als erstem Urheber – so ist das Stück wegen Neuheit der Situation nicht ganz ohne Verdienst, sollte aber das Verhältnis schon früher einmal da gewesen und somit nur Nachahmung sein, so ist von dem Ganzen wenig Gutes zu sagen.


Band XXIII-XXV

Dios hace reyes. Herzog Otto von Polen und sein Vertrauter Floriberto treten auf. Man erfährt, daß Otto ein Gegner des eben erwählten Kaisers Konrad ist, und Floriberto gibt ihm den Rat, sich, da die Partie nun so ungleich stehe, zu unterwerfen und Verzeihung anzusuchen.

Ein Diener meldet einen fremden Ritter an. Er trifft ein. Es ist Graf Leopoldo mit seinem Weibe Estela auf der Flucht vor den siegreichen Waffen des Kaisers, nur eben jetzt besiegt. Der Mut beider ist aber noch nicht gebrochen, sie sinnen neuen Widerstand, ja Leopoldo hofft mit Ottos Unterstützung wohl noch einmal den Kaiser vom Throne herabzustürzen. Otto zeigt sich von gleichen Gesinnungen belebt. Als aber das flüchtige Paar sich entfernt hat, findet Floribertos Einflüsterung, daß durch ihre Auslieferung an den Kaiser die Versöhnung mit diesem am vorteilhaftesten eingeleitet werden könnte, nur zu schnellen Eingang, und die Einwürfe der Ehre werden durch die razon de estado siegreich bekämpft.

Hierauf werden wir unter die Fenster Faustinas versetzt, der der siegreiche Kaiser auf gut spanisch den Hof macht. Nach einem kurzen Gespräch mit ihr erscheint Ottos Vertrauter Floriberto und bietet ihm die Auslieferung des flüchtigen Rebellen an. Scheinbar einwilligend, sendet doch der Kaiser, sobald jener sich entfernt hat, seinen Diener Leonido, um den Grafen Leopoldo von dem Verrat zu unterrichten.

In einem Gespräch Ottos mit einem andern seiner Vertrauten, Albano, erfahren wir, daß der wetterwendische Herzog von der Schönheit Estelas, der Gattin Leopoldos, bezaubert worden ist. Dazu kommt das verfolgte Ehepaar und setzt durch seinen lebhaften Dank für den gewährten Schutz das Schändliche in Ottos Benehmen in noch grelleres Licht. Floriberto, zurückgekommen, setzt durch ein Aparte in Gegenwart der Verratenen den Herzog vom Erfolg seiner Plane in Kenntnis. Man beschließt, Leopoldon noch in derselben Nacht gefangen zu nehmen. Sie gehen, und während Leopoldo noch einmal seinen Dank ihm nachspricht, kommt des Kaisers Diener Leonido mit der blutigen Enttäuschung. Leopoldo beschließt, zu fliehen, und fühlt den Groll gegen seinen großmütigen Feind mit einemmale verschwinden.

Der Kaiser und Faustina. Liebesgespräch. Wir erfahren, daß die Kaiserin schwanger ist, Faustina wünscht ihm einen Sohn und Erben. Da meldet ein Diener, daß die Kaiserin, von Eifersucht gekränkt, mit einem toten Prinzen niedergekommen sei. Der Kaiser, außer sich, verwünscht Liebe und Eifersucht. Eine Art Zerstörungslust bemächtigt sich seiner. Er geht auf die Jagd, die Leidenschaften mit wilden Tieren vergleichend und verwechselnd.

Amarilis und Lauro, ein Liebespaar, treten auf. Dazu die Köchin Silvia und der Rüpel Bato, der eben wegen Näscherei aus der Küche gejagt worden ist. Komische Erzählung des Vorgangs. Hierauf Leonido, der eine Unterkunft für den Grafen Leopoldo und Estelan sucht. Bato sieht durch diese Ankömmlinge seinen Anteil am Abendmahle verkürzt, und da er hört, daß die Frau schwanger und nächst am Gebären sei, wird auch das Ungeborene unter die Gäste gezählt. Zu Bato, der allein bleibt, kommt Lauro mit der Nachricht, die Gräfin habe einen Knaben geboren.

Der Kaiser mit Jagdgefolge. Neue Verzweiflung Batos. Silvia und Amarilis bringen das neugeborne Kind, Sie besprechen es, wie nur Lope es kann:

Amarilis. Benedígalo el cielo, amen!
¿Que cara?

Silva. Es un angel bello.

Amarilis. ¿Que ojos? y ¿que cabello?
vida los cielos te den.

Silva. Es hecho de mil pinceles
de mil oros, de mil platas.

Amarilis. Parece, que sobre natas
han deshojado claveles
¿que dezis? riendo està.
¿Ay tal gracia?

Der Kaiser befiehlt, das Kind ihm zu bringen, das ihm so viel Neid erregt. Indem er es bewundert und liebkost, ruft eine Stimme von innen: Dieser wird dein Nachfolger sein. Der Kaiser entsetzt sich, hofft aber doch, es könne eine Täuschung gewesen sein. Da wiederholt dieselbe Stimme: Er wird nach dir regieren! Nun beschließt der Kaiser, das Kind zu töten, und übergibt es Leonido zu diesem Ende. Die andern aber macht er glauben, er habe es zu einer Wärterin gesendet, welche unter seinem Gefolge sich befinde. Graf Leopoldo kommt und stattet dem Kaiser den Dank für seine Verzeihung ab. Da der Kaiser sich entfernt hat, fragt Leopoldo um sein Kind, und nun glaubt dieser zu erkennen, der Tyrann habe an dem unschuldigen Sprößling die Vergehen des Vaters rächen wollen. Vortreffliche Scene. Er eilt fort, den Mörder zu töten oder sich selbst dem Tode anzubieten. Die Zurückgebliebenen sprechen ihre Besorgnis aus, das Ereignis werde der Gräfin den Verstand oder das Leben kosten. Bato schließt den Akt mit der Hoffnung, bei der allgemeinen Verwirrung alleiniger Verzehrer des Abendessens zu bleiben.

Den zweiten Akt eröffnet Leopoldo, jetzt schon alt, in Felle gekleidet, von Enrique verfolgt, der ihn für ein wildes Tier hielt. Wir erfahren, daß Leopoldos Gattin, Estela, desselben Tages gestorben sei, und Enrique, allein geblieben, öffnet die Thüre einer Höhle, in der man die Verstorbene, in Felle gekleidet und ein Buch in der Hand, in sitzender Stellung erblickt. Enrique fühlt sich von dem Anblick wundersam ergriffen, und er nimmt das Buch aus den Händen der Leiche, um etwas Näheres von den Schicksalen des merkwürdigen Paares zu erfahren.

Dorista und Luzela. Letztere spricht in einer wunderhübschen Stelle ihre Liebe zu Enrique und ihre Hoffnungslosigkeit aus. Man merkt bald, daß Dorista, Enriques vermeintliche Schwester, was die Liebe betrifft, in einem gleichen Falle ist. Enrique kommt, er hat in dem Buche die Geschichte seiner Eltern gelesen, von denen er aber noch nicht weiß, daß sie es sind, so wie er in Doristen bald seine Schwester sieht, bald die Wünsche des Liebhabers gegen sie empfindet. Er hat einige Ahnung, daß er der ausgesetzte Sohn Leopoldos sein könne. Sowohl um dem Widerstreit seiner Empfindungen zu entgehen, als Gewißheit über sich selbst zu erhalten, beschließt er, in die Welt und zwar an den Hof zu gehen.

