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3. Lopes und Calderons Zeitgenossen

(Um 1824)

Los siete durmientes von Moreto, ein ungemein ingeniöses Stück. Daß durch das Wiederaufwachen der Schläfer am Schlusse jene Ketzer bekehrt werden, die die Auferstehung im Fleische leugnen, obgleich dogmatisch und logisch hinkend, doch mit Rücksicht auf Ort und Zeit schlagend und praktisch wirksam – eine eigentliche Krone des Stücks. Die Scenen, wo der Tyrann vom Teufel besessen erscheint, für jene Zeit, wo das Stück zuerst erschien, zu eigentlichem Enthusiasmus hinreißend. Die beste Figur der Tölpel Scropion, höchst kühner Weise einer der sieben Schläfer, also auch er ein Heiliger. Wunderbar die Art seiner Haltung. Einfältig, genußliebend, und hungrig, mischt er seine Albernheiten in die Begeisterung der übrigen, und, als höchster Beweis der Meisterschaft des Dichters, stört dadurch nicht bloß die Wirkung nicht, sondern erhöht sie. Wie seine Äußerlichkeit, Weltlichkeit, wenn die Sieben in der Höhle belagert werden, in Heftigkeit, Mut und Widerstandsbegierde übergeht, von einer Wahrheit und Unmittelbarkeit der Auffassung, die über alles Lob erhaben ist. Eine der besten komischen Figuren, die je ein Dichter hingestellt hat.

Los dos filosofos de Grecia von Fernando de Zurate. Der Anfang verspricht etwas, die Folge hält nichts. Das immer wiederkehrende Weinen des Heraklit und Lachen des Demokrit wird endlich geradezu läppisch. Die Handlung eine gewöhnliche Komödienintrigue.

La lealtad en las injurias von Diego de Figueroa y Córdova. Eine der vielen Variationen über das ewige spanische Thema. Die Nachtscenen mit ihren Verwirrungen spielen eine Hauptrolle. Nichtsdestoweniger mehrere glückliche Stellen.

En el sueño está la muerte von Guedeja Quiroga. Großartig, voll Phantasie.

Mudarse por mejorarse von Fernando de Zarate. Ohne Bedeutung.

El alcazar del secreto von Antonio de Solis. Phantasievoll in der Anlage, teilweise höchst poetisch gehalten. Die weise Alcina mit ihrem Gesang ungemein wirksam.

El rey Don Sebastian von Francisco de Villegas. Vortrefflich.

Las travesuras de Pantoja von Moreto. Leicht eines der schwächsten Stücke dieses Meisters. Auf derselben Stufe steht El Cavallero von demselben Verfasser.

La vida de S. Froylan. Ein gutes Stück. Den Namen des Verfassers habe ich vergessen. (Juan de Matos Fragoso?)

Del cielo viene el buen rey. Sehr gut. Den Verfasser vergessen.


El valor contra fortuna von Andres de Baeza; scheint ein ziemlich matter Dichter.


El honrador de su Padre von J. Bautista Diamante. Der Stoff des Cid von Corneille. Vortrefflich, besonders der Charakter der Ximene viel besser als bei dem Franzosen. Sonderbar, und nach unserer heutigen Gefühlsweise kaum ins reine zu bringen die Scene, wo Rodrigos Vater unmittelbar nach der erlittenen Schmach, um Rache von seinem Sohne zu fordern, um das sufrimiento desselben zu prüfen, ihm nach Kräften die Hand zusammenpreßt, und außer sich vor Freude ist, als dieser, weit entfernt es zu dulden, ihn zu beißen droht, wenn er nicht loslasse, ja, wie es beinahe scheint, ihn wirklich beißt.


El robo de las Sabinas von Juan Cuello y Arias. Ein spanisch recht wackeres Stück. Die Personen scharf hervortretend; das Ganze voll Bewegung und Spielmotiven. Die Amante non corrisposta, Rosmira, für ein neues Publikum komisch, im spanischen Sinne aber sehr gut. Der Schluß – wo den Sabinerinnen die freie Wahl anheimgestellt wird, und alle übrigen bei den Römern bleiben, die einzige Auristela zu ihrem ersten Liebhaber Cesarino zurückkehrt – verliert durch die vorhergehende Scene alle Wirkung, in der Auristela Rosmiren ihren Haß gegen Romulus vertraut. Wie die Sachen jetzt liegen, mußte dieser Haß nur vorgeblich sein, und Auristela am Schlusse den Romulus wählen. Oder, sollte sie dem Cesarino bleiben, so durfte keine solche vorbereitende Scene vorhergehen. Hier ist Überraschung am Platz.

Mehrere glückliche Stellen, z. B.

Rosmira. Como es necio el que á la dicha
Tanto el quilate apurò.
Cesarino. Cuerdo el que desentrañò
El fondo de la desdicha.

Diese vier Verse können für die eine Hälfte der gesamten Lebensphilosophie gelten.


Contra su suerte ninguno von Geronimo Malo de Molina. Die Scene eröffnet Pompejus mit einer hochtrabenden gegen Cäsar gerichteten Rede; Gusano, der Spaßmacher des Stückes, hat sie mit angehört, und indem er beschließt, den Achselträger beider Parteien zu machen, befindet er sich auf einmal, ohne vom Theater weggekommen zu sein, im Lager des Cäsar, der auftritt, und in noch übertriebeneren Ausdrücken von seinen Thaten und gegen Pompejus spricht. Gusano empfiehlt sich ihm, indem er einen vorgeblichen Plan der Feinde, ihn nachts gefangen zu nehmen, entdeckt. Hierbei erwähnt er der Braut des Pompejus, Scipios Tochter, Roselia, deren Reize beschrieben werden, und in die sich natürlich Cäsar beim Zuhören sogleich verliebt. Brutus betet sie schon lange an: como á ingrata de su vida. Die Beschreibung von Roselias Reizen ist sonderbar genug. So wird ihre Nase ein Thronhimmel genannt, den der Himmel über ihrem Munde wölbte. Vom Munde selbst, sehr schön:

Cuya boca, que el papel
De su sitio sella hermosa,
Abreviatura es de rosa,
Que escrivio galán clavel.

Überhaupt wird die abgeschmackte Manier, die Calderon mit seiner Genialität nur verkleistert hat, jene nämlich: die Liebe zum Haupthebel der ihr widerstrebendsten Begebenheiten und Handlungen zu machen, in diesem Stücke bis zum eigentlichen Ekel getrieben: Brutus tötet Cäsarn größtenteils um Roselias willen, und diese befindet sich am Ende des Stückes persönlich und mitwirkend unter Cäsars Mördern. Die große Weltbegebenheit schrumpft zum Marionettenspielwerk ein. Schön die Scene im dritten Akt, wo Cäsar, indes der Zuseher das Bestehen der Verschwörung gegen ihn schon weiß, mit Antonius bei Nacht seine eignen Kommentarien durchgeht und seines Ruhms genießt. Pochen an der Thür, nur Cäsarn, hörbar. Antonius geht. Der Geist des Pompejus erscheint. Hier wird das Ganze schon matter. Am Schlusse des zweiten und des dritten Aktes erscheinen Götter. Zuletzt nehmen sie den toten Cäsar und die Statue des Pompeius mit sich in den Olymp. Die Bedeutung des Titels: Contra su suerte ninguno dem Stücke recht eigentlich aufgezwängt.


Vencerse es el major valor angeblich von Calderon. Ich habe das Verzeichnis seiner Komödien nicht bei der Hand, um nachsehen zu können, aber beim Lesen habe ich keine Spur von Calderon gefunden. Ein Liebhaber, der in Gefangenschaft geraten, sich brauchen lassen muß, bei seiner Geliebten den Unterhändler für den Herzog von Florenz zu machen, Eifersuchten, Mißverständnisse, Verwechslungen der gewöhnlichsten Art, und zuletzt ein Herzog, der zurücktritt und die Liebenden vereint, wie in allen spanischen Stücken, wo ein Landesherr sich beikommen läßt, als Nebenbuhler seiner Unterthanen aufzutreten. Das ist ungefähr das Ganze, Kaum eine einzige ausgezeichnete Stelle.


Vortreffliche Stelle in: No se pierden las finezas von Andres de Baeza. Der eifersüchtige Geliebte macht seiner Schönen die heftigsten Vorwürfe. Der Mangel an Atem zwingt ihn, einen Augenblick einzuhalten. ¡Dime más! sagt sie. Er fährt fort. ¡Dime más! – Er steigert noch seine Ausdrücke. Leonarda: ¡Dime más! Carlos: ¿Que más? Leonarda: ¡Pues oye!


In einem Stücke von Christoval de Morales, La estrella de Monserrate, das sonst gar nicht uneben scheint, kommt eine Scene vor, wo D. Carlos, der in Eifersucht wahnsinnig geworden ist, sein Kind findet, dessen Vaterschaft bei ihm in Zweifel steht. Die Vorschrift des Buches ist hierbei: daß ein lebendiges Kind auf die Bühne geschoben und zum Schreien gebracht wird. Hierauf ist es aber mit einem ausgestopften Popanz zu verwechseln, der statt des Kopfes eine mit Blut gefüllte Blase hat. Dieses Kind und diese Blase zerschmettert Carlos hierauf gegen einen Pfosten. Man muß gestehn: eine doppelt angenehme Täuschung!

In demselben Stücke kommt eine Scene vor, die in der Berberei spielt, wo ein Muselmann mit drei gefangenen Christen auftritt. Diese flehen zur Madonna von Monserrat und werden durch die Luft fortgeführt. Der Muselmann folgt ihnen auf der Erde nach, und wenn sie, ohne von der Bühne zu kommen, an das entgegengesetzte Ende des Theaters gelangen, befinden sie sich in Spanien am Fuß des Felsen von Monserrat.

Das Stück eröffnet ein Frau Juan, dem der Teufel nachstellt, und der auf allen vieren kriechend die Scene betritt.

 

(1856)

Was das spanische Theater sich erlauben durfte, in einer Zeit, wo man der Gläubigkeit sicher war, zeigt unter andern eine Stelle in La industria y la suerte von Alarcon, wo der Gracioso als blinder Bettler verkleidet, Gebete herplappert, die nichts als Spaß und Schimpf über den heiligen Petrus enthalten.


(1856)

In Las paredes oyen von Alarcon gibt der Gracioso seinem Herrn den Rat, Komödien zu schreiben und garantiert ihm seiscientos für jede. Was sind das für sechshundert? Realen? wäre ziemlich viel für jene Zeit. Von Pesos kann ohnehin kaum eine Rede sein.


(1856)

Da ist nun nicht viel später als Lope de Vega, Alarcon, in einer Beziehung ein Fortschritt gegen jenen, darin nämlich, daß die Intrigue schon fester geknüpft ist als bei Lope, obwohl noch nicht zu jener Prägnanz, die es im Lustspiel der Franzosen hat. Anderseits aber nicht der Fluß der Sprache, der Reiz des Dialogs, in welch letzterem Lope die Dichter aller Zeiten übertrifft und vor allem, daß Witz und Spaß, besonders des Gracioso, nicht immer unmittelbar aus der Situation fließt, sondern mitunter ziemlich weit hergeholt ist.


(1856)

Und trotz aller guten Eigenschaften ist Alarcon doch kein eigentlicher Dichter. Wenn man ihm auch den Unsinn der Cueva de Salamanca mit Rücksicht auf die Zeit, in der er schrieb, und daß er eigentlich eine Volkssage bearbeitete, verzeiht, so haben doch die beiden folgenden: Mudarse por mejorarse, und Todo es ventura einen so sehr die Empfindung verletzenden Ausgang, daß man ihm die Haupteigenschaft eines Dichters: Wahrheit der Empfindung, absprechen muß.


(1856)

In: El desdichado en fingir von Alarcon ist die Intrigue die verwickeltste und in der Hauptsache am besten durchgeführte, die jemals auf einem Theater war; nur mit all den Uebereilungen und Wunderlichkeiten in den Nebensachen, die das damalige Publikum durchaus nicht störten.


(1865)

Außer den absurden Stücken haben die Spanier auch langweilige, davon ist nun dieses La guarda cuydadosa eines und doch muß es die Zeit sehr geschätzt haben, denn der Verfasser Miguel Sanchez wird auf dem Titel als el divino bezeichnet. Der Stoff wäre leidlich, da ist aber ein Hin- und Hergehen, ein Hin- und Herreden ohne Ende. Freilich habe ich vieles, sei es durch Langeweile, oder ist es so fehlerhaft gedruckt, nicht verstanden. Aus Bosheit habe ich es bis zu Ende gelesen, aber ich fühle mich erschöpft. Der Verfasser verzeihe mir, wenn ich ihm unrecht thue.

 


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