Gerhart Hauptmann
Hamlet in Wittenberg
Gerhart Hauptmann

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Vorwort

Ob es erlaubt ist oder nicht, einer inneren Neigung zu entsprechen durch den Versuch, das Werk eines Dichters rückläufig zu ergänzen, kann nicht fraglich sein, besonders nicht, wo es sich um ein Drama und um Theater handelt. Die Ehrfurcht, die eine dichtende Phantasie davon abhielte, müßte eine falsche Ehrfurcht genannt werden: ihr wahrer Charakter wäre vielmehr Pedanterie.

Selbst ein verfehlter »Hamlet in Wittenberg« träte dem Ansehen Shakespeares nicht zu nahe. Sein »Hamlet« ist in alter und neuer Zeit unzählige Male für das Theater überarbeitet und bearbeitet worden: beim Wesen des Theaterbetriebes und -gewerbes eine Selbstverständlichkeit. Hier handelt es sich nicht einmal um eine pietätvolle oder pietätlose – die letzteren sind in der Mehrzahl – Bearbeitung, sondern um eine Schöpfung im leeren Raum. Der Hamlet Shakespeares spricht zwar von Wittenberg, er will auf die Hohe Schule von Wittenberg zurückkehren, aber es existiert – außer den drei kurzen Szenen von Gutzkow – kein Drama »Hamlet in Wittenberg«.

Es hat mich gelockt, mir den weltberühmten Dänenprinzen und seine Sturm-und-Drang-Zeit in der Stadt Luthers vorzustellen: sie konnte sich dort auf die allerverschiedensten Arten und Weisen abgespielt haben. Ich entschied mich für die im Nachfolgenden gestaltete Möglichkeit. Ich folgte der Lockung, zu tun, was ich tat, aus natürlicher Liebe zur Hamlet-Gestalt und keineswegs in der lächerlichen Absicht, Vergleiche mit dem überragenden Genie des unsterblichen Briten herauszufordern.

Eher nehme man dieses Werk als demutsvolle Huldigung und erwäge dabei, ob ihm, so genommen, nicht zumindest ebenso großer Wert beizumessen sei wie einem beliebigen Panegyrikus.

Agnetendorf, den 1. Oktober 1935

Gerhart Hauptmann

 


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