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Petronius Arbiter

Öfters benutzt ist die ausgezeichnete Übersetzung in der Ausgabe von Friedländer, die auch für die Anmerkungen meist herangezogen ist.

 

I. Das Gastmahl bei Trimalchio

(Der Erzähler ist der Freigelassene Enkolpios, der mit einem andern seines Standes Askyltos und seinem Lieblingssklaven Giton reist. In der Stadt, in der die Hauptgeschichte sich abspielt, sind sie mit einem Rhetor Agamemnon bekannt geworden, der sie auffordert, mit zu einem Gastmahl zu kommen, das der reiche Trimalchio gibt. Sie gehen vorher ins Bad und werden dort auf einen kahlköpfigen Greis aufmerksam, der sich durch sinnlosen Luxus und törichtes Benehmen auszeichnet. Es ist ihr Gastgeber Trimalchio.)

… Es war unmöglich, sich alle einzelnen Narrheiten zu merken. Wir gehen also ins Warmbad, schwitzen einen Augenblick und treten dann sofort in das Kaltbad über. Trimalchio hatte sein Bad beendigt, ließ sich nun salben und dann abreiben, aber nicht mit Leintüchern, sondern mit Bademänteln aus feinster Wolle. Dann ließ er sich in eine scharlachrote Reisedecke hüllen und in eine Sänfte setzen. Ihm voraus eilten vier Läufer, die mit Ehrenschildern aus Blech, wie sie die Soldaten tragen Die militärischen Dekorationen (phalerae) bestanden in runden Metallplatten., geschmückt waren, und hinter ihm wurde auf einem Handwägelchen sein Geliebter gefahren, ein ältlicher Junge mit Triefaugen, der noch häßlicher war als sein Herr Trimalchio. Neben diesem aber eilte, während er dahingetragen wurde, ein Bläser einher und blies während des ganzen Weges mit ganz kleinen Flöten auf ihn ein, als wollte er ihm etwas ins Ohr sagen.

Wir waren eigentlich schon von Staunen gesättigt, folgten aber doch dem Agamemnon zur Türe des Trimalchio. An dem Türpfosten war ein Anschlag folgenden Wortlauts: »Jeder Sklave, der ohne Erlaubnis des Herrn ausgeht, soll 100 Hiebe erhalten.« Am Eingang stand der Pförtner in grünem Gewand mit kirschrotem Gürtel und reinigte in einer silbernen Schüssel Erbsen. Über der Schwelle hing ein goldener Käfig, in dem ein Buntspecht saß, der die Eintretenden begrüßte. Die Halle war mit Wandgemälden mit erklärenden Beischriften geschmückt. Man sah einen Sklavenmarkt und unter den Sklaven Trimalchio mit jugendlichen Locken. Er trug den geflügelten Stab des Merkur, und Minerva führte ihn nach Rom. Dann sah man, wie er rechnen gelernt hatte und schließlich Kassierer geworden war. Auf dem letzten Bilde hob ihn Merkur am Kinn in die Höhe und entführte ihn durch die Luft auf ein hohes Tribunal. Dort harrte seiner Fortuna mit einem überquellenden Füllhorn und die drei Parzen, die goldene Fäden spannen. Außerdem sah ich in der Ecke einen großen Schrank mit einer Nische, die eine Kapelle darstellte. In ihr standen Bilder der Hausgötter aus Silber, eine Venusstatue aus Marmor und eine umfangreiche goldene Büchse. In dieser waren, wie man uns sagte, die Barthaare des Trimalchio vom Tage der ersten Bartschur aufbewahrt. Der Tag der ersten Bartschur war ein Fest, vgl. unten S. 350.

An den Türpfosten waren wieder Inschriften angebracht. Auf der einen stand: »Am 30ten und 31ten Dezember speist unser Herr Gaius auswärts.« Auf der anderen war der Lauf des Mondes und der Stand der Planeten in diesem Monat abgebildet. Die glücklichen und die unheilbringenden Tage waren durch Nägel mit verschiedenfarbigen Köpfen gekennzeichnet.

Als wir nun, entzückt von allen diesen Feinheiten, ins Speisezimmer eintreten wollten, rief uns ein eigens dazu angestellter Sklave zu: »Mit dem rechten Fuße!« Natürlich mußten wir einige Zeit lang Schritt wechseln, damit keiner die Schwelle falsch überschritte. Als wir nun gerade alle das rechte Bein hochhoben, fiel uns ein entkleideter Sklave zu Füßen und flehte uns an, ihn der Strafe zu entreißen. Sein ganzes Vergehen bestünde darin, daß er im Bade sich die Kleider des Kassierers habe stehlen lassen, die nicht zehn Sesterzen [Mk. 1.50] wert gewesen seien. Wir zogen also den rechten Fuß wieder zurück und baten den Kassierer, der in der Vorhalle Goldstücke zählte, dem Sklaven die Strafe zu erlassen. Der erhob hochmütig das Antlitz und sagte: »Mir liegt weniger an dem Verlust als an der Unachtsamkeit des liederlichen Burschen. Er hat meine Tafelgewänder verloren, die mir ein Klient zum Geburtstag geschenkt hatte. Es war natürlich echt tyrischer Purpur, aber schon einmal gewaschen. Was liegt also daran? Ich schenke ihn euch!« Als wir, sehr verpflichtet durch solches Wohlwollen, nunmehr den Speisesaal betraten, eilte uns derselbe Sklave entgegen und überschüttete uns zu unserm Unbehagen mit Küssen zum Dank für unsere Menschenfreundlichkeit. »Übrigens sollt ihr gleich erfahren, daß ihr keinem Undankbaren eine Wohltat erwiesen habt. Mit dem Wein des Herrn bezahlt der Mundschenk seine Schulden!« …

Nun wurde ein sehr feiner Vortisch aufgetragen. Denn wir hatten uns alle schon zu Tisch gelegt bis auf Trimalchio; für ihn war nach neuer Mode der beste Platz aufgehoben. Auf dem Speisebrett stand ein Esel aus korinthischem Erz mit einem Doppelsack, der auf der einen Seite grüne, auf der andern schwarze Oliven enthielt. Auch schwebten über des Esels Rücken zwei silberne Schalen, an deren Rändern der Name des Trimalchio und das Silbergewicht eingraviert waren. Kleine angelötete Stege trugen gebratene Haselmäuse, die mit Honig und Mohn besprengt waren. Auf einem kleinen Rost aus Silber lagen außerdem heiße Würste, und unter diesen syrische Pflaumen und punische Granatäpfelkerne.

