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In Sigwins Hause. Es ist Abend und wird im Verlaufe der Handlung immer dunkler. Severus und Siegtraut, am Kamin sitzend, plaudern miteinander.
Siegtraut
Nun aber sollst du mir von Rom erzählen,
vom großen Kaiser. Doch viel mehr von dir;
man sagt, du seist ein Dichter.
Severus
Ja, man sagt,
doch glaub' ich fast, mit Unrecht. Heißt es nicht,
der Sang der Liebe, von ihr selbst beflügelt,
das sei der glühndste? Und doch, Siegtraut –
ich liebe dich, und da ich's tue, schwinden
vom Übermaß der Liebe mir die Worte.
Unwürdig schien es mir, ein schwächlich Lallen,
wollt' ich jetzt singen.
Siegtraut
indem sie ihren Arm um Severus legt, schelmisch
Nein, du liebst mich nicht.
Ich weiß es wohl.
Sich an ihn schmiegend, wehmütig
War' ich 'ne Römerin,
o holder, trauter Freund – wär' ich dein Weib.
Aufhorchend
Horch – ist's der Wind, der durch die Blätter zieht?
Träf uns der Vater hier, es wär' mein Tod.
Pause.
Wieder beruhigt
O holder, holder Mann – sie sagten mir,
der Römer ist 'ne Bestie, wild und grausam,
ja, ja, sie gaben euch auch was vom Luchs,
die Tücke, und sie sagten, ihr seid falsch
und treulos. Ach! du, du und treulos – kommt
und hört dies Herz, wie's schlägt und pocht, so treu,
so warm, so wonnig. – Laß mich fühlen, Lieber,
und dann, sei mir nicht bös, nur einmal leicht
hingleiten über deine Züge mit
der flachen Hand.
Sie tut es
So, so, nun ist's genug.
Severus
Holdsel'ges Kind.
Siegtraut
Holdselig? Nein, Sever.
Ich bin ja blind, mir fehlt, was an euch Menschen
das Schönste sein soll. – Ist's mir auch ein Rätsel,
so glaub' ich's doch, denn alle, alle sagen's.
Severus
O wären alle blind wie du, mein Kind,
und hätten dafür solchen Glanz im Innern,
solch reiches Herz, das Paradiese schafft,
wir würden nichts vermissen, 's ist gefährlich,
ein Auge haben. Wer am besten sieht,
ist oft am schlechtsten dran, mein trautes Kind.
Da gibt es Menschen, die mit Adlerblicken
ausgreifen in die Zukunft, und sie rufen
den andren zu: »Schaut, wie das Unheil droht,
dort, dort.« – »Wir sehen's nicht.« – »Ihr blöden Toren!«
gibt er zurück. Sie aber rufen wild:
»Reißt ihm die Augen aus für seine Sehkraft,
reißt ihm die Augen aus!« – Dann gibt es andere,
bei denen wird das Herz vom Blick getötet,
sie schauen, schauen und begnügen sich,
den einen Sinn zu sättigen. – Da ist
die Sehkraft Räuberin. Gleich einem Wolf
verschlingt sie das Gefühl, reißt ohn' Erbarmen
herab jedwede andre Regung. Ewig
ganz saugend, ganz verschlingend, was sich beut. –
Dann gibt es andere, deren Auge mißt
aufs Tausendstel die Länge der Natur:
»So lang und so. In soviel Jahren, so.
Dies weicht von jenem ab, und dies von dem.«
Gefährlich ist's, ein solches Handwerk treiben,
denn wie beim andern leidet oft das Herz. –
Der letzte, den ich nenne, ist der Dichter,
ihm ist der Blick ein Diener des Gemüts,
ein Freund des Herzens. – Was der Blick erhascht,
das trägt er vor das lebenswarme Herz,
das liebewarme Herz. Dies aber leitet
des Dichters Tun. Wer solchen Blick besitzt,
der ist ein Dichter, ob er gleich nicht dichte,
der ist ein Sänger, ob er gleich nicht singt,
doch ward ihm noch zu allem der Gesang,
so lehrt er andere lesen, wie er sieht.
