Gerhart Hauptmann
Und Pippa tanzt!
Gerhart Hauptmann

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Erster Akt

Das Gastzimmer in der Schenke des alten Wende im Rotwassergrund. Rechts und im Hintergrund je eine Tür, die letztere auf den Hausflur führend. Im Winkel rechts der Kachelofen, links das Schenksims. Kleine Fensterchen, Wandbänke, dunkle Balkendecke. Drei besetzte Tische links. Den ersten, am Schenksims, nehmen Waldarbeiter ein. Sie trinken Schnaps und Bier und rauchen Pfeifen. Um den zweiten Tisch, mehr nach vorn, sitzen besser gekleidete Leute: die Glasmalermeister Schädler und Anton, einige andere und ein Italiener von etwa fünfzig Jahren, namens Tagliazoni, der sehr verwegen aussieht. Sie spielen Karten. Am vordersten Tisch hat sich der Glashüttendirektor niedergelassen: ein hoher Vierziger mit kleinem Kopf, schlank und schneidig in der Erscheinung. Er trägt Reitstiefel, Reithose und Reitjackett. Eine halbe Flasche Champagner steht vor ihm und ein feines, vollgeschenktes Spitzglas. Daneben auf dem Tisch liegt eine Reitpeitsche. Es ist nachts nach zwölf. Draußen herrscht starker Winter. Einige Lampen verbreiten karges Licht. Durch die Fenster dringt Mondschein in den dunstigen Raum. Der alte Wirt Wende und eine ländliche Kellnerin bedienen.

Wende, grauhaarig, von unbeweglich ernstem Gesichtsausdruck. Noch eine Halbe, Herr Direktor?

Direktor. Was denn sonst, Wende? – Ganze! – Ist die Stute gut abgerieben?

Wende. War selber dabei. So'n Tier verdient's! sah wie'n Schimmel aus, so voller Schaum.

Direktor. Stramm geritten!

Wende. Staatspferd.

Direktor. Hat Blut! Stak manchmal bis an den Bauch im Schnee. Immer durch!

Wende, schwach ironisch. Treuer Stammgast, der Herr Direktor.

Direktor trommelt auf den Tisch, lacht flott. Eigentlich sonderbar, was? Januar, zweistündiger Ritt durch den Wald, alter Kerl – spaßhafte Anhänglichkeit! Sind meine Forellen schon im Gang?

Wende. Gut Ding will Weile!

Direktor. Jawoll, woll, woll! werden Sie bloß nicht ungemütlich! – Kann ich was dafür, daß Sie hier in dieser halb böhmisch, halb deutschen verlassenen Kaschemme sitzen, Wende?

Wende. Das nich, Herr Direktor! Höchstens wenn ich raus muß!

Direktor. Sie oller Griesgram, reden Sie nich!

Wende. Gucken Se mal zum Fenster naus.

Direktor. Weiß schon, die olle, verfallene Konkurrenzhütte. Die wird mal nächstens auf Abbruch verkauft, bloß daß Sie nich immer wieder von anfangen. – Was klagen Sie denn? Es geht doch sehr gut! Sie kommen doch zwei, drei Stunden her und lassen das Geld sitzen, haufenweise.

Wende. Wie lange wird denn der Rummel dauern? Als die Glashütte hier nebenan ihre zwei Öfen noch brannte, da war das'n ruhiges, sicheres Brot – jetz is man uf Schweinerei angewiesen.

Direktor. I, Sie Querkopp! machen Sie mal, daß ich Wein kriege! Wende entfernt sich achselzuckend. An dem Spielertisch ist ein Wortwechsel entstanden.

Tagliazoni, heftig. No, signore! no, signore! impossibile! ich haben ein Goldstück hingelegt. No, signore! Sie täuschen sich! no, signore . . .

Meister Schädler. Halt! verpuchte Liega sein doas!

Tagliazoni. No, signore! per Bacco noch mal! Ladri! Ladri! assassini! ti ammazzo!

Meister Anton, zu Schädler. Do leit ju dei Geld!

Meister Schädler entdeckt das gesuchte Goldstück. Das war dei Glicke, verdammter Lausigel!

Direktor, zu den Spielern hinüber. Na, ihr Lüdriane! wann hört ihr denn auf?

Meister Anton. Wenn der Herr Direktor nach Hause reit't.

Direktor. Da könnt ihr ja nackt hinterm Gaule herlaufen! Bis dahin habt ihr doch's Hemde vom Leibe verspielt!

Meister Anton. Das wollen wir doch erst mal sehn, Herr Direktor!

Direktor. Das kommt davon, daß euch der Graf so sündhaft viel Gelder verdienen läßt. Ich wer euch mal müssen das Stücklohn herabsetzen. Je mehr ihr habt, je mehr bringt ihr durch!

Meister Anton. Der Graf verdient Geld, der Direktor verdient Geld, die Malermeester wolln ooch nich verhungern!

Tagliazoni hat die Karten gemischt, beginnt ein neues Spiel. Neben jedem Spieler liegen veritable Goldhäufchen. Basta! incominciamo adesso.

