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Key kehrte wenig befriedigt in sein Hotel zurück. Er schwankte, ob es wirklich das beste für Alice gewesen war, daß er sie wieder in das Kloster gebracht hatte. In seiner fieberhaften Angst um ihren Ruf war er nur darauf bedacht gewesen, die nichts Ahnende vor einem Skandal zu hüten; ja, er hatte sie sogar roh verletzt, um ihre gefährlich naive Arglosigkeit zu verhindern, Gefühle zum Ausdruck zu bringen, die ihn vielleicht noch im letzten Augenblick hätten verleiten können, ihre Flucht zu begünstigen. Ueber alledem war er nicht dazu gekommen, ihr seine eigenen Gefühle zu erklären.
Die ganze Nacht warf er sich ruhelos auf seinem Lager umher, abwechselnd gequält von dem Bild ihrer bezaubernden Erscheinung im Hotel und ihrer gebeugten, entsagungsvollen Gestalt, als sich die Klosterpforte wieder hinter ihr schloß. Gespannt wartete er am nächsten Tage auf die versprochene Nachricht und hoffte, daß sie ein Mittel gefunden haben möchte, eine solche an ihn abzusenden. Der Tag verging, aber in vergeblichem Harren. Die Angst erfaßte ihn, daß ihre heimliche Entfernung doch noch entdeckt worden sei. Wenn ihr zur Buße eine Freiheitsstrafe auferlegt war, so vermochte sie sich ebensowenig mit ihm in Verbindung zu setzen, wie er mit ihr, um ihr die Unruhe und die Gefühle auszudrücken, die sein Herz erfüllten. In ihrer kindlichen Offenheit hatte sie vielleicht die ganze Wahrheit gestanden, und dies mußte ihm die Türen des Klosters für immer verschließen. Selbst unter seinem früheren Vorwand konnte er nicht mehr darauf rechnen, vorgelassen zu werden. Er durfte nicht einmal den Versuch dazu wagen, weil er befürchten mußte, das arme Kind noch mehr bloßzustellen. Er lauerte dem nachmittäglichen Spaziergang auf; sie war nicht unter den Schülerinnen. In gänzlicher Ratlosigkeit schmiedete er die ungeheuerlichsten Pläne, sie wiederzusehen – Pläne, wie sie nur jemals seine heißköpfige Jugend ausgeheckt hatte, und die ihm in ihrer Abenteuerlichkeit schon im nächsten Augenblick lächerlich erschienen, während sie ihn gleichzeitig durch die Glut ihrer Leidenschaft erschreckten. Krank im Herzen und verzweifelt erreichte er das Hotel. Der Portier kam ihm auf den Stufen entgegen und Key hörte mit einer Erregung, die ihm das Blut ins Gesicht jagte:
Schwester Seraphina erwartet Sie in Nummer vierzehn.
Alle Gedanken an Entdeckung und Skandal waren vergessen; kein Zweifel, keine Unsicherheit beunruhigten ihn mehr; jede Vorsicht außer acht lassend, stürmte er die Treppe hinauf. Er dachte an nichts weiter, als daß er sie wieder hatte, und daß er glücklich war! Mit einer Eile, als ob er verfolgt würde, platzte er in das Zimmer, vergaß diesmal aber nicht, die Tür hinter sich zu schließen. Sein erster Blick suchte das Fenster, wo sie gestern gestanden hatte, aber heute erhob sie sich von dem Sofa in der Ecke, und das Meßbuch, in dem sie gelesen, glitt von ihrem Schoß auf den Boden. Er stürzte auf sie zu und hob es auf. Schon schwebte ihr Name – der Name, bei welchem zu nennen sie ihm erlaubt hatte – leidenschaftlich auf seinen Lippen, als sie langsam ihren Schleier zur Seite schob und derselbe ein blasses, gutes, ältliches Gesicht enthüllte, welches Spuren von Pockennarben trug. Herr-Gott, das war nicht Alice, das war die echte Schwester Seraphina! Unter dem Druck dieser bitteren Enttäuschung und im jähen Schreck, daß alles entdeckt und sein gestriges Opfer ganz umsonst gebracht war, stand er stotternd vor ihr, ohne ein Wort hervorbringen zu können. Zum Glück für ihn schien seine wortlose Verlegenheit sie zu beruhigen und die Aengstlichkeit zu beschwichtigen, welche sein stürmisches Eintreten wohl in dem unerfahrenen, beschaulichen Herzen der Nonne erweckt hatte. Ihre Stimme klang sehr angenehm, aber gewissermaßen klagend, als sie freundlich sagte:
Ich fürchte, ich habe Sie erschreckt; aber es blieb keine Zeit, ein Zusammentreffen vorzubereiten, und da mir alle Tatsachen bekannt sind, hielt es die Frau Priorin für das beste, mich abzusenden, um mit Ihnen eine Angelegenheit, die uns sehr nahe geht, vertrauensvoll zu besprechen. Pater Cipriano gab uns Ihre Adresse.