Siegtraut
O könnt' ich ewig deinen Worten lauschen,
von deinem Munde trinken Hauch um Hauch,
an deinem Herzen liegen, so wie jetzt!
Severus
Die Welt ist rauh, du bist für diesen Garten
zu weich, zu lieblich. Wo nur Eichen sind,
verwelkt das Röslein.
Siegtraut
innig, sinnig
Da, da kam der Sänger
und pflückt' das kranke Röslein mild vom Strauch,
küßt' es gesund und steckt' es an die Brust.
Dort blüht' es auf, von seinem Sang durchdrungen,
der Lebensduft ihm war. Dort blüht' es auf
und dehnte seine Blättchen, wonnig, selig,
trieb Zweige, Knospen.
Verlegen
Nein, das nicht, Sever,
das ist ja töricht.
Durch die Türe im Hintergrunde tritt Osmundis ein, sie trägt den Jagdspeer in der Hand und hat eine erlegte Rehgeiß über die Schulter geworfen. Sobald sie Severus bei Siegtraut erblickt, bleibt sie, wie vom Donner gerührt, stehn. Die heftigsten, widerstreitendsten Leidenschaften malen sich in ihrem Gesichte. Die äußerste Selbstbeherrschung macht es ihr möglich, sich still zu verhalten und unbemerkt zu bleiben.
Siegtraut
plötzlich ängstlich werdend
Doch – brich auf, mein Freund,
mir bangt um dich.
Severus
Was ficht dich an, mein Lieb?
Siegtraut
aufstehend und Severus rechts nach der Tür im Vordergrunde geleitend
Nein, geh, ich bitt' dich – und – auf morgen nacht.
Noch diesen letzten Kuß. – Jetzt geh!
Severus
Nein, Siegtraut,
das Röslein kränkelt noch. Zwing deine Wehmut,
sei fröhlich, laß uns hoffen.
Siegtraut
wehmütig für sich
Könnt' ich hoffen,
Sever schluchzend umarmend
o könnt' ich hoffen.
Severus
Muß ich wirklich fort?
Siegtraut
Ja, ja, du mußt, würd' ich's sonst sagen, Böser?
Siegtraut und Sever ab.
Osmundis
indem sie die Rehgeiß auf die Erde schleudert und vorwärts stürmt, spricht sie
Ha, ha! Das ist's ja, was den Römer macht,
Mitleid der Taube heucheln, die er tötet,
kann nur ein Römer. – War's nicht was wie Achtung,
das meiner Brust entkeimt', als ich ihn sah?
War's etwas anderes? Nun einerlei,
es ist nicht mehr.
Siegtraut kommt zurück.
Osmundis
für sich
Ah, die schöne Siegtraut!
Siegtraut
Es ist mir weh ums Herz und kalt und düster,
wenn er nicht bei mir weilt. – War es mir nicht,
als würd' ich sehend, wie er zu mir sprach,
und jetzt ist's wieder Nacht.
Osmundis
hart und rauh
Und wen beweinst du;
Siegtraut
verwirrt
Wer ist – wer bist du?
Osmundis
wie oben
Kennt mich Siegtraut nicht
Siegtraut
wie oben
Ich war – ich bin – mit einem Wort, Osmundis,
was du auch sahst, verrat es nicht.
Osmundis
treuherzig
Gewiß nicht.
Siegtraut
wie oben
Ich würde sterben, wenn man mich verriete,
ich werde sterben! – Nein, du bist ja edel,
bist treu und liebreich. Willst du mich verraten?
Sag's frei heraus, daß ich mich eh vernichte.
Mein Vater, o mein Vater!
Osmundis
Jetzo weinst du?
Und mit dem Römer, Kind, hast du gelacht.
So lach auch jetzt, sei denn zum mindsten mutig,
und füge zu der Schande nicht die Feigheit.
Siegtraut
Sprichst du von Schande?