Direktor. Dove è vostra figlia oggi?

Tagliazoni. Dorme, signore! È ora, mi pare.

Direktor. Altro che!

Er schweigt unter Zeichen leichter Verlegenheit. Inzwischen setzt ihm Wende selbst die Forellen vor und leitet die Kellnerin an, die gleichzeitig die Flasche Sekt und Kartoffeln herbeibringt.

Direktor, mit einem Seufzer. Scheußlich langweilig ist's heute bei Ihnen, Wende! man läßt sich's was kosten und hat nichts davon.

Wende stockt in dem eifrigen Bemühen um seinen Gast und sagt grob. Da gehn Se doch künftig anderswohin!

Direktor kehrt sich und guckt durch das Fensterchen hinter seinem Rücken. Wer kommt denn da noch übern Schnee geklimpert? – wie über Scherben trampelt ja das!

Wende. Scherben gibt's woll genug um die Glasbaracke.

Direktor. Ein riesiger Schatten! wer ist denn das?

Wende haucht gegen das Fenster. Höchstens der alte Glasbläser Huhn wird das sein. Auch so'n Gespenst aus der alten Glashütte, das weder leben noch sterben kann! – Haben Se mit Ihrer Sophienau die Geschichte schon mal kaputt gemacht, warum führen Sie se nich als Filiale weiter?

Direktor. Weil's nischt bringt und'n riesigen Deibel kost't. Immer noch durchs Fenster blickend. Achtzehn Grad! klar! hell wie am lichten Tag! zum Wahnsinnigwerden der Sternenhimmel! blau, alles blau! Er wendet sich über seinen Teller. Die Forellen sogar. – Gott, wie die Luder die Mäuler aufreißen.

Ein riesiger Mensch mit langen roten Haaren, roten buschigen Brauen und rotem Bart, von oben bis unten mit Lumpen bedeckt, tritt ein. Er stellt seine schweren Holzpantinen ab, glotzt mit wäßrigen, rot umränderten Augen, wobei er die feuchten wulstigen Lippen brummelnd öffnet und schließt.

Direktor, sichtlich ohne Appetit von den Forellen genießend. Der alte Huhn! er brummelt sich was! Dem alten Huhn einen steifen Grog, Wende! – Na, was nehmen Sie mich denn so aufs Korn?

Der alte Huhn hat sich, immer murmelnd und den Direktor anglotzend, hinter einen leeren Tisch an der rechten Wand geschoben, der zwischen Ofen und Türe steht.

Erster Waldarbeiter. A will's ni glooben, daß hier im Rotwassergrund keene Arbeit mehr is.

Zweiter Waldarbeiter. 's heeßt, a kummt moanchmol bei d'r Nacht und geistert alleene drieba rim.

Erster Waldarbeiter. Do macht a sich Feuer im kala Glasufa und stellt sich vor sei ales Ufaloch und bläst großmächtige Glaskugeln uf.

Zweiter Waldarbeiter. Dam seine Lunge is wie a Blaseboalg. Ich wiß! do kunnde kee andrer ni mitkomm.

Dritter Waldarbeiter. Was macht d'nn d'r ale Jakub, Huhn? Aso is's: mit an Menscha red't a ni, oaber anne Dohle hot'r daheeme, und mit der spricht'r a ganzen Tag.

Direktor. Warum feiert der Kerl, warum kommt er nicht? könnte ja in der Sophienau Arbeit haben!

Erster Waldarbeiter. Das is dem zu sehr ei d'r großen Welt.

Direktor. Wenn man den Alten ansieht und denkt an Paris, da glaubt man nich an Paris.

Wende nimmt bescheiden am Tisch des Direktors Platz. Sind Sie wieder mal in Paris gewesen?

Direktor. Erst vor drei Tagen zurück. Riesige Aufträge eingeheimst!

Wende. Na, da lohnt sich's.

Direktor. Lohnt sich! – Kost Geld und bringt welches: aber mehr! – Is es nich verrückt, Wende, wenn man nach Paris kommt: erleuchtete Restaurants! Herzoginnen in Gold und Seide und Brüsseler Kanten! die Damen vom Palais Royal! unsere Gläser, das feinste Kristall auf den Tischen: Sachen, die vielleicht so'n haariger Riese gemacht hat! – Donnerwetter, wie sieht das da aus! wenn so 'ne richtige feine Hand eine solche Glasblume, so 'ne köstliche Eisblume, so über den blanken Busen herauf an die heißen, geschminkten Lippen hebt, unter Glutblicken: – man wundert sich, daß sie nicht abschmelzen vor so einem sündigen Weiberblick! – Prost! Er trinkt. Prost, Wende! Nicht zum Wiedererkennen, was aus unseren Fabrikaten geworden ist!

Kellnerin, dem alten Huhn Grog vorsetzend. Nicht anfassen! heiß! Der alte Huhn nimmt das Glas und stürzt es ohne Umstände hinunter.

