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Ueber den Torfmoorgrund, wo in schimmernden Flocken das Wollgras
Zittert im Wind, und unter dem Schritt aus dem Boden die Feuchte
Schwarzbraun quillt: dann wieder durch einsame Haiden, wo kniehoch,
In blaßröthlichem Flor, weithin das Gekräut' wie ein Saatfeld
Wogt, zieh'n Matthissons Schaaren dahin auf dem Weg der Verheißung.
Und wo die Haide die Wandrer entläßt, da empfängt sie die Sandflur;
Rieselnder, knirschender Sand empfängt sie, begleitet sie weithin,
Und aus dem Sand aufragt wie verweht, wie verschneit in der Öde,
Hier die verkrüppelte Kiefer, der Felsblock dort. Und die Krähen
Sitzen den Weg entlang mit Unglücksaugen; verdrossen
Hängen am Thymianstrauche die Falter, und schrill in die weite
Traurige Heide hinaus, eintönigen Klanges, entsendet
Aus Wachholdergebüschen die klagenden Rufe der Kibitz.
Reglos steht auf dem Bein, wie ein Pflanzengebild auf erhab'nem
Stiel, der beschauliche Storch. Dort zwischen verkommenem Zwergholz
Sitzt auf vereinzeltem Block in der schweigenden Öde der Schafhirt,
Und ein Trupp Haidschnucken um ihn rupft zwischen den Kieseln
Spärliches Gras. Reglos, wie der Storch, in Brüten versunken,
Nimmer ein Lebender scheint er, der Hirt, nur ein Stück von dem Felsblock,
Drauf er sich lagert, ein Stück vom versteinerten Leben der Haide.
Denn zum Schweigen verdammt und zu brütendem Traume verzaubert
Scheint die Natur umher, des entzaubernden Stabes noch harrend,
Der sie höher beseelt: sie träumt von den Menschen im Halbschlaf,
Die da so unruhvoll mit den pochenden Herzen heranzieh'n . . .
Aber es wendet der Pfad sich auf ein Mal nun, und es tauchen
Felder, mit Hecken umsäumt, und grünende Wiesen, und Höfe
Zwischen Gehölz empor, und Dörfer mit röthlichen Dächern.
Weiher mit Fischen im Grund, mit edlem Geflügel im Schilfe,
Blitzen wie Spiegel: verwundert betrachten die Wand'rer den Segen,
Der sich üppig verbreitet und reich, hart neben der Ödniß.
Und noch begehrlicher blicken sie jetzt nach der prangenden Stadt aus,
Und noch rascher beflügelt ihr Schritt sich. Da bringen die Lüfte
Einen verlorenen Klang wie von hallenden Glocken herüber.
Mächtiger schlagen die Herzen und wie Kreuzfahrer mit Jubel
Grüßten das ältere Sion vor Zeiten, so grüßten die neue
Sionsstadt an der Aa nun die Anabaptisten: vor ihnen
Lag das verheißene Ziel, glanzreich: westphalischen Landes
Perle, von Linden umgrünt, vielthürmig, das heilige Münster.
»Seht«, rief Einer der Schaar, »dort hebt die gigantische Kuppel
Hoch Sanct Lamberts Thurm in die Luft – dort leuchtet der Dom – dort
Schimmert die Prachtthurmkrone der Liebfrau'nkirche – da drüben
Ragt Sanct Ludgeri Zinne, die zierliche, luft'ge« . . . So nannt' er
Leuchtenden Auges sie alle, die Zinnen umher, und die Kuppeln,
Die da ragten aus blüh'ndem Gesträuch, Baumgängen und Laubgrün:
Silberig blitzte herüber aus wiesigen Gründen der Aafluß.
Habt ihr Münster geseh'n und den reizvoll prangenden Marktplatz?
Habt ihr das Rathhaus drinnen, das hochaufragende Prachtwerk,
Und die Paläste geseh'n, die gegiebelten, und die Arkaden,
Welche, gewölbt zu den Seiten des lang sich streckenden Marktes,
Lieblich geschwungen die Zeile der prangenden Häuser begleiten?
Habt ihr geschaut sie, die Bogen, die ragenden Erker, die Zinnen,
Wie sie dereinst prachtüppig erstanden auch unter des Nordens
Kälterer Sonne, bestaunt von den nüchternen Menschen der Jetztzeit?
Glanzlos bricht sie sich heut an den Wundergebäuden, die matte
Flut alltäglichen Lebens: nur mehr einförmige Menschen
In einförmiger Tracht durchwandeln die stolzen Arkaden!
O wie so anders zur Zeit, da die Schaaren der Wiedergetauften
Morgendlich zogen gen Münster! Da wogte das Leben noch farbig:
Glänzend gesellte sich da zu phantastischem Schmucke der Wohnstatt
Noch die phantastische Zierde der Tracht: wie erglänzten die bunten
Bauschigen, reichen Gewänder im Schimmer der Sonne, die Wämser,
Vielfach geschlitzt und betreßt, und die Spangen, die Ringe, die Gürtel,
Purpurn, mit Perlen gestickt, die Barette mit nickenden Federn,
Und die gediegenen Klingen, besetzt mit köstlichen Steinen!
