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Es war noch zur Zeit Alexanders II.
Der alte Generaladjutant von Gribow war jetzt Fürst und lebte auf seiner Herrschaft im Gouvernement Minsk.
Fürst Gribow war ein Riese. Ein Mensch wie ein gewaltiger Elen. Schwer in der Bewegung und von kaiserlicher Würde und Unnahbarkeit.
Und er kannte keine Menschenliebe.
An dem Morgen hatte er einen jungen Burschen, der im Schlosse das Aufwischen der Dielen versah, blutig peitschen lassen.
Es hatte sich herausgestellt, daß Fedor Anja mit Liebesanträgen verfolgte. Anja, die Kammerzofe der Komtesse, er, der niedersten Diener einer, der die unterste Arbeit versah. Und daß er sogar die junge Komtesse selber von der Seite ungebührlich lange ohne Scheu betrachtet hatte.
Komtesse Karola saß, die Beine auf ihren Seidensitz hochgezogen, in ihrem Zimmer im äußersten Flügel des Schlosses, darin alte französische, ziemlich gewaltige, schwermütige Schnitzmöbel standen, und weinte mit Anja zusammen. Sie wußte, daß Fedor ein sanfter, demütiger Mensch war, und Anja ihn liebte.
*
Komtesse Karola war ein sehr gehaltenes, hoheitsvolles, schweigsames Mädchen, prächtig gewachsen und von großzügiger Anmut. Sie war das Kind des alten Fürsten. Aber sie hatte ihren Vater seit ihrer Geburt nie mit Augen gesehen.
Denn sie war fast vom Tage ihrer Geburt an in einem Bürgerhause in Dresden aufgewachsen; und erst vor etwa zehn Tagen war sie direkt aus ihrer Heimat (so sagte sie mit feuchten Augen) und von ihrer Mutter (so nannte sie die sehr bürgerliche Leutnantswitwe, die sie seit dem Tode ihrer richtigen Mutter erzogen hatte) in das fürstliche Riesenschloß eingezogen.
*
Der alte Fürst Gribow trug eine Welt in sich, die niemand kannte. Nur solange er im nahen Umgang mit seinem kaiserlichen Herrn gelebt, und sobald er in die Nähe kaiserlicher Personen kam, wurde er weich wie Wachs in der Sonne.
Da saß der alte Fürst Gribow noch jetzt an der Tafel mit breitem Lachen, das mächtige Gesicht mit dem übermäßig langen, schneeweißen Schnauzbart und den tief himmelblauen Augen fast demütig zur Freude verzogen. So daß die reichlichen Falten um die Augen wie heitere Rosetten die Mienen belebten.
Da saß der alte Fürst gelegentlich noch jetzt mit seinen siebzig Jahren auf seinem gewaltigen, braunen Riesenpferde. So daß man es sah, daß Pferd und Reiter ein überlebensgroßes Monument der auf Leben und Tod ergebenen Mannentreue und Dienstbarkeit darstellte. Und jedes Wort aus kaiserlichem Munde löste in dem martialischen, mächtigen, langen Skythen nur das allerergebenste Lächeln aus.
Aber zu Hofe kam er lange nicht mehr. Sein Kaiser war jetzt tot. Der alte Fürst lebte ganz zurückgezogen auf seinem Riesengute und Schlosse, einem Geschenk seines kaiserlichen Herrn für persönliche Treue. Er war jetzt nicht mehr ein kaiserlicher Diener. Er war der Fürst Gribow. Im Grunde ein Schrecken.
Komtesse Karola war zwanzig Jahre alt. Auch sie begriff jetzt, daß Fürst Gribow ein Schrecken war. Und daß sie trotzdem den alten, gewaltigen Mann innig liebte.
*
Das menschliche Leben ist immer voller Widersprüche.
Nun gar in dieser fürstlichen Familie, in der ursprünglich und jahrelang, beinah jahrzehntelang (man kann wohl sagen) niemand vom anderen groß gewußt hatte.
Der alte Fürst Gribow hatte noch als Graf Gribow, aber als ein bereits fünfzigjähriger, halbergrauter Würdenträger eine wunderzarte, junge Dame aus dem livländischen Landadel geheiratet.