Osmundis
Freilich tat ich das,
und wohl mit Recht.
Siegtraut
Osmundis, mir von Schande
Osmundis
begütigend
Sieh, du bist blind, ich sehend. Du bist schwach
wie Schilf im Rheine, ich bin wie die Eiche.
Was dir verziehen wird,
Finster
bringt mir den Tod.
Siegtraut
O Hirtin, wüßtest du, was Liebe heißt!
Osmundis
stockend
Das ist nun freilich allverlorne Mühe.
Die Liebe kenn' ich nicht, von der du fabelst,
und was du liebst, das lehrt Gerechtigkeit
mich hassen.
Siegtraut
Hassen? – Ihn, Osmundis, hassen?
Osmundis
Ihn nicht besonders, alle Römer hass' ich.
Siegtraut
Warum? Sind alle Römer so wie er?
Osmundis
Er so wie alle. Kind, er so wie alle.
Ich hab's gesagt und will's beschwören, Siegtraut.
Siegtraut
innig
Er spricht so lieb, so gut.
Osmundis
wild einfallend
So glatt, so fein,
so leicht, so fließend, ah! ich glaub's dir wohl,
die Römer sprechen gut – doch handeln schlecht;
Eindringlich
sie handeln schlecht, drum warn' ich dich vor ihnen.
Siegtraut
entrüstet
Osmundis, hör mich an, viel schuld' ich dir,
wenn du verschweigst, was Zufall dir entdeckte;
doch schmähst du ihn und glaubst, ich bleibe ruhig,
nur weil ich jetzt in deinen Händen bin,
so ist es Täuschung.
Begeistert
Mehr als töten, Hirtin,
kann man mich nicht, und eher will ich sterben,
als, seine Schmach zu rächen, machtlos sein.
Sever ist gut, nicht tückisch, rein, nicht schmutzig,
edel und nicht gemein, wahr und nicht falsch.
Osmundis
barsch ihre Hand ergreifend
Nicht trotzen, Kind.
Kalt
Denkst du so von Osmundis?
Gelassen, aber während des Sprechens immer leidenschaftlicher werdend
Es ist zwar nicht gemäß dem deutschen Blut,
daß du den Römer liebst, doch bleibt's dabei,
du liebst ihn, und ich weiß, Macht hat die Liebe
noch über stärkre Herzen als das deine.
Liebt dich der Römer wieder, wie du ihn,
mehr wie sein Vaterland,
wie
du es tust,
er mag's beweisen. Wenn er's denn bewies,
sei du sein Weib! – Indes entlarv' ich ihn
auf Schlangenwegen, die im Dickicht sich
hinschleichen, unter Rosenhecken sich
verlaufen, deren Ziel die Unschuld ist,
dann mag er ächzen unter meinem Speer,
mag er sich krümmen unter meinem Tritt,
Mit dem Speerschaft auf die Erde stampfend
so Loke drunten mich vernimmt, ich schwör's.
Siegtraut
sie beruhigend
Osmundis!
Osmundis
verächtlich
Doch das andre, der Verrat,
steht mir so fern wie Strohtod. – Sei zufrieden,
Jedes Wort betonend
nun, Närrin, blinde Närrin, sei zufrieden.
Verfällt in dumpfes Brüten.
Siegtraut
zaghaft
Was willst du tun?
Osmundis
auffahrend
Ich nichts, du alles, Kind.
Stockend und die Wirkung jedes Wortes in den Zügen Siegtrauts verfolgend
Frag ihn, ob er dich mehr liebt als den Varus.
Siegtraut
erstaunt, eifrig
Mich? O ihr Götter, tausendmal so heiß –
wenn anders er den Varus liebt.
Osmundis
bedeutsam
Frag ihn!
Und wenn er schwört, du seist unendlich mehr
ihm wert als Wasser selbst und Luft und Leben …
Siegtraut
zuversichtlich einfallend
Er wird's beschwören.
Osmundis
bitter
Nun, so glaub ihm nicht.