Während wir mit diesen Delikatessen beschäftigt waren, wurde unter Musikbegleitung Trimalchio hereingetragen. Er ruhte auf lauter kleinen Kissen, und sein Anblick hätte uns Ahnungslosen beinahe lautes Gelächter entlockt. Denn sein glattrasierter Kopf ragte aus einem scharlachroten Schlafrock heraus, dabei hatte er um den besonders gut verwahrten Hals noch eine purpurstreifige Serviette mit herabhängenden Fransen geschlungen. Er trug am kleinen Finger der linken Hand einen schweren vergoldeten Ring, am letzten Glied des Ringfingers noch einen kleineren, der ganz aus Gold schien, auf den aber eine Art eiserner Sternchen aufgelötet waren. Auch den rechten Arm hatte er entblößt, um noch mehr Schätze zeigen zu können. Dieser war mit einem goldenen Armband und mit einem Elfenbeinreif mit schimmernder Platte geschmückt. Er stocherte mit einem silbernen Zahnstocher in seinen Zähnen herum und sagte dann: »Ihr Freunde, eigentlich paßte es mir noch nicht recht, zum Essen zu kommen. Aber um euch nicht länger durch mein Fernbleiben aufzuhalten, habe ich mir selbst dies Opfer auferlegt. Gestattet aber immerhin, daß ich mein Spiel vollende.« Hinter ihm trug ein Sklave ein Spielbrett aus Terebinthenholz und Kristallwürfel. Aber das Feinste dabei war folgendes: Statt weißer und schwarzer Steine verwandte er Gold- und Silberdenare. Er spielte nun ruhig weiter und begleitete sein Spiel mit den abgestandensten Spielerwitzen. Vor uns aber wurde, obgleich wir das Voressen noch nicht erledigt hatten, ein Speisebrett aufgesetzt, auf dem eine hölzerne Henne mit wie beim Brüten weit ausgebreiteten Flügeln auf einem Neste saß. Sofort traten zwei Sklaven an, und während die Tafelmusik laut einsetzte, durchsuchten sie das Stroh und holten Pfaueneier daraus hervor, die sie an die Gäste verteilten. Bei diesem Vorgang wendet uns Trimalchio sein Antlitz zu und sagt: »Ihr Freunde, ich habe der Henne Pfaueneier unterlegen lassen, fürchte aber, daß sie wahrhaftig schon angebrütet sind. Doch laßt uns versuchen, ob man sie noch schlürfen kann.« Nun erhalten wir Löffel, von denen jeder mehr als ein halbes Pfund wog, und bohren damit in den Eiern herum, die aus fettem Mehlteig geformt waren. Ich wäre beinahe auf den Scherz hereingefallen und hätte mein Ei weggeworfen – denn es schien in der Tat schon mehr ein junges Huhn zu sein. Da hörte ich einen alten Stammgast sagen: »Sicherlich steckt da etwas Gutes darunter«, und so wühlte ich weiter in der Schale und förderte eine sehr fette Feigenschnepfe zu Tage, die in gepfeffertem Eidotter saß. Auch Trimalchio hatte jetzt sein Spiel unterbrochen, und sich ebenfalls von allem geben lassen. Er erlaubte uns gerade gnädig mit lauter Stimme, uns ein zweites Mal von dem Honigwein geben zu lassen, wenn wir Lust hätten – da gab plötzlich die Musik ein Zeichen, und das Voressen wurde von einem Chor singender Sklaven abgeräumt. Da bemerkte Trimalchio, daß ein Sklave eine silberne Schüssel fallen ließ und wieder aufhob. Sofort ließ er den Burschen ohrfeigen und die Schüssel wieder hinwerfen. Dann trat ein Hausbursche an und fegte die Schüssel unter dem anderen Unrat mit einem Besen hinaus. Gleich darauf erschienen zwei langgelockte Äthiopier mit kleinen Schläuchen, denen ähnlich, mit denen man im Amphitheater den Sand bespritzt, und gossen uns Wein auf die Hände. Wasser gab's nicht. Wir belobten den Gastgeber wegen dieser Feinheiten, er aber sprach: »Die Waffen müssen beim Kampf gleich verteilt werden, so will es Mars. Daher habe ich jedem seinen eigenen Tisch anweisen lassen. Übrigens werden die ekelhaften Sklavenscharen uns so auch weniger durch ihre Ausdünstung belästigen.«

Sofort wurden zwei gläserne Amphoren mit sorgfältig verschlossener Öffnung gebracht. Am Halse trugen sie die Etikette: 100jähriger Falerner vom Jahre des Konsuls Opimius. Während wir die Aufschrift lasen, klatschte Trimalchio in die Hände und sprach: »Ach, so lebt also der Wein länger als wir Menschlein, darum frisch über ihn her! Nur im Wein ist Leben. Ich poniere euch echten Opimianer. Gestern habe ich so etwas Gutes nicht aufsetzen lassen – und doch waren viel bessere Leute zu Gaste.« Wir tranken nun und ließen uns keine seiner Feinheiten entgehen. Da brachte ein Sklave ein Skelett aus Silber, das so gebaut war, daß alle Gelenke und Wirbel sich in Scharnieren nach allen Seiten drehen ließen. Er warf es ein paarmal auf den Tisch, so daß seine Kettenglieder die merkwürdigsten Figuren bildeten. Dazu rezitierte dann Trimalchio folgende eigene Poesie:

Ach, was sind wir Menschlein schwach,
Was bleibt von uns Armen nach?
Wie der Knochenmann hier nackt
Sind wir, wenn uns Orkus packt.
Darum laßt uns fröhlich sein:
Heute leben wir! Schenkt ein!

Auf den allgemeinen Beifall folgte ein Gang, der eigentlich unsern Erwartungen nicht entsprach; doch war die Aufmachung so eigenartig, daß alle hinschauten. Auf einem runden Speisebrett waren die 12 Himmelszeichen der Reihenfolge nach verteilt, und auf jedes hatte der Anrichter eine entsprechende Speise gelegt. Über dem Zeichen des Widders lagen Widdererbsen, auf dem des Stiers ein Stück Rindfleisch, auf dem der Zwillinge Hoden und Nieren, auf dem des Krebses ein Kranz, auf dem des Löwen eine afrikanische Feige, auf dem der Jungfrau die Gebärmutter einer jungen Sau, auf dem der Wage eine wirkliche Wage, auf deren Schalen Süßigkeiten lagen, über dem des Skorpions ein kleiner Seefisch, über dem des Schützen ein glotzäugiges Schaltier, über dem des Wassermanns eine Gans und auf dem der Fische zwei Barben. In der Mitte lag ein ausgestochenes Stück blühenden Rasens, und auf diesem eine Honigwabe. Ein ägyptischer Sklave bot dazu auf einer silbernen Backpfanne geröstetes Brot an.