Und wie die liebliche Frau auf einer Reise, die er mit seinem kaiserlichen Herrn durch Europa machte, bei der Geburt eines Zwillingspaares im Hotel Bellevue in Dresden verstorben war, hatte er das Kinderpärchen in Dresden und der Schweiz in gut empfohlener Pflege zurückgelassen. Und hatte sich in zwanzig Jahren buchstäblich kaum erinnert, daß es noch eine Komtesse und einen jungen Grafen Gribow in der Welt gäbe.
*
Komtesse Karola saß jetzt in ihrem unheimlichen Schloßzimmer, von allen außer Anja verlassen. Sie weinte.
Jetzt konnte sie weinen.
Sie hatte mit heißer Scham ihres sanften Gefühls eben von der Zofe erfahren, daß der alte Fürst ausdrücklich dabeigestanden und die Jammerlaute des traurigen Jünglings Fedor mit angesehen und angehört. Daß der alte Herr sozusagen die ganze Prozedur selber geleitet hatte. Und daß er dabei immer die Worte gesagt: »Ich werde dir Schwein lehren, die Augen aus deinem Sumpfe höher zu heben.«
Jetzt konnte sie weinen.
Jetzt brauchte sie den harten Blick ihres Gebieters und Vaters nicht zu fürchten.
Denn die Prozedur war am zeitigen Morgen ganz unerwartet befohlen worden, kurz ehe der Fürst aus seinen nächtlichen Gemächern davonging. Ehe die sanfte Komtesse dem Fürsten auch nur hatte eine russische Heiligen-Legende zu Ende lesen können. Und die Prozedur war sogleich im Morgengrauen im Rosengarten vor den Fenstern des Schlafzimmers des Herrn ausgeführt worden. Und dann hatte sich der Fürst wie immer in sein Schlafzimmer führen und entkleiden lassen. Und war bald tief eingeschlafen.
Der Fürst führte nur noch ein Nachtleben. Den Tag und die Sonne und die Farben haßte er.
*
Komtesse Karola schauerte.
Das Schloß war eine Stätte der Verlassenheit.
Sie weinte jetzt über die blutigen Schläge, die Fedor auf die Steinfliesen des Weges im Rosengarten geworfen. So daß er sich unter den Rosen gewunden hatte wie ein Wurm. So daß ihn die Tscherkessen schließlich noch mehr geschlagen, weil er ganze Büschel Rosen in der sinnlosen Verwirrung in die Hände gekrampft und zerrieben hatte.
Sie weinte, weil sie mit heimlichen Kindesvergötterungen im Blute gekommen war, und plötzlich jetzt wähnte, eine Gefangene zu sein, und der alte Fürst Gribow ein Kerkermeister.
*
Ihr Blut starrte fast.
Zehn Tage war sie im Schlosse.
Sie dachte an den ersten Tag. Sie war mit ihrer Zofe durch eine weite, unendliche Ebene gefahren.
Kleine, zerfallene Bauernhütten am Wege.
Immer auch Demütige am Wege, die vor dem Fünferzuge ihres fürstlich mit Lakaien besetzten Wagens sich bis in den Staub neigten.
Bebend.
In diesen sonderbaren Stunden schauend und staunend ausgefüllt. Und doch auch rückgewandt mit der Sehnsucht eines bürgerlichen Mädchens, das in schlichten Zuständen und unter einfachen Menschen in reicher Bildung und Güte und Zutrauen nur gelebt. Eine Seele, die an ihrer unscheinbaren, weißhaarigen, weisen Pflegemutter mit echter Kindesliebe gehangen. Deren Ausdruck und Gebärde und ganze, junge Erscheinung von auffälliger Kraft und Milde war, obwohl sie erst jetzt ganz deutlich begriffen, daß sie eine Tochter des Fürsten Gribow war. Denn sonst war ihr das nur in ihrem achtlosen, freien, mit schönen Bildern und Liedern erfüllten Sinn wie eine Sage erschienen.
Bebend, jetzt in die unendlichen, weiten Landgebiete, in die Steppe hineinzufahren, um ihren Vater zum ersten Male anzublicken.