Und wetteifernd im Prunk schritt neben dem Bürger der Landsknecht,
Schritt der bekuttete Priester, die Tinten des Schwarzen und Weißen,
Grauen und Braunen erschöpfend in mancherlei Ordens Gewandung.
Doch schon ist Eins zu vermissen am Tag, wo die Anabaptisten
Grüßen die Thürme von Münster: wo bleibt der gebietende Dickbauch?
Ja, wo bleiben sie nur, die bekannten, die feisten Gestalten,
Sie, die Beherrscher des Landes, die Edelgebornen, die Domherrn,
Die mit den seid'nen Baretten, den glitzernden goldenen Ketten
Um den gewulsteten Hals, mit dem schwärzlichen Kragen des Priesters
Über dem wallenden Rocke, dem weißen, noch lieber in üppig
Weltlicher, fürstlicher Tracht durch die Straßen von Münster stolzierten?
Klüglich weilen sie fern: in den Straßen von Münster, da weht es
Schon wie ein Blättergesäusel bei nahendem Wetter im Waldgrund.
Drangvoll wirbeln sie heut durch einander, die Bürger von Münster.
Die da so ängstlich vorbei sich drücken mit niedergeschlagenen
Augen, das sind die Papisten; die dreisteren Schrittes einhergeh'n,
Schwören auf Luther; und Jene, die Düsteren dort, die in's Erdreich
Bald einbohren den Blick, bald heben in fliegende Wolken,
Und dann wieder mit drohend-fanatischen Augen um sich schau'n,
Das sind Jünger und Schüler des schwärmenden Anabaptisten,
Welcher der neuesten Lehre die Bahnen gebrochen zu Münster.
Sieh', dort schleicht er selbst, der berufene Träumer und Schwarmgeist,
Bleich, mit glutenden Augen, verloren in düsteres Sinnen!
Und der hinter ihm geht, wie hinter dem Hirten der Wolfshund
Geht durch die Heerde der Lämmer, der Mann mit den wuchtigen Schultern
Urecht-Münster'sches Blut, – der laut mit sich selber im Gehen
Spricht und ballt in Gedanken die Faust, zu dem Haupte der Arm ist
Dieser, der mächtigste Kämpe der Wiedergetauften zu Münster!
Die da kommen heran, mit gewichtiger Miene zum Rathhaus
Schreitend, das sind die Vertreter des Volks, Obmänner der Zünfte,
Meister der Gilden von Münster: vom Schohaus zieh'n sie zum Rathhaus,
Dort nach der Väter Gebrauch mit den Männern des Raths zu verhandeln,
Und daß schwanger von wicht'gen Entscheidungen heut die Berathung,
Zeigt in den Mienen der Ernst und die trotzig entschiedene Haltung.
Mächtiger wächst das Gewirr. Schon wird im Gedränge den Marktfrau'n
Übereinander gestoßen der Kram. In dem wilden Gewoge,
Wer ist's, der Stand noch hält? ein uralt Mütterchen seh' ich
Reglos kauern – es kauert auch heute, verwittertem Steinbild
Gleich, wie die Väter sie kauern geseh'n und die Väter der Väter,
Dort auf den Rathhausstufen und betet, so wie sie die Väter
Beten gehört und die Väter der Väter, mit leisem Gemurmel:
»Komme zu uns dein Reich!« und »führ' uns nicht in Versuchung!
«Wie vom Tode vergessen, ein halb Jahrhundert so sitzt sie
Dort, und es ist kein Laut zu vernehmen vom Munde der Greisin,
Als ein murmelnd Gebet. Gleichgültig schwindet und achtlos
Jahr um Jahr ihr hinweg, wie das Küglein ihr rollt von der Betschnur.
Aber allein nicht sitzt sie im wogenden Trubel, die greise
Timmermannin: es hat sich ihr heute gesellt der verrückte
Dusentschur, der geworden zum schweifenden Bettler vom Goldschmied,
Ein schmalbrüstiger Alter, gebückt, graubärtig, das Antlitz
Häßlich entstellt von den Narben der fressenden Pocke – doch seltsam
Glüht sein Aug', und es blitzt manchmal dort neben dem Wahnwitz
Auf wie ein höheres Licht. Er ist stumm und stottert nur mühsam
Laute hervor, die Keiner versteht. Man erzählt sich im Volke,
Daß er begabt mit dem zweiten Gesicht, und daß, so er einmal
Wieder die Rede gewinnt, er Erstaunliches werde verkünden.
Ei, was treibt er doch dort auf den Rathhausstufen? Zu flechten
Ist er bemüht einen Kranz von Ranunkeln und Winden und Goldklee:
Und so wunderlich ist er nun schon drei Tage beschäftigt,
Stille für sich hin lächelnd, und um das Getümmel um ihn her
Nichts sich kümmernd, als sei er der größeren Stunde gewärtig.