Dazu sang der Sklavenchor wieder seine übeln Lieder, und auch der Herr selbst krähte mit höchst widerlicher Stimme ein Kuplet aus der neuesten Posse »Die Stinkblume«. Während wir uns mißvergnügt den wenig lockenden Speisen zuwandten, erklärte plötzlich Trimalchio mit lauter Stimme: »Halt! Anfang des Hauptessens!« Sofort spielte das Orchester einen Tusch, und 4 Sklaven eilten wieder im Tanzschritt herbei und hoben den Aufsatz des Speisebrettes ab. Da sahen wir, daß auf dem Unterbrett Geflügel und Saueuter lagen und in der Mitte ein Hase, der durch Flügel zum Pegasus herausstaffiert war. In den Ecken sahen wir vier Marsyasfiguren Satyr, der, einen Schlauch haltend, gern als Brunnenfigur verwandt wurde. Er ward auch als Patron der städtischen Freiheit aufgefaßt und stand so auf dem Forum von Rom und anderer italischer Städte., aus deren Schläuchen gepfefferte Fischbrühe auf Fische herabfloß, die so gewissermaßen in einem Kanal schwammen. Wir klatschten alle Beifall – die Sklaven fingen damit an – und wandten uns vergnügt diesen ausgesuchten Leckerbissen zu.

Auch Trimalchio war erfreut über das gelungene Arrangement und rief: »Schneide!« Sofort erschien der Trancheur und zerschnitt die Speisen unter dramatischen Gesten mit Musikbegleitung. Es sah aus, als ob ein Wettfahrer zur Orgelbegleitung ein Wagenrennen vorführe. Jedoch rief Trimalchio immer wieder mit getragener Stimme dazwischen: »Schnei – de! Schnei – de!« Ich vermutete, daß ein Witz dahinter stecke und schämte mich nicht, meinen Nachbar nach dessen Bedeutung zu fragen. Dieser hatte schon oft dergleichen Scherze erlebt und sagte mir: »Ja, der Vorleger heißt eben Schneide. So oft er also »Schneide!« sagt, ruft er ihn mit Namen und gibt ihm gleichzeitig einen Befehl.« Darüber war mir der Appetit vergangen, und ich suchte nun meinen Nachbar gründlich über Trimalchio auszuholen. »Wer ist denn die Frau,« sagte ich, »die immer herein und wieder hinausläuft?« »Fortunata, die Gattin des Trimalchio. Jetzt mißt sie ihr Geld nur noch nach Scheffeln. Und was war sie noch vor gar nicht langer Zeit? Ich will dir nicht zu nahe treten, aber – du hättest kein Stück Brot aus ihrer Hand genommen. Jetzt ist sie – warum mögen die Götter wissen – in den Himmel gestiegen – und ist des Trimalchio ein und alles. Kurz und gut: wenn sie am hellen Mittag behauptet, es sei finstre Nacht, so wird er es glauben. Übrigens weiß er selbst gar nicht, wieviel er besitzt – so steinreich ist er. Aber sie, das gerissene Luder, sieht nach allem, auch wo's keiner merkt. Sie ist nüchtern, genügsam und anstellig – aber ein Klatschweib, die reinste Salonelster. Wen sie mag – gut, wen sie nicht mag – weniger gut. Trimalchio selbst hat Güter so weit als die Habichte fliegen, und Geld wie Heu. In der Kammer seines Türhüters ist mehr Silber als in anderer Leute Schatzkammer. Und erst seine Sklaven – o je, ich glaube, beim Herkules, nicht der zehnte Teil kennt seinen Herrn. Kurz und gut – er könnte jeden von unsern vornehmen Schwachköpfen in ein Kohlblatt wickeln. Und dabei kauft er gar nichts. Alles liefert der eigene Grund und Boden: Wolle, Pomeranzen, Pfeffer – ja, wenn du Hühnermilch von ihm verlangtest, wird er sie dir aus Eigenem liefern. Kurz und gut: seine eigene Wolle schien ihm minderwertig – da ließ er sich Widder aus Tarent kommen, um die Rasse zu veredeln. Um attischen Honig zu haben, hat er Bienen aus Attika kommen lassen, die gleichzeitig auch unsere Bienenrasse heben sollen. Höre, er hat sogar dieser Tage nach Indien um Pilzsamen geschrieben. Er hat nur Maultiere, die von echten Wildeseln abstammen. Sieh dir diese Kissen an – alles echter Purpur und Scharlach. Ja, er kann sich jedes Gelüst befriedigen. Aber auch seine Mitfreigelassenen darf man nicht verachten – sie haben's alle reichlich. Siehst du jenen auf dem schlechtesten Platz am letzten Tisch? Der hat heute seine 800 000 rund. Er hat von unten angefangen – vor nicht langer Zeit noch war er Packträger. Man erzählt – ich will's aber nicht verbürgen –, er habe dem Goldzwerg seine Kappe weggenommen und dann einen Schatz gefunden. Ich gönne jedem, was ihm ein Gott gibt. Aber der ist gar zu happig und ein Erzrenommist. Neulich hat er anschlagen lassen: C. Pompeius Diogenes vermietet vom ersten Juli ab seine Wohnung; denn er hat sich ein Haus gekauft. Auch der dort auf dem Platz des Freigelassenen hat sich's nicht schlecht gehn lassen – woraus ich ihm aber keinen Vorwurf mache. Er hat einmal seine Million besessen, dann aber kam der große Krach. Ich glaube, nicht einmal die Haare auf dem Kopf gehören ihm mehr – und dabei ist's, beim Herkules, nicht einmal seine Schuld – er ist ein herzensguter Mensch. Aber die verfluchten Freigelassenen haben alles eingesackt. Du weißt, mit Kompagniegeschäften ist es eine faule Geschichte, und steht die Sache wacklig, so machen sich die guten Freunde aus dem Staub. Und wie anständig war doch das Geschäft, das ihn so heruntergebracht hat. Er war Begräbnisunternehmer. Er pflegte königlich zu speisen: ganze Eber in der Haut, Konditorkunststücke, Geflügel usw. Man goß bei ihm mehr Wein unter den Tisch, als andere im Keller haben. Es war rein märchenhaft, über jeden menschlichen Begriff. Auch als die Sache schief ging und er fürchten mußte, seine Gläubiger hielten ihn für bankerott, wußte er sich großartig zu fassen. Er ließ nämlich die Auktion so anzeigen: C. Julius Proculus wird seine überflüssigen Sachen versteigern lassen.«