Kleinmütig und bestürzt verbeugte sich Key und bat die Nonne durch eine Handbewegung, Platz zu nehmen.
Sie werden sich erinnern, daß es der Frau Priorin nicht gelang, von Ihnen etwas über den Bruder eines unsrer lieben Kinder zu erfahren, welches derselbe durch Vermittlung einer Gesellschafterin oder Bekannten – einer Frau Barker – unsrer Hut anvertraute. Da diese mit einer schriftlichen Vollmacht ausgerüstet war, nahmen wir das liebe Kind auf, gestatteten der Dame, als Stellvertreterin des Bruders, freien Zutritt zu seiner Schwester und erlaubten ihr, als einzelner Frau, sogar die Nacht im Kloster zuzubringen. Wir waren daher sehr überrascht, diesen Morgen von ihm einen Brief zu erhalten, in welchem er sowohl den mündlichen als schriftlichen Verkehr, kurz jede Verbindung seiner Schwester mit dieser Frau Barker auf das strengste untersagt. Es wurde nötig, das liebe Kind sogleich davon in Kenntnis zu setzen, denn es stand gerade im Begriff, an diese Frau zu schreiben. Da aber nahm Alice Rivers die Wünsche ihres Bruders in einer Weise auf, die uns ganz betroffen machte und auf das schmerzlichste berührte. Um gegen das liebe Kind gerecht zu sein, muß ich sagen, daß, während wir es gewöhnlich so verständig, lenksam und fromm fanden, es sich doch ganz sonderbar von plötzlichen Eindrücken beherrschen ließ. Aber auf einen so kurz entschlossenen, unüberlegten Schritt, wie es ihn jetzt getan, waren wir doch nicht vorbereitet: Heute mittag entfloh Alice aus dem Kloster.
Key, welcher ihr erleichtert zugehört hatte, sprang bei dieser unerwarteten Wendung entsetzt auf.
Was? Entflohen! rief er. Unmöglich! – das heißt, ich meine, fügte er sich schnell besinnend hinzu, ich begreife nicht, wie das bei den vortrefflichen Einrichtungen und Vorschriften des Klosters und der strengen Beaufsichtigung möglich war.
Das arme, unbesonnene Kind hat neben seiner Torheit sich auch noch eines Sakrilegiums schuldig gemacht – eines Sakrilegiums – aber wie wir gerne glauben wollen – aus Unverstand, denn sie entfloh in Nonnenkleidung! – meiner eigenen.
Das wird vermutlich zu ihrer schleunigen Entdeckung führen, warf Key ein, sich mühsam beherrschend.
O nein, das nicht! Viele von uns reisen in diesen Gewändern in Sachen unsrer Missionen; sie machen uns alle so gleich, daß eine einzelne Nonne wenig beachtet wird und keine besondere Aufmerksamkeit erregt. Wir haben nach allen Richtungen geheime Boten ausgeschickt und überall selbst gesucht, aber ohne Erfolg. Sie werden verstehen, daß wir wünschen, das Aufsehen zu vermeiden, welches eine öffentliche Nachforschung mit sich bringen würde.
Und da kommen Sie zu mir? fragte Key, in dem neben seiner Sehnsucht, die Unterredung abzukürzen, um Freiheit zum Handeln zu gewinnen, plötzlich wieder ein leiser Argwohn erwachte. – Und da kommen Sie zu mir, der ich Ihnen doch ein Fremder bin?
Durchaus kein Fremder, Herr Key, erwiderte die Nonne artig, sondern ein wohlbekannter Mann – ein Geschäftsmann aus der Gegend, wo der Bruder dieses unglücklichen Kindes lebt – ein Freund, den uns der Himmel gesandt zu haben scheint, um dem Bruder an unsrer Stelle diese Nachricht zu überbringen. Wir kommen zu dem Schüler von Pater Cipriano, zu dem Freund der Heiligen Kirche; zu dem gütigen Herrn, der weiß, was es heißt, selber geliebte Angehörige zu haben, und der erst gestern das Kloster aufsuchte, um – –
Genug! unterbrach sie Key mit leichtem Erröten. Ich will mich ohne Verzug auf den Weg machen. Zwar kenne ich den Mann nicht, will aber tun, was ich kann, um ihn zu finden. Und diese – diese junge Dame – Sie sagen, Sie haben keine Spur von ihr – könnte sie nicht noch hier sein? Ich müßte doch irgend einen Anhalt haben, der mich in meinen Bemühungen leiten – ich meine, den ich ihrem Bruder geben könnte.
Ach! Leider fürchten wir, daß sie schon weit von hier ist. Wenn sie sofort nach San Louis fuhr, konnte sie leicht den Zug nach San Francisco benutzen, noch bevor wir ihre Flucht entdeckten. Wir glauben, daß das arme Kind die Absicht gehabt hat, ihren Bruder aufzusuchen, um für ihre Freundin zu bitten – oder vielleicht, ach! sich zu dieser selbst zu begeben.