Direktor, es bemerkend. Kreuzhimmeldonnerwetter noch mal! Die Waldarbeiter brechen in Lachen aus.

Erster Waldarbeiter. Bezahln S'm amal a halbes Quart; da kenn Se den sehn glienige Kohln schlucken.

Zweiter Waldarbeiter. Der schlägt . . . anne Bierkuffe haut a azwee und knorpelt de Scherben wie Zucker runder.

Dritter Waldarbeiter. Aber den sullten Se erscht amal sehn mit dem klenn'n italjenscha Madel tanza, wenn d'r blinde Franze de Okarina spielt.

Direktor. Franze, ran mit der Okarina! Zuruf, an Tagliazoni gerichtet. Dieci lire, wenn Pippa tanzt!

Tagliazoni, im Spiel. Non va. Impossibile, signer padrone.

Direktor. Venti lire! – Trenta . . .!? –

Tagliazoni. No.

Wende. Sie liegt im besten Schlaf, Herr Direktor.

Direktor, unbeirrt, gleich leidenschaftlich. Quaranta!? – Laßt doch mal bißchen den Deibel los! Ledern! wozu kommt man denn her?! Nich mal'n verlaustes Zigeunermädchen! keinen Fuß setz' ich mehr in das Paschernest! – Weiterbietend. Cinquanta!

Tagliazoni, im Spiel, eigensinnig über die Schulter. No! no! no! no! no! no!

Direktor. Cento lire!

Tagliazoni, kurz. Per cento, sì! Er beugt sich herum und fängt mit Gewandtheit einen blauen Schein auf, den der Direktor ihm zugeworfen hat.

Direktor, etwas aus dem Gleichgewicht. Hat meine Löwin zu fressen gekriegt?

Kellnerin. Jawohl, Herr Direktor, der Hund hat gefressen!

Direktor, schroff. Rede nicht!

Kellnerin. Wenn Sie mich fragen, muß ich doch antworten!

Direktor, kurz, unterdrückt, grimmig. Schweig, halt dein Ungewaschnes! – Raucht nicht solchen asa fetida, ihr Pack! – wie soll denn die Kleine sonst hier atmen.

Tagliazoni, aufgestanden, ruft von der Flurtür aus mit wilder Stimme in das obere Haus hinauf. Pippa! Pippa! Vien giù, presto! Pippa! Sempre avanti!

Direktor erhebt sich indigniert. Halt's Maul, laß sie schlafen, du welscher Schuft!

Tagliazoni. Pippa!

Direktor. Behalt dein Geld, Kerl, und laß sie schlafen! behalt dein Geld, Kerl, ich brauche sie nicht!

Tagliazoni. Come vuole. Grazie, signore, be! Mit einem fatalistischen Achselzucken nimmt er gleichmütig wieder am Spieltisch Platz.

Direktor. Satteln, Wende! Gaul aus dem Stall!

Pippa erscheint in der Tür; sie schmiegt sich verschlafen und schüchtern an den Türpfosten.

Direktor bemerkt sie und sagt betroffen. Da ist sie ja! – Ach was, leg dich aufs Ohr, Pippa! – Oder hast du noch gar nicht geschlafen? – Komm, netz dir die Lippen, mach dir die Lippen feucht, hier ist was für dich. Pippa kommt folgsam bis an den Tisch und nippt am Champagnerglas.

Direktor, das edle Zierglas, aus dem er trinkt, hinhaltend. Schlanke Winde! Schlanke Winde! Auch eine Venezianerin! – Schmeckt es dir, Kleine? –

Pippa. Danke, süß!

Direktor. Willst du nun wieder schlafen?

Pippa. Nein.

Direktor. Frierst du?

Pippa. Hier meistens.

Direktor. So kachelt doch ein! – Es wundert mich übrigens nicht, daß du frierst, du feine, zierliche Ranke du! Komm, setz dich, nimm meinen Mantel um! Du stammst ja doch eigentlich aus dem Glasofen: mir hat das nämlich gestern geträumt.

Pippa. Brr! Gerne sitze ich dicht am Glasofen.

Direktor. Wie mir träumte, am liebsten mittendrin. Siehst du, ich bin ein verrückter Kerl! Ein alter Esel von Hüttendirektor, der, statt zu rechnen, Träume hat. Wenn die Weißglut aus dem Ofen bricht, seh' ich dich oft ganz salamanderhaft in den glühenden Lüften mit hervorzittern. Erst langsam im Dunkeln zergehst du dann.

Der alte Huhn. Vo dar hoa iich o schunn Träume gehott.

Direktor. Was murmelt da wieder das Ungeheuer?

Pippa dreht nachdenklich ihr Köpfchen herum und betrachtet den Alten, wobei sie das offene, blonde und schwere Haar mit der Rechten hinter die Schultern streicht.

Der alte Huhn. Wullen m'r wieder tanza, klenner Geist?

Direktor, schroff. Ach was! Es liegt mir jetzt nichts am Tanzen! Nur für Pippa. Mir genügt's, wenn du nur da bist, reizendes Kind!

