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1.
Toussaint Louvertüre, jener arme Schwarze, der durch die Zeitverhältnisse und sein Genie sich zu einer wunderbaren Höhe emporschwang, wurde im Jahre 1745 als Sklave auf der Pflanzung des Grafen von Noé, nicht weit vom Kap François, im nördlichen Theile der Insel St. Domingo geboren. Er wuchs auf, wie alle übrigen Negerkinder, nämlich ohne allen Unterricht und blos in der Furcht vor dem Pflanzer erzogen, den das Schicksal ihm zum Herrn über Leben und Tod gegeben hatte. Als Jüngling bekam er die Heerden seines Herrn zu hüten und jetzt schon gab er sein Genie zu erkennen durch Aufmerksamkeit auf Dinge, welche über das Fassungsvermögen der meisten seiner Stammgenossen weit hinaus ragten. Ohne Anleitung, ohne Unterstützung von den gelehrten Weißen, einzig und allein von seiner Wißbegierde, seinem brennenden Durste nach Kenntnissen getrieben, lernte er mit Ueberwindung unendlicher Schwierigkeiten die Anfangsgründe alles Wissens, – Lesen und Schreiben. Als ihm dies gelungen war, ruhete er nicht, seinen Geist weiter auszubilden, und aus der Bibliothek des Herrn von Libertas, des Aufsehers der Pflanzung, wußte er sich einige Bücher zu verschaffen, die seine Kenntnisse bedeutend vermehrten und den Horizont seines Geistes beträchtlich erweiterten. Das Wissen, welches er sich auf diese Weise erwarb, verschaffte ihm nicht nur die Verwunderung und scheue Ehrfurcht seiner Mitsklaven, sondern wendete ihm auch die Aufmerksamkeit des Intendanten Libertas zu, der, zum Glück für Toussaint, ein milder und menschenfreundlich gesinnter Mann war. Er unterstützte Toussaint in seiner Bemühung, sich zu bilden, befreite ihn von den schweren Arbeiten des Landbaues und verbesserte seine äußere Lage sehr, indem er ihn zu seinem Kutscher machte. Das war ein großer Vorzug, welchen Toussaint von den übrigen Sklaven genoß, denn diese Stelle verschaffte ihm ein gutes Auskommen und mehr Gelegenheit, seinen Studien nachzuhängen.
Wie tief Toussaint die Gunst seines Gebieters gefühlt und wie hoch er die Vortheile zu schätzen gewußt hat, welche Herr von Libertas ihm zukommen ließ, zeigte sich in späterer Zeit, als die Schwarzen den Kampf gegen die Tyrannei der Weißen begannen. Anstatt seinen Herrn zu ermorden und so die Pflicht der Dankbarkeit von sich abzuschütteln, wie es viele andere Neger thaten, trieb ihn sein dankbares Herz, nicht nur mir Gefahr seines eigenen Lebens das des Herrn von Libertas zu retten, sondern er unterstützte ihn auch später, als er zu einer fast königlichen Würde gelangt war, mit freigebiger Großmuth, um seine Zukunft sicher zu stellen und die letzten Tage seines Lebens von aller Sorge zu befreien.