Dieses liebliche Geschwätz störte plötzlich Trimalchio. Der Gang war schon abgetragen, und die Unterhaltung war beim Wein laut und allgemein geworden. Trimalchio stützte sich auf den Ellenbogen und sagte: »Diesen Wein müßt ihr durch eure Reden versüßen. Fische wollen schwimmen. Glaubtet ihr wirklich, ich sei mit dieser Mahlzeit zufrieden, die ihr auf dem Deckel des Speisebrettes saht? ›Kennt ihr den Ulixes Zitat aus Virgil Aeneis II, 44. nicht besser?‹ Was nun? Man muß auch beim Essen seine Bildung betätigen. Mögen die Gebeine meines früheren Herrn in Frieden ruhen – er hat einen Menschen aus mir gemacht. Mir kann man keine Überraschungen bringen, wie der vorige Gang bewiesen hat. Dieser Himmel, in dem die Zwölfgötter wohnen, verwandelt sich nacheinander in die zwölf Tierbilder und wird zuerst ein Widder. Wer nun unter diesem Zeichen geboren wird, hat viel Vieh, viel Wolle, dazu einen harten Kopf, eine schamlose Stirn und ein spitzes Horn. Unter diesem Zeichen werden viele Gelehrte und viele Dickköpfe geboren.« Wir bewunderten seine astrologische Weisheit; das ließ ihn so fortfahren: »Dann wird der ganze Himmel zu einem Stierchen. Nun werden die geboren, die hinten ausschlagen, die Rinderhirten und die, die sich selbst durchs Leben bringen. Unter den Zwillingen werden die Zweispänner geboren, die Ochsen und die geilen Kerle und die, die auf beiden Achseln tragen. Unter dem Krebs bin ich geboren. Daher stehe ich auf vielen Füßen und habe zu Wasser und zu Lande große Besitzungen. Denn der Krebs paßt zu beiden. Daher habe ich schon lange nichts auf sein Bild legen lassen, um nicht meine Nativität zu belasten. Im Löwen werden die Fresser geboren und die Herrschsüchtigen, in der Jungfrau die Weiber, die Flüchtlinge und Galeerensklaven, in der Wage die Metzger, die Salbenhändler und alle, die etwas abwägen, im Skorpion die Giftmischer und Meuchelmörder, im Schützen die Schieläugigen, die nach dem Gemüse schauen und den Speck aus der Schüssel holen, im Steinbock die Sorgenvollen, denen vor lauter Elend Hörner wachsen, im Wassermann die Schankwirte und Schröpfköpfe, in den Fischen die Köche und die Professoren der Beredsamkeit. So dreht sich der Weltkreis wie eine Mühle, und irgendein böser Zauber bewirkt immer, daß Menschen geboren werden oder sterben. Auch den Rasen und die Honigwabe in der Mitte habe ich mit gutem Bedacht hinlegen lassen. Unsere Mutter, die Erde, liegt in der Mitte des Alls wie ein rundes Ei und schließt alles Gute in sich wie eine Honigwabe.« »O welche Weisheit!« rufen wir alle und schwören mit erhobenen Händen, daß Hipparch und Arat Arat (c. 270 v. Chr.) und Hipparch (160-25), berühmte Astronomen. mit ihm gar nicht verglichen werden könnten. Währenddes treten Diener ein, die Teppiche vor unsere Polster ausbreiteten, auf denen Fangnetze, Jäger mit Spießen auf dem Anstand – kurz, eine ganze Jagd mit allem Drum und Dran eingewirkt waren. Noch wußten wir nicht, was das zu bedeuten habe, da erscholl plötzlich vor dem Speisesaale ein lautes Geschrei, und unversehens tobten lakonische Hunde um unsere Tische herum. Nun folgte ein Speisebrett, auf dem ein Eber erster Größe lag, der wunderbarerweise eine Freiheitsmütze auf dem Kopfe hatte. Von seinen Hauern hingen zwei aus Palmbast geflochtene Körbchen herab, die mit verschiedenen Dattelarten angefüllt waren. Um ihn herum waren aus Kuchenteig gebildete Frischlinge so gruppiert, als ob sie von den Zitzen saugten; also sollte es eine Sau sein. Die Frischlinge waren als Geschenk für die Gäste bestimmt. Zum Aufschneiden des Ebers erschien nun nicht jener Schneide, der das Geflügel zerlegt hatte, sondern ein bärtiger Riese, der Jägerbinden um seine Waden gewickelt hatte und einen Jagdmantel trug. Er zückte sein Jagdmesser und gab dem Eber einen gewaltigen Hieb in die Seite: sofort flogen aus der Wunde Wachteln heraus. Vorher schon waren Vogelfänger mit Leimruten aufgestellt; diese fingen nun die Wachteln, während sie im Saale umherflatterten, rasch ein. Trimalchio ließ jedem Gast eine Wachtel geben und setzte hinzu: »Seht doch, was dies Waldschwein für delikate Eicheln gefressen hat.« Sofort holten Sklaven die Körbchen von den Hauern herunter und verteilten die Datteln genau nach der Zahl der Gäste. Auf meinem abgelegenen Sitze hatte ich mir unterdessen den Kopf zerbrochen, warum nur der Eber mit einer Freiheitsmütze auf dem Kopf hereingebracht worden sei. Nachdem ich alle möglichen Dummheiten ausgedacht und abgelehnt hatte, brachte ich's über mich, wieder meinem Dolmetsch von vorhin meine Not vorzutragen. Jener antwortete: »Dein Sklave ist durchaus in der Lage, dir auch dies mitzuteilen. Es handelt sich nicht um ein Rätsel, sondern um eine ganz einfache Sache. Jener Eber war für das Mahl von gestern als Hauptgericht bestimmt, aber die Gäste haben ihn unverzehrt entlassen. Also kehrt er als »Freigelassener« heute zum Gastmahl zurück.« Ich verfluchte meine Dummheit und beschloß, nach nichts mehr zu fragen, um nicht den Anschein zu erwecken, als hätte ich noch nie in anständiger Gesellschaft gespeist. Während wir so sprachen, trug ein hübscher Knabe, der mit Weinlaub und Efeu bekränzt war, Trauben in einem Körbchen um den Tisch. Er suchte bald den schwärmenden, bald den jubelnden, bald den trunkenen Bakchus darzustellen und sang dazu mit hoher Fistelstimme Lieder seines Herrn Trimalchio. Auf diese Töne hin wandte sich Trimalchio zu ihm und sagte: »Dionysos, du sollst frei sein!« Da nahm der Knabe dem Eber die Freiheitsmütze ab und setzte sie sich selbst aufs Haupt. Trimalchio aber fügte hinzu: »Nun müßt ihr wohl gestehen, daß ich Liber, den Gott der Freiheit, zum Vater habe Die Stelle ist unklar. Vielleicht kommt sich Trimalchio, der Sohn eines Sklaven, wie ein Sohn des Freiheitsgottes Liber (= Dionysos) oder wie dieser selbst vor, da er den jungen Dionysos freiläßt..« Wir bewunderten diesen feinen Witz und küßten den hübschen Knaben, der an allen Tischen die Runde machte, gründlich ab.