Kellnerin, hinterm Schenksims zum Wirt. Nu is'm Direkter wieder lamper!

Wende. Na, und was geht etwa dich das an?

Direktor. Müde! Geh schlafen, armes Ding! Du gehörst in Höfe mit Wasserkünsten! – Nun mußt du in dieser Spelunke sein. Soll ich dich nehmen, wie du bist, auf den Rappen heben und mit dir davonreiten? Pippa schüttelt langsam und verneinend den Kopf. Also gefällt's dir besser hier? da schüttelst du ebenfalls wieder das Köpfchen. – Wie lange wohnt ihr jetzt schon hier im Haus?

Pippa sinnt nach, starrt ihn groß an. Ich weiß nicht!

Direktor. Und eh ihr hierherkamt! wo wohntest du da?

Pippa sinnt nach, lacht über ihre Unwissenheit. Das war . . . ja, war ich nicht immer hier?

Direktor. Du? zwischen stummen und redenden Baumstämmen?

Pippa. Cosa?

Direktor. Im vereisten, verschneiten Barbarenland? – Zu Tagliazoni hinüber. Wo, sagtest du, stammt ihre Mutter her?

Tagliazoni, über die Achsel. Sì, signore! Pieve di Cadore.

Direktor. Pieve di Cadore, nicht wahr? das ist jenseit der großen Wasserscheide.

Tagliazoni, lachend. Siamo parenti del divino Tiziano, signore!

Direktor. Na, Kleine, dann sind wir vielleicht auch verwandt: denn der sieht wie mein Onkel Forstmeister aus. Also hast du auch hier halb und halb Heimatsrechte! aber der Wind weht dein Goldhaar woandershin!

Ein kleiner, kropfiger, zerlumpter Mensch kommt herein, Okarina spielend, und pflanzt sich mitten im Zimmer auf. Von Waldarbeitern, die rauchend und Schnaps trinkend um einen Tisch sitzen, wird er mit einem Hallo begrüßt.

Erster Waldarbeiter. Huhn soll tanzen!

Zweiter Waldarbeiter. De Kleene sull tanzen!

Dritter Waldarbeiter. Bal se tanzt, iich gah o an Bihma derzu.

Vierter Waldarbeiter. Satt ock, woas Huhn schunn fer Fratzen schneid't!

Direktor. Daraus kann nichts werden, ihr Rodehacken! Versteht ihr mich?

Erster Waldarbeiter. Sie wollten's ja selber, Herr Direkter!

Direktor. Hol' mich der Teufel, jetzt will ich's nicht!

Huhn erhebt sich in seiner ganzen Größe, macht Miene, hinter dem Tisch hervorzukommen, wobei er, fieberisch glotzend, Pippa nicht aus den Augen läßt.

Direktor. Hinsetzen, Huhn!

Wende, dringlich und bestimmt herzutretend und Huhns Arme fassend. Hinsetzen! Keene Zicken nich! – Ihr trampelt mir noch meine Diele durch. Zum Okarinaspieler. Heer uff mit dem dämlichen Feifengedudel.

Huhn bleibt stumpfsinnig glotzend, ohne sich zu setzen. Die Okarina schweigt.

Die Spieler haben wieder ein Spiel beendet. Tagliazoni streicht Häufchen Gold ein. Malermeister Anton springt plötzlich auf und haut mit der Faust auf den Tisch, daß die Goldstücke im Zimmer herumrollen.

Anton. Hier is enner drunter, dar de betriegt!!

Tagliazoni. Wer? io? io? dica! Wer?

Anton. Ich sage ni, wer! Ich sage bloß, enner! Das gieht ni mit richt'gen Dingen zu.

Erster Waldarbeiter. Ja, wer mit dam Italiener spielt, dar mag o a Brinkla Schwarzkunst in Kauf nahma.

Malermeister Schädler. Mir fahlt Geld, mir fahlt anne Neege Geld.

Erster Waldarbeiter. Sattersch, nu werd glei de Lampe auslöschen. Dar hoat wull a Kunststickla bei d'r Hand.

Direktor. Laßt doch den Spitzbuben nicht die Bank halten!

Tagliazoni, gleichmütig Gold einstreichend, mit halber Wendung zum Direktor. Altro! Spitzbub sein andere, io no. Basta! Andiamo a letto! Pippa, avanti! vien qua!

Anton. Woas, itze wiil a eis Bette gehn, wu a ins hoot's Geld obgenumma? Doblein! Itze werd weitergespielt!

Tagliazoni. E altro! Worum nicht? Ich spielen mit! come vuole! come vuole, signor mio!

Die Kellnerin, der Wirt, der Okarinaspieler, ein Glasmaler und ein Waldarbeiter suchen das Gold auf den Dielen zusammen.

Zweiter Waldarbeiter, am Tisch. Hernort heeßt's, 's fahlt woas, ich suche ni mit.