Der Kaiser mit dem Pfalzgrafen Roland und Gefolge tritt auf. Der Herzog von Polen, Otto, hat neuerdings Unruhen erregt. Der Kaiser beschließt, ein Heer gegen ihn zu senden, und der Pfalzgraf erhält das Kommando. Aus den Aeußerungen des Kaisers, vornehmlich aber aus einem Monologe Rolands geht hervor, daß dieser die Hand von des Kaisers einziger Tochter Teosinda und mit ihr die römische Königskrone zu erhalten hofft.

Enrique, angelangt, trifft mit einem Diener des Pfalzgrafen Rufino zusammen und wird, nach einigen recht guten Wechselreden über Hof und Welt, von jenem unter dieselbe Dienerschaft aufgenommen. Sie gehen, und Dorista tritt in Männertracht auf. Sie hat aus Liebe zu Enrique ihren Vater verlassen und beschließt, ersteren aufzusuchen. Einige Hofherren kommen, von einer Versammlung sich unterhaltend, die der Kaiser angesagt und in der, wie sie vermuten, er den Gemahl seiner Tochter und seinen Nachfolger bezeichnen werde. Dorista wendet sich fruchtlos an sie um Auskünfte über ihren Bruder. Rufino, der zurückbleibt und dem der junge Mensch gefällt, nimmt ihn in Dienst als Page für Enrique. Einige nicht gar saubere, aber sehr komische Andeutungen über das Pagenleben.

Er fragt sie:

¿Teineis sarna?

Dor. No.

Ruf. Pues bien
luego no estais graduado
de page.

Dor. No, que he estudiado
limpieza.

Ruf. ¡Hermoso desden!
¿Sin sabanas muchas noches
avreis dormido?

Dor. Callad
que es mucha riguridad.

Ruf. Poyos y caxas de coches
ya os deben de conocer
Camisa, una, y ninguna
mientras se lava, si alguna
es haze tanto placer.
¿Alcahuete? ya avreis sido
deste oficio.

Dor. Bien supiere u. s. w.

Versammlung der Großen des Reichs, der Kaiser erklärt seinen Entschluß, einen Nachfolger zu ernennen. Die Prätendenten prahlen jeder, so gut er kann. Der Kaiser läßt einen Lorbeer bringen (laurel, wohl Kranz oder gar Krone). Die Aeußerungen der Bewerber haben ihn mißtrauisch gemacht. Indem er wählend herumblickt und endlich sich bestimmt, fällt ihm der Kranz aus der Hand. Enrique, der dienend daneben steht, hebt ihn auf. Der Kaiser, wahrscheinlich darin eine Vorbedeutung sehend, frägt ihn, wer er sei. Enrique erzählt mit kurzen Worten sein Schicksal, und daß er weder Vater noch Mutter kenne. Der Kaiser hebt die Versammlung auf, verfügt aber zugleich, daß die Grenzen seines Reiches künftig jedem untersagt sein sollen, der seine Eltern nicht anzugeben vermag. Ja, er verbannt Enriquen, wenn er binnen drei Tagen dieser Forderung nicht genüge. Enrique antwortet ganz ruhig: Gran Señor, Dios haze reyes, y los hombres leyes.

Es wird ihm sein junger Page vorgestellt. Beide erkennen sich, verheimlichen es aber. Auf die Ermahnung Rufinos, nicht traurig zu sein, erwidert jener:

Bien dices
Dios haze reyes, que temo
los leyes, que hazen los hombres
á su voluntad sujetos.

Im dritten Akt sehen wir das gegen Herzog Otto gesendete Heer unter Rolands Anführung siegreich zurückkehren. Enrique hat sich ausgezeichnet, auch Dorista als Page Celio wird rühmlich erwähnt, der Kaiser aber, aufgefordert, Enriquen zu belohnen, beharrt darauf, erst wissen zu wollen, wer sein Vater gewesen sei.

Rufino, mit Enrique zurückgeblieben, gibt dem Jüngling den Rat, irgend jemanden zu suchen, der sich für seinen Vater ausgeben wolle. Graf Leopoldo, der in standesgemäßen Kleidern eben dazu kommt, wird um den Liebesdienst angegangen, und er ist bereit dazu, um so mehr, als die beiden sich von ihrem Jagdabenteuer her wieder erkennen und der Graf eine Ahnung hat, daß jener wirklich sein Sohn sein könnte. Auch Dorista soll wieder weibliche Kleider nehmen und für Enriques Schwester gelten.

Zu Rufino kommt der Pfalzgraf Roland, und da er Doristas Umwandlung erfährt, zeigt sich, daß er Neigung gegen sie fühle, die Rufino auf Kupplerart ans Ziel zu bringen verspricht.

Zum Kaiser, der trübsinnig eintritt, kommt der Pfalzgraf Roland und macht ihm die heftigsten Vorwürfe über seine Undankbarkeit, und daß er ihn nicht zum Nachfolger bestimmt, wie beschlossen war. Er geht, und der Kaiser, höchst erzürnt, äußert, er wolle jene Wahl so sehr von seinem eigenen Gefallen abhängig machen, daß sie den ersten Soldaten treffen solle, der eintreten werde. Kaum ausgesprochen, tritt Enrique ein, was denn der Kaiser als eine neue Vorbedeutung aufnimmt.

Enrique ist eigentlich gekommen, um dem Kaiser seinen improvisierten Vater Leopoldo vorzustellen. Da dieser auf die Fragen des Kaisers über seine eigene Abkunft sich ausweichend erklärt, erwacht in jenem von neuem die Idee, daß er in Enrique doch vielleicht den ihm Gefahr drohenden Sohn seines alten Feindes vor sich habe.

Die Gunst, die der Pfalzgraf Roland verscherzt hat, wendet der Kaiser dem Herzog Celio zu. Er befiehlt seinem Sekretär, eine Ausfertigung zu dessen Gunsten herbeizuholen, die in seinem Kabinette liegt, wo sich auch eine zweite für Enrique befinde. Herbeigebracht, händigt der Kaiser die beiden Gnadenbriefe aus und geht. Dabei geschah aber eine Verwechslung, denn als Herzog Celio den seinen liest, findet er darin eine Schenkung von zehntausend Dukaten, worüber er in Wut gerät und Aufruhr und Verderben droht, indes Enrique sich zum Grafen von Schwaben ernannt sieht, dem ersten Fürstentum Deutschlands.

Rufino macht Doristen in des Pfalzgrafen Namen Anträge, die diese zurückweist. Sie geht. Der Pfalzgraf kommt und erfährt von Rufino sowohl die Abweisung seiner Bewerbungen, als Enriques Standeserhöhung. Indes Rufino auf etwas Gewaltthätiges gegen Doristen zu sinnen scheint, hat dagegen die veränderte Lage der Personen offenbar günstigen Einfluß auf die Gesinnungen des Pfalzgrafen gehabt.

Nach einer kurzen Scene zwischen dem Kaiser und Rufino, in welcher letzterer endlich auch zu einer Belohnung von zweitausend Dukaten kommt, überlegt Konrad, wem er seine Tochter zur Ehe geben soll, und beschließt endlich, sie dem Grafen (wahrscheinlich meint er den Pfalzgrafen) zu geben.

Da tritt Enrique plötzlich ein und dankt ihm für diese neue Gnade. Da du deine Tochter dem Grafen geben willst und mich eben zum Grafen gemacht hast, – Zum Grafen? – Das Mißverständnis durch die verwechselte Schrift erklärt sich. Der Kaiser begreift, daß gegen so viele Schicksalsnötigungen kein Mittel bleibt, als die Tötung des Trägers so vieler Anzeichen.