Und diese Freundin reiste gestern morgen ab? sagte er rasch, indem er ein Gefühl der Erleichterung verbergen mußte. Gut, gut, Sie können sich auf mich verlassen! Und nun, da keine Zeit zu verlieren ist, will ich meine Vorbereitungen treffen und den nächsten Zug benutzen. Er reichte ihr die Hand, hielt inne und bat dann mit fast knabenhafter Verlegenheit: Wünschen Sie mir Gottes Geleit, Schwester Seraphina.
Möge die heilige Jungfrau Ihnen beistehen, sagte sie freundlich. Darauf entfernte sie sich mit dankbarem Lächeln.
Kaum war sie aus der Tür, als sich eine bezeichnende Wandlung in Key vollzog. Sein romantischer Glaube an die Leitung der Vorsehung war doch nicht so stark, daß er nicht auch versucht hätte, solche merkwürdigen Erscheinungen durch die Lupe menschlichen Mißtrauens zu prüfen. Schwester Seraphinas Anliegen betrachtete er in der Tat kaum als etwas anderes, als eine Einmischung des Himmels, aber – wenn es nun doch ein Kniff war, um ihn los zu werden, so lange das Mädchen, dessen Fluchtversuch man entdeckt hatte, sich entweder unter strenger Kontrolle im Kloster befand, oder aber sich in der Stadt versteckt hatte? War das nicht auch möglich? Dieser Zweifel quälte ihn, hinderte ihn aber nicht, seine Reisevorbereitungen fortzusetzen. Als sie vollendet waren und ihm kaum noch Zeit blieb, die Station in San Louis zu erreichen, zauderte er immer noch mit dem Aufbruch, in der unbestimmten Erwartung eines entscheidenden Ereignisses.
Als in diesem Augenblick ein Bote mit einer telegraphischen Depesche eintrat, schien es ihm die Antwort auf sein instinktives Gefühl. Er riß die Depesche hastig auf. Sie enthielt nur eine einzige Zeile von dem Werkführer seines Bergwerks und lautete: Kommen Sie sofort – wichtig.
So sehr ihn die Botschaft enttäuschte, veranlaßte sie ihn doch zu eiliger Abreise, und als der Zug aus San Louis hinausdampfte, nahmen seine Gedanken auf kurze Zeit eine andere Richtung. Jedenfalls mußte er sich zu Skinner oder nach der Mine begeben, um von dort aus seine Nachforschungen zu beginnen. Er glaubte, wie Schwester Seraphina, daß das junge Mädchen direkt zu ihrem Bruder gehen würde; aber selbst wenn sie Frau Barker aufsuchte, konnte sie dies nur in den Schlupfwinkeln der Bande tun. Der Brief von Rivers an die Priorin war in Bald-Top aufgegeben, einer Key bekannten, ganz unbedeutenden Ansiedlung, wo viel weniger Leute verkehrten, als bei Skinner. Aber es schien kaum denkbar, daß der Räuberhauptmann es selbst dort gewagt haben sollte, sich in eigener Person auf der Poststation zu zeigen; viel wahrscheinlicher war es, daß ein anderes Mitglied der Bande den Brief aufgegeben hatte. In Key erwachte die leise Vermutung, daß das Mädchen eine geheime Adresse des Bruders besäße, ohne jedoch die Gründe für deren Geheimhaltung zu verstehen. Nur wenn er die Flüchtige traf, bevor sie ihren Bruder fand, konnte er Erfolg haben, denn daß sie ihn noch einmal aufsuchen werde, wagte er nicht zu hoffen. So kam es, daß er nur wenig von seiner früheren frohen Zuversichtlichkeit besaß, als er endlich erschöpft und reisemüde bei Skinner die Kutsche verließ. Seine leicht hingeworfene Frage, ob in letzter Zeit eine Dame hier abgestiegen sei, beantwortete zu seiner Verwunderung Skinner lachend: Sie sind schon der Zweite, der das fragt, Herr Key.
Der Zweite? rief Key beunruhigt.
Ja, der erste war der Sheriff von Shasta. Er suchte eine große, ansehnliche Frau, etwa an die Dreißig, mit schwarzen Augen. Ich hoffe, es ist nicht dieselbe, hinter der Sie her sind, he, was? – Sonst wird sie wohl, schätz' ich, Ihnen allen beiden 'ne Nase gedreht haben.
Na, mir nicht, erwiderte Key mit erzwungenem Lachen, denn hinter der bin ich nicht her; er nahm aber Anstand, Alice zu beschreiben, denn natürlich hatte er aus der Schilderung die vorgebliche Frau Barker erkannt. Skinner fuhr in redseliger Vertraulichkeit fort:
Sehen Sie, es heißt, der Sheriff hätte das Zeug endlich ausgewittert und hätte es irgendwo zwischen Bald-Top und Collinson abfangen wollen. Dieses Frauenzimmer aber, das eine Spionin von die Halunken sein soll, hätte Wind davon gekriegt und ihnen noch rechtzeitig 'nen Wink gegeben. So ist das Gesindel seitdem wie weggeblasen, wenigstens hat keiner mehr was von ihm gehört oder gesehen. Auch der starke Stoß soll viel dazu beigetragen haben, dem Sheriff sein Spiel zu verderben. Das Tal in der Nähe des »Langen Cañons«, heißt es, sei ganz voll von Schlamm, Felsstücken und Trümmern, die runter gekommen sind.