Vom Hausflur herein tritt Michel Hellriegel, ein etwa dreiundzwanzigjähriger Handwerksbursch; er trägt eine dünne Schildmütze, ein Ranzel mit aufgeschnallter Bürste; Rock sowie Weste und Hose sind noch halbwegs anständig, die Schuhe dagegen zerlaufen. Die Folgen einer langen, beschwerlichen Wanderung sind in den bleichen, erschöpften Mienen und Bewegungen des Jünglings ausgedrückt. Sein Gesicht zeigt feine, nicht gewöhnliche, ja fast edle Züge. Auf der Oberlippe erster weicher Bartflaum. Ein Anflug von Phantastik liegt über der schlanken Erscheinung und ein Anflug von Kränklichkeit.

Die Kellnerin. Herrjees, aso spät noch a Handwerksbursche!

Hellriegel steht geblendet, zwinkernd vom beizenden Rauch, fieberisch unter den langen Wimpern hervorblickend, im Lichtkreis der Lampen; mit den Händen dreht er die Mütze und ist bemüht zu verbergen, wie sehr ihm Hände und Füße schmerzen vor Frost. Is hier für an reisenden Handwerksgesellen Nachtquartier?

Wende. Warum nich? fer Geld und gute Worte. Da sich der Bursche umsieht und keinen leeren Platz findet. Setzen Se sich uff das Schnapsfässel hier, und zählen Se Ihr Geld uff de Ofenbank! Wenn Se sonst noch was wollen . . . da hat's Platz genug.

Erster Waldarbeiter. Wo willst'n so spät noch hin, Bruder Straubinger?

Direktor. Ins Land, wo Milch und Honig fließt!

Hellriegel, mit demütiger Verbeugung erst gegen den Waldarbeiter, dann gegen den Direktor. Ich wollte gern ieber a Kamm ins Böhm'sche.

Direktor. Was ist denn Ihr Handwerk?

Hellriegel. Glasmacherkunst.

Zweiter Waldarbeiter. Der scheint ni ganz richtig im Koppe zu sein! Bei der Kälde iebers Gebirge steiga und hie, wu kee Weg und kee Steeg ni is? A will wohl zum Schneemoane warn dohie und duba elend zugrunde giehn?

Wende. Das is seine Sache, das geht uns nischt an!

Dritter Waldarbeiter. Du bist wohl ni aus'm Gebirge, Nazla? Du kennst woll a hichta Winter ni?

Hellriegel hat mit Bescheidenheit höflich zugehört; nun hängt er mit Anstand seine Mütze auf, nimmt das Ränzel ab und legt es zugleich mit dem Stock beiseite. Darauf nimmt er auf dem bezeichneten Schnapsfäßchen Platz, erschauert, beißt die Zähne zusammen und fährt mit der gespreizten Hand durchs Haar.

Direktor. Wenn Ihre Papiere in Ordnung sind, warum wollen Sie denn da nach Böhmen rüber? Wir in Schlesien machen auch Glas.

Hellriegel schnellt empor. Ich möchte was ganz Besondres erlernen!

Direktor. Ach, was Sie sagen! was wäre denn das? Etwa klares Wasser mit bloßen Händen zu Kugeln ballen? Hellriegel zuckt die Achseln. Übrigens machen wir das mit Schnee hier auch!

Hellriegel . Schnee ist nicht Wasser! Ich will in die Welt.

Direktor . Sind Sie hier bei uns nicht in der Welt?

Hellriegel . Ich suche was.

Direktor . Haben Sie was verloren?

Hellriegel . Nein! ich denke, es kommt was zu! Halb aufrecht und mühsam gestützt, blickt er mit weiten, erstaunten Augen umher. Ich weiß eigentlich gar nicht recht, wo ich bin.

Direktor . Ja, ja, so geht's. Morgens den Himmel voller Geigen, am Abend kein heiler Knochen im Leib.

Hellriegel . Is man . . . is man hier schon in Böhmen, Herr Wirt?

Erster Waldarbeiter , lachend. Gelt? 's kommt d'r a bissel böhm'sch hier vor?

Hellriegel ist auf das Fäßchen zurückgesunken, seine Arme liegen breit auf der Ofenbank; die Hände unter die Stirn geschoben, verbirgt er, heimlich ächzend, sein Gesicht.

Dritter Waldarbeiter . Der iis noch keene drei Tage vo Muttern weg!

Pippa hat, am Tisch des Direktors stehend, den Ankömmling unausgesetzt beobachtet. Jetzt ist sie, wie in Gedanken, zu ihm gelangt und sitzt unweit der Stelle, wo sein Kopf aufliegt, auf der Bank, die Hände im Schoß, nachdenklich mit den Beinen pendelnd, die Augen schräg auf ihn nieder gerichtet.

Direktor . Ein seltsamer Heiliger, Pippa, was? Ironisch trällernd. »Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er . . . und so weiter. Der singt auch, wenn er beisammen ist. Ich wette um dreizehn Flaschen Sekt, der hat sogar selbstverfaßte Gedichte im Ränzel!