Nach diesem Gang erhob sich Trimalchio, um auf den Nachtstuhl zu gehn, und da wir nun den Tyrannen los und frei geworden waren, suchten wir die andern Gäste ins Reden zu bringen und ließen uns Neuigkeiten aus ihrem Bekanntenkreise erzählen … Jetzt kam Trimalchio wieder herein, salbte sich die Stirne, wusch sich die Hände und sprach sofort: »Verzeiht mir, Freunde. Schon seit vielen Tagen war mein Leib nicht in Ordnung. Die Ärzte kennen sich nicht aus. Schließlich hat mir Apfelschale und Kienruß in Essig geholfen. Nun wird er hoffentlich wieder den alten Respekt bewahren. Übrigens brummt es mir im Magen, man könnte glauben, es sei ein Stier. Wenn nun aber einer von euch machen will, so geniert euch nicht. Niemand von uns ist mit Verschluß geboren. Ich halte es für die größte Qual, sich Zwang auflegen zu müssen. Dies allein kann nicht einmal Jupiter verbieten. Du lachst, Fortunata, und pflegst mich doch selbst nachts damit aufzuwecken? Auch hier im Speisesaal verbiete ich's keinem, sich nach Möglichkeit zu erleichtern; auch die Ärzte sind gegen den Zwang. Wenn aber mehr kommt, so steht draußen alles bereit: Wasser, Nachtstühle und die sonstigen Kleinigkeiten. Glaubt mir, die Flatulenz steigt ins Gehirn und erzeugt Wallungen im ganzen Körper. Viele sind, wie ich weiß, auf diese Weise umgekommen, weil sie nicht der Stimme der Natur folgen wollten.« Wir sagen seiner menschenfreundlichen Nachsicht allen Dank und nehmen häufig einen Schluck Wein, um das Lachen zu unterdrücken.

Aber wir wußten nicht, daß wir den Gipfel der Genüsse, wie man so sagt, noch nicht zur Hälfte erstiegen hatten. Denn nachdem wieder unter Orchesterbegleitung die Tische gesäubert waren, wurden drei mit Maulkörben und Schellenbehang hübsch herausgeputzte weiße Schweine ins Speisezimmer geführt. Der Anmelder sagte dazu, das eine sei zwei, das andere drei, das dritte sechs Jahre alt. Ich dachte mir, es seien Gaukler gekommen, und die Schweine würden, wie man das auf Jahrmärkten ja auch sieht, irgendwelche Kunststücke machen. Aber Trimalchio beendete die Spannung, indem er fragte: »Welches von diesen wollt ihr sofort zum Essen gerichtet haben? Denn Hahnenbraten, Frikassee à la Pentheus und dergleichen traurige Lumpereien machen auch die Bauern. Meine Köche pflegen ganze Kälber im Kessel zu kochen.« Sofort läßt er den Koch rufen und befiehlt, ohne unsere Entscheidung abzuwarten, das größte Schwein zu schlachten. Dabei fragt er den Koch laut: »In welcher Abteilung bist du?« »In der vierzigsten.« »Gekauft oder in meinem Haus geboren?« »Keines von beiden, sondern dir von Pansa im Testament hinterlassen.« »Dann sieh zu, daß du uns etwas Ordentliches vorsetzst, sonst lasse ich dich in die Abteilung der Botengänger versetzen.« Der so an die Machtfülle seines Herrn erinnerte Koch führte das zukünftige Gericht in die Küche, zu uns aber sprach Trimalchio mit mildem Ton: »Wenn euch der Wein nicht paßt, lasse ich anderen bringen. Ihr müßt ihn durch eure Reden würzen. Dank den Göttern brauche ich jetzt nichts mehr zu kaufen, sondern alles, was das Wasser im Mund zusammenlaufen läßt, wächst auf meinem Landgut vor dem Tor, das ich noch gar nicht kenne. Es soll an meine Güter in Terracina und Tarent grenzen. Nun will ich auch noch Sizilien dazuschlagen, damit ich, falls mich's gelüstet, nach Afrika zu gehn, durch eigenes Gebiet fahren kann. Aber erzähle mir einmal, Agamemnon, über was für ein Thema hast du heute in der Schule deklamiert? Wenn ich auch selbst keine Gerichtsreden halte, so hab ich doch zu meinem Hausgebrauch die Wissenschaft studiert. Und daß du nicht glaubst, ich verachte jetzt die Gelehrsamkeit: ich habe zwei Bibliotheken, eine griechische und eine lateinische. Nenne mir also gefälligst das Thema deiner heutigen Deklamation.« Als nun Agamemnon begonnen hatte: »Ein Armer und ein Reicher hatten einen Streit …«, unterbrach ihn Trimalchio: »Bitte, was ist das: ein Armer?« »Oh wie witzig!« sagte Agamemnon und setzte dann einen beliebigen Rechtsfall auseinander. Sofort erklärte Trimalchio: »Wenn dies eine Tatsache ist, so ist es keine Rechtsfrage, und ist es keine Tatsache, so ist es überhaupt nichts.« Wir spendeten dieser und ähnlichen Geistreichigkeiten überschwengliche Lobsprüche und veranlaßten ihn so zu noch mehr. »Bitte, mein lieber Agamemnon, sage mir doch, kannst du die zwölf Arbeiten des Herkules auswendig oder das Märchen von Ulixes, wie der Cyklope dem den Daumen mit einer Zange ausdrehte? Ich pflegte das in der Vorschule im Homer zu lesen. Die Sibylle in Cumae aber habe ich mit eigenen Augen gesehen. Sie hing in einer Flasche, und wenn die Kinder fragten: »Sibylle, was willst du?«, so antwortete sie: »Sterben will ich Da die weissagenden Sibyllen uralt sein sollten, wurden an mehreren Orten »zu fabelhafter Winzigkeit zusammengeschrumpfte Mumien« als Sibyllen gezeigt. Die berühmteste war die Sibylle von Cumae, der alten Griechenstadt bei Neapel.