Er befiehlt ihm, einen Brief der Kaiserin zu überbringen, und geht hin, diesen zu schreiben.

Während einer Scene in Leopoldos Hause, da der Pfalzgraf ihm und Doristen seinen Glückwunsch über Enriques Standeserhöhung darbringt, dringt Rufino mit drei Dienern, sämtlich verlarvt, ein und rauben Doristen.

Enrique, auf dem Wege zur Kaiserin, kehrt bei einem Schüler ein. Während er auf die Postpferde wartet und seinem Wirt auf die gutmütigste Art Protektion am Hofe verspricht, schläft er ermüdet ein. Der Schüler betrachtet das kaiserliche Schreiben, das jener auf den Tisch gelegt hat, und da er sieht, daß man es eröffnen kann, ohne das Siegel zu verletzen, so thut er es. Er liest nun den Auftrag an die Kaiserin, den Ueberbringer des Briefes augenblicklich töten zu lassen. Der gutmütige Schüler radiert das Schreiben und ändert es dahin, daß die Kaiserin den Ueberbringer auf der Stelle mit ihrer Tochter zu vermählen habe.

Die Kaiserin mit ihrer Tochter Teosinda. Enrique langt an. Die Kaiserin liest den Brief, verwundert sich, ist aber bereit, zu gehorchen. Die Tochter desgleichen, wenigstens freut es sie, daß der Bräutigam gut aussieht. Der Bischof von Trier wird gerufen zur Vermählung.

Leopoldo und Dorista; sie fühlt, daß durch die ihr geschehene Schmach Enrique für sie verloren ist.

Dazu der Kaiser und der Pfalzgraf. Der Kaiser hat bereits erfahren, daß jenes Kind, das er vor Jahren zu töten befohlen, nicht getötet, sondern nur ausgesetzt worden sei. Die Kaiserin kommt und berichtet, daß sie den erhaltenen Befehl ausgerichtet. – Also ist er tot? – Tot? Verheiratet. Nur vor kurzem gingen sie zu Bette. Er liest den korrigierten Brief, erkennt die Hand des Himmels und beschließt, einzuwilligen, da er nichts ändern kann, Leopoldo gibt sich als der, der er ist, und Enriques Vater zu erkennen. Die Vorbedeutungen sind erfüllt. Das neue Ehepaar erscheint, und ein zweites macht sich im Pfalzgrafen und Doristen.

Porfiar hasta morir. Die Geschichte jenes spanischen Dichters, Macias, den der Gatte seiner Geliebten durch einen Speerwurf tötet, weil er außen am Turme stehend, ihn inwendig ein Liebesgedicht singen hört. Das Ganze vortrefflich gehalten bis auf den Schluß, der mir etwas übereilt scheint und dadurch an Wirkung verliert. Sehr gut die Charaktere der Geliebten und Gattin Klara und des Großmeisters von Santiago, Macias und sein Nebenbuhler Tello nach Lopes Art nicht besonders scharf, aber darum nicht minder gut gehalten.

La enbidia de la Nobleza. Der Untergang der Abencerragen. War, glaube ich, seiner Zeit eines der berühmtesten Stücke Lopes und ist auch wirklich vortrefflich. Niemand hat, wie er, die Chronik und die Romanze geltend zu machen gewußt. In diesem Stücke geht es so weit, daß bei der Zusammenkunft der Königin mit dem geliebten Abencerragen beide offenbar wörtlich Stellen aus einer Romanze hersagen, wobei sie von ihrem Verhältnis, wie von einem fremden erzählend, sprechen. Demungeachtet verfehlt es seine Wirkung nicht. Der Schluß, wie bei Lope häufig, matter als das übrige.

El robo de Dina. Der Eingang eigentlich biblisch-patriarchalisch. In der Folge tritt es zum Teil aus dieser Haltung heraus und wird allgemeiner, nur Jakob und seine Söhne beharren. Dina, eine eigentliche Spanierin, Etwas stark die Scene, wenn sie, unmittelbar nach ihrer Schändung, mit zerrauften Haaren und maltratada aufs Theater kommt, sowie, wenn sie später den Vorgang ihrem Vater erzählt. Uebrigens alles das sehr gut. Ebenso das Verhalten Jakobs, der sich mit einer Vermählung begnügt. Dagegen die hebräische Rachsucht seiner Söhne, in die Dina selbst, echt spanisch, einstimmt. Glückliche Dichter, die ein so wenig verbildetes Publikum vor sich haben, daß sie Umstände, wie die Beschneidung des ganzen Volkes von Sichem, erwähnen können, ohne einem Grinsen zu begegnen. Das von Lope oft gebrauchte Kunstmittel, einem dem Geschick Verfallenen seinen eigenen Schatten erscheinen zu lassen, hier vor dem Tode Sichems nicht sehr glücklich angebracht. Dagegen der Schluß wieder vortrefflich. Die Hirten ziehen nach vollbrachter That mit ihren Herden weiter. Sogar die scherzhafte Person kommt noch einmal vor, und die Sorge für die Herden nimmt die letzten Verse des Stückes ein. Gewiß: an Naturempfindung und Einwohnen in den Kern der Begebenheiten hat niemand Lopen übertroffen.

El saber puede dañar. In zwei Gattungen des Dramas ist Lope schwach (als Gegenfüßler Calderons, der gerade darin seine Stärke hat): in solchen, die einen philosophischen oder moralischen Satz an die Spitze stellen und lehrhaft die Idee in der Handlung ausführen; dann in den eigentlichen Verwicklungskomödien. Das gegenwärtige Stück soll eines der letztern Gattung sein; die Intrigue ist aber weder neu, noch durchgeführt, und überhaupt außer einigen glücklichen Scenen und guten Charakteren (Celia) nicht viel Besonderes an dem Ganzen.

Los pleitos de Inglaterra. Soll ich denn immer fortfahren, diese höchst wunderlichen Produktionen als vortrefflich anzusprechen? Und doch kann ich nicht anders. Es ist ein Reiz der Natürlichkeit, eine Atmosphäre von Poesie und bei den barocksten Anlässen eine Wahrheit der Ausführung, der man nicht widerstehen kann. Z. B. daß König und Königin nach einer Trennung von freilich zwanzig Jahren sich nicht wieder erkennen, wenigstens er sie auch später nicht, und sich von neuem ineinander verlieben. Wie seine Neigung nach und nach geradezu sinnlich wird, die beiden sich auf dem Wege nach London in die Gebüsche verlieren. Was sie sich da sagen, und wie die beiden begleitenden Bauern um die Tugend ihrer bis dahin musterhaften Herrin anfangen besorgt zu werden. Die Doppelscene, die daraus entsteht. Ich weiß damit nichts zu vergleichen. Die Liebesscene in Romeo und Julie erscheint dagegen beinahe wie gemacht.

Los palacios de Galiana. Wahrscheinlich bestehen oder bestanden zu Lopes Zeiten in Cordova Ruinen, die im Munde des Volkes palacios de Galiana hießen. Dadurch gewann das Stück für den Spanier ein örtliches antiquarisches Interesse, das gegenwärtig wegfällt. Einige gut ausgeführte Scenen sind nicht abzuleugnen, ebenso einige geschickt geführte, z. B. wo der Graf Arnaldo den Wachen die Geschichte einer Befreiung in seinem Vaterlande erzählt und dadurch der vom Balkon zuhörenden Prinzessin die Mittel zu ihrer eigenen Flucht andeutet. Ebenso mußte eine gute Wirkung machen jene frühere Scene mit der Unterredung des Liebespaares in Gegenwart des Vaters und seiner Geliebten, indem Carlos statt des ersteren zur letzteren spricht, dabei aber den Sinn der Worte auf Galiana richtet, indes diese, hinter der Freundin verborgen, ihr die Antworten souffliert, die der König auf sich bezieht. Das Prototyp aller spanischen Liebesheldinnen ist übrigens die im Stücke vorkommende Armelinda, die, trotz ihrer wütenden Liebe zu einem, doch aus einer Hand in die andere geht, vier- oder fünfmal im Begriff ist, geschändet zu werden, alle Abscheulichkeiten aus Eifersucht begeht und am Ende doch rein dasteht wie frischgefallener Schnee. Mit dem Haupthelden Carlos scheint übrigens nichts mehr und weniger als Karl der Große gemeint.