Siegtraut
außer sich
Grausame Frevlerin!
Osmundis
energisch
So glaub ihm nicht!
Siegtraut
eingeschüchtert, in Tränen
O Hirtin, wüßtest du, was Liebe heißt.
Osmundis
hart, ingrimmig
Liebe? Das heißt ein Volk mit Ruten peitschen,
ein freies Volk mit Ruten! Liebe heißt
aus Liebe Liebe heucheln! Liebe heißt
ausraufen Saat und Ernte, goldne Ähren
zertreten, Unkraut säen statt des Weizens.
Kind, Liebe heißt den Feind in Ketten spotten,
zur Schlachtbank führen, so als ging's zum Brautbett,
die blinde Unschuld.
Höhnisch
O glaub ihm, glaub ihm,
wir glauben auch den Römern, die uns knechten.
Sich unterbrechend
Wir müssen's glauben, wenn wir gleich nicht wollten,
Sich schnell zum Gehen anschickend
drum lebe wohl!
Siegtraut
ihr nachwankend, mit bebender Stimme
Osmundis, bleib, o bleibe!
Osmundis
sich nach ihr umwendend, gleichgültig
Was soll ich noch, da liegt 'ne Rehgeiß, Kind.
Traun, Sigwins Mahl ist kärglich oft bestellt,
gestern erlegt' ich sie für ihn.
Treuherzig
Grüß ihn,
den alten, treuen, biedern
deutschen Mann,
und meinen Handschlag bring ihm. Lebe wohl.
Siegtraut
wie vorher
Bleib, nenne mir den Probstein seiner Ehre.
Osmundis
die schon in der Türe steht, wendet sich abermals und spricht mit Überwindung
»Töte den Varus!« sollst du zu ihm sagen.
Siegtraut
»Töte den Varus!«?
Osmundis
zurückkommend und ganz nahe zu Siegtraut tretend, fieberhaft
Da wird er erbleichen
und knirschen wie ein rings umstellter Eber,
wie ein gefangner Tiger, der Gazellen
um seinen Käfig hüpfen sieht, ohnmächtig
wütend ins Eisen schlägt den scharfen Zahn. –
Was kann, was wird er tun? Dich fangen, dich
den Henkern überliefern, dann noch einmal,
im Kerker, Freiheit dir versprechen für
das Opfer deiner Ehre. Hat er sie
und stehst du nackt und bloß, der Ehre bar,
des Mitleids bar, der Schande übervoll,
was tut er dann? Er lacht und sagt: Nun stirb!
Doch bleibst du fest, so stirbst du freilich auch,
doch deine Ehre lebt mit seiner Schande,
und seine Ehre starb mit deiner Schande. –
Germanin, zittre nicht, wach auf, wach auf,
presse des Herzens weiche Regung nieder:
die Ehre will's, ich um der Ehre willen.
Wirf nicht dein reines Herz den Geiern vor,
eher vergrab es selbst! Verwische selbst
den Glanz des Goldes, eh es Staub besudelt!
Vergrab es ewig, hemm des Blutes Lauf,
eh es den schlamm'gen, eklen Weg durchrieselt,
nach dem es rast und drängt! Eh hemm es selbst!
Siegtraut
leise zitternd
Und tötet er den Varus, was ist dann?
Osmundis
verlegen
Dann – dann ist Varus tot.
Siegtraut
Wird er dann mein?
Osmundis
Severus meinst du, Kind? – Dann freilich ja.
Siegtraut
Nein, nein, das soll er nicht, das soll er nicht!
Du eisern Herz! – So ist denn alles hin?
Osmundis
»Töte den Varus!« sage zu ihm, Kind.
Stimmengewirr von außen.
Nichts weiter, still. Man kommt.
Zu Siegtraut
Raff dich, raff dich.
Siegtraut
horchend
Dein Vater.
Osmundis
Ja, der Meister Schmied, er ist's,
mit Sigwin im Gespräch.