Noch hatte er seine Weisheit nicht ganz ausgekramt, als ein Speisebrett mit einem gewaltigen Schwein auf den Tisch kam. Wir lobten die Geschwindigkeit des Kochs und beteuerten, nicht einmal ein Hahn hätte in der Zeit gar gekocht werden können. Dabei schien uns das zahme Schwein viel größer als der Eber von vorher. Trimalchio besichtigte es auffallend genau und rief dann aus: »Was? Was! das Schwein ist nicht ausgenommen – nein, wahrhaftig, es ist es nicht! Vorwärts, vorwärts: der Koch soll herkommen!« Der Koch trat mit betrübter Miene vor seinen Tisch und gestand, er habe vergessen, es auszunehmen. »Wieso vergessen!« rief Trimalchio laut, »gerade so gut hätte er Pfeffer und Kümmel vergessen können. Ausgezogen!« Der Koch wurde sofort entkleidet und stand traurig zwischen zwei Folterknechten. Alle baten nun für ihn und sagten: »So etwas kann vorkommen. Gib ihn frei, wir bitten dich darum. Tut er noch einmal so etwas, so wird kein Mensch für ihn bitten.« Nur ich blieb grausam und unerbittlich und konnte nicht umhin, dem Agememnon ins Ohr zu sagen: »Das muß doch ein ganz liederlicher Sklave sein. Wie kann man nur vergessen, ein Schwein auszunehmen! Ich würde es ihm wahrlich nicht verzeihen, und wenn sich's nur um einen Fisch handelte!« Nicht so Trimalchio, dessen Gesicht sich wieder aufgehellt hatte. »Wohlan,« sprach er, »wenn du ein so schlechtes Gedächtnis hast, so nimm das Tier jetzt vor unsern Augen aus!« Man gab dem Koch seinen Leibrock wieder, er ergriff ein Küchenmesser und schnitt mit zaghafter Hand bald hier, bald dort ein Loch in den Bauch des Schweins. Aus diesen Löchern aber, die sich durch den Druck der Last im Innern des Schweins erweiterten, stürzten eine Menge von Brat- und Blutwürsten heraus. Auf diese Kunstleistung hin klatschte die Sklavenschar Beifall und rief: »Heil dem Gaius!« Nun erhielt der Koch einen silbernen Kranz und einen Ehrentrunk aus einem Becher, der ihm auf einer Schale aus korinthischer Bronze dargereicht wurde. Als Agamemnon sich diese Schale genauer ansah, sagte Trimalchio: »Ich bin der einzige, der wirklich korinthische Bronze In römischer Zeit sehr berühmte Bronzesorte, deren Mischungsverhältnis seit der Zerstörung Korinths nicht mehr bekannt war. besitzt.« Ich erwartete nun, er würde bei seiner sonstigen Unverschämtheit sagen, er beziehe sie direkt von Korinth. Aber es kam besser: »Nämlich, weil der Erzgießer, von dem ich sie kaufe, Korinth heißt. Was ist aber korinthische Ware, wenn nicht die, die Korinth herstellt? Übrigens haltet mich nicht für so ungebildet, daß ich nicht wüßte, woher die korinthische Bronze ihren Ursprung hat. Nach der Eroberung von Ilium ließ Hannibal, ein schlauer Kerl und großer Spitzbube, alle die Statuen aus Erz, Gold und Silber auf einem Scheiterhaufen verbrennen. So ergab sich jene Erzmischung. Von ihr holten sich die Schmiede und fabrizierten Näpfe, Schüsseln und kleine Statuen. Also entstand das korinthische Erz, das aus allen Metallen besteht, niemals aus einem allein. Übrigens, nehmt's mir nicht übel: ich ziehe Glasgefäße vor. Zum wenigsten riechen sie nicht. Wären sie unzerbrechlich, so zöge ich sie selbst den goldenen vor. So sind sie freilich sehr gemein. Es gab aber einmal einen Meister, der eine unzerbrechliche Glasschale fabrizierte. Dann bat er um Audienz beim Kaiser und schenkte ihm die. Er erbat sie sich dann zurück und warf sie auf den Estrich. Der Kaiser bekam keinen schlechten Schrecken. Jener aber hob die Schale wieder auf, und siehe da! sie war nur verbogen, wie ein ehernes Gefäß. Nun holte er ein Hämmerchen aus seinem Busen und klopfte die Schale ganz gemütlich wieder zurecht. Als er dies getan hatte, glaubte er, bei Jupiter im Himmel zu sein und nur wünschen zu dürfen, zumal, da ihn der Kaiser fragte: »Kennt noch ein anderer diese Art der Glasbereitung?« Nun aber kommt es! Als der »nein« gesagt hatte, ließ ihm der Kaiser den Kopf abschlagen. Denn wäre das Geheimnis bekannt geworden, so würden wir jetzt das Gold für Dreck ansehen. Auf Silber bin ich besonders versessen. Ich habe ungefähr hundert Riesenpokale, die je 13 Liter fassen, mit getriebener Arbeit. Da siehst du, wie Kassandra ihre Söhne tötet, und die toten Kinder liegen da Verwechslung mit Medea., gerade als ob sie lebendig wären. Ich habe auch tausend Henkelschalen, die Mummius Der römische Feldherr, der 146 Korinth zerstörte. meinem früheren Herrn hinterlassen hat. Auf ihnen sieht man, wie Dädalus die Niobe in das trojanische Pferd einschließt. Dann habe ich noch schwere massive Becher, an denen die Kämpfe des Hermeros und Petraites Gladiatoren, für die Trimalchio schwärmt, vgl. unten S. 350. dargestellt sind. Ja, ich bin Kenner von diesen Dingen und ließe mir mein Kunstverständnis nicht um alles Gold abkaufen.« Während dieser Reden ließ ein Sklave einen Becher fallen. »Marsch,« sagte Trimalchio, »geißle dich selbst, weil du ein so dummer Kerl bist.« Der Sklave ließ die Lippen hängen und bat um Gnade. »Was bittest du mich?« sprach Trimalchio. »Als ob ich dir übel wollte! Ich rate dir, bewege dich selbst dazu, künftig weniger dumm zu sein.« Schließlich ließ er sich von uns erbitten und begnadigte ihn. –

siehe Bildunterschrift

Römisches Trinkgelage.
Wandgemälde nach Rodenwald, Komposition der pompeianischen Wandgemälde