El saber por no saber, y vida de S. Julian. Schade, daß in dem Exemplar der Hofbibliothek, das ich benütze, der Schluß fehlt. Der Charakter der Hauptperson, menschlich genommen, etwas outriert bis zur Annäherung an Heuchelei und Unwahrhaftigkeit, aber im damalig katholischen, d. i. mönchisch-pfäffischen Sinne nicht zu tadeln, für jeden Fall aber höchst wirksam. Die Geschichte des Studenten Claudio und der Schankwirtstochter Isabella eigentlich kunstmäßig als Mittelpunkt der übrigen isolierten Ereignisse hingestellt, so daß selbst der den Heiligen allerwege begleitende alberne Laienbruder Tome anfänglich als eine Art Diener und Begleiter Don Claudios erscheint. Ebenso wußte er die schelmische Ines und den Mohren Ali, indem er sie an mehreren Orten einflocht, aus dem rein Episodischen herauszuziehen.


Guardar y guardarse (Tom. 24). Don Felix und Chacon kommen. Sie fliehen aus Kastilien und haben den Weg verloren. Dazu Doña Elvira und Hippolyta als Landmädchen gekleidet. Wir erfahren, daß Elvira vom Könige von Aragonien geliebt und deshalb von ihrem Bruder, dem Almirante, in einem einsamen Landhause abgesondert gehalten wird. Die Reisenden wenden sich an sie. Felix erinnert sich des Ovid und seiner Nymphen, und wir sind eines Schlages auf dem Gebiete der Phantasie. Redensarten der ausgesuchtesten Qualität werden mit vornehmer Sicherheit abgelehnt und in Schranken gehalten. Für jeden Fall aber das nahegelegene Landhaus als Ausruheplatz angeboten, wobei man jedoch Sorge trägt, daß Name und Stand der Wirtinnen verborgen bleibe.

Warum Don Felix aus Kastilien entflohen, erfahren wir in der zweiten Scene, wo König Alfonso die Beleidigungen auszugleichen sucht, die einem Don Sancho von Felix zugefügt worden sind. Seine Bemühungen bleiben übrigens fruchtlos, und er ist genötigt, den Racheschnaubenden gefangen setzen zu lassen, da er droht, den Gegner zu töten.

Auf dem einsamen Schlosse finden wir Felix und Elvira wieder. Sie verhehlt den Eindruck nicht, den er auf sie gemacht, erklärt aber jedes nähere Verhältnis für unmöglich und gibt ihm, indem sie ihn fortsendet, einen Empfehlungsbrief an den König von Aragonien mit.

Indem nun Don Felix seine bella labradora, más que de campos, de almas, y de enojos, höchst verliebt mit der Sonne vergleicht, kommt Hippolyta und beschenkt ihn mit Juwelen als Zeichen ihrer Gunst.

Der König von Aragonien und der Admiral. Der König, der seine Liebe zu Elviren dem Zuseher deutlich genug macht, eröffnet ihrem Bruder den Plan, sie zu vermählen, ohne zu sagen, mit wem. Es könnte wohl der König selbst dieser Gemahl sein, meint der Almirante, beschließt aber doch, vorsichtig zu sein. Don Felix bringt seinen Empfehlungsbrief. Wir erfahren jetzt als den Grund seiner Flucht aus Kastilien, daß er aus Eifersucht wegen einer Doña Bianca seinen Nebenbuhler Don Sancho beim Ballspiel mißhandelt:

y levantando la pala,
le doy lo que parecia
el nombre, si es más afrenta
que con mujer los reciba.

Endlich liegt hier wohl das Wortspiel von pala und palos (Prügel) zu Grunde. Der König verspricht ihm Schutz und übergibt ihn dem Almirante zu hüten.

Indessen sind Elvira und Hippolyta vom Lande angekommen und in ihrem Hause abgestiegen. Der Almirante stellt Don Felix als seinen Schutzbefohlenen vor.

Der Almirante bleibt mit seinem Diener, der ihm ein Schreiben übergibt, das ein durcheilender Kurier gebracht. Es wird erbrochen und enthält die Nachricht, daß die Familie der Mendoza, einen vom Almirante durch Verweigerung einer Heirat ihnen angethanen Schimpf zu rächen, Don Felix abgesendet habe, den Beleidiger zu töten. Und nun beginnt die Situation, die der Titel enthält: Hüten und sich hüten. Sie erfordert einen ausgezeichneten Schauspieler, denn die Furcht des Almirante darf nie eigentlich burlesk werden, wie denn auch seine Worte und Ausdrücke immer würdig bleiben, und nur Gebärde und Benehmen die komische Beimischung geben. Der Gang der Handlung hat weiter eben nichts Ausgezeichnetes. Merkwürdig aber ist der Charakter Elvirens, eine eigentliche Versinnlichung der sogenannten sal española. Wenn das Porträt von Felix' früherer Geliebten gefunden wird und sie anfängt, eifersüchtig zu werden. Die burlesken Verse, mit denen sie die Unterschrift des Bildes ergänzt:

Doña Blanca es esta dama
»asi su galán lo quiere
»por si acaso se perdiere
»que sepan como se llama.

Das alles ist unnachahmlich, und zwar um so mehr, als es nur ein geistiger Hauch ist, der jeder Zergliederung spottet.

Uebrigens wiederholen diese Dichter in einzelnen Zügen und Sätzen nicht nur sich selbst, sondern borgen auch voneinander, wo man dann nicht weiß, welcher das Original und welcher die Kopie ist. Einmal kommt vielleicht sogar ein Hieb auf Calderon vor:

. . . . . . .primero que veas
que . . . . . . . 
me caso contra mi gusto
 . . . . . . . . . . . . . 
avrá estrellas en la mar
y flores en las estrellas.

Wenigstens gehören Vermengungen wie letztere unter Calderons Lieblingsfiguren.

La hermosa fea. Eins von der Art Stücken, in der Lope nicht glücklich ist, und um derentwillen ihm Lord Holland Mangel an Urteilskraft schuld gegeben hat. Der Stolz, mit dem die Prinzessin von Lothringen, Estela, alle Bewerbungen zurückweist, bringt Ricardo, den Herzog von Polen, auf die Idee, sie dadurch zu reizen, daß er ihr zu Ohren kommen läßt, er habe sie häßlich gefunden. Zugleich aber weiß er sich unter falschem Namen in ihr Haus einzuführen und sie in sich verliebt zu machen u. s. w. Obwohl man nun nicht sagen kann, daß die beiden Teile dieses Doppelplans in keiner Verbindung miteinander stehen, so wirkt doch die Hauptidee bei weitem nicht genug aus, und wenn der verkleidete Herzog nur liebenswürdig genug ist, um als Mann zu interessieren, so hätte es des Reizmittels der beleidigten Eitelkeit gar nicht bedurft, um auch so zum Ziele zu gelangen. Was aber Mangel an Urteilskraft scheint, ist eigentlich nichts, als die Uebereilung der Vielschreiberei und eine gewisse epische Gleichgültigkeit, die die Fakten so hinrollen läßt und sie teilweise ausbildet, ohne sich um ihren Zusammenhang sonderlich zu kümmern. Liebevolles Haften am Besondern ist der Fehler, aber auch der unermeßliche Vorzug Lope de Vegas.