Einzelne Wellen des wilden Gewogs auf dem Markte verlieren
Sich in den Rathhauskeller, den wirklichen: dort bei Gesprächen
Sitzen die Bürger; doch trotzen Parteien und feindlich geschied'ne
Lager auch hier: der Tisch ist papistisch und lutherisch jener,
Anabaptistisch der dritte. Wo immer sich Zecher gesellen,
Fehlt nicht gerne der Mönch; so sitzen im kühlen Gewölb' auch
Hier, im papistischen Kreis, zwei Männer mit bräunlichen Kutten:
Peter und Paul, aus dem Kloster am Aafluß; dieser nur zechend,
Aber der andere schwatzend mit Eifer und scheltend die böse
Zeit, auch Vieles erwähnend von unheilkündenden Zeichen,
Wie sie jetzo geschah'n: von sich kreuzenden Schwertern in Wolken,
Und wie draußen vor Münster bei nächtlicher Weile die Hirten
Plötzlich in Flammen erblickten die Stadt, und, näher gelaufen,
Wieder im Dunkel sie sah'n; und wie oft die Bewohner von Münster
Schreckte des Nachts ein plötzlich Getös' von Drommeten und Pauken,
Welches vom Wall her scholl und sonst von einsamen Orten,
Und wie er selbst auch kürzlich bei Nacht, an den Fenstern des Domes
Wandelnd vorüber, ein Schluchzen gehört und Seufzen und Wimmern.
»Aber vor Allem«, so rief er zuletzt, »noch denkt ihr des Schwanzsterns,
Der vor Kurzem erschien, der immer des Morgens geradhin
Über dem Scheitel uns stand, und, obgleich Schwanzsterne des Schweifes
Richtung häufig verändern, doch als ein besonderes Wunder
Lange den Schweif vornehmlich hieher gen Münster gekehrt hielt?
Und noch seltsamer war's, daß er lief von Osten nach Westen,
Jeglicher Norm der Kometen zuwider: was Alles doch wahrlich
Schlimmes nur konnte bedeuten: erschröcklichen Wandel der Dinge,
Umsturz jeglicher Ordnung. Unseliges Münster! mit Besen
Kehrt man dereinst noch zusammen den Schutt hier, wo du gestanden!« . . .
Also der eifernde Mönch; ihn maß mit wüthenden Blicken
Ein Prädikant, der wandernd das Evangelium kündete: d'rüben
Unter den Lutherschen saß er und lang schon horcht' er herüber.
Der nun rief: »Sei still, Gottesser, und thu' wie der Dickwanst,
Dein Cumpan, und ereif're dich nicht; dann schlägt wol auch besser
Dein Gottessen dir an – so aber verzehrt dich die Galle!«
Wüthig erblaßte der Mönch. Es erhoben um ihn sich die Andern,
Für und wider ihn eifernd: doch gegen sich hatt' er die Mehrzahl.
»Fort mit den Kutten und Glatzen!« so scholl's, und es faßte der Fremde
Kecklich den geistlichen Bruder am Arm, und mit ihm den andern
Bruder, den wänstigen Zecher, und schob zur Thür sie und stieß sie
Über die Schwelle hinaus . . .
Da erschien von draußen am Eingang
Jener gewaltige Mann, der zuvor dicht hinter dem blassen
Rottmann schritt im Gewimmel. Vom Marktplatz langsam herüber
Schreitet zum Rathhauskeller er jetzt: er sieht, wie die Mönche
Sind vor die Thüre gesetzt und erfährt, wie sich Alles ereignet.
»Recht so! ein löbliches Werk ist's«, ruft er mit Grinsen, »die Pfäfflein
Über die Schwelle zu werfen; doch, soll's nicht halb nur gethan sein,
Werft auch den luther'schen Gauch mir heraus auf's Pflaster! wir brauchen,
Mein' ich, in Münster den Einen so wenig mehr wie den Andern!« –
Zornig blickt, was da luth'risch gesinnt, auf den Anabaptisten.
Aber der Mann ist stark – auf breitem, gedrungenem Nacken
Trägt er ein Haupt, auf dem sich das kurze geschorene Blondhaar
Sträubt wie drohend, obgleich, man muß es gestehen, die hellblau
Leuchtenden Augen ihm steh'n in dem starken und knochigen Antlitz
Nicht unsanft, und schier gutmüthig ein Lächeln den breiten
Mund nicht übel ihm ziert. Still ist es geworden um ihn her,
Und nur der Wanderapostel, der luther'sche, welchen die schnöde
Rede gekränkt, der wagt sich an ihn, zornrothen Gesichtes:
»Hebe du selbst dich hinweg aus dem Kreise besonnener Männer,
Schwarmgeist, Anabaptist, von des Rottmann Troß, der die reine
Lehre nur trübt und schändet, wie Kröten und Frösche den Waldborn!«
Also rief er ergrimmt, da fühlt er sich selbst, wie noch eben
Von ihm die Mönche, gefaßt von der nervigen Rechten des Schwarmgeists,
Eh' er sich dessen verseh'n, und hinaus vor die Thür auf des Marktes
Pflaster gesetzt. Nun eilten vom menschendurchwimmelten Marktplatz
Haufen des Volkes herbei, ein Theil zwar willig, des Fremden
Haupt zu beschirmen mit Wort und That: doch die Zahl der Papisten
War noch groß, und größer der Anabaptisten, am größten
Jener, die schwankten annoch von der einen zur anderen Lehre.