Nun rief Trimalchio plötzlich: »Raus mit dem Wasser! Rein mit dem Wein!« Auch diesen Scherz bewunderten wir, vor allen Agamemnon, der wohl wußte, daß er sich so eine weitere Einladung verdienen konnte. Denn Trimalchio stieg unser Beifall zu Kopf, und er fing an, immer vergnügter in sich hinein zu trinken. Er war allmählich ziemlich betrunken und fragte: »Warum fordert denn niemand von euch meine Fortunata auf zu tanzen? Glaubt mir, ihr könnt selten einen bessern Kordax Tanz, der ursprünglich die Trunkenheit nachahmte, dann jeder unanständige Tanz. sehen.« Dann hob er selbst die Hände zum Himmel und machte den Pantomimentänzer Syrus nach; die ganze Sklavenschar stimmte dazu ein griechisches Tanzlied an. Und er wäre auch aufgestanden und hätte wirklich getanzt, wenn ihm nicht Fortunata etwas ins Ohr geflüstert hätte. Vermutlich sagte sie ihm, dergleichen gemeine Spaße vertrügen sich nicht mit seiner Würde. Der Mann war merkwürdig unbeständig: bald hatte er Respekt vor Fortunata, bald fiel er wieder in seine eigentliche gemeine Natur zurück.

Er vertrieb sich schließlich die Tanzlust, indem er einen Schreiber kommen ließ, der nun wie aus dem Staatsanzeiger folgendes vorlas. »Den 26ten Juli. Auf Trimalchios Landgut in Cumae geboren Knaben 30, Mädchen 40. Von der Tenne auf den Speicher gebracht 500 000 Scheffel Weizen. Eingefangen zum Schlachten 500 Ochsen. Vom gleichen Tage: Der Sklave Mithridates wurde ans Kreuz geschlagen, weil er den Schutzgeist unseres Herrn Gaius gelästert hatte. Vom gleichen Tage: in die Schatzkammer abgeführt, was nicht angelegt werden konnte, 10 Millionen Sesterzen. Vom gleichen Tage: im Pompeianischen Park brach ein Brand aus, der von der Wohnung des Verwalters Nasta ausging.« »Wie?« fragte Trimalchio, »wann ist denn der Pompeianische Park für mich gekauft worden?« »Im vorigen Jahr,« sagte der Schreiber, »und daher ist er noch nicht in die Bücher eingetragen worden.« Trimalchio ereiferte sich: »Wenn ein Gut für mich gekauft ist, ohne daß ich sechs Monate nachher etwas davon weiß, so soll es überhaupt nicht in meine Bücher eingetragen werden.« Es folgten Verfügungen seiner Beamten, Testamente von Waldhütern, die ihren Herrn laut besonderer Klausel mit keinem Legat bedachten Eigentlich hat der Sklave überhaupt nicht das Recht, ein Testament zu machen. Aber auch der Freigelassene muß einen Teil seines Vermögens seinem Herrn vermachen. Also Beweis großer Milde Trimalchios gegen seine Sklaven., dann Ernennungen von Gutsverwaltern, dann Berichte über die Scheidung zwischen einem Flurhüter und einer Freigelassenen, weil sie sich mit einem Badediener hatte ertappen lassen, über die Verbannung eines Hausverwalters nach Baiae, über die Versetzung eines Kassierers in den Anklagezustand, über einen Prozeß zwischen Kammerdienern.

Schließlich kamen die Gaukler. Ein gänzlich witzloser Athlet stellte sich mit seiner Leiter hin und ließ einen Knaben erst auf den mittleren Sprossen, dann auf der obersten zum Gesang von Liedern tanzen, durch brennende Reifen springen und eine Amphora mit den Zähnen halten. Nur Trimalchio fand diesen Stumpfsinn bewundernswert und meinte, das sei eine undankbare Kunst. Überhaupt gäbe es nur zwei Dinge auf der Welt, die ihm Vergnügen machten, Gaukler und Hornbläser, jeder andere Ohrenschmaus sei das reine Blech. »Ich hatte zwar auch griechische Schauspieler gekauft, aber ich lasse sie jetzt nur noch lateinische Possen aufführen, und auch meine griechischen Flötenbläser lasse ich nur noch auf lateinisch blasen.« Während er dies sagte, stürzte der Knabe von der Leiter zu Boden und streifte dabei den Arm des Trimalchio. Die Sklaven fingen ein lautes Geschrei an und ebenso die Gäste, nicht wegen des dreckigen Jungen, den sie ganz gerne das Genick hätten brechen sehen, sondern aus Furcht, das Mahl möchte mit einem Todesfall übel schließen. Trimalchio stöhnte laut auf und legte sich dann auf den Arm, als ob er schwer verwundet wäre. Die Ärzte kamen herbeigelaufen, und vor allem Fortunata mit aufgelöstem Haar, die noch den Trinkbecher in der Hand hielt und laut aufschrie: »O ich Elende, o ich Unselige!« Der heruntergestürzte Knabe lief schon längere Zeit um unsere Polster herum und bat um Erlaß der Strafe. Mir war ganz übel, denn ich vermutete immer, daß diese Posse auf eine Überraschung hinauslaufen würde, ähnlich der von vorhin, wo der Koch vergessen hatte, das Schwein auszunehmen. Daher schaute ich im ganzen Saal herum, ob nicht irgendwo sich etwas Ungewöhnliches zeige. Mein Verdacht bestärkte sich, als ein Sklave Prügel bekam, weil er den gequetschten Arm seines Herrn nicht mit purpurroter, sondern mit weißer Wolle umwickelt hatte. Und in der Tat hatte ich nicht ganz fehl geraten. Denn statt einer Bestrafung erfolgte eine Verfügung Trimalchios, durch die der Knabe für frei erklärt wurde, damit man nicht sagen könne, ein so großer Mann sei durch einen Sklaven verletzt worden.

Wir loben diese Tat, und das Gespräch kommt damit auf die unvorhergesehenen Wechselfälle im Menschenleben. »In der Tat,« bemerkte dazu Trimalchio, »man darf dies Ereignis nicht ohne ein Epigramm passieren lassen.« Er forderte seine Schreibtafel und las uns dann, ohne sich lang mit Überlegung zu quälen, folgenden Denkspruch vor:

Was man nicht gedacht, kommt oft über Nacht,
Stärker als der Mensch ist Fortunas Macht,
Darum, Bursch, Falerner hergebracht!