Pippa erhebt sich unwillkürlich mit einer gewissen Betretenheit, bald den Burschen, bald hilflos ihre Umgebung betrachtend; plötzlich läuft sie dicht zum Direktor hin. Padrone! Padrone! der Fremde weint!

Direktor
Süß und schwach
ist nicht mein Fach!

Malermeister Schädler kommt vom Spieltisch, stellt sich militärisch vor den Direktor. Herr Direkter, ich bin ein Ehrenmann!

Direktor. Na, und? warum sagen Sie mir das jetzt? nach Mitternacht in der Iserschenke.

Malermeister Schädler wischt sich den kalten Schweiß von der Stirn. Ein tadelloser Meester bin ich.

Direktor. Na, und?

Malermeister Schädler. Ich möchte an Vorschuß han!

Direktor. Glauben Sie, daß ich den Kassenschrank immer in meiner Reitjacke mitschleppe?

Malermeister Schädler. . . . Privatim . . .!

Direktor. Privatim denke ich nicht dran! Ich wer helfen, Sie vollends zugrunde zu richten.

Malermeister Schädler. Der Hund begaunert uns alle mitsamm.

Direktor. Warum spielt ihr mit ihm? macht Schluß mit dem Schuft!

Malermeister Schädler. Mit dem wern m'r ooch ganz gewiß noch amoal Schluß machen!

Direktor. Sie haben Frau und Kinder zu Haus . . .

Malermeister Schädler. Das ham m'r woll alle, Herr Direkter! Aber wenn hier der Teifel nu eemoal los iis . . .

Direktor. Nein! Solchen Wahnsinn unterstütze ich nicht.

Schädler zuckt mit den Achseln und begibt sich zu Wende hinter das Schenksims. Man sieht, daß er ihn bedrängt, ihm Geld vorzustrecken, was Wende lange abschlägt, endlich tut. Der Handwerksbursche trinkt inzwischen gierig heißen Grog, den ihm die Kellnerin auf die Bank gestellt hat. Nun bringt sie ihm Essen, und er ißt. Direktor hebt sein Glas gegen den Burschen. Na, Sie verspätete Schwalbe! Prost! Hellriegel erhebt sich, höflich dankend, mit dem Glase, trinkt und setzt sich wieder. Wolkenkuckucksheim ist noch ziemlich weit.

Hellriegel, im Begriff, sich zu setzen, schnellt wiederum auf. Aber ich habe Lust und Ausdauer!

Direktor. Und Blutspucken!

Hellriegel. Ein bißchen schadet nicht!

Direktor. Nein. Wenn Sie nur wüßten, zu was Sie Lust hätten. Warum ruckst es Sie eigentlich immer so, daß Sie immer so überraschend aufschnellen?

Hellriegel. Manchmal schleudert's mich förmlich vor Ungeduld.

Direktor. Wie das Kind in der dunklen Stube, was? wenn die liebe Mami hinter der Tür schon die ersten Lichter am Christbaum ansteckt? Gleich, gleich! So schnell fährt die Kalesche nicht.

Hellriegel. Es muß alles anders werden: – die ganze Welt!

Direktor. Und zuallererst Euer Hochwohlgeboren! Zu Pippa. Das ist so ein Dummer, Kind, von den ganz Gescheiten, die man sonst nur noch in Einmachegläsern sieht! Zu Hellriegel. »Und nähmest du Flügel der Morgenröte . . .« kurz: deine Reise hat ihre Schwierigkeit! Zu Pippa. Galopp, Galopp, über Stock und Stein . . . Er will sie aufs Knie ziehen, sie wehrt ab, blickt nach Hellriegel. Dieser schnellt auf, bekommt roten Kopf.

Hellriegel. Ich möchte mir eine unmittelbare Bemerkung erlauben!

Direktor. Fällt Ihnen noch was Neues ein?

Hellriegel. . . . Im Augenblick nicht!

Direktor. Na, vielleicht der Himmel.

Michel sieht den Direktor entgeistert an und vergißt, sich zu setzen.

Pippa hat ein kleines Riemchen erfaßt und haut dem Direktor empfindlich über die Hand.

Direktor. Au!
Pippa lacht Hellriegel an, der seine Blicke, alles um sich vergessend, in ihre senkt. Seine Lippen bewegen sich dabei lautlos. Direktor schiebt seine Hand vor. Jetzt noch mal, Pippa! Pippa haut zu. Au, das war aber stark! Aller guten Dinge sind drei: nun zum drittenmal! Sie haut lachend mit aller Kraft. So! nun bin ich belehrt und bestraft. Wenn nun mal wieder ein Vögelchen aus dem Neste fällt, da weiß ich wenigstens, was ich zu tun habe. Der alte Huhn, der sich inzwischen wieder gesetzt hatte, liegt über den Tisch gebeugt, den Arm weit ausgestreckt, und winkt mit dem dicken, behaarten Finger Pippa zu sich. Da sie nicht folgt oder ihn nicht beachtet, erhebt er sich jetzt, nachdem er das Spiel zwischen ihr, dem Direktor und Hellriegel genugsam beobachtet hat, tritt schleifenden Schritts vor den Handwerksgesellen, glotzt ihn an, erhebt seine langen, schlaff herabbaumelnden Gorillaarme und legt ihm die Hände flach vor die Brust, ihn so langsam bis auf sein Fäßchen zurückdrängend; dann wendet er sich, winkt schlau zu Pippa hinüber und hebt seine Ellenbogen in eigentümlicher Weise hoch, an einen Adler erinnernd, der auf einer Käfigstange balanciert, damit gleichsam zum Tanz antretend und auffordernd.