Doch als der Kämpe vom Schwarm sich der heimischen Bürger nmringt sah,
Allen im Volke bekannt und vertraut – wer hätte zu Münster
Nicht Bernt Knipperdolling gekannt? Tuchhändler am Markte
Wär er, der rüstige Bernt; doch schmählich gelangt auf den Holzweg
War' sein Handel schon oft, wenn nicht stets willig die reiche
Mutter der Gattin auf's Neu vorspannte die goldenen Füchslein:
Denn nachdem sie vermählt ihm die Tochter mit reichlicher Mitgift,
Und mit stattlichem Haus auf dem Marktplatz, nahe dem Schohaus,
Stand es bei ihm, zu verdoppeln durch eigenen Eifer den Reichthum.
Aber er saß viel lieber im Rathhauskeller mit Freunden
Bei polit'schem Gespräch, wol auch in der oberen Kammer,
In Flugblätter vertieft; und kam vor's Haus ihm die Kundschaft,
Mußte die Finger sie wund sich klopfen, bis endlich der Kaufherr
Aufthat, mürrisch, den Störer verwünschend. Es drängten sich dennoch
Zu Bernt Knipperdolling die Käufer: man kaufte so wolfeil
Nirgends; er nahm, was man bot, wenn Einer nur sonst im Gespräche
Recht ihm ließ und schelten ihm half auf Pfaffen und Herren.
Immer schon hatt' er gehaßt sie, die Pfaffen und Herrn, und so manchen
Possen gespielt zu Münster dem Bischof selbst und den Domherrn,
Sie, wo er konnte, gehänselt, für sie Spottnamen erfunden,
Und mit Vermummungen oft sie verspottet bei Schwänken der Fastnacht.
Auch mit dem Rath stets lebt' er in Hader. Unzählige Male
Mit Geldbußen und Haft abbüßt' er die Frevel. Als Luthers
Lehre Bekenner gewann, da schützt' er sie vor den Papisten;
Doch seitdem ihn begeistert die Lehren der Anabaptisten,
Ward er diesen ein Hort, und es gingen zu Münster von da an
Ohne Behelligung immer des Weges die Anabaptisten . . .
Dieser begann nunmehr in dem Kreise der heimischen Bürger:
»Leute, was steht ihr und gafft, wie der ehrliche Knipperdolling
Aufräumt? Nehmt ein Exempel! Der ehrliche Knipperdolling
Soll wol Alles allein zu Münster verrichten? Ich sag' euch,
Wenn nicht Jeder so denkt wie der ehrliche Knipperdolling,
Werden aus Münster'schem Fell bald Riemen geschnitten! Da steht jetzt
Ganz in der Näh' mit den Söldnern der Zwingherr, und in dem Rathhaus
Dort, da berathen sie noch, ob dem »gnädigen Herrn« sie den Einlaß
Dürfen verweigern – dem Mann, der mit uns wie das Schwein mit dem Mehlsack
Umspringt, der da gewaffnet als Feind durch Söldner im Lande
Weg und Steg unsicher gemacht und den Münst'rern das Hornvieh
Wegfing, welches sie trieben zu Markt, als ein Räuber und Strauchdieb,
Auch mit dem Schwert als Henker in Münster'schen Landen gewüthet,
Schmählich vergossen das Blut evangelischer Männer zu Coesfeld.
's ist ja ein Gräu'l, Mitbürger! wir fassen seit etlichen Jahren
Immer den Aal beim Schwanz noch! des Luther gereinigte Lehre,
Sagt, was half sie uns denn? Ist nicht noch ein Pfaffe des Landes
Eigner und Fürst, und mästen wir nicht Faullenzer im Domhof
Nach wie vor, Domherren, die, fahren sie heute von dannen,
Morgen doch kehren zurück und es treiben so wie sie's getrieben?
Sind das Diener des Herrn? Ja, seht die Paläste der frommen
Diener im Domhof drüben! Da seht ihr Geweihe von Hirschen
Über die Pforten genagelt zum Prunk! Ei, Herren von Adel
Sind's, nicht Priester, und leben als solche. Mit Spiel und mit Waidwerk
Bringen die Tage sie hin, und führen ein weltliches Leben,
Üppig und weichlich mit Dienern und Rossen und Hunden und Weibern
In den Palästen der Stadt und im Sommer auf lustigen Schlössern.