Was meinen Sie eigentlich mit dem starken Stoß? fragte Key überrascht.
Großer Gott! Haben Sie denn davon noch nichts gehört? Haben Sie nichts von dem Erdbeben gehört, das den ganzen Galloper neulich nacht geschüttelt hat? Na ja, setzte er grimmig hinzu: Da sieht man wieder mal, wie sich das Stadtvolk da unten den Teufel was daraus macht, ob wir hier oben versinken oder in die Luft fliegen. Ich sag Ihnen, daß hier im Gebirge auch mal was passieren kann!
Jetzt fiel Key das dringende Telegramm seines Werkführers ein. Skinner sah, wie betroffen er war. Ihre Mine scheint übrigens verschont worden zu sein, Herr Key. Einer von Ihren Leuten war gestern abend hier und der hat nichts gesagt.
Aber das beruhigte Key nicht; in wenig Minuten hatte er sein Pferd bestiegen und jagte nach der Mine mit dem drückenden Bewußtsein, das Interesse seiner Teilhaber vernachlässigt zu haben. Was sein eigenes betraf, so beherrschte ihn seine Leidenschaft für Alice so vollständig, daß ihm alles andere gleichgültig war. Als er den Abhang nach dem Felsenkessel hinabsprengte, dachte er an nichts, als an die zwei folgenreichen Tage, die sie hier zugebracht, und an das Schicksal, das sie beide so nahe zusammengeführt hatte. Bei der Verwüstung, welche durch die Grubenarbeit angerichtet worden war, erinnerte nichts mehr an die liebliche Waldidylle; wo damals die Hütte gestanden hatte, erhob sich jetzt ein fest gezimmertes Wohnhaus. Die Antworten des Werkführers auf seine hastigen Fragen beschwichtigten seine Sorge. Die Mine war unversehrt, zwar hatte es im Schacht etwas rumort, aber es war weder eine Abnahme des Erzlagers zu bemerken, noch irgend eine Schwierigkeit in der Bearbeitung entstanden. Telegraphiert habe ich Ihnen, Herr Key, fuhr der Werkführer fort, weil wir bald nach dem Erdbeben eine gerichtliche Vorladung erhielten, infolge eines Anspruchs auf unsern Platz, den der ehemalige Bewohner hier auf Grund früherer Arbeiten erhebt.
Aber das Haus, welches hier gestanden hat, ist ja nur ein Schlupfwinkel der Räuber gewesen, in dem sie ihren Raub versteckten, entgegnete Key. Alle, die hier lebten, waren vom Gesetz geächtet und für vogelfrei erklärt. Er hielt inne; mit einem Stich im Herzen fiel ihm Alice wieder ein, und er fühlte, wie er rot wurde, als der Werkführer ruhig fortfuhr:
Ja, der Anspruch ist auch nicht von den Banditen erhoben, sondern im Namen der Schwester des Hauptmanns – ich glaube, Alice Riggs oder so ähnlich. Es wird behauptet, daß der Bruder noch vor der Aechtung der Schwester die Parzelle geschenkt hat!
Von all den stürmischen Gedanken, die durch Keys Kopf jagten, blieb nur der eine haften, daß Riggs mit der Schenkung einen Versuch gemacht hatte, seiner Schwester einen möglichen Vorteil für die Zukunft zu sichern. Sie aber wußte nicht das mindeste davon. Ruhig lächelnd erwiderte er deshalb:
Ist ja Unsinn. Kein anderer als ich hat den Silbergehalt des Gesteins entdeckt; ich fand damals absolut keine Anzeichen einer Schürfung vor.
So dachte ich's mir, und so habe ich auch gesagt, und da können wir's ja in Ruhe abwarten; aber ich meinte, ich müßte es Sie doch gleich wissen lassen. Und mit der dem kalifornischen Bergmann eigenen abergläubischen Ehrfurcht vor dem Schutz der Minengesetze fügte er hinzu: Sehen Sie, Bergbaugesetz bleibt Bergbaugesetz, und dagegen kann keiner nicht an.
Key achtete kaum auf seine Worte. Nach allem, was er gehört hatte, schien das Schicksal ihn nur noch unlöslicher mit dem jungen Mädchen zu verbinden. Er war schon ungeduldig über diese kurze Verzögerung seiner Nachforschung. In seiner Ratlosigkeit dachte er an Collinson. Die Mühle erschien ihm als ein geeigneter Punkt, um von da aus das Suchen zu beginnen; ihr gutmütiger, einfältiger Besitzer konnte sein Führer, sein Verbündeter und sogar sein Vertrauter werden. Sobald sein Pferd gefressen hatte, bestieg er es wieder.