O, ihr Blut hatte sich innig gebärdet in diesem unerhörten Gefühl. Es war aufgerauscht in einer fast krampfenden Sehnsucht.
Und war zurückgebebt vor Furcht und Geheimnis. Hatte sich Bilder der Liebe in die Luft gewoben. Und hatte geschaudert, weil alles auch so unbegreiflich war. Weil sie von all der Trennung und der Einsamkeit des alten, siebzigjährigen Greises gar nichts begriff. Weil sie die Jahrzehnte nicht begriff, die vergangen waren. Weil sie ewig hatte einsam leben müssen mit einer Mutter, die nicht ihres Blutes war. Ewig auch getrennt von dem Bruder, der mit ihr geboren worden.
Ihr Blut hatte zehnmal gebebt. Obwohl ihr lieblicher Mund geschwiegen.
Nur in dem schönen reifen Gesicht die großen, blauen Augen, die des alten Fürsten große, blaue Augen waren, hatten dann lange in die Steppe und die ersten Sternfunken hinaufgeträumt.
Der Weg war weit.
Und endlich in der tiefschweigenden Dämmernacht hatte mit Fackeln beleuchtet ein gewaltiger Mann und Greis auf einer Steinterrasse gestanden, in einem Meer von betäubend duftenden Blumenaromen, die von Schloßwand und Brüstungen niederquollen. Ein mächtiger, unnahbarer Herr und Fürst. Feierlich in prunkender Uniform und blitzenden Sternen und Orden und Schnüren und Bändern. Den sie nicht zu umarmen gewagt. Der sie ewig nur angestaunt. Und der sich erst ganz spät erinnert hatte, daß er der Dame die Hand zu küssen fast vergessen.
An dem Abend noch war Komtesse Karola bis ins Mark kalt und fremd angerührt in die Schauer der moskowitischen Schloßfeste eingetreten.
Sie hatte mit dem prunkenden, stummen Greise, selber bis zum Tode erstarrt, schweigend die Nacht zusammengesessen. Und hatte ihm schließlich aus einer russischen Heiligenschrift stundenlange Litaneien vorgelesen.
*
Der alte Fürst Gribow schlief jetzt, bis die Sonne hinter der Steppe mit scharlachnen Strahlen in die Nacht eingesunken.
Im alten Fürsten gingen nach der Prozedur an Fedor, der ein Leibeigener war, zuerst wilde Träume um.
Nämlich, er hatte eine scheußliche Bedrückung in seinen Händen.
Irgend eine Gewalt, die erst sanft schien und seiner Mutter Antlitz trug, drückte ihn an den Handgelenken nieder.
Drückte ihn nieder wie einen Baumzweig.
Drückte ihn auch am Halse.
Drückte ihm den Atem aus.
Er schrie wie ein Hirsch ein-, zweimal.
Und die Leibdiener und Jäger lauschten im Alkoven nebenan wie gute Hunde, ob der Alte wohl erwachen würde?
Der Fürst hatte fast immer gewalttätige Träume. Immer rächte der Traum sich an seinem Herrentum.
Aber wie der Fürst nicht erwachte, nahmen seine Atemzüge sanftes Schwanken an.
Die Nähe seiner Tochter mochte sich doch in vergangene Erinnerungen verwandeln.
Er träumte jetzt, daß ein seltsamer, großer Engel in seine Wölbung träte, der wunderbare, lange Züge, den seinen ähnlich, aber so strahlende Augen hätte, daß der Fürst immer dachte, wer es wohl wäre? Und daß er im Traume plötzlich heiter zu lachen begann, weil eine Stimme ohne Wesen ihm zärtlich ins Ohr flüsterte:
»Siehe, dein Sohn!«
Der Fürst war aus Träumen erwacht.
Das alte Gesicht war Überflossen von Wehmut.
Es waren Gefühle aus einer letzten Tiefe in seinen Schlaf und Traum aufgescheucht. Gefühle, die sein Herz umrannen wie tiefe Gewässer und unbegreifliche Dunkelmauern. So daß er sich sehnte.
Aber er war ein Greis. Sein Gesicht war in Würde erstarrt. Und die Gebärden des Herrschens waren sein Leben.