Finster werdend, gedehnt
Und Flavus auch,
des Römlings Hermann Bruder, um deswillen
bin ich ihm unhold. – Sei gefaßt, Siegtraut,
und wahre dein Geheimnis.
Sigwin, Eber der Schmied, Flavus, Kaltwald treten auf, im Gespräch miteinander.
Sigwin
Nun, so sei es
zur Sonnenwende.
Zu Siegtraut
Wodan schütze dich,
mein Kind.
Osmundis bemerkend
Osmundis?! Meister Schmied, seht her.
Auf das Wildpret deutend
Ihr habt 'ne brave Tochter.
Eber
Nun, ich mein'.
Freia mit dir, Osmundis.
Eber
zu Sigwin
Höre, Alter,
auf Sonnenwend' mag deine Siegtraut nur
herüberkommen in mein Haus.
Sigwin
Gewiß,
es wird spät werden, bis wir wiederkehren.
Eber
So mögt ihr beide euch die Zeit vertreiben.
Wir haben Arbeit, schwere, heil'ge Arbeit.
Die Nacht, die auf die Sonnenwende folgt,
gibt's viel zu tun im freien Wald.
Zu Osmundis
Jetzt geh,
Osmundis. Schür das Feuer an daheim,
bereite mir die Mahlzeit, eh ich komme.
Sigwin
zu Siegtraut
Und du geh nach der Kammer, leg dich nieder,
's ist Mitternacht.
Siegtraut
ihre Arme um Sigwins Hals legend
Du lieber, lieber Vater.
Sigwin
küßt sie auf die Stirn
Schlaf wohl, mein holdes Kind.
Eber
Gut' Nacht, Siegtraut.
Osmundis
indem sie mit Siegtraut nach deren Kammer geht, durch eine Tür links
Nur auf ein Wort noch, eh ich scheide, Siegtraut.
Beide ab.
Die übrigen, außer Osmundis und Siegtraut.
Flavus
geheimnisvoll
Brüder, wir sind allein?! Gewiß, nicht wahr?!
Ihr wißt, daß ich verwegne Rolle spiele.
Ihr wißt, daß, wenn mich Varus hier entdeckt,
zugleich mit mir der Förderer eurer Pläne,
der Varus' Gunst besitzt, erstirbt.
Sigwin
Hier sind wir
so sicher wie im Urwald mitteninne.
Kattwald
düster
Drauß ächzt der Wald, wie ihn der Sturm durchrast:
so ächzen wir. Genug der Schand' und Qual –
und zögert nicht.
Sigwin
Auf Sonnenwende, Freunde,
mit eurem Willen setzen wir den Thing.
Flavus
Ist Marbod nicht gewonnen?
Sigwin
Nein, er nicht.
Flavus
leise für sich
Hm. Marbod steht zu Hermann, gegen Varus.
Laut
So will ich euch was sagen: Marbod hofft
auf Fest'gung seiner Macht, steht er zu Römern.
Daß er zu Römern hält, bewirkt mein Bruder,
den sie Arminius zu nennen pflegen.
Ihm also Krieg! Arminius und Marbod!
Alle
Arminius und Marbod, den Verrätern!
Flavus
verschlagen
Und dabei bleibt's, Arminius, Marbod, Varus,
das Kleeblatt falle, wenn sich Deutschland hebt.
Ängstlich
Doch wir sind sicher?
Alle
wild
Hermann, Marbod, Varus,
Tod ihnen!
Sigwin
Und nun schwört, nie zu verraten,
was wir geplanet! Schwört!
Zu Flavus, der einen Augenblick zaudert, seine Hand zu geben
Du zitterst, Flavus?
Flavus
schnell
Nicht doch! hier meine Hand!
Jeder hat seine Rechte in Sigwins Rechte zum Schwur gelegt.
Osmundis, aus Siegtrauts Kammer kommend, geht nach der Tür im Hintergrunde, unter welcher sie lauschend stehnbleibt, bis der Schwur beendet ist.
Sigwin
feierlich
Hohe Götter,
gewaltige, gerechte, heil'ge Götter!