Wenn Sie Collinson sehen, fragen Sie ihn doch, ob er ein Pferd verloren hat, sagte der Werkführer. Am Morgen nach dem Erdstoß fingen die Jungens einen Mustang ein, der einen feinen Damensattel trug.
Key stutzte. Alice konnte die Reiterin nicht gewesen sein, wohl aber dieses Teufelsweib, diese angebliche Frau Barker, der sie möglicherweise folgte.
Haben Sie Nachforschungen angestellt? fragte er erregt, da scheint doch ein Unfall stattgefunden zu haben.
Das glaube ich nicht, erwiderte der Werkführer ruhig, denn die Halfter war zerrissen und schleppte. Ich schätze, das Pferd ist angebunden gewesen und hat sich losgerissen.
Ohne ein weiteres Wort setzte Key seinem Pferd die Sporen ein und galoppierte davon; sein Werkführer starrte ihm nach.
Endlich ein Anhaltspunkt! Das Pferd konnte nicht weit gelaufen sein; das Weib war gekommen, die Bande zu warnen; die zerrissene Halfter deutete auf ein Lager; vielleicht in dem Walde hinter Collinson. Key beschloß, es aufzusuchen; die Gefahr für ihn war ja groß, aber als einzelner unbewaffneter Mann gelang es ihm vielleicht, vor den Hauptmann geführt zu werden; der auf die Parzelle erhobene Anspruch bot hinreichenden Vorwand. Was er sagen oder späterhin tun würde, hing von der Wendung der Dinge ab. Es war ein toller Plan, aber das machte ihm keine Sorge. Zuerst wollte er jedenfalls Collinson aufsuchen.
Nach zwei Stunden erreichte er den dichten Wald auf der Höhe des Abhanges, welcher zu der Mühle hinabführte. Als er aus dem Wald plötzlich in den hellen Sonnenschein kam, der sich über das Tal ergoß, parierte er mit einem scharfen Ruck sein Pferd. Noch ein Sprung, und es wäre sein letzter gewesen. Die ganze Felsenmasse samt dem Abhange – die Hochplatte, auf der die Mühle gestanden hatte – alles war verschwunden – alles in eine unermeßliche Tiefe gestürzt! Nur eine jäh abfallende Felswand war stehen geblieben, die sich nach dem Walde hinzog, der sich sonst hinter der Mühle erhob, jetzt aber dicht am Rande eines Abgrundes emporstarrte. Ueber demselben hing ein leichter aufsteigender Nebel und schäumend und rauschend stürzte der früher versiegte, jetzt aber wieder wasserreiche Fluß in die schaurige Tiefe.
Key rieb sich die Augen, stieg ab, kroch an dem Abgrund entlang und starrte hinunter. Was auch immer da versunken war, es hatte keine Spuren auf der glatten Oberfläche zurückgelassen. Kaum ein vorspringender Stein oder eine Dornenranke unterbrach den senkrechten Abfall der Wand. Die Katastrophe mußte urplötzlich und mit elementarer Gewalt erfolgt sein – die Zerstörung war eine vollständige. Man hätte glauben können, das Werk von Jahrhunderten zu sehen, aber nicht die Verwüstung einer einzigen Nacht. Von oben aus dieser großen Ferne schien es, als ob schon das Gras auf der ungeheuren Grabstätte sprießte, doch waren es nur die Gipfel der verschütteten Fichten. Die ungewöhnliche Stille, das gänzliche Fehlen jedes Zeichens von Leben und das einschläfernde Rauschen des fallenden Wassers verlieh dem Bilde sogar den Ausdruck ländlichen Friedens.
Key empfand diesen Eindruck wie einen Hohn auf die in ihm stürmende Leidenschaft. Seinen Nachforschungen schien für immer ein Ziel gesetzt. Nur schwer überredete er sich, daß die Katastrophe vor Alices Flucht eingetreten sei und wohl auch Collinson Zeit gefunden haben würde, sich zu retten. Vorsichtig schritt er am Rande des Abgrundes dahin und nahm endlich seinen Rückweg durch den öden Wald, der noch vor kurzem der alten Mühle als Hintergrund gedient hatte. Sein Pferd schien den Schatten des Dickichts aufgesucht zu haben, als er näher kam, erkannte er jedoch zu seinem fast schreckhaften Erstaunen, daß es nicht das seine war; es trug einen Frauensattel, über dem ein Damenmäntelchen hing. Ein jäher Gedanke durchblitzte ihn; fast unwillkürlich entfuhr ihm der laute Schrei:
Alice!