*
In dieser Nacht begannen die Sterne über der Ebene zu strahlen, wie goldene Bälle. Und der Steppenwind schien Lieder zu singen aus Elfenchören gewoben und fortgetragen auf Wohlgerüchen. Über die Ebene kam jetzt wieder der Fünferzug mit weißen Pferden.
Die großen, blauen Augen der Komtesse Karola sahen in die Weite der Nacht, wo die weißen Schemen herflogen.
Sie sah auf die Terrasse hinab aus ihren Fenstern, die zur Seite lagen.
Man hatte unten wieder einen feierlichen Thronstuhl bereitet.
Der alte Fürst war aus der Glastür herausgetreten.
Er schien von der Erwartung schwach zu sein.
Niemand wußte es, daß er im Traume geweint hatte.
Er schlürfte nur auf den Steinfliesen hin.
Aber er konnte sich gar nicht aufrechterhalten.
Er ließ sich sogleich in den Thronstuhl nieder.
Man wird nie wissen, was in dem alten Manne für Lieder gingen.
Wie der Fünferzug jäh aus dem weiten Laufe in der gekuppelten Allee heransauste, schien ihm wieder ein Engel entgegenzustiegen.
Eine hohe, männliche Gestalt mit ein wenig gehobenen Schultern und mit sprödem, tiefem Dunkelblick war aus dem Wagen gesprungen, und mit großen Bewegungen die Stufen empor.
Komtesse Karola sah den jungen, strahlenden Menschen an, und sie dachte an himmlische Gäste. Auch der alte Fürst Gribow starrte den Grafen Michael ewig an.
Der Fürst hatte sich erhoben, stand mit der Würde eines Patriarchen und starrte. Er hatte wieder alle Ordenszeichen angelegt. Den köstlichen Degen. Und den reichen Federbusch in der Linken. Er ragte auf wie eine Macht.
Und Graf Michael küßte die mächtigen, in Handschuhen steckenden Hände. In langer, stummer Bewegung.
Graf Michael hatte gar nicht gewagt, seine Schwester anzusehen. O ja ... dieses Geheimnis läßt sich nicht einhalten. Die Zwillingsseelen berührten einander unsichtbar zum ersten Male. Das Wunder der süßen Erkennung hatte sich in ihnen plötzlich begeben.
Auch im alten Fürsten lief nur immerfort ein großer Engel mit den eigenen Zügen heimlich durch alle Räume und alle Träume.
Aber niemand wagte die Erstarrung zu stören.
Dann ging man in die düstere Wölbung hinein.
Der alte Fürst Gribow schob endlich seinem Sohne ein heiliges Buch hin.
Man hörte die gebrochenen Töne der jungen Stimme des jungen Grafen.
Er las.
Komtesse Karola, die in dieser Nacht noch hoheitsvoller aufwuchs, leuchtend und zitternd berauscht, wie der bebend versunkene Jüngling, wagte jetzt in der Fülle Gefühl beständig zu lächeln. Sie lag ihrem neuen Bruder heimlich fortwährend nur an den Hals geschmiegt.
Die heiligen Worte, die aus Graf Michaels Munde Stunde um Stunde hinrannen, begriff sie nicht.
Wie eine tiefe Musik nur von Liebe, klang ihr der monotone Leserhall, der in der Wölbung sich bis ins Morgengrauen brach.
Bis der alte Fürst vergessen hatte, daß er in seinem Schlosse hohe Gäste beherbergte.
Bis er von seinem Leibdiener behutsam gehütet, in sein Schlafzimmer schlürfte, ohne gute Nacht zu sagen.
*
Das ging so Sommerwochen und Sommermonate. Alle diese Wochen und Monate lebte der alte Fürst Gribow in seiner harten Seelenerstarrung. Tags in Schlaf gebunden. Und nachts in religiösen Litaneien.
Ein paarmal noch hatte er der jungen Dame die Hand geküßt.
Und einmal hatte er seinen Diener gefragt, ob nicht der junge Herr Michael hieße.
Und einmal hatte er vor sich hingeraunt, daß ihm ein Engel im Traume erschienen, der einem Bilde aus seiner Jugendzeit geglichen.