Wir schwören uns mit Leben, Gut und Blut,
mit Hand und Herz dem Vaterlande zu,
und eure Rache fordern wir herab
auf den Verräter. Treff ihn euer Fluch
auf ewig und auf Erden unsre Rache.
Osmundis
indem sie verschwindet
Das war ein Schwur, ein Schwur fürs Vaterland!
Verwandlung. Nacht, Mondschein. Wald um Sigwins Hütte.
Osmundis
aus der Hüttentür tretend, immer noch lauschend, mit gedämpfter Stimme
Endlich, endlich wird sein Gesang zur Tat.
Jetzt bist du nicht der schwache Greis wie eh,
jetzt Ehre dir!
Leise, feierlich
Deutschland, Deutschland erwacht.
Nach einer Pause, in der sie lauscht
Das war ein Schwur, ein Schwur fürs Vaterland.
Was senkt ihr nicht die Zweige andachtsvoll
herab zur Erd' und lauscht, ihr alten Eichen!
Deutschland erwacht, Deutschland erwacht.
Aufmerksam lauschend; es dringen Töne von Sprechenden aus der Hütte.
Sie reden
von jenem Thing auf Sonnenwende, von
Arminius, dem Römerfeinde; Flavus
warnt sie vor ihm.
Zu sich
Heiß nur Arminius
und leugne deinen Namen Hermann ab!
Sei nur ein Römer, wie wir Deutsche sind!
Numonius und Hermann kommen, letzterer ungesehn von Osmundis.
Osmundis
Wen seh' ich da? Es ist Numon, der Römer.
Hat man die in der Hütte wohl verraten,
und kommt er, sie zu fangen? Still! Nein, nein,
es scheint, als spräch' er mit 'nem anderen –
und die da drinnen, wie errett' ich sie?
Pause.
Er sucht das blinde Lamm.
Numonius
leise zu Hermann
Ist das sein Bau,
ist das des alten Schäfers faul'ge Hürde?
Hermann
Geht immer hin, ich halte mich verborgen,
's gibt, glaub' ich, manche Lücke im Gebälk.
Numonius
Glaub mir, Armin, ein Kind ist leicht betört,
bald kehr' ich wieder, harre mein, Armin.
Will gehen, nach der Hütte, wendet sich aber wieder, als Armin schweigt.
Was schweigst du? Zürnst du mir? Sei doch nicht töricht –
wer kann gebieten, wenn die Liebe spricht?
Hermann
sich kleinlaut stellend
Numonius
Sagst du Vater?
Ein jeder hat 'nen Vater so wie sie,
und überdies ist er ja ein Germane.
Wann hielten je die Väter mich zurück,
wann Mitleid um die Väter?! Ha, ha, ha!
Glaub mir, Armin, ein Kind ist leicht betört,
bald kehr' ich wieder, harre mein.
Osmundis
sich mühsam bewältigend
Still, still,
fromm sei und still, erstarrt, ganz ohne Regung,
gleichwie der Spiegel eines eis'gen Sees.
Sie stellt sich, als schau' sie aufmerksam durch einen Spalt im Gemäuer der Hütte.
Numonius hat sich leise bis zur Hüttentür geschlichen und lauscht. Es drängt Stimmengewirr aus der Hütte.
Numonius
Höchst sonderbar, in tiefer Mitternacht
ein Lärmen gibt's, als gält' es Roma stürzen,
und wirr und wüst dazu. Vielleicht ist's wichtig.
Osmundis
für sich
So falle, Römer! Schleifet eure Waffen
da drinnen, ihr Germanen, für ein Opfer.
Plötzlich mit verstellter Stimme, laut
Bei allen Göttern, rettet, rettet sie!
Numonius
der Osmundis bemerkt, eilt auf sie zu
Wer spricht da? He! Was stierst du durch den Spalt?
Osmundis
indem sie aufmerksam durch die Mauerlücke blickt, nimmt sie sich nicht Zeit, Numon zu betrachten, und spricht ingrimmig
Schmachvoll, o gräßlich schmachvoll!