Unter andern Zügen, die man aus der früheren Periode von Toussaint's Leben auf St. Domingo zu erhalten bemüht gewesen ist, zeichnet sich seine Liebe zu den Thieren und seine unerschöpfliche Geduld besonders aus. Von dieser Liebe zu den vernunftlosen Geschöpfen erzählt man sich eine Menge Beispiele, die sämmtlich ein Herz voll Liebe und Güte verrathen. Er wußte sich der Klugheit des Pferdes so zu bedienen, daß er Wunder mit diesem Thiere ausrichtete, ohne doch jemals von den grausamen Mitteln Gebrauch zu machen, mit deren Hülfe man in Europa den Pferden Gelehrigkeit beibringt. Oft sah man ihn, in Gedanken verloren, mitten unter den Thieren seiner Heerde, die sich wohl hüteten, sein Nachsinnen und Grübeln durch ihre gewöhnliche Ungebehrdigkeit zu unterbrechen. Oft führte er durch Blick und Wink eine Art stummen Gespräches mit ihnen und die Thiere schienen ihren Hüter vollkommen zu verstehen. Alle kannten ihn und gaben ihm, so oft er unter ihnen erschien, ihre Liebe auf die deutlichste Weise zu erkennen. Er widmete ihnen aber auch die äußerste Sorgfalt. Wenn ein Thier von einem Unfall betroffen war, so eilte er ihm mit der ängstlichsten Theilnahme zu Hülfe und ruhete nicht eher, bis dem Schaden abgeholfen war. Das Einzige, was seine unendliche Langmuth stören und ihn in Zorn versetzen konnte, war eine Mißhandlung der ihm anvertrauten Geschöpfe. Wenn er sah, daß die Sklaven für eine Züchtigung, die sie von ihrem Gebieter erhalten hatten, sich an dem harmlosen und unschuldigen Vieh zu rächen suchten – was leider nur zu häufig geschah – dann schwoll sein Herz vor Grimm und dann konnte er wohl selber auf den Grausamen losschlagen. Uebrigens war seine Geduld und Langmuth so sehr zum Sprichwort geworden, daß die jüngeren und muthwilligeren Sklaven der Pflanzung sich oft ein Vergnügen daraus machten, mit allerlei dummen Späßen Toussaint zu necken und aufzubringen, was ihnen jedoch selten gelang. Toussaint war so sehr Herr seiner Leidenschaften, daß er auf die albernen Neckereien nur durch ein sanftes Lächeln antwortete. Immer war er zur Versöhnung und Duldung bereit und oft, wenn Herr von Libertas die Schuldigen bestrafen lassen wollte, legte er sich in's Mittel und bat um Verzeihung für die Armen, die ja nur in ihrer Unwissenheit thöricht und unwissend handelten.
2.
In seinem 25sten Jahre verheirathete sich Toussaint mit einer Frau, deren Charakter so vortrefflich zu dem seinigen paßte, daß er die glücklichste Ehe mit ihr führte. Sie schenkte ihm mehrere Kinder und nie erfuhr man, daß ihre Verbindung durch Unfrieden oder Zänkereien gestört worden wäre. Herr von Libertas vermehrte jetzt noch die Wohlthaten, welche er schon immer seinem Schützlinge gespendet hatte, und Toussaint wurde in eine so behagliche Lage gesetzt, daß er immer mehr Muße fand, seine früher erworbenen Kenntnisse noch zu vermehren. Durch die Bekanntschaft mit Priestern und andern kenntnißreichen Männern wurden ihm neue Quellen des Unterrichts eröffnet und er begann sich lebhaft und anhaltend mit Werken zu beschäftigen, die schon eine ziemliche Bildung des Geistes voraussetzten. Der Schriftsteller, welcher am geschwindesten seine Neigung zu gewinnen wußte, war der Abbé Raynal, dessen philosophische und historische Schriften er mit besonderer Vorliebe studirte. Wochenlang dachte er über manche Stellen nach und nie trennte er sich von dem Buche ohne den Vorsatz, bald wieder zu demselben zurückzukehren. Eine französische Uebersetzung des Epiktet, in dessen Schicksal er wohl manche