Aber er hatte gleich gestockt. Und man hatte nicht gewußt, ob er strenger noch blicken, oder doch ein wenig lächeln gewollt.
*
Anders die beiden Schicksalsgeschwister.
Graf Michael und Gräfin Carola hatten einander gesehen und ergriffen. Sie fanden ineinander eine unbegreifliche Wiederkunft.
Wie wenn zwei Seelen aus einem Paradiese verstoßen nun einander wiederkehren.
So sprachen sie einander von den Erlebnissen ihres Lebens und ihrer Jugend, wie wenn sie dieselben liebreichen Legenden, ein jedes aus der eigenen Quelle, schöpfen könnten.
Sie waren für einander geborene Zwillingsseelen. Sie waren für einander wie eine reiche, herbe Silberglocke und ihr zärtlichster Ton.
Graf Michael war in der Schweiz erzogen. Höchster Bildung voll. Höchsten Willens. Mit jugendlicher Strenge und Entsagung. Etwas Anachoretisches trotz der Hoheit in allem Denken. Und trotz dem sicheren Herrschgefühl.
Er war ein jäher, schwermütiger, schönheitshungriger Charakter. Liebte die Dichter Europas. Liebte besonders auch Giacomo Leopardi und die Weisheit der Inder, die das Leiden heiligt.
Aber Graf Michael war auch ein Kind in gütiger Freiheit und voll stählerner Jugendkraft.
Zu Pferde, und wenn die beiden Geschwister durch Park und Heiden wallten, war es wie ein Spiel der Einigkeit in Gebärde und Gefühl. Und in dem heimlich süßen Drange, ganz einander zu dienen, und ganz einander hinzuwerfen, daß sich keines Fuß an einen Stein stoße.
Die Sommertage waren erntereich und voller glüher Sonne, die der alte Fürst verschlief.
Diese wunderlichten Tage lebten die beiden wie ein paar in einer nie begriffenen Liebe verwachsene Wesen. Hand in Hand. Und Blut in Blute. Fast, als müßten sie in der verzehrenden Inbrunst für einander sündig werden.
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Bis dann nach Monaten der alte Fürst nicht mehr Befehl gab, daß sie nachts seine monotonen Andachten teilten.
Und bis er eines Tages angeordnet hatte, daß die geladenen Herrschaften zusammen im Fünferzuge zur Bahn gebracht werden sollten.
Wobei sich der Fürst aber nicht mehr blicken ließ.
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Wie der junge Graf und die junge Gräfin, die Kinder des Fürsten, nach fünf Jahren zur Beerdigung des alten Herrn wieder ins Vaterschloß kamen (der junge Graf war jetzt ein Gardeoffizier in der Zarengarde und ein Liebling des Kaisers, weil er eine ganz erlesene deutsche Bildung besaß und doch wie ein prachtvoller Moskowiter aussah), da weinten beide. Beide dachten daran, wie sonderbar erstaunt das Auge eines Vaters blicken kann, der seine Kinder bis zum zwanzigsten Jahre niemals gesehen hat. Und den Herrentum und Würde ummauern wie eine undurchdringliche Festung. So daß er nur aus den Festungsluken herausherrschen konnte wie ein Fürst. Indes die Liebe der Seele kaum noch wie ein Windflug über die Steppe hinhuschte und nie mehr zu greifen war.
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Auch Graf Michael ist ein General geworden. Und ein berühmter Diener seines Kaisers.
Aber er blieb immer einsam und immer in heimlicher Schwermut.
Und die Gräfin ist eine Klosterfrau geworden. Sie hütete die lichte Gottesflamme.
Nie war in beiden je wieder eine Liebe aufgekommen, als die heimliche Liebe es war, die sie für einander empfanden, als sie sich zum ersten Male als Schicksalsgeschwister sahen und erkannten.
Und wenn sie in Erholungszeiten einmal im Vaterschlosse lebten und in dem duftenden, üppig verwachsenen, fürstlichen Parke gingen, ging die weiße Klosterfrau noch immer Hand in Hand mit dem Fürsten Michael.
So ist es bis zum Tode der weißen Klosterfrau geblieben.