Numonius
Osmundis
wie oben
Die Blinde, ach, die Blinde!
Numonius
Meinst du Siegtraut?
Osmundis
wie vorher
Die Blinde, Herr!
Numonius
hastig
Was gibt's mit ihr? – So rede!
Osmundis
wie vorher
Der Alte schlägt sie!
Numonius
Wer? der alte Sigwin? –
Was tat Siegtraut?
Osmundis
sich halb aufrichtend, bitter lachend
Nichts, Herr, er ist betrunken.
Numonius
Osmundis hinwegdrängend
Laß mich die Greuel selber sehen, Weib!
Weh über ihn!
Osmundis
Da schaut nur durch den Spalt,
o Herr, es ist schmachvoll, 'ne Blinde schlagen.
Numonius
der durch die Mauer geblickt hat, richtet sich auf
Ich sehe nichts.
Osmundis
bückt sich abermals, abgebrochen
Jetzt, eben jetzt.
Numonius
Osmundis
Er schlägt sie wieder. – Wie er wankt und lallt!
Der Sänger wälzt im Kote sich, der sonst
maiduft'ge Lieder singt. – Wär' ich ein Mann!
Numonius
die Hand um den Schwertknauf klammernd, bebend vor Wut
Was tätest du?
Osmundis
sich aufrichtend, schnell
O solch ein Tier und Unmensch!
Herr, denkt, er trank den ganzen langen Tag
und tut es oft. Kommt er dann abends heim,
mißhandelt er sein Kind wie einen Hund.
Es ist 'ne Wut bei allen gegen ihn,
doch alle haben Furcht, ist er betrunken.
Hastig
Da stöhnt es wieder.
Durch die Mauer blickend
Götter, Götter, Götter!
Er lallt und faßt sie bei den Haaren. Oh!
Jetzt schlägt er sie,
Wild
er mordet sie,
Schreiend
o rettet!
Numonius
reißt sein Schwert heraus und stürmt in die Hütte
Jetzt schone nicht mehr graues Haar und Alter,
Fluch über dich und Tod, mattfüß'ger Sigwin,
Blut ströme dir vom Scheitel!
Ab in die Hütte.
Osmundis
triumphierend, kalt und höhnisch ihm nachblickend
Ah – gut' Nacht,
du Erster einer langen, langen Reihe –
gut' Nacht, Numonius.
Gehab dich wohl.
Schnell ab.
Lärmen aus der Hütte und Numons Stimme.
Numonius
in der Hütte
Verrat, Verrat!
Hermann
tritt aufhorchend in den Vordergrund, gedämpft
Die Flamme glimmt und flackert:
Heil, Deutschland, Heil! Bald rast sie durchs Geäst,
römisches Eisen schmelzend, Ketten brechend.
Indem er sich wieder verbirgt
Zurück!
Der Lärm in der Hütte wird ärger. Kattwald stürzt heraus, in der Linken eine Fackel haltend, in der Rechten das Schwert.
Kattwald
rufend
Nun kommt heran, ihr geilen Römerbuben,
büßt so wie er den Kitzel mit dem Leben!
Sigwin, die Leiche Numons schleifend, und Eber, den Hammer schwingend. Hinter ihnen, immer sich möglichst verborgen haltend, Flavus.
Sigwin
rufend
Ich habe eine Tochter, blind dazu,
leicht zu erobern euren frechen Lüsten.
Kommt, holt sie euch!
Eber
rufend
Was lauert ihr und lauscht
im Busch wie Katzen?
Sigwin
hat die Leiche bis unter einen Eichbaum geschleift und spricht, neben ihr kniend
Sieh, du lächelst noch
und zeigst die Zunge mir. Nun küsse mich,
küsse mich, gleißend schlüpfriger Gesell!
Was wolltest du mit dieser Zunge, he?
Mein Kind beschwatzen? Natter, zische jetzt!
Flavus
für sich
O grauenvoll!