El caballero de Olmedo. Da ist nun gleich wieder im ersten Akt ein so abgerissenes Ereignis, das mit allen Vorbereitungen einer Intrigue angeknüpft wird und, wenn es eintritt, nicht die geringste Wirkung auf den Gang der Handlung ausübt. Ines, um ihren verborgenen Liebhaber an einem Zeichen zu erkennen, schreibt ihm, sie werde eines ihrer grünen Schuhbänder ans Fenstergitter binden, das er nehmen und am Hute tragen soll. Nun kommt ihm aber der vom Vater begünstigte Bräutigam zuvor, eignet sich das Band zu, ja teilt es sogar mit seinem Freunde, dem Bewerber der zweiten Schwester, und sie erscheinen nun beide mit dem grünen Bande. Aber es erfolgt nichts daraus, und kaum geschehen, ist es auch schon wieder vergessen. Uebrigens ist das Stück offenbar nach einer alten Romanze bearbeitet, und er führt eben die Umstände nacheinander auf, wie sie dort vorkommen.

Aber wie vortrefflich die Scene, wo er den Brief seiner Geliebten erhält und ihn nur stellenweise liest, weil man so viel Süßes nicht auf einmal vertragen könne. Das Liebesgespräch an der reja, und wie sie so natürlich findet, daß er abreise, um seine Eltern nicht die Nacht über in Sorgen zu lassen. Es ist ein Zauber der Natürlichkeit über all diesen Scenen, der sich nur empfinden läßt.

El bastardo Mudarra. Die Geschichte jener sieben Infanten von Lara, in all ihrer Chroniken- oder vielmehr romanzenartigen Ursprünglichkeit dargestellt, bis auf die sieben Steine, die die rachsüchtige Doña Alhambra dem alten Vater täglich ins Zimmer werfen läßt, um ihn an den Mord seiner Söhne zu erinnern. Der Schluß übereilt, wie bei Lope häufig.

La ilustre fregona. Nach der bekannten Novelle des Cervantes, aber, wenn ich mich recht erinnere, mit wesentlichen Verbesserungen, als Lustspielhandlung betrachtet. Namentlich der den Herrn vorstellende Diener als Liebhaber nach der Mode, der sich im Original nicht vorfindet. Ueberhaupt das Ganze konsequenter und zusammenhängender, als es sonst bei den komischen Stücken Lopes der Fall ist, ein eigentliches Lustspiel, so daß es ohne Abänderungen auf der heutigen Bühne unfehlbares Glück machen müßte. Höchstens die Art, wie der Thomas zum Besitz des Bildnisses kommt, und die Gewaltthätigkeitsgeschichte im letzten Akt müßte etwas anders angeleitet werden.

El nacimiento de Christo. Ein wunderliches Stück, das mit dem Sündenfalle anfängt. König Adam und Königin Eva, von Unschuld und Gnade begleitet, werden durch die Schlange, Schönheit und Neid verführt. Gott Vater tritt als Kaiser des Himmels auf und Gott Sohn als göttlicher Prinz.

Uebrigens ist mir bei dieser Gelegenheit aufgefallen, daß meines Wissens noch nicht darauf hingedeutet worden ist, welcher Akt der auch äußerlichen, symbolischen Genugthuung darin liegt, daß die durch den verbotenen Genuß des Apfels verlorne Reinheit durch den Genuß des göttlichen Leibes wiederhergestellt wird. Das Heilmittel ist wunderlich, aber großartig kombiniert. Gewiß, der Witz ist in das Christentum nicht erst durch die Scholastiker hineingekommen.

Ist der erste Akt metaphysisch und wunderlich, so steigt der zweite dafür ins Menschenleben herab und ist um so besser. Originell die Art, wie Joseph und Maria aufgefaßt sind. In aller traditionellen Not und Entblößung, und doch der königlichen Abstammung sich bewußt und als Könige sich fühlend. Man wird an die alten Gemälde erinnert, wo Maria im Stroh des Stalles, aber zugleich in goldverzierten Kleidern ihr Kind besorgt. Dann die Hütte der Hirten, vielleicht zu sehr ausgesponnen, aber Lope liebt, sich in die Einzelheiten des Schäfer- und Landlebens zu vertiefen. Gibt es etwas Anmutigeres als diese Hirtin Delia, die den Kopf in die Kapuze und die Hände in die Aermel versteckt, vor Kälte trippelt, wie denn überhaupt die ganze Scene, den Frost der Jahrszeit und die Not der obdachlosen Gebärerin aufs lebhafteste versinnlicht.

Den größten Teil des dritten Aktes nimmt ein Gesellschaftsspiel der Hirten ein, nach Art unseres Schenkens und Logierens. Wohl etwas zu sehr ausgesponnen. Hierbei Erscheinung des Engels. Joseph und Maria kommen mit dem Kinde, offenbar von der Beschneidung, was wunderlich genug ist, aber ganz dem Taufen der Kinder gleich nach der Geburt entspricht. Ankunft der drei Könige mit Tänzen und Gesängen, wo sich besonders das Kauderwelsch der Mohren sehr gut ausnimmt. Sie meinen, ihre Schwärze rühre vom Sündenfalle her, und hoffen nun alles von dem weißen Lamme. Schluß.

Los Ramirez de Arellano. Zerfällt für uns, trotz der Einheit der Hauptperson und einigen sehr geschickt durch das Ganze mitlaufenden Nebenpersonen, ziemlich undramatisch in drei abgesonderte Begebenheiten nach Anzahl der Akte; für den Spanier aber, dem es die Verherrlichung eines seiner großen Geschlechter und, was die Einheit gibt, die Geschichte der Uebersiedelung dieses Geschlechtes von Navarra nach Kastilien war, mußte wohl ein Ganzes aus den sonst auch ziemlich geschickt hie und da miteinander durchgeflochtenen Teilen werden. Die Einzelheiten so gut, als es bei Lope fast immer der Fall ist. Der Schluß ein wenig gar zu objektiv, wo Enrique von Trastamara den König Pedro gegen sein gegebenes Wort anfällt und so gut als meuchelmordet, der redliche Arellano aber, ohne ein Arges daran zu nehmen, in seiner Ergebenheit und Liebe gegen den Mörder beharrt. Im Dialog selbst einmal merkwürdig der Unterschied zwischen honra und honor, ungefähr wie wir: Ehren und Ehre unterscheiden.

Don Gonzalo de Córdova. Gleich der Anfang, die Liebesgeschichte des spanischen Fähnrichs Juan Ramirez mit der napolitanischen Dame Lisarda: wie er in den Krieg zieht, Verzweiflung von beiden Seiten; doch kaum ist er fort, so werden die Bewerbungen eines Nebenbuhlers angenommen und zurückgekehrt, sie noch einmal zu sehen, findet er sie schon auf einer Lustpartie mit dem neuen Geliebten – das alles so vortrefflich, daß es dem Besten an die Seite zu setzen ist, was im Lustspiele je geleistet worden ist.

Die darauffolgenden historischen Personen, der Bastard von Mannsfeld, der Bischof von Osta (?) Ostad, Halberstad. (Randbemerkung Grillparzers.) und der Herzog von Bouillon von einer und Gonzalo von Cordova (natürlich nicht der gran Capitan), Baron Tilly und Francisco Ibarra von der anderen Seite, treten nicht mit der Prägnanz auf, die Lope sonst in ähnlichen Fällen zeigt. Die komischen Auskünfte des Bedienten Bernabè über seine Person gegen den Feldherrn sind übrigens sehr gut.