Hierdurch kam das Gespräch auf die Poesie, und längere Zeit wurde der Thraker Mopsus Hier liegt wieder eine Konfusion vor. Mopsos war ein Wahrsager der mythischen Zeit. für den ersten aller Poeten erklärt. Dann wandte sich Trimalchio an Agamemnon, »Bitte, Professor, sage mir, worin besteht der Unterschied zwischen Cicero und Publilius Publilius Syrus um 50 v. Chr., Theaterdichter, bekannt durch seine Vorliebe für Sentenzen. Trimalchio hat natürlich auch von ihm keine Ahnung.. Doch wohl darin, daß jener beredter, dieser moralischer war.« Und zum Beweis rezitierte er eine lange Stelle des Publilius über die Sittenverderbnis … »Was aber ist,« fuhr er fort, »wohl die schwerste Kunst nach der Literatur? Ich glaube, die des Arztes und die des Geldwechslers. Denn der Arzt muß wissen, was wir armen Menschenkinder in unsern Eingeweiden haben und wann das Fieber kommt – freilich hasse ich die Bande grimmig, denn sie verordnet mir immer Aniswasser –, und der Geldwechsler muß durch die Silberplattierung hindurch in den nachgemachten Stücken das Kupfer erkennen. Was die stummen Tiere betrifft, so sind die arbeitsamsten die Ochsen und die Schafe. Den Ochsen danken wir es, daß wir Brot essen, den Schafen, daß wir mit ihrer Wolle prunken. Eigentlich ist es doch unerhört: man ißt Schöpsenbraten und trägt dabei einen Wollenrock. Die Bienen halte ich für göttliche Tiere, denn sie erbrechen den Honig, mögen auch die Leute sagen, sie brächten ihn von Jupiter. Daß sie stechen, kommt daher, daß nach dem Sprichwort süß und sauer immer beieinander sein muß.«

Schon war er dabei, auch noch der Philosophie ins Handwerk zu pfuschen, da wurden Lose in einem Becher herumgereicht, und ein dazu angestellter Sklave las die Gewinne vor. Das war die Gelegenheit, die entsetzlichsten Kalauer anzubringen. Wenn z. B. einer ein Futteral gewann, so erhielt er ein Bündel Heu und einen Aal … Als unser Freund Askyltos über diesen Stumpfsinn bis zu Tränen lachte und mit erhobenen Armen ironisch übertrieben Beifall klatschte, wurde einer der Mitfreigelassenen Trimalchios wild und überhäufte ihn mit Schmähungen … Darüber mußte nun unpassenderweise unser Sklave Giton lachen, worauf sich die Wut des Scheltenden gegen diesen wandte … Askyltos wollte gerade darauf entsprechend antworten, als Trimalchio, der sich über die Beredsamkeit seines Mitfreigelassenen freute, sich also einmischte: »Bitte, bitte, keine Zänkereien. Gemütlich soll's hergehen, und du, Hermeros, sei nachsichtig gegen den jungen Menschen. Er hat noch hitziges Blut, deshalb habe du Verstand. Wer beim Schimpfen besiegt wird, ist immer Sieger. Als du selbst noch ein junger Streithahn warst, krähtest du auch vergnüglich Kikriki und zeigtest keine Besonnenheit. Laßt uns lieber von neuem lustig sein und die Homeristen Diese deklamierten im Kostüm Szenen aus der Ilias. anschauen.« Nun trat eine Schar von Griechen und Trojanern ein und schlug mit den Lanzen an die Schilde. Trimalchio setzte sich auf seinem Polster aufrecht, und während die Homeristen, wie sie es ja frecherweise zu tun pflegen, einander in griechischen Versen anredeten, las er mit schallender Stimme den lateinischen Text dazu. Als dann eine Pause eintrat, fragte er: »Wißt ihr, was sie für ein Stück aufführen? Es waren einmal zwei Brüder, Diomedes und Ganymedes, ihre Schwester war Helena. Die raubte Agamemnon und schob der Diana eine Hirschkuh unter. Daher erzählt hier Homer, wie die Trojaner und Parentiner Nicht aufgeklärte Konfusion. miteinander kämpfen. Er siegte nämlich und gab seine Tochter Iphigenie dem Achilles zur Frau. Deshalb wird Aias verrückt und wird euch nun gleich die Geschichte selbst klar machen.« Während Trimalchio das sagte, erhoben die Homeristen ein lautes Geschrei, und mitten unter die auseinanderstiebenden Sklaven wurde auf einer Silberschüssel von 200 Pfund Gewicht ein gesottenes Kalb hereingetragen, und zwar hatte es einen Helm auf dem Kopf. Ihm folgte der rasende Aias mit gezücktem Schwert, hieb mit den verrücktesten Gestikulationen das Kalb zusammen und bot schließlich die Stücke auf der Spitze seines Schwertes den erstaunten Gästen an. Es blieb uns nicht lange Zeit, um uns über diese elegante Wendung zu verwundern, denn plötzlich ertönte ein Krachen von der Decke, daß der ganze Saal widerhallte. Ich sprang bestürzt auf, in der Befürchtung, es möchte vom Dach her ein Gaukler niedersteigen. Auch die übrigen Gäste erhoben den Blick, staunend, was hier wohl für ein Himmelswunder sich ankünde. Und siehe da, plötzlich spaltet sich die Decke, und ein gewaltiger Kranz, der offenbar ein Reif von einem ungeheuren Faß war, wird herabgelassen. Rings an dem Reifen hängen goldene Kränze und Alabasterfläschchen mit wohlriechenden Essenzen, die wir als Gastgeschenke mitzunehmen gebeten wurden.

Auf dem Tisch war unterdessen ein Speisebrett mit Kuchen aufgestellt worden. In der Mitte stand ein großer Priapus Gott der Fruchtbarkeit des Feldes, der Gärten, Herden usw., vom Konditor gefertigt, der in seinem ziemlich weiten Schurz verschiedene Arten von Obst und Trauben trug, so wie wir das an seinen Standbildern zu sehen gewohnt sind. Wie wir nun begierig unsere Hände nach dem Priapus ausstreckten, ließ eine neue Überraschung die Stimmung umschlagen. Denn sowie man das scheinbare Obst berührte, spritzte es auch auf den leisesten Druck Safran aus, so daß uns diese widerliche Flüssigkeit sogar in den Mund kam. Wir glauben, da der Safran ja bei Opfergebräuchen seinen Platz hat, dieser Gang sei geweiht, erheben uns und rufen mit lauter Stimme: »Heil dem Kaiser, dem Vater des Vaterlandes!« Da aber nach dieser