Hermann
der Flavus bemerkt, leise zu sich
Flavus ist unter ihnen?!
Säugt ihr den Tiger, Ziegen?!
Eber
Nun wohlan!
Hervor aus euren Löchern, feige Ratten,
mit feilen Reden tändeln, das ist leicht,
tändelt mit meinem Hammer, und ihr seid,
so wahr ich lebe, Helden! Kommt hervor!
Der Eber wetzt den Zahn!
Hermann ab.
Sigwin
immer noch an der Leiche
Was raschelt da
im dürren Laub?
Kattwald
nach dem Wald zu leuchtend
Gedungne Knechte, haltet!
Sigwin
Warum so still, so bleich, Numonius?
Ihn rüttelnd
Steh auf, steh auf, allmächt'ger Römer, steh! –
Er rührt sich nicht.
Zu Eber
Du hast ihn gut getroffen;
beim Thor! des Hammer deinen wohl gebar,
du trafst ihn gut.
Allerlei Volk in wirrer Hast.
Erster Germane
Was gibt's in finstrer Nacht?
Zweiter Germane
Ich hört' Geschrei.
Ein Kind
an der Hand seiner Mutter
Es kam von Sigwins Hütte.
Dritter Germane
Da liegt wer?
Erster Germane
Leuchtet!
Vierter Germane
hart an Sigwin
Hierher!
Ein Weib
Näher!
Fünfter Germane
mit der Fackel leuchtend
So?
Dritter Germane
zurückschreckend
Zweiter Germane
ebenso
Ein Erschlagener?
Erster Germane
Da ist Sigwin,
der ihm die Wunden bindet.
Vierter Germane
Alter Sigwin,
das ist vergebne Mühe, der ist hin.
Sigwin
höhnisch aufblickend
Wahrhaftig, der ist hin!
Zweites Weib
Sag, wer erschlug ihn?
Eber
den Hammer hoch erhebend, wild
Ich tat's mit diesem Hammer.
Alle
schaudernd zurückweichend
Ha, der Schmied?!
Eber
lauter, wie vorher
Ich tat's mit diesem Hammer! Schaudert ihr?
Ihr Memmen, zittert ihr? – Er war ein Römer!
Alle
noch weiter zurückweichend
So sei dir Odin gnädig!
Ein Greis kommt. Erster Germane ihm entgegen.
Erster Germane
flüsternd
Er erschlug ihn.
Der Greis
Erstes Weib
Ein vornehmer,
mächt'ger Römer ward vom Schmied erschlagen.
Der Greis
Erschlagen? Wo liegt er?
Zweiter Germane
Da, da!
Alte Frau
Ihr Männer,
errettet euch! Wenn man euch hier erblickt,
seid ihr des Mordes alle schuldig – alle!
Andere kommen.
Dritter Germane
ihnen entgegen
Der Schmied erschlug 'nen Römer.
Alte Frau
indem sie davoneilt
Rettet euch!
Alle
Götter, seid ihm gnädig!
Der Schwarm verläuft sich.
Flavus
indem er geht, mit gedämpfter Stimme für sich
Auch für mich
ist's hohe Zeit. Wenn man mich hier entdeckt,
wo Römerhaß sein blutig Wesen treibt,
bin ich verloren. Frei will ich's verraten
dem Varus, ohne Zwang. Säh' man mich hier,
in Fesseln schlüg' man mich. Wollt' ich alsdann
verraten jene, von der Römer Nutzen,
den ich im Aug' gehabt, in Ketten sprechen,
man würde lachen und mir nimmer glauben.
Heil dir, Augustus, großer Imperator!
Sigwin an der Leiche. Eber steht mit gesenktem Haupt und finstrer Miene unweit Sigwins. Pause.
Sigwin
sich erhebend
Was sinnet Ihr so düster, Meister Schmied?
Eber
Von diesem Volke hoffst du Deutschlands Freiheit?
Sigwin
treuherzig, zuverlässig, Ebers Hand ergreifend
Von diesem Volke hoffe ich die Freiheit!