Die Wälder hallten ihn wieder – eine Pause des Schweigens folgte – dann kam eine schwache Erwiderung – es war ihre Stimme! Mehr fliegend als laufend stürmte er der Richtung zu und rief abermals; die Antwort klang diesmal näher, und dann auf einmal teilten sich die hohen Farren und ihre schlanke, anmutsvolle Gestalt kam flüchtig, strauchelnd und hinkend wie ein verwundetes Reh auf ihn zu. Ihr Gesicht war blaß und aufgeregt, ihr blondes Haar hing in Strähnen um ihre Schultern und ein Aermel ihres Schulkleides war mit Blut befleckt. Sprachlos ergriff er hastig die kleinen zitternden Hände, die sie ihm entgegenstreckte.
Wirklich, Sie sind es! keuchte sie. Ich habe gebetet, daß jemand kommen möchte, aber wie konnte ich hoffen, daß Sie es sein würden. Als ich zuerst Ihre Stimme hörte, glaubte ich an eine Täuschung, als Sie jedoch zum zweitenmal riefen, da wußte ich, es war Ihre Stimme!
Aber Sie sind verletzt, sagte er leidenschaftlich. Ihnen ist ein Unglück zugestoßen!
Nein! Nein! Mir nicht, aber einem armen Mann, den ich am Rande des Abgrundes fand. Ich konnte ihm nicht viel helfen, aber ich mochte ihn doch nicht gern verlassen. Und von keinem Menschen etwas zu sehen oder zu hören! – Den ganzen Morgen bin ich mit ihm allein gewesen! Kommen Sie rasch, er stirbt vielleicht schon.
Ohne sich dessen bewußt zu sein, legte Key stützend den Arm um ihre Taille, was sie unbefangen duldete. So eilten sie vorwärts.
Der arme Mann, fuhr sie zu erzählen fort, hing gerade über dem Rande; er konnte weder sprechen noch sich bewegen. Ich habe ihn bis an einen Baum gezogen, brauchte aber viel Zeit dazu, er war gar zu schwer. Dann habe ich Wasser aus dem Fluß geholt und ihm das Gesicht gekühlt, und dabei ist mein Aermel so blutig geworden.
Aber nun erklären Sie mir, wie kamen Sie hierher und was wollten Sie hier? fragte Key dringend.
Eine schwache Röte trat auf ihre zarten, blassen Wangen; sie blickte zur Erde. Ach – ich – ich wollte meinen Bruder in Bald-Top aussuchen, gestand sie stockend. Aber, bitte, fragen Sie mich jetzt nichts – – es ist keine Zeit dazu, wir müssen eilen.
Ist der Mann bei Bewußtsein? Haben Sie mit ihm gesprochen? Weiß er, wer Sie sind? forschte er besorgt.
Nein! Er stöhnte nur öfter und schlug die Augen auf, als ich ihn fortzog. Ich glaube nicht, daß er weiß, was geschehen ist.
Der Wald lichtete sich plötzlich. Sie traten ins Freie. Nur einige Fuß von dem verhängnißvollen Rand, an der Wurzel einer Roßkastanie, lag der Unglückliche, mit ihrem Shawl bedeckt.
Key fuhr erschrocken zurück. – Es war Collinson!
Kopf und Schultern schienen unversehrt, als Key aber den Shawl hob, sah er, daß die lange, hagere Gestalt unter dem Gürtel nur aus einer wirren Masse zerrissener, blutiger Lappen bestand. Er deckte schnell den Shawl wieder darüber, kniete nieder und horchte auf den raschen Atem und das pochende Herz. Darauf drückte er ihm die Trinkflasche an die Lippen. Der Whisky schien ihn zu beleben; langsam schlug er die Augen auf. Er sah Key an, erkannte ihn und machte eine Anstrengung, sich aufzurichten, aber die Glieder versagten ihm den Dienst. Sein Gesicht nahm einen schmerzlichen Ausdruck an, der indes bald wieder dem seiner alten, geduldigen Ergebung wich. Key schauderte. Das Rückgrat mußte verletzt sein; der Unglückliche war gelähmt.
Ich kann nicht auf, Herr Key, sagte er mit schwacher aber ruhiger Stimme, nicht mal mehr die Arme wollen sich bewegen, aber Sie werden wohl erlauben, daß ich wenigstens denk', wir hätten uns die Hand geschüttelt.
Mein guter Collinson! rief Key mit warmem Ton. Sagen Sie, was ist mit Ihnen geschehen?
Ja, das ist's eben, was mich plagt! Manchmal mein' ich, ich weiß es, und dann wieder – ich weiß es nicht. Sehen Sie, als ich die ganze Nacht dort über'm Rande hing und bloß nur gerade in's alte Tal hinabstarren konnte, da schien mir's manchmal, daß ich abstürzte und in den Felsen hängen blieb, weil ich versuchen wollt', mein Weib zu retten. Und sehen Sie, dann wieder, wenn mir die richtige Ueberlegung wiederkam und ich mir sagte, daß meine Sadie doch überhaupt gar nicht dagewesen war, da wurd' mir alles dunkel. Jetzt ist mir nun wieder, als wenn ich erst wieder angefangen hätt', an meine Frau zu denken, als dieses liebe Mädel, das wie 'n Engel zu mir gewesen ist, hierher kam und mich von dem Rand fortschleppte. Sie sehen ja selber, aus 'n Bergen ist sie nicht: wie 'n himmlischer Geist ist sie zu mir runter gekommen.