Im zweiten Akt tritt eine flamändische Dame, die Geliebte des Mannsfeld, auf, der Bernabè, auf gut straßenräuberisch, eine Kette mit dem Bilde ihres Liebhabers abnimmt. Aber auch Lisarda erscheint wieder, in Mannskleidern, dem Fähnrich Juan Ramirez nachreisend. Sie wird von ihm aus dem brennenden Dorfe gerettet, das die Lutheraner aus Rache angezündet. Kriegsrat der spanischen Feldherrn. Nun gewinnt auf einmal die Figur Cordovas für den Leser die Haltung, die sie für den Zuseher gleich von vornherein haben mußte. Wir erfahren nämlich, daß er ein noch junger Mensch, mancebo, ist, gegen welche Jugend die Ruhe und der Ernst, die er bisher gezeigt, charakteristisch genug absticht. Auch Mannsfeld kommt mit seiner Madama Lauretta, die von ihm drei Gaben: den Kopf Cordovas, die Hauptfahne der spanischen Armee und die Kette mit seinem Bildnisse begehrt, die ihr ein Spanier abgenommen, den sie nach dessen eigener Angabe als Bernabè, Marquez de los Arneros und Conde de la Cebada aus dem Hause Lacaya, bezeichnet.

Im dritten Akt geht nun das Strafgericht über die Lutheraner los. Sie werden geschlagen. Der Bastard und der ketzerische Bischof bleiben. Aber auch der Fähnrich Ramirez wird zu Raison gebracht. Trotz der Reue seiner Geliebten schien ihm denn doch ihr Vergehen zu stark. Noch immer verliebt, verweigert er doch die Versöhnung. Da beschließt sie, zu sterben. Sie stürzt in die Schlacht, erobert eine Fahne und kommt auf den Tod verwundet zurück. Nun ist die Erbitterung besiegt, die Liebe behauptet ihre Rechte, und glücklicherweise kommt die Sinnesänderung nicht zu spät, denn die Verwundung war nur erdichtet, und das Paar ist vereinigt. Ueberhaupt diese ganze Liebesgeschichte ein kleiner Diamant. Das Ganze schließt mit einer militärischen Revue, die die Infantin Clara Eugenia über die siegreichen Truppen hält. Eine gute Nebenfigur ist die Wirtin Sabina mit ihrem Kauderwelsch, in dem das französische bu (vous) und das deutsche niti fiston(nicht verstehn) höchst wunderlich abwechselt. Und wenn man bedenkt, daß das gleichzeitige Begebenheiten waren, die den Zeitgenossen in einem so poetischen Kolorit vorgeführt werden konnten!

San Nicolás de Tolentino. Ein wenig in der gewöhnlichen Form dieser Heiligengeschichten. Sankt Nicolas als Student mit mehreren Mitstudenten, wo denn sein frommer Ernst gegen den Leichtsinn der übrigen, wie natürlich, sehr absticht. Einer aus ihnen wird von einer Maske zu einem Rendezvous verführt, aber da er die Leiter zum Balkon emporsteigt, fällt er sich zu Tode, und es zeigt sich nun, daß die Maske der Teufel ist, der um die Seele mit dem in Lüften in Begleitung von Gerechtigkeit und Gnade erscheinenden göttlichen Richter einen Streit beginnt, der aber durch die Dazukunft der Jungfrau gegen ihn entschieden wird, die, höchst römisch-katholisch, als einen Hauptgrund für den zu verurteilenden Sünder anführt, daß er ein Vetter des frommen Nicolas sei. Letzterer hat inzwischen eine Domherrnpräbende erhalten. Aber von der Predigt eines Augustiner-Barfüßers gerührt, gibt er mit Einwilligung seiner Eltern sein Kanonikat auf und tritt in den Orden, in den ihm sein Begleiter, der gorron Rupert, nachfolgt.

Los peligros de la ausencia. Der erste Akt, nach Lopescher Art, etwas lose mit dem übrigen verknüpft. Ein Veinticuatro von Sevilla liebt ein Mädchen, wobei er zwei Nebenbuhler hat. Ein Einheimischer, Don Bernardo, etwas borniert und langweilig, und ein Höfling, Don Felix, etwas geckenhaft, der eben im Begriff ist, sich zur Wiederherstellung seiner Umstände nach Amerika einzuschiffen. In der Angst über ein Duell zwischen den beiden erstern erklärt sich die Geliebte dem Vater, der den Handel vermittelt und das liebende Paar vereinigt. D. Felix reist ab.

Im zweiten Akt finden wir das Paar verheiratet und höchst glücklich. Die Beschreibung dieses Glückes gleich in der ersten Scene wunderschön. Nun aber trübt sich der Himmel. D. Pedro, der Veinticuatro, wird zu den Cortes nach Hof berufen. Sein Vermögen erlaubt ihm nicht, die Gattin mitzunehmen, er reist allein, und hier zeigt sich eine Art geistiges Band, das den zweiten Akt an den ersten knüpft. Beide Gatten schärfen den beiderseitigen Dienern, die ihnen bei ihrer Liebesintrigue behilflich gewesen, ein, sich während der Trennung ja nichts Aehnliches zu schulden kommen zu lassen, so wie der Abreisende auch später die Untreue seiner Gattin nicht so leicht geglaubt haben würde, wenn sie nicht als Mädchen ihren Vater mit List hintergangen hätte.

Die Gefahren der Abwesenheit zeigen sich. Der Indianer kommt zurück, reich geworden, aber noch nicht von seiner Liebe geheilt. Eine Verwandte Blancas, Da. Ines, hat sich schon früher in ihn verliebt und benutzt seine Leidenschaft, um ihn mit Hilfe der verschmitzten Zofe Leonora ins Haus einzuführen, wo er sich im Dunkeln mit ihr vergnügt, der Meinung, Da. Blanca zu genießen. Höchst komisch wird er im Herausgehen von dem andern unglücklichen Liebhaber D. Bernardo überfallen, der somit den Ehrenhüter der Frau seines Nebenbuhlers macht. Er muß versprechen, sich sogleich von Sevilla zu entfernen. Don Bernardo glaubt nun aber auch, etwas wagen zu dürfen. Er wird aber von Da. Blanca aufs schmählichste abgeführt, worüber es sogar zum Duell mit ihrem Vater kommt. D. Felix begegnet auf seinem Wege dem rückkehrenden Veinticuatro, den er nicht kennt und dem er sein gutes Glück zugleich und sein Unglück erzählt. D. Pedro bewegt ihn zur Umkehr, verspricht ihm Beistand u. s. w. Eben im Begriff, seine schuldige Frau zu töten, klärt sich das Mißverständnis auf, und alles nimmt ein gutes Ende. An dem Stoffe ist gerade nicht gar zu viel, die Ausführung aber ist so vortrefflich, daß, wenn die gefährlichen Vorgänge bei Nacht und der Zwischenraum von drei Jahren zwischen dem ersten und zweiten Akte nicht wären, eine Bearbeitung für die deutsche Bühne sehr lohnend sein müßte.