Nicht, weil gelehrt sie und fromm, nein, nur weil sie ad'lig geboren,
Etwa des Studiums halber zu Padua etliche hundert
Kronenthaler verzehrt und zuletzt in die Kutte gekrochen,
Sitzen sie d'rin im Kapitel. Was nützt uns Bürgern die neue
Lehr', wenn stets noch die Männer der alten von unserem Beutel
Haben in Händen die Schnur und von jeglicher Suppe das Fett sich
Schöpfen und schnöd faullenzend auf Privilegien ausruh'n?
Doch nicht Pfaffen allein, auch die stolzen Patrizier sind es,
Welche den Bürger verachten. Die wollen's den ländlichen Rittern
Gleichthun, dünken sich was, und daß man sie halte für adlig,
Putzen sie, statt mit dem Schwamm, mit den Krumen der Semmel die Kinder,
Spielen im Rathe die Herrn und entscheiden der Bürger Geschicke.
Mög' uns der Himmel erhalten im Lande die edlen Geschlechter!
Als Gott Vater die Welt zu beglücken mit edlen Geschlechtern
Dachte, da trug ein Engel in mächtigem Sacke sie fliegend
Über die Erde dahin, gleichmäßig über die Länder
Sie zu verstreuen gewillt: doch als nun eben der Engel
Flog ob den Münster'schen Landen, da plötzlich platzte der Sack ihm,
Und es ergoß sich die Fülle, die ganze, des adligen Segens
Auf westphalische Erde: so ward uns die schöne Bescherung.
Aber es halten zusammen die Pfaffheit stets und der Adel,
Gleichwie die Wölf' und die Raben. In städtischen Dingen, da freilich
Reden ein Wörtlein kräftig bisweilen die Männer der Zünfte
Mit den Genossen des Raths; wie aber, wie ist's auf dem Landtag?
Merkt einmal: da stimmen nach Ständen sie ab. Pfaff, Ritter und Bürger,
Seht, drei Stände, das macht drei Stimmen. Nun, Leute, nun frag' ich,
Was da die Städte vermögen? wie hält da den beiden vereinten
Stimmen des Pfaffen und Ritters die Stimme des Bürgers die Wage?
Aber ich sage, die Städte, sie müssen erstarken, und wachsen
Muß bald Gras auf den Steinen der Klöster und Burgen! – Die Vehme,
Hier auf unserem Boden zu heimlichem Trutze den Fürsten
War sie ersonnen; doch jetzt ist die Zeit, um offen zu trutzen!
Was uns der Luther versprach und zuletzt im Sacke behalten,
Männer, das müssen wir haben: die christliche Freiheit und Gleichheit!
Wollt ihr wissen, wer ernstlich es meint mit der christlichen Freiheit?
Rottmann ist's, und die Andern, die lehren die doppelte Taufe.
Darum halt' ich zu ihnen nach Kräften, und schütze den Rottmann:
Und wer immer ein Haar ihm krümmt auf dem Haupte, dem schreib' ich
Gern mit der Faust auf den Rücken, und auch in's Gesicht, wenn es sein muß,
Und er's so besser begreift, das Bekenntniß der christlichen Freiheit« . . .
Also ereiferte sich, von den Bürgern umringt, der entflammte
Knipperdolling: es hallte der Marktplatz, hallten die Gassen
Von zustimmenden Rufen, doch Andere schrien dagegen;
Und so schwoll das Getümmel, der Lärm, weit über den Markt hin.
Jetzt auf des Rathhaussaales Altan zeigt plötzlich ein Rathsherr
Sich, der verständlich zu machen sich müht, zum Volke zu reden.
Etliche horchen nach ihm. Der gewaltige Knipperdolling
Ruft: »Was krächzt denn das Männlein, das patzige, dort mit der dünnen
Stimme herab? Seid still, ihr Leute, der treffliche Bentinck
Spricht, der Gescheutesten einer; ihr seht ja, es lauscht ihm das Köpflein
Klug aus der Krause hervor, schier wie aus dem Käse das Mäuschen!
Laßt ihn kommen zu Wort: vielleicht doch hören wir Gutes!« –
Still nun ward's im Getümmel umher, und vernehmlicher tönte
Von dem Altane das Wort des Patriziers. »Bürger von Münster!«
Sprach er, »ihr wißt, hier innen im Saal, da berathen soeben
Sich mit dem Rathe die Gilden. Es ziemt euch, Ruhe zu halten,
Nicht die Berathung zu stören mit Lärm und Geschrei vor dem Rathhaus.
Schweigt und zerstreut euch, Männer! Es werden die Räthe beschließen
Was zum Wohle der Stadt, und Rechten und Pflichten gemäß ist!«
Sprach's, und wandte sich, aber es rief ihm nach der gewalt'ge
Knipperdolling: »Ihr macht es zu lang, ihr Herren, wahrhaftig!