So waren Sie nicht in der Mühle, als der Erdstoß stattfand?
Nein. Sehen Sie, die Mühle war nämlich voll von die Burschen, hinter die der Sheriff her war, und sie ging mit ihnen runter – und ich –
Alice, sagte Key erblassend, würden Sie so gut sein, zu meinem Pferd zu gehen. Sie werden es irgendwo in der Nähe des Ihren finden. In einer Satteltasche steckt meine Reiseapotheke, bitte, bringen Sie mir die.
Das ahnungslose Mädchen blickte ihn forschend an, bemerkte die Veränderung seines Gesichtes, und diese einer plötzlichen Verschlimmerung in dem Befinden des Verunglückten zuschreibend, eilte sie schnell und geräuschlos fort. Als sie außer Hörweite war, beugte Key sich schnell nieder:
Collinson, ich muß Ihnen ein Geheimnis anvertrauen. Ich fürchte, daß dieses arme Mädchen, das Ihnen Beistand leistete, die Schwester des Anführers der Bande ist, welche der Sheriff verfolgte. Ihr Bruder hat es verstanden, sie in vollständiger Unkenntnis seiner Verbrechen zu erhalten. Sie darf niemals etwas davon erfahren – auch nichts von seinem Ende! Wenn er, wie es scheint, bei dieser Katastrophe umkam, so war es Gottes Wille, ihr diese Kenntnis zu ersparen. Ich sage Ihnen das, damit Sie in ihrer Gegenwart nicht davon sprechen. Sie muß glauben – ich will wenigstens versuchen, ihr diesen Glauben beizubringen – daß er in die Staaten zurückgegangen ist, und später wird sie dann vielleicht die Ueberzeugung gewinnen, daß er dort gestorben ist. Besser, sie erfährt nichts und kann seiner in alter Weise gedenken.
Ich verstehe – ich verstehe – ja, ich verstehe, Herr Key, murmelte Collinson – in alter Weise gedenken – ja, das ist es, was ich mir die ganze Nacht gesagt hab' als ich dort hing. Das ist es, was ich mir von wegen meiner Sadie sagte, von der ich wirklich dachte, sie wär' gestern abend zu mir zurückgekommen. Sehen Sie, ich hatt' von dem einen dieser Burschen gehört, daß 'ne Frau, die ihr ähnlich sah, in Texas ausgenommen und hierhergebracht worden war und daß sie vielleicht noch irgendwo in Kalifornien sein müßt'. Ich war so einfältig und so niederträchtig, daß ich das 'nen Augenblick für wahr hielt, während ich doch wußte, wie ich Ihnen schon einmal sagte, Herr Key, daß wenn sie am Leben wär', sie hier sein würde! Und das war wohl, warum ich 'nen Traum hatte, sie wär' ganz blaß und verstört durch die Wälder zu mir gekommen. Zuerst dacht' ich, 's wär' meine Sadie – dann aber, als ich merkte, daß sie gar nicht wie früher war, 'ne andre Stimme und 'n ganz anderes Lachen hatte – da wußt' ich, sie war's nicht, 's war 'n Traum. Sie haben recht, Herr Key, in dem, was Sie eben sagten – wie war's doch? – Ja – besser nichts wissen und unverändert die alten Gedanken bewahren.
Leiden Sie sehr? fragte Key nach einer Pause.
Nein, mir ist gewissermaßen jetzt besser.
Key bemerkte eine Veränderung auf seinem Gesicht. Wenn es Sie nicht zu sehr anstrengt, bat er sanft, so erzählen Sie mir, so weit es Ihnen bekannt ist, alles was hier vorgegangen ist. Es liegt mir um des Mädchens willen daran, alles zu wissen.
Die Augen auf Key gerichtet, erzählte nun Collinson seine Geschichte. Er begann damit, wie die Banditen ihn überfallen hatten und schloß mit der Katastrophe. Mit der ihm eigenen Herzensgüte beschönigte er auch jetzt die Gewalttätigkeit der Bande und blieb seiner Eingenommenheit für Chivers und dem blinden Glauben an sein nichtswürdiges Weib getreu. Die Erzählung erlitt durch die zunehmende Schwäche des Leidenden mehrfache Unterbrechungen und endete unter einem Anfall von Husten, welcher rote Bläschen auf seinen Mundwinkeln zurückließ.
Key blickte ihn angstvoll an. Hier lag eine schwere innerliche Verletzung vor, welche die Geduld und Willensstärke des Sterbenden bisher nicht hatte erkennen lassen.
Alice kehrte jetzt mit der Reiseapotheke zurück und Key gab Collinson ein kräftiges Stärkungsmittel. Vielleicht durch dieses, vielleicht aber noch mehr aus Freude über die Rückkehr des jungen Mädchens, belebten sich Collinsons Augen plötzlich wieder.