Direktor. Was fällt denn dir ein, altes Trampeltier?

Die Waldarbeiter rufen durcheinander. De Kleene soll tanzen! de Kleene soll tanzen!

Kellnerin hat ein kleines Tamburin vom Regal, wo die Schnapsflaschen stehen, genommen und wirft es Pippa zu, die es auffängt. Balg, laß dich ni bitten, zier dich ni; du bist o keene Marzipanprinzess'n!

Pippa sieht zuerst den Direktor, dann Hellriegel an, und schließlich mißt sie mit einem gehässigen Blick den Riesen von oben bis unten. Plötzlich läßt sie, mit einem Schlag beginnend, das Trommelchen klirren und schiebt tanzend auf Huhn zu, in der Absicht gleichsam, ihm zu entgehen und an ihm vorüberzutanzen. Die Okarina setzt ein, und auch der Alte beginnt den Tanz. Er besteht darin, daß etwas Täppisches, Riesenhaftes etwas Schönes, Flinkes zu haschen sucht; etwa wie ein Bär einen Schmetterling, der ihn, buntschillernd, umgaukelt. Sooft die Kleine ihm entgeht, lacht sie laut und wie ein Glöckchen. Sie entwindet sich manchmal, sich um sich selbst drehend, wobei ihr rötlich goldenes Haar sie umwickelt. Verfolgt, klingen die Laute ihrer Kehle wie aï und sind ein kindliches Quieken. Der Alte hüpft so grotesk und lächerlich wie ein gefangener Raubvogel. Er lauert, greift fehl und keucht, mehr und mehr erregt, lauter und lauter brummelnd. Pippa tanzt immer ekstatischer. – Die Waldarbeiter sind aufgestanden. Die Spieler haben ihr Spiel unterbrochen und sehen gespannt zu. Tagliazoni, den der Vorgang nicht berührt, benutzt die Gelegenheit, Geld einzusacken und mit seinen Karten zu manipulieren. Ohne es zu merken, wird er dabei von Meister Schädler genau beobachtet. Jetzt scheint es, als könne Pippa dem Unhold nicht mehr entgehen; sie kreischt laut auf, und in diesem Augenblick packt Schädler den linken Arm Tagliazonis mit beiden Fäusten am Handgelenk.

Malermeister Schädler, alles übertönend. Halt!

Tagliazoni . Cosa, signore?

Malermeister Schädler. Hosa hie, Hosa har: hie werd falsch gespielt! Jetze ham mir da Gauner amal im Fuchseisa!

Tagliazoni. È matto! è matto! diavolo! son fiol di Muran. Conosce la casa de' Coltelli?

Malermeister Schädler. Kase, Butter und Brud hilft alles hie nischt! Anton, halt'n dort drieb'n feste, jetze wird'm das Ding amal heemgezahlt! Malermeister Anton hält Tagliazonis andere Hand fest. A hat falsche Kart'n untergeschmuggelt, und ei die zwee hier hat a sich Zeechen gemacht.

Alle Anwesenden, ausgenommen Hellriegel und Pippa, die, hoch aufatmend, bleich in der Ecke steht, drängen um den Spieltisch.

Direktor. Tagliazoni, was hab' ich Ihnen gesagt, treiben Sie's nicht zu sehr auf die Spitze!

Tagliazoni. Los, oder ich beißen dir ins Gesicht!

Malermeister Schädler. Spucke und beiße, soviel du willst, aber du mußt unser Geld wieda rausgahn, Kanallje.

Alle Spieler. Jawoll, jeden Pfennig, 's ganze Geld!

Tagliazoni. Cazzo, werde was niesen; verfluchte deutsche Bestien, ihr irrsinniges, schlechtes, niedrige Bestien! Was haben ich mit euch tedeschi zu tun?

Erster Waldarbeiter. Haut doch dem Oas'n Schädel ein!

Zweiter Waldarbeiter. Mit der Wagenrunge ieber a Pepel! Doaß'm schwiefelbloo vor a Augen wird! Anders koan ma dan Welscha uff deutsch ni antworta!

Wende. Ruhe, ihr Leute; das duld' ich ni!

Malermeister Schädler. Wende, reiß'm die Koarte aus'n Fingern!

Tagliazoni. Ich ermorden euch allen mitnander!

Anton, unnachgiebig. 's is gutt!

Zweiter Waldarbeiter. Woas der Lump an a Händen bloß Ringe hat!