Laßt doch so lang nicht warten den Bischof drauß' vor dem Stadtthor!« –
Im Rathssaale, dem hohen, da standen die Meister der Zünfte
Vor dem versammelten Rath. Aufrief ihr Sprecher: Wir sagen,
Heischen im Namen des Volks, daß zurück man weise den Bischof,
Oder als weltlichen Herrn nur mehr ihn erkenne von jetzt an,
Mit dem Beding, daß er Freiheit des Glaubens, Gewissens uns lasse,
Wie auch der kirchlichen Übung, und daß er die Kanzeln von Münster
Ganz freigebe den Männern, die wir uns selber erkiesen;
Daß auch Rottmann werde gestattet zu pred'gen für Alle,
Die ihn zu hören verlangen, und künftig der Wiedergetauften
Lehr' und Gedeihen zu Münster dem Bischof nimmer als Vorwand
Solle gereichen, die Stadt mit bewaffneter Hand zu befehden.
Billig ist, daß im Volk nach dem eigenen Glauben ein Jeder
Leb', und Alle zusammen als friedliche Bürger und Brüder!«
Also der Sprecher; entgegen ihm hob ein Patrizier heftig
Sich: »Wir gönnen ja gerne den friedlichen Bürgern die Freiheit,
Fordern sie mannlich vom Bischof selbst. Doch den Anabaptisten
Trauen wir nicht: die achten ja nicht mehr göttlich' noch menschlich'
Regiment, und sie denken auf Umsturz jeglicher Ordnung.
Bürgt uns erst, daß sie wahren den Frieden, sich fügen der Satzung,
Und sie mögen es halten im Übrigen, wie es sie gut dünkt!« –
Jetzo begann Rottmann, der zu Münster der neuesten Lehre
Hatte gebrochen die Bahn. Bleichwangig, mit glutenden Augen
Trat er hervor, sprach schwärmerisch-feurig: »Ich leiste Gewähr euch,
Männer des Raths, für die übel verläumdeten Anabaptisten.
Wißt, nicht suchen sie Streit. Nach Frieden und heiliger Eintracht
Geht ihr Verlangen: ein Leben in thätiger Liebe Gemeinschaft
Wollen sie führen: ein Reich glückseligen Friedens zu stiften
Trachten sie einzig: ein Reich, aus welchem für immer verbannt ist
Selbstsucht, Unrecht, Kränkung des Bruders, und jegliches Übel,
Welches das Dasein schändet: das ist anabaptistische Losung . . .«
So Rottmann. Da erhob von Neuem der wilde Tumult sich
Auf dem geräumigen Markt und es scholl ein Lärmen und Schreien
Störend herauf. »Ei«, sagte mit bitterem Lächeln zu Rottmann
Schückinck, einer der Männer vom Rath: »Ihr hört, was da unten
Wieder sich regt, und es dünkt mich, die Euren, die Anabaptisten,
Sinds, die am lautesten lärmen; heraus stets hör' ich den wilden
Bernt, wie den Löwen aus kleiner'm Gethier. Sind wirklich so fügsam,
Wie ihr versichert, die Euren, so schafft uns Ruhe, damit wir
Endlich zum Ziele gelangen: denn so nicht kommen wir vorwärts!« –
Solcherlei stachelnde Reden vernehmend, erklärte sich Rottmann
Willig, hinab zu den Schreiern zu gehn und Ruhe zu schaffen.
Aber es schloß sich an ihn von den Rathsherrn selber noch Tilbeck,
Ein freidenkender Mann, der im Stillen den Täufern geneigt war.
Als nun hinunter gelangt auf den Markt zu dem Volke die Beiden,
Fanden sie ärgern Tumult, ein Gewühl, in dem sie verschwanden,
Gleichwie wenige Tropfen des Öls in stürmischer Brandung.
Zahlreich waren indessen aus Nachbarorten nach Münster
Mancherlei Haufen zusammen geströmt, Kleinstädter und Dörfler,
Die von den lutherschen Männern gelockt, die von den Papisten,
Die von den Anabaptisten: nun mühten sich alle Parteien,
Um abspenstig einander zu machen die Bundesgenossen.
Aber es hatte zuletzt auf der Seinigen Seite die Meisten
Knipperdolling gezogen, der Allen im Lande bekannt war,
Und der Alle verstand mit freundlichem Wort zu bereden:
»Seid mir gegrüßt, ihr Männer von Soest! Euch ziemt es ein Wörtlein
Drein auch zu sprechen, so oft es um unseres Münster'schen Landes
Wohl und Wehe sich handelt; ist euere Stadt doch die ält'ste
Auf westphälischer Erde! Die Zeit ist nimmer vergessen,
Wo noch das Wappen von Soest auf meerdurchkreuzenden Schiffen
Stand; und wer wüßt' es nicht, wie für städtisches Recht ihr vor hundert
Jahren mit Speer und Spieß als verteufelte Kerle gefochten?