El juez en su causa. Ein ungemein lebendiges Stück. Die Begebenheit novellenartig übereilt, aber reich und gut gegliedert. Die Situationen mannigfaltig und eindringlich, die Figuren scharf voneinander geschieden und einen weiten Raum von Existenzen umfassend. Das Ganze auf ein Publikum berechnet, das interessiert sein und empfinden, aber sich dieser Empfindung nicht in dem Zwang einer nachgeäfften Wirklichkeit, sondern im freien Spiel des Märchens und der Fabel bewußt werden will. Es fehlt nicht an Momenten, die jeder Tragödie Ehre machen würden. Der Seelenzustand Albanos, wenn er sein Weib töten lassen will, und Rosardos, wenn er die That vollführt und vollführt hat. Die meisterhafte Scene, in der ersterer dem letztern den Mordbefehl gibt.


In den embustes de Fabia (Tom. 25, Acto 2) macht er sich selbst über die Freiheiten lustig, die er sich mit der Theatereinrichtung und Wahrscheinlichkeit erlaubt. Aurelio, an der Thüre des Senators abgewiesen, befindet sich, ohne die Bühne zu verlassen, mit einemmale vor dem Paläste des Kaisers, da sagt er denn:

cerca llegué por aqui.
Este es palacio, acá sale
Neron nuestro emperador,
que lo permite el autor,
que desta industria se vale.
Porque si acá no saliera,
fuera aqui la relacion
tan mala y tan sin razon,
que ninguno la entendiera.

Das ganze Stück von einer ungeheuren Naturauffassung. Die großartige Sinnlichkeit dieser Fabia, die alles bezaubert, was in ihre Nähe kommt, so daß selbst die verschmähten, die hintergangenen Liebhaber in der Mitte ihres Hasses sich gleich wieder von ihr angezogen fühlen, dabei die Stärke ihres Charakters, die mit dem Tode und allem Gräßlichen spielt und am Ende sich gegen das Gute zu wenden scheint. Man muß sagen: scheint, denn gegen das Ende sind offenbar mehrere Scenen verloren gegangen, die der Herausgeber durch Wiedereinschaltung früherer, nach einer anderen Lesart, ausgefüllt hat. Dieser Umstand zeigt, wie man mit dem Druck dieser Komödien überhaupt verfahren ist, und daß wir kaum berechtigt sind, aus dem, was wir haben, ein Urteil über Lope zu fällen. Daneben die Figur des kindisch verliebten alten Senators, die nichtsnutzige Zofe mit ihrem scharfen Verstand bei aller Unverschämtheit, und die doch wieder zur Närrin des Burschen Fabricio wird, in den sie verliebt ist.

Contra valor no hay desdicha. Die Geschichte der Jugend des Cyrus. Von vornherein recht gut und natürlich. Ein wenig sonderbar, daß Astyages, da man ihm von dem Scherzkönige der Hirten erzählt, sogleich auf die Idee gerät, daß es sein Enkel sein dürfte, den er getötet glauben muß. Das übrige ordentlich und ganz in der milden Art des Lope, daß das Greuelmahl des Harpagus nur erzählt und zwar so schonend als möglich erzählt wird. Gegen den Schluß gestaltet sich das Ganze etwas sonderbarer, um den abstrakten Titel zu rechtfertigen. Derlei Ideologien mögen dem schlichten Lope durch das Beispiel seines jüngern Mitwerbers Calderon aufgedrungen worden sein, in seiner Anlage kommt derlei nicht vor. Die Vision im dritten Akte sieht auf dem Papiere sonderbar aus, durch Spiel und Haltung konnte sie aber wirksam genug werden. Wenn dabei ein Komet über das Theater geht, so muß man den Dichter um sein ansprucharmes Publikum beneiden.

In der Vision eine schöne Stelle, wo von einem Seesturm die Rede ist:

Con remolinos pretende
el mar, que la nave suba
á la que argentan estrellas
por escalas de agua turbia.

In einem andern Stücke vergleicht er noch viel vortrefflicher die See, die ein Schiff herumschleudert, mit einem Stiere, der einen Menschen auf den Hörnern spießt. (Es ist in Juez en su causa.)

Las Batuecas del duque de Alva. Ein sehr artiges Stück, auf die Sage gegründet, daß zur Zeit der Belagerung von Granada in den Gebirgen der Peña de Francia ein wilder Stamm gefunden worden sei, der noch von flüchtigen Goten aus der Zeit der maurischen Eroberung herrührte. Das Ganze beinahe aus nichts gemacht. Die Wilden sehr gut gehalten. Die übrigen Charaktere nach Lopes Art durchaus nicht scharf umrissen, und doch so individualisiert, daß sie niemand gleichen, als sich selbst. Dieser völlig vornehme Herzog von Alba, dieser Liebhaber in seiner Hausoffiziantenhaltung, diese Geliebte, an der eben auch nichts Besonderes ist, und die durch die Lage zu einer Art Heldin wird. Wie klug er einlenkt, wenn der Spaß aufs Höchste gestiegen ist und die als Mann verkleidete Brianda, die Mutter geworden ist, ihrer wilden Geliebten weismacht, daß in Spanien die Männer schwanger werden und gebären.

Las cuentas del gran Capitan. Vortrefflich. Einmal der gran Capitan, das Ideal eines Spaniers aus der guten Zeit der Nation. Vor allem aber König Fernando. Ganz, wie er war. Mißtrauisch, argwöhnisch, ohne daß es dem Eintrag thut, was sein Zeitalter an ihm verehrte. Die beiden Hauptmomente: das Duell, das der Kapitän statt seines für feig gehaltenen Neffen übernimmt, indem er ihn selbst durch Anbohrung des Nachens in Gefahr setzt, zu ertrinken, ja ihn wohl gar ertränken will; dann die Ablegung der Rechnung, von der das Stück den Titel führt, wohl zu leicht angedeutet, ja im Augenblicke der Darstellung kaum ganz auffaßbar und daher unklar. Es wird aber mit Recht vorausgesetzt, daß Haltung und Spiel des Schauspielers das Fehlende ergänzten. Die Schlußscene, wo der gran Capitan an der Tafel der Könige speist, wohl allerdings die kunstgemäße höchste Verklärung des Helden, aber daß deshalb eigens die Personen, die wir zwei Minuten vorher in Neapel verlassen haben, nach Frankreich versetzt werden, eine der dramatischen Wildheiten, die der Zeit angehören, Lope aber so schreiend sich dennoch selten erlaubte.

El piadoso Veneciano. Anfang und Ende sehr gut, die Mitte schwach, Anfangs besonders der Charakter der tugendhaften Gattin und die Art, wie sie die Bewerbungen des vornehmen Verführers von sich weist. Am Schluß vortrefflich, wie der mittlerweile herangewachsene Sohn des letzteren in der Absicht, den Tod seines Vaters zu rächen, das Haus der verarmten und vereinsamten Lucinda aufstört und ihm nun ihre Tochter entgegentritt, das Abbild ihrer Mutter. Wie er, von ihrer Persönlichkeit getroffen, das Vergehen seines Vaters und die Rache des beleidigten Gatten begreiflich findet; in der Person der Kinder sich das Verhältnis der Eltern wiederholt, aber gegenseitig und rechtlich. In der Vereinigung der beiden finden die vorhergegangenen Unthaten Abschluß und Versöhnung.

(1855)

Es schwebt ein eigenes Unglück über Lope de Vega; da ist diese Mal casada, die ersten beiden Akte sehr schön, der Dialog so vortrefflich, die Empfindungen so wahr, als je irgend etwas geschrieben worden ist, und der dritte Akt ein so vollkommener Unsinn, daß der letzte Schmierer sich dessen schämen würde. Alles Folge seiner Vielschreiberei und Uebereilung. – Aber unbeschreiblich ist der Zauber dieser beiden ersten Akte, den ich mit nichts vergleichen kann.