Ich dank' Ihnen, Herr Key, sagte er schwach, nun wird's wohl noch 'n Weilchen gehn. Ich hab' so 'ne Vermutung, daß ich nicht mehr viel Zeit übrig habe, und ich hätt' Ihnen gern noch etwas vor Zeugen gesagt. – Seine Augen suchten bittend Alice: Vor Zeugen, Sie verstehen mich doch? Möchten Sie so gut sein und da vor mich ins Lichte treten, so daß ich Sie beide sehen kann, und Sie, Fräulein, merken Sie sich als Zeugin für das, was ich Herrn Key zu sagen habe. Wissen Sie, Sie könnten seine Hand nehmen, das macht's regelrechter und gesetzmäßiger.
Beide taten, wie er gebeten hatte. Sie stellten sich neben einander, traurig dem willfahrend, was sie für die irren Phantasien eines Sterbenden hielten.
's war da 'n junger Mensch, begann Collinson, der kam vor 'n paar Abenden auf 'm Wege nach – na, nach 'm Tale – in meine Hütte. Er war 'n munterer junger Bursche, lustig, etwa so wie 'n Seemann, und der sagte zu mir: »Collinson,« sagte er, »im Vertrauen, ich muß noch die Nacht in wichtigen Geschäften nach 'n Staaten, 's kann sein, ich bin lange fort – jahrelang! – Sie kennen ja wohl,« sagt er, »den Herrn Key in der Silbermine! Gehen Sie zu ihm und sagen Sie ihm, ich hätt' nicht Zeit gehabt, ihn zu besuchen; sagen Sie ihm,« sagt er, »der Rivers« – haben Sie den Namen verstanden, Herr Key? – Haben Sie den Namen verstanden, Fräulein? – Gut. Also, »der Rivers bittet ihn, seiner lieben kleinen Schwester einen Abschiedsgruß zu bringen, und Herr Key möcht' sich doch ihrer annehmen, weil sie jetzt so allein ist.« Ja, so sagte der junge Bursche und ich hab's nun ausgericht't. Sie werden doch daran denken, Herr Key? Und Sie, Fräulein, werden's doch auch nicht vergessen? – Sehen Sie, ich hab's nicht vergessen, weil ich selber sozusagen so allein bin – er rang einen Augenblick nach Atem; dann schloß er in leisem Flüstern – bis jetzt. – Collinson hatte geendet. Die unschuldige Lüge, welcher sein schwacher Geist noch in den letzten Augenblicken ersonnen, war wohl die einzige, die je von dieses ehrlichen Mannes Lippen kam. Sein treuherziges Gesicht hatte die graue Aschfarbe der umherliegenden Felsen, sowie die Ruhe und den unendlichen Frieden der Wildnis angenommen, in der er gelebt und als deren echter Sohn er gestorben war.
* * *
Natürlich wurde in den Spalten der Blätter das stattgehabte Naturereignis besprochen, und die » Bald Top Sentinel« beglückwünschte dabei ihre Leser, daß bei der letzten seismischen Störung kein Menschenleben zu beklagen gewesen wäre. »Man sagt allerdings,« schrieb sie weiter, »daß der Besitzer einer gemeinen Auswandererschenke in einem obskuren Winkel des Erdbebengebiets seinen dabei erlittenen Verletzungen erlegen ist, indessen,« fügte der Redakteur mit dem eigenartig feinen Humor des Westens hinzu: »ob dies infolge des Erdbebens geschehen ist, oder vielmehr, weil der Mann von seinem eigenen Fusel-Whisky zu viel getrunken hatte, das vermochten wir nach den uns vorliegenden Berichten unsrer Gewährsleute nicht zu ergründen.«
Trotzdem konnte man später auf den das Grab der alten Mühle deckenden Felsentrümmern eine kleine steinerne Säule bemerken, die – zum Gedächtnis des schlichten unbekannten Toten errichtet – die sonderbare Inschrift trug: »Habt ihr Glauben gleich ihm?« Und diejenigen, welchen nichts weiter bekannt war, als die Katastrophe, und die nur das Bild der Verwüstung vor Augen sahen, begriffen nicht, wie ein Mensch sich hier hatte ansiedeln können, schüttelten die Köpfe und sagten spöttisch: Ja, der muß wahrhaftig Glauben besessen haben! und trafen damit die Wahrheit richtiger als sie selber ahnten.
* * *
Einige Wochen später sagte die Priorin zu Key: Sie lächelten, Don Prebel, als ich zu Ihnen davon sprach, daß viele Caballeros es für äußerst verständig hielten, ihre künftigen jungen Frauen der mütterlichen Hut und Erziehung der heiligen Kirche anzuvertrauen, aber wirklich, an Sie habe ich dabei nicht gedacht. Und jetzt – o, Sie brauchen mir gar nichts zu sagen – wir werden ja sehen.