Männer von Soest! ihr dürfet im nahenden Kampf der Entscheidung
Dort nur steh'n, wo man gegen die Pfaffen und Herren die Bolzen
Fiedert! – Ei sieh, das lass' ich mir wahrlich gefallen – auch ihr da,
Freunde vom Borne der Pader? Man kennt sie, die wackere Rasse,
Die Schwarzköpfe mit hitzigem Blut, die beherztesten Raufer
Weitum im Münster'schen Land! Schlagt ein, wir stehen zusammen! –
Seid mir von Herzen gegrüßt, liebwertheste Männer von Telgte!
Von euch war's zu erwarten, daß ihr als die Nächsten der Nachbarn
Kommt auf ein Tänzchen zu uns! Was hier wir in Münster ertanzen,
Kommt euch in Telgte zu gut! Doch, was Teufel, was tragt ihr denn Alle
Jetzt so gewaltige Bärte, wie nimmer zuvor ich gesehen,
Wenn ich besuchte das Städtlein? . . Wie? die Barbiere von Telgte
Haben den Preis unbillig erhöht, und ihr habt euch verschworen,
Den Bartscherern zu trotzen? Ha, ha! d'ran kenn' ich die Braven!
Echt westphälisches Blut! so lob' ich's! nicht um den Stüber
Ist's; nur wegen des Rechtes, des alten, verjährten: ihr bietet
Immer so Trotz für's Recht, das weiß ich, Brüder von Telgte!«
Manches ermunternde Wort sprach so noch, über den Markt hin
Schreiteud, der rüstige Kämpe; noch grüßt' er die Männer von Coesfeld,
Die auch von Warndorf, die auch von Aalen und Becken und Dülmen,
Wo allwärts schon bedrängt der Papist war, gegen den Bischof
Immer bedrohlicher glomm in erregten Gemüthern der Aufruhr.
Und nun kommt es getrabt auf den Markt von berittenen Bauern,
Nur mit Äxten bewaffnet und Knüppeln, doch schreckenverbreitend.
Und es begrüßt auch diese mit Freuden der redegewandte
Knipperdolling: »Da seht mir einmal doch die prächtigen Kerle«,
Ruft er, »wie stählern sie sitzen auf ihren gewaltigen Gäulen!
Männer, wir können euch brauchen! Ihr wehrt euch der eigenen Haut nur,
Wenn ihr uns helft zu kuranzen im Lande die Pfaffen und Herren!
Seid ihr Bauern denn nicht die geplagtesten Tröpfe? da lebt ihr
Hin in rauchigen Hütten und müßt euch rackern, und müsset
Frohnen dem Junker und frohnen dem Pfaffen. Ihr Armen, es tritt euch
Jeder mit Füssen. Es sprengt euch mit Rossen und Hunden der Burgherr
Über die Saat. Einnistet in euere Küchen der Mönch sich,
Holt für's Kloster das Fleisch und das Ei und beschwatzt für sich selber
Euere Weiber daneben. Und wenn ihr mit saueren Müh'n euch
Einmal erholt und es laufen die Ferkel, die Gänse, die Hühner
Euch auf dem Hof umher, kommt wieder der schweifende Landsknecht,
Zieht aus dem Stall euch das Rind und das Fell euch über die Ohren.
Und wer nimmt sich der Rechte des Bäuerleins an? Auf dem Landtag
Freilich, da seid ihr vertreten – etwa durch die eigenen Leute?
Nein, durch die Ritter! – bei Gott, das ist, als würden die Wölfe
Als Vormünder gesetzt für die Lämmer. Ja, wenn noch die Ritter
Alle so wären wie Götz, wie der Sickingen, oder der Hutten! –
Wißt ihr, daß euere Brüder am Rhein, in Franken, in Schwaben,
Jüngst zu den Gabeln gegriffen und gegen die Schlösser gezogen?
Freilich, der »Bundschuh« platzte für diesmal; es rauchte von zwanzig
Tausend gemetzelten Bauern das Blut zum Himmel. Warum? Ei,
Weil sie verrathen sich sah'n von den evangelischen Brüdern.
Hat doch der Luther die Fürsten gehetzt: »Schlagt todt sie, die Bauern!«
Antichristen erkennen wir zwei, wir Anabaptisten:
Einer der Papst und der and're der Luther, und der ist der schlimmste!
Sagt vom Luther euch los, wie vom Papst und vom Teufel, ihr Brüder!
Steht, wo der Rottmann steht und der ehrliche Knipperdolling!« –
»Ja, das wollen wir!« scholls; doch Andere riefen: »Bedenkt doch,
Wer uns nach Münster berief? Die Patrizier waren's, von welchen
Mancher von uns Kornäcker und Wiesen vor Münster in Pacht hat;
Weh' uns, wenn wir sie reizen! Auch liegen in unseren Dörfern
Draußen die Söldner, und wenn wir dahier zu Rebellen und Ketzern
Stehen, so spalten sie uns, wenn heim wir kommen, die Köpfe!«
»Feigling, schämst du dich nicht?« rief Knipperdolling. »Sei ruhig!