(1856)

Diese Felisarda von Lope de Vega ist denn doch der abgeschmackteste Unsinn, der je geschrieben wurde. Er zeigt, was die dramatische Kunst in ihren Anfangen war. Ein Haufe unwahrscheinlicher Begebenheiten, durch die Stichworte der Liebe, Beständigkeit und Eifersucht zusammengehalten, nur etwas minder langweilig, als die Langeweile. Lope erzählt in der Zueignung, daß er den Plan von einer Dame erhalten habe. Er ist danach. Vielleicht war es nur der Respekt für dieselbe Dame, was ihn veranlaßte, das Stück in seine gesammelten Werke aufzunehmen.


(1857?)

In der Tragikomödie Venus und Adonis, die er im Auftrage der Königin schrieb, sieht man, was Lope de Vega im stände war, wenn er sich zusammennehmen wollte. Das ist nun so reizend, so vortrefflich geschrieben von Anfang bis zu Ende, ein so sinnreiches Gewebe von mythologischen Fabeln, daß ich ihm nichts in dieser Art zu vergleichen wüßte. Die gegenwärtige Zeit würde es nicht zugeben, aber ich habe auch nicht Lust, die gegenwärtige Zeit zuzugeben. Wenn man den Sinn für irgend eine Art des Schönen verloren hat, so hat man den Sinn für das Schöne überhaupt verloren. Das sahen nun die damals noch starken und tüchtigen Spanier, und ihre Stärke und Tüchtigkeit büßte darüber nichts ein.


(1865)

II. Band. La bella malmaritada. Das ist eine Konfusion, die ihresgleichen nicht hat. Man weiß nicht, wie viel davon Lope de Vega, wie viel dem spätem Abschreiber und wie viel dem Buchdrucker zur Last fällt. Vielleicht könnte man's entwirren, mir fehlt aber die Zeit und die Geduld, gar viel würde dabei doch auch nicht herauskommen.

Los tres diamantes. Da ist nun der ganze Lope, mit seinen Fehlern und seinen Vorzügen. Die Handlung, die willkürlichste Aufeinanderfolge von Begebenheiten, die jede für sich sein neugieriges Publikum interessierten. Die drei Diamanten des Titels verschwinden später, ohne etwas zur Lösung des Knotens beizutragen. Es sind eben die Anfänge der dramatischen Poesie. Dafür aber alle Sonette, welche die Monologe bilden, mehr oder weniger vortrefflich. Die Scene, in welcher der Held des Stückes seiner von der Reise erschöpften Geliebten seine Vorgeschichte erzählt und sie während des Zuhörens einschläft, so ausgezeichnet, daß ich ihr fast nichts an die Seite zu setzen wüßte.

So war Lope de Vega. In hastiger Eilfertigkeit schrieb er zusammen, was er wußte, daß es sein Publikum begehrte; wo aber eine Situation vorkam, die ihn als eigentlichen Dichter interessierte, legte er sein ganzes unvergleichliches Talent hinein. War der ganze Stoff von einer solchen Art, so war die ganze Behandlung meisterhaft.


(1865)

In dem dritten Bande der Obras de Lope de Vega, der eigentlich eine Sammlung von Stücken verschiedener Autoren ist, kommt ein Entremes de los Romanos vor, ohne Namen des Verfassers, aber offenbar von Lope, nicht wegen des übrigen Inhaltes, der eine ziemlich schlechte Nachahmung des Don Quichote ist, sondern wegen einer Scene zwischen einem unmündigen Buben und einem ebensolchen Mädel, die, indem sie nur von Kinderspielereien reden, doch eine solche Lüsternheit kundgeben, daß sie denn endlich auch auf dem Söller des Hauses in so unzweideutiger Lage gefunden werden, daß man sich genötigt sieht, sie schließlich miteinander zu verheiraten. Das ist sehr unanständig, ja unsittlich, aber mit einer solchen Naturwahrheit und – ich habe kein anderes Wort – mit einer solchen Süßigkeit geschrieben, daß nur Lope de Vega und nur in spanischer Sprache, so etwas schreiben konnte, Ueberhaupt sind derlei etwas schlüpfrige Stellen eine der Hauptstärken Lopes.


(1865)

El galán Castrucho. Das ist nun das unsittlichste Stück, das je in der Welt geschrieben worden ist, zugleich zeigt es aber auch die Liederlichkeit der damaligen, obgleich tapfern, spanischen Armee, und was Italien unter einer solchen Herrschaft gelitten haben muß. Die weibliche Hauptperson, die Buhlerin Fortuna, hat zwar noch immer liebenswürdig zu halten gewußt. Da sie alle Unordnungen nur auf Befehl und aus Furcht vor ihrer sogenannten Mutter thut, ja sich nur ein einziges Mal ein Gelüsten auf eigne Faust erlaubt, wo aber der Gegenstand unglücklicherweise ein als Mann verkleidetes Mädchen ist. Zuletzt, da alles zum Heiraten geht, fällt sogar auf die arme Fortuna der elende Kuppler Castrucho, den aber der General – horribile dictu – obgleich er nicht nur ein Schurke, sondern auch ein Feiger ist, zum Hauptmann bei der Infanterie macht. Aber zum Schluß erlauben sich die Spanier alles.

Wenn jemand in Lope de Vegas Exemplo de casadas für die Wahrheitstreue des Stückes auftreten wollte, so könnte man ihn sehr gut auslachen. Eine Mutter, die, da ihr Gemahl und Landesfürst befiehlt, ihre Kinder auszuliefern, um sie zu töten, ohne viel Bedenken die Kinder wirklich ausliefert, scheint denn doch gegen alle Natur zu sein. Lope ist eben dem Geiste der allgemein verbreiteten Erzählung und der Meinung treu geblieben, die ganz Spanien von dieser Frau (Griseldis) hatte, und so entsteht eine eigene Wahrheit, die eine poetische und daher wieder Naturwahrheit ist. Eine Wahrheit, nicht in der Sache, sondern in den Gemütern.


(1867)

Ob nicht Lope de Vega in dem für unsere Begriffe höchst albernen Stücke La sortija del olvido den Zustand der von ihren Günstlingen beherrschten damaligen Könige von Spanien entfernt genug hat andeuten wollen?


(1867)

Weiter kann schon der Unsinn nicht getrieben werden, als im Sol parado von Lope de Vega, wo der Tag schon zu kurz wird, um die Mauren zu verfolgen, auf ein Gebet des Großmeisters von Santiago, die Sonne am Himmel stillesteht, welches auch spanisch ausgedrückt wird, indem die Sonne sichtbar am Himmel geht, zugleich aber ein Engel erscheint, der sie aufhält.


(1868)

Bei allen Beschreibungen weiblicher Schönheit war immer die Nase ein Hauptanstoß. Das beste Bild ist in Lope de Vegas Enbidia de la nobleza, wo der Gracioso in einer halbkomischen Schilderung des Gesichtes der Narisa ausruft: Was soll ich von ihrer Nase sagen? Sie ist nicht zu klein, nicht zu groß. Sie ist ein Pfeil der Liebe, weil sie von zwei Bogen ausgeht.

¿Que te dezimos nariz?
ni estar pequeña ni larga
pero estar flecha de amor
porque de dos arcos baxa.


(1850)

Calderon und Lope de Vega sprechen in Bildern. Aber Calderon ist bilderreich und Lope de Vega ist bildlich. Calderon schmückt seinen Dialog mit ausgesponnenen und prächtigen Vergleichungen. Lope de Vega vergleicht nichts, sondern beinahe jeder seiner Ausdrücke hat eine sinnliche Gewalt und das Bild ist nicht eine Ausschmückung, sondern die Sache selbst.

 


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