Tagliazoni. Padrone, ich rufen zum Zeugen auf! Ich werden hier meuchlings überfallen; ich machen keinen neuen Vertrag! Lavoro niente, niente pù. Lasse Arbeit stehen und liegen, sofort! – Carabinieri! Polizei! Pazzia bestialissima!

Erster Waldarbeiter. Immer brill du; hier hat's keene Polizei!

Zweiter Waldarbeiter. Hie is weit und breit nischt wie Schnee und Fichten!

Tagliazoni. Chiama . . . chiamate i carabinieri! Briganti! Signore Wende! Pippa, lauf!

Direktor. Mensch, ich rate Ihnen, fügen Sie sich! Sonst kann ich für keine Folgen einstehen.

Tagliazoni. Brutte bestie! Basta così!

Unerwartet, blitzschnell hat sich Tagliazoni befreit, einen Dolch gezogen und sich hinter einen Tisch geflüchtet. Die Angreifer sind einen Moment verdutzt.

Dritter Waldarbeiter. A Masser! Macht a kaalt, da Hund!

Alle durcheinander, wie eine Person. Itz muß a hiewern! itz iis's aus!

Direktor. Demoliert mir den Tagliazoni nicht! den brauch' ich zu nötig in der Glashütte! macht nich Sachen, die ihr morgen bereut!

Tagliazoni erkennt nun instinktiv die furchtbare Gefahr des Augenblicks und flüchtet, an den Angreifern vorüber, zur Tür hinaus. Die Spieler und Waldarbeiter stürzen ihm nach mit dem Ruf Nieder, nieder, nieder mit ihm! Man sieht dabei einige Messer blinken.

Die wern mir den Kerl doch nich am Ende abmurksen!

Wende. Da mach'n se mir meine Bude zu.

Kellnerin, am geöffneten Fenster spähend. 's geht ieber a Schlag rieber in a Wald; a fällt! a steht uff! immer hinterher!

Direktor. Ich mache die dänische Dogge los und sprenge die Bande auseinander.

Wende. Ich stehe fer nischt! ich garantiere fer nischt!

Direktor. Was ist denn das?

Kellnerin. Eener bleibt im Schnee liegen! Die andern renn weiter in a Wald.

Man vernimmt einen furchtbaren, durch die Ferne gedämpften, markdurchdringenden Schrei.

Wende. Fenster zu, de Lampe geht aus!

Die Lampe ist in der Tat ausgegangen, die Kellnerin schlägt das Fenster zu.

Direktor. Das hört sich nicht gut an! Kommen Sie mit, Wende!

Wende. Ich stehe fer nischt! ich garantiere fer nischt!

Er und der Direktor, dieser voran, ab.

Kellnerin, in ihrer Ratlosigkeit heftig zu Hellriegel. Immer uffstehn! helfen! helfen! helfen, zugreifen! da kennte jeder kommen, dahier! – Das gottverfluchtigte Kartenspiel. Sie hat die Karten vom Tisch zusammengerafft und schleudert sie ins Ofenloch. Se sollen gehen, se hab'n eenen umgebracht! Er bringt Unglück und will's ni helfen guttmachen!

Hellriegel ist aufgesprungen; halb selbst gehend, halb von der Kellnerin gezogen, halb gestoßen, taumelt er durch die Flurtür. Mit der Kellnerin ab.

Huhn steht noch beinahe so, wie ihn der Ausbruch des Streits im Tanz überrascht hat. Seine Augen sind unruhig lauernd den Vorgängen gefolgt. Jetzt sucht er, sich langsam um und um wendend, die Dunkelheit zu durchdringen, ohne Pippa zu entdecken, die, entsetzt zusammengekauert, in einen Winkel gequetscht, auf der Erde sitzt. Er zieht Schwefelhölzchen hervor, streicht sie und zündet die Lampe an. Nun sucht er wiederum und entdeckt die Kleine. In der Mitte des Zimmers stehend, winkt er ihr mit grausiger Freundlichkeit. Stumm blickt Pippa ihn an wie ein aus dem Nest gefallener, gefangener Vogel. Als er ihr näher kommt, wimmert sie nur leis. Das kleine Fensterchen wird von außen aufgestoßen, und die Stimme des Direktors ruft herein.

Stimme des Direktors. Pippa, Pippa! sie kann nicht hierbleiben. Ich nehme sie mit.

Kaum ist der Direktor vom Fenster weg, so stürzt sich Huhn auf das emporschnellende Kind, umfaßt es, nimmt es auf die Arme, wobei Pippa mit einem kurzen, seufzerartigen Schrei ohnmächtig wird, und sagt dabei:

Huhn. A hat dich zu guter Letzt doch no gefangt!

Damit flieht er zur Tür hinaus.

Stimme des Direktors, wiederum am Fenster. Pippa, Pippa, bist du noch drin? hab keine Angst, dir soll keiner ein Haar krümmen!

Die Kellnerin kommt wieder.

Kellnerin. Kee Mensch mehr hie? kee Mensch kommt zurück, und draußen liegt eener und will verbluten.

 


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