Ein westphälischer Kopf, der ist hart, den wird so geschwind nicht
Spalten der Söldner!« – Nun drängten heran sich Luther'sche lärmend:
»Trauet den Anabaptisten doch nicht!« so riefen sie warnend.
Aber es kamen auch neue Genossen der Wiedergetauften,
Und es erhob sich Gezänk. Schon wollte mit Fäusten der wilde
Knipperdolling entscheiden die Sache, doch fiel in den Arm ihm
Rottmann, zog ihn zurück. Es erzürnte sich Jener gewaltig
Gegen den Freund, und schalt ihn Klosterlateiner und Buchwurm,
Und Duckmäuser, der Muth auf der Kanzel nur hab', doch auf eb'nem
Grund, im Menschengewimmel, erzitt're vor Angst wie ein Knäblein.
Doch nun verstummt der Tumult und es wenden die Augen sich alle
Plötzlich dahin, wo über den Markt her drängend ein fremder,
Seltsamer Zug sich bewegt. Ausweichen zur Rechten und Linken
Willig die Leute, bestaunend den neugierweckenden Aufzug.
Langsam, diese zu Fuß, auf Rossen und Mäulern die Andern,
Kommt er heran. Ernstblickende, düstere, hohe Gestalten,
Drollige Käuze dazwischen. Fanatische, bleiche Gesichter,
Lässig in Kittel gekleidet, und Bursche, sich brüstend in bunter
Tracht, grellfarbig, auch Manche mit funkelnden Helmen und Panzern.
Siehe, der Zug fremdländischer Gaukler und Anabaptisten
Ist's, die im Wald sich vereinigt. Es hatten die Gaukler vor Münsters
Thor mit dem Flitter und Tand der Komödientracht sich behangen.
Prunkhaft reitet dem Zuge voran, im Gewande des Herolds,
Lips van Straaten, der stolz wie ein Triumphator um sich sieht.
Aber ihm folgt auf weißen, geruhig trabenden Rossen
Sitzend ein Paar, nicht eitel beflittert, doch würdigen Anseh'ns:
Matthisson, der Prophet, und Jan von Leyden, der Gaukler:
Neben dem Greise mit düster-fanatischen Zügen der Jüngling
Mit rein-leuchtender Stirne, mit ernsten und stolzen, und dennoch
Sehnsuchtglühenden Augen, mit Lippen, die dürsten nach Leben . . .
Aber einherzieht hinter den beiden Gestalten die braune
Divara, lässig sich wiegend auf schnaubendem Falben – ihr schwarzes
Haar umflattert sie wild, und dieselbe noch ist sie, wie sitzend
Auf dem Gestein sie gefunden im Walde der Greis und der Jüngling.
Über den Locken noch trägt sie den rauschgoldgleißenden, leichten
Kronreif, welcher des Nachts vom Felsen herab aus den Händen
Jan's in den Schooß ihr fiel; und die Ranken der Belladonna
Blühen ihr noch um die Glieder: unheimlicher Zauber, wie gestern
Tief im Wald, umschwebt sie auch heut noch im Lichte des Tages . . .
Vorwärts wogte die Schaar. Wie ein ziehender Strom an der Mündung
Nicht sogleich sich verliert in dem Wellengewoge des Meeren,
Nein, beisammen noch hält die Gewässer und weithin die eig'ne
Bahn noch wallt, Durchschneidend den ruhigen Spiegel der Meerflut:
So durchwogte der Zug das Gedränge des Markts, bis zur Stelle,
Wo sich prangend erhob mit den luftigen Zinnen das Rathhaus,
Und auf den Stufen noch saß, kranzwindend still, der verrückte
Dusentschur. Der aber, wie drängend heran vor das Rathhaus
Wallte der Zug, sprang auf und mit funkelnden Augen entgegen
Stürzt' er dem Greis in der Mitte des Zugs. Aufkreischend vor Freude,
Wollt' er ihm reichen den Kranz mit dem dumpfen Gebelfer des Stummen.
Aber den Jüngling erblickend nun erst an der Seite des Greises,
Starrt er ihn an, und verwirrt, als ob ihm ein Wunder erschienen,
Wirft er auf's Antlitz sich, und erhebt sich wieder und reichet
Diesem den Kranz, ihn grüßend mit wahnsinnstollen Geberden.
Alles bestaunte den Zug und das seltsame Thun des Verrückten.
Rings von den Fenstern herunter der prangenden Häuser am Marktplatz,
Selbst von des Rathhaussaales Altan schau'n Männer des Rathes,
Meister der Gilden verwundert der Fremdlinge seltsamen Aufzug.
Nur die Sibylle noch dort auf den Rathhausstufen, die Greisin,
Sitzt reglos wie zuvor, und murmelt verlorene Worte:
»Komme zu uns dein Reich« und »führ' uns nicht in Versuchung!« – |