Aehnlichkeit mit dem seinigen finden mochte, machte ihn eine Zeit lang zum Anhänger der Lehre dieses Philosophen, und oft pflegte er die bekannte Anekdote, welche man von diesem vormaligen Sklaven des Römers Epaphroditus erzählt, zu wiederholen. Dieser Römer, ein Freigelassener des Kaisers Nero, war ein übermüthiger Mensch und behandelte den armen Epiktet oft auf die grausamste Weise. Doch treu den Lehren der Stoiker, welche sich in Allem der Gelassenheit befleißigten, ertrug auch Epiktet alle Mißhandlungen seines Herrn mit Geduld. Einst schlug ihn dieser mit Heftigkeit auf den Schenkels »Du wirst mir das Bein zerschmettern,« sagte Epiktet gelassen. Sogleich verdoppelte jener die Schläge und zerschlug ihm wirklich das Bein. Epiktet blieb ruhig und sagte bei dieser Rohheit nichts als die Worte: »Habe ich dir es nicht vorausgesagt? Nun hast du selber den Schaden davon!«
Toussaint führte oft die Grundsätze und Lehren dieses Stoikers an und bemühete sich, ihm ähnlich zu werden, was ihm auch bei der großen Herrschaft über sich selbst sehr wohl gelang. Sein forschender Geist suchte indeß nach Nahrung anderer Art und in den alten Geschichtschreibern fand er gute Ausbeute. Besonders eifrig bemühete er sich mit Werken über Staats- und Kriegskunst, vielleicht nicht ohne die geheime Ahnung, daß solches Wissen seinem armen gedrückten Volke einst nützlich werden könnte. Seine kleine Bibliothek enthielt unter Anderem folgende Werke, in denen er am fleißigsten studirte: Cäsar's Kommentarien, in's Französische übersetzt, die Geschichte Alexanders des Großen und Cäsar's, Herodot's Geschichte der Kriege Griechenlands mit Persien, die Werke des Plutarch und Kornelius Nepos. Das Studium dieser Werke bildete nicht blos seinen Geist, sondern wirkte auch vortheilhaft auf sein äußeres Benehmen; zu der Reinheit seiner Sitten gesellte er auch einnehmende Anmuth.
Auf solche Weise arbeitete sich dieser Mann aus dem Nichts empor und zerriß die dichten Schleier der Unwissenheit, welche bei seiner Geburt die Verhältnisse für immer über seinen Geist gebreitet zu haben schienen. Er glich der Frucht einer Eiche, welche, vom Winde planlos hingestreut, langsam zu einem mächtigen Baume empor wächst, dessen grüne Zweige sich schützend über das niedere Gesträuch ausbreiten und die kein Sturm mehr zu knicken vermag.
3.
Zu der Zeit, als die Gährung in den Gemüthern der unterdrückten farbigen Rasse immer höher stieg und ein blutiger, schreckenvoller Kampf bevorstand, wurde Toussaint, der mit Aufmerksamkeit dem Gange der Begebenheiten folgte, der Rathgeber und Führer seiner Mitsklaven, die sich demüthig und achtungsvoll vor seinem höheren Geiste beugten. Gleichwohl vermied er es im Anfang, sich an die Spitze der mächtigen Bewegung zu stellen, und gebrauchte vor der Hand nur seinen Einfluß zur Rettung des Herrn von Libertas, dessen großer Güte er ja so viel zu verdanken hatte. Vermuthlich wurde sein menschenfreundliches Gemüth durch die Zügellosigkeit empört, welche die befreiten Sklaven, nachdem sie ihre Ketten gebrochen, im Rausch der Freiheit an ihren vorigen Unterdrückern begingen. Toussaint wollte mit Raub, Mord, Brand und Plünderung nichts gemein haben. Mit seinem klaren Geiste sah er voraus, daß von einer Revolution weit eher in der Zukunft, als in der Gegenwart Gutes zu hoffen wäre; darum verhielt er sich eine Zeit lang ganz ruhig, den rechten Zeitpunkt erwartend, wo er, aus der Verborgenheit hervortretend, die Zügel des Geschickes in seine kräftige Hand nehmen könne.
Der erste Anführer der Schwarzen, der sich übrigens nur durch unerhörte Verbrechen auszeichnete, war ein Neger, Namens Boukmann. Dieser Tiger, an der Spitze einer Bande von Räubern stehend, die in unzugänglichen Gebirgen Schutz und Sicherheit fand, pflegte unversehens bei finsterer Nacht hervorzubrechen, um die Pflanzungen zu plündern und nicht nur die Weißen, sondern auch die Schwarzen ohne Unterschied zu morden. Als der Aufstand der Schwarzen jedoch einen immer ernsteren Charakter annahm und sich immer weiter über die Insel ausdehnte, entschloß sich Toussaint, seiner Unthätigkeit ein Ende zu machen, und begab sich zu dem Heerhaufen eines muthvollen Anführers, des Negers Biassou, der ihm die nächste Stelle im Kommando ertheilte. Auf sein Zureden beschloß Biassou, dem Wüthen des grausamen, erbarmungslosen Schlächters Boukmann ein Ende zu machen. Er drang in dessen Schlupfwinkel vor und hatte auf den Rath Toussaint's seine Anstalten so gut getroffen, daß dem Bösewicht kaum Zeit zum Entrinnen blieb, während seine Räuberbande zum größten Theil niedergemetzelt und gefangen genommen wurde. Kurze Zeit nachher wurde Boukmann mit dem Ueberreste seiner Genossen in der Nähe des Kap François geschlagen und getödtet. Er hatte sich bei den Weißen so verhaßt gemacht, daß sein Kopf auf eine Pike gesteckt und öffentlich auf dem Marktplatze der Kapstadt aufgepflanzt wurde, mit der Aufschrift: »Kopf Boukmann's, des Anführers der Rebellen.«
Biassou wurde jetzt einstimmig von den Schwarzen zum Oberhaupt des Heeres ausgerufen, welches sich bald auf die Zahl von 60,000 Mann belief, die er in der nördlichen Ebene von Hayti zusammengezogen hatte. Doch führte er den Oberbefehl nicht lange. Obgleich er unbezweifelte Talente besaß, so machte ihn doch sein Charakter für den hohen Posten, welchen er bekleidete, völlig unbrauchbar. Er wurde bald nicht minder grausam und blutdürstig, als Boukmann, und dieser Grausamkeiten wegen beraubte man ihn seiner Gewalt, die er auf schändliche Weise mißbrauchte. Kein anderer Neger war aber mehr geeignet, den erledigten Platz auszufüllen, als Toussaint, der sich durch seine Mäßigung, wie durch sein großes Genie vor Allen hervorthat. Doch Toussaint entsagte freiwillig dem hohen Posten und überließ diesen einem jungen stolzen Neger, Namens Jean François, der sich durch einige glänzende Waffenthaten berühmt gemacht hatte und wegen seiner Abkunft von einem afrikanischen Fürstenstamme einen großen Anhang unter seinen Landsleuten besaß. Auf solche Weise vermied der kluge und gemäßigte Toussaint einen inneren Zwiespalt, welcher der Sache der Befreiung von den Sklavenketten höchst verderblich hätte werden müssen. Jean François wußte die Weisheit Toussaint's bei seinen beschränkten Geisteskräften nur unvollkommen zu würdigen und übergab ihm das Kommando einer Abtheilung der Armee, welcher er die wichtigsten Unternehmungen anvertraute.
4.
Der Ruf der Freiheit, der um diese Zeit mächtig an den Ufern der Seine erklang, drang bis zu den Inseln Westindiens und hallte besonders wieder auf St. Domingo, oder, wie wir die Insel jetzt nennen, auf Hayti. Die Spanier wollten diese Insel den Franzosen abtrünnig machen und riefen die Neger unter ihre Fahnen. Toussaint rieth ab, doch vergeblich; die Versprechungen, welche die Spanier machten, waren für die Schwarzen allzu lockend. Jean François wurde zum Ritter und spanischen Generallieutenant, Toussaint zum Obersten ernannt und nun der Krieg gegen die französischen Pflanzer mit erneuerter Grausamkeit fortgesetzt. Toussaint war ohne Zweifel der fähigste Kopf in der Negerarmee, aber auch der beste Mensch. Der spanische Marquis Hermona schätzte ihn so überhoch, daß er von ihm sagte: »Der Allmächtige selbst, wenn er vom Himmel auf die Erde niederstiege, könne kein besseres Herz im Busen tragen, als Toussaint.«
Indessen sah dieser ein, daß in der Verbindung mit Spanien kein Heil für sein Volk zu erwarten sei. Die französische Republik hatte auch den Schwarzen völlige Freiheit und Gleichheit verheißen und so ging Toussaint im Jahre 1794 mit einem Theil der Truppen nach Port de Paix, wo sich der Gouverneur von Hayti, General Laveaux, befand, dem er nun Treue gelobte. Sein Wort hat er auch redlich erfüllt und der französische Obergeneral gewann ihn bald lieb und nannte ihn den Spartakus, welcher durch seine Tugend bestimmt sei, sein Volk zu erlösen. Der französische Konvent ernannte Toussaint zum Divisionsgeneral und von Neuem bewies er, dieser Würde werth zu sein.
General Laveaux hatte als Statthalter von Hayti eine schwierige Stellung. Im Jahre 1796 empörte sich die Kapstadt gegen ihn und die Aufrührer nahmen ihn gefangen. Da eilte Toussaint, seit seiner Verbindung mit Frankreich Louvertüre genannt, herbei an der Spitze von 10,000 Mann Schwarzen, befreite den Gouverneur und setzte ihn wieder in sein Amt. Dafür wurde Toussaint Louvertüre zum Gouvernements-Lieutenant auf St. Domingo ernannt und nichts Wichtiges mehr unternommen ohne des klugen und weisen Toussaint's Rath. Er führte mehrere Unternehmungen gegen die Engländer glücklich aus und im Jahre 1797 ernannte ihn das französische Direktorium zum Obergeneral aller Truppen auf St. Domingo. Ein Glück für die Insel, denn die Untergenerale Dessalines und Christoph waren grausame Menschen, die nur mit Mühe vom Obergeneral in Zaum gehalten wurden. Um den Parteien aus der zerwühlten Insel ein Ende zu machen und selbst freiere Hand zu bekommen, schickte er die französischen Deputirten, die überall hineinreden wollten, nach Frankreich zurück, aber zum Beweis, daß er der Regierung keineswegs feindlich gesinnt sei, sandte er auch zwei seiner Söhne nach Paris, damit sie dort erzogen würden. Seine Knaben waren gewiß das beste Pfand für seine redliche Gesinnung, und wäre man ihm von Frankreich aus mit gleichem Vertrauen entgegen gekommen, so würde er sich nimmer gegen die französische Obergewalt aufgelehnt haben. Das Direktorium aber, anstatt Toussaint's edle Handlungsweise zu würdigen, schickte sogleich den General Hédouville als Kommissär nach Domingo und dieser kam eben an, als Toussaint mit dem englischen General Maitland darüber verhandelte, daß die Engländer die Insel räumen sollten. Hédouville protestirte und wollte die Verhandlung selber führen, aber Toussaint ließ sich nicht stören und brachte den Vertrag glücklich zu Stande, demzufolge die Engländer alle festen Plätze der Insel räumten. Nun gab Hédouville dem Befehlshaber der Mulatten Kinder eines Weißen und einer Negerin., General Rigaud, die Weisung, dem Befehl Toussaint's nicht mehr zu gehorchen. Der eingefleischte Haß der Mulatten gegen die Neger entzündete einen neuen blutigen Krieg, der aber 1800 mit dem Siege Toussaint's endigte. Der wackere Mann verfuhr menschlich mit seinen Feinden, ließ nur wenige seiner grausamsten Feinde hinrichten, den Uebrigen ertheilte er Amnestie (Straflosigkeit) und die von Krieg und Plünderung schrecklich heimgesuchten Bewohner der Insel athmeten unter dem milden Regiments des Oberbefehlshabers neu auf. Toussaint verstand meisterlich auch die Künste des Friedens, der Landbau kam bald durch ihn zur Blüthe, die Zucker- und Kaffeeernten wurden immer reichlicher und die Bevölkerung nahm schnell wieder zu.
Während er so das Regiment trefflich führte, schrieb er drei Briefe an den ersten Konsul Napoleon Bonaparte, um seine Schritte vor der französischen Regierung zu rechtfertigen. Doch die Antwort Bonaparte's stellte ihn nicht zufrieden, denn man lobte zwar sein bisheriges Benehmen, befahl ihm aber zugleich, sich den Befehlen des Generals Leclerc, den man absenden würde, zu fügen. Sollte Toussaint, der allein der Insel den Frieden geschenkt und errungen hatte, jetzt freiwillig vom Schauplatze abtreten und die Früchte seiner Thätigkeit Andern überlassen? Keiner, das fühlte er, konnte die oberste Macht und Gewalt auf Hayti handhaben, wie er. Er sah mit seinem durchdringenden Blicke vorher, welche neue Verwirrung entstehen würde, wenn er sein Amt niederlegte, und so rüstete er sich entschlossen zum Widerstande.
Am 1. Februar 1802 erschien die französische Flotte vor dem Kap; Toussaint ließ dem General Leclerc ankündigen, daß er auf jede Weise die Landung der französischen Truppen verhindern würde. Leclerc erwiderte dem Abgesandten, daß, wenn ihm die Schlüssel der Stadt nicht bis 8 Uhr Abends übergeben würden, er Toussaint schon zum Gehorsam zwingen würde. Am folgenden Tage begann der Angriff auf die Kapstadt; die Neger aber steckten sie in Brand und zogen, nachdem sie auf eine solche Weise einen Beweis ihrer furchtbaren Entschlossenheit gegeben hatten, in bester Ordnung sich zurück. Leclerc, um Toussaint milder zu stimmen, schickte ihm seine Söhne zurück, die er aus Frankreich mit herüber gebracht hatte und versprach ihm deren völlige Freiheit, wenn er sich seinen Beschlüssen fügen würde. Toussaint aber, immer groß in seinen Entschlüssen, achtete die Freiheit seines Volkes höher, als die Befreiung seiner Söhne, und schickte sie wieder an Leclerc zurück.
5.
Der Krieg begann; dies Mal nicht mit dem Glücke, welches bis dahin Toussaint begünstigt hatte. Er wurde am 17. Februar von Leclerc in die Acht erklärt und wenige Tage darauf von der französischen Armee geschlagen. Mit 500 Kriegern zog er sich in die Wälder zurück, sammelte die zersprengten Ueberreste seines Heeres, vereinigte sich mit dem General Christoph und entwarf den Plan, den ganzen Norden der Insel in Ausstand zu bringen. Aber alle seine Versuche schlugen fehl. Von allen Seiten gedrängt, mußte er noch den Schmerz erleben, daß seine eigenen Generale sich gegen ihn empörten. Jetzt begann er Unterhandlungen mit Leclerc, der ihm den Frieden bewilligte unter der Bedingung, daß er sich ruhig auf seine Güter zurückziehen würde. Toussaint that es und lebte ruhig im Schooße seiner Familie bis zu Anfang Juni 1802, wo er plötzlich vom General Brunet verhaftet und auf ein Schiff gebracht wurde, das mit ihm sogleich nach Frankreich absegelte. Wie man sagt, hatten seine treulosen Generale Dessalines und Christoph, die einen Umschwung der Dinge voraussahen und dann Toussaint's Rache fürchten mochten, beschlossen, ihren Obergeneral zu verderben. Zu dem Ende hatten sie einen Brief geschrieben und diesen dem General Leclerc in die Hände gespielt, um Toussaint als mit verrätherischen Plänen umgehend darzustellen. Die Wahrheit dieser Angaben ist freilich nicht erwiesen, so viel aber ist gewiß, daß Toussaint gleich nach seiner Ankunft in Frankreich auf das Fort Joux bei Besanyon abgeführt wurde und dort im Kerker am 5. April 1803 starb, ohne sein Vaterland und seine Familie wieder gesehen zu haben.
Die Folgen dieser schändlichen Handlungsweise zeigten sich bald und es ging in Erfüllung, was Toussaint vorausgesehen hatte. Die Neger, über den Verrath ergrimmt, griffen wieder zu den Waffen und abermals dampfte die Insel von vergossenem Blute. Die Franzosen, der klugen Leitung Toussaint's entbehrend, vermochten sich nicht mehr zu halten und verloren die Insel für immer, nachdem sie an 20,000 Mann theils durch das Schwert, theils durch das gelbe Fieber verloren hatten. Der schwache Rest dieser erbärmlichen Armee mußte sich der Gnade der Engländer ergeben und Dessalines, welcher nun die Zügel der Regierung ergriff, bezeichnete seine Erhebung durch ein allgemeines Morden der Weißen.
Wer sieht nicht in solchen Begebnissen deutlich die Hand des vergeltenden Gottes? Theuer büßte Frankreich den treulosen Verrath an dem Edelsten der Schwarzen, der allein die Oberherrschaft des Mutterlandes über die Insel hätte behaupten können.
Die äußere Gestalt Toussaint's zeugte von Kraft und Männlichkeit, obgleich er nicht viel über Mittelgröße war. In seinen Zügen prägte sich, trotz seiner natürlichen Häßlichkeit, ein unverkennbarer Ausdruck von Kühnheit und Seelengröße aus, die seine Feinde schreckte, seinen Freunden aber Vertrauen einflößte. Sein Benehmen war leicht und zwanglos. Wenn ihn ein Niederer anredete, so lieh er ihm mit einer Aufmerksamkeit, die Aller Herzen gewann, Gehör und zeigte eine freundliche Vertraulichkeit, ohne doch jemals seiner hohen Würde das Geringste zu vergeben. Seine Uniform war eine Art blauer Jacke mit einem großen rothen Kragen, der über die Schultern herabhing, mit rothen Aufschlägen, acht Reihen goldener Lützen auf jedem Arme und einem Paar großer goldener Achselbänder, die nach hinten zu geworfen waren. Außerdem trug er eine Weste, lange Beinkleider von Scharlach, Halbstiefeln und einen runden Hut mit rother Feder in der Nationalkokarde, den er jedoch öfters mit einem Turban vertauschte. In allen körperlichen Uebungen war er sehr geschickt und er zeichnete sich besonders durch eine unglaubliche Kühnheit und Fertigkeit im Reiten aus. Die wildesten Pferde wußte er mit einer Leichtigkeit und Sicherheit zu bändigen, die das Erstaunen der verwegensten Reiter erregte. Um die Ordnung auf seiner Insel überall aufrecht zu erhalten, begab er sich oft in die entferntesten Provinzen und erschien plötzlich an Orten, wo man ihn gar nicht vermuthet hatte. Bei der Fähigkeit, alle Strapazen mit Leichtigkeit zu ertragen, reiste er mit großer Schnelligkeit Tag und Nacht, so daß er oft zu gleicher Zeit an zwei Orten zu sein schien. Das Ziel seiner Reisen wurde immer sehr geheim gehalten, da es seine Absicht war, zu überraschen und mit eigenen Augen zu sehen, ob seinen guten Anordnungen auch überall gebührende Folge geleistet werde.
Auf solche Weise, immer thätig und unermüdlich, regierte dieser edle Mann, der sein segensreiches Leben fern von der Heimath in einem finstern Kerker beschließen mußte. Man sagt, er sei an Gift gestorben. Wahrscheinlicher aber ist es, daß der Gram über die Trennung von seiner Familie und Allem, was ihm lieb und theuer war, sowie das rauhe, ungewohnte Klima Europa's seinen Tagen vor der Zeit ein Ende gemacht hat. Seine Asche ruht in fremder Erde; sein Geist aber ist in die ewige Heimath zu Dem eingegangen, dessen mächtige Hand das Gute belohnt und dem edlen Dulder den Schmerz und Kummer der Erde mit himmlischer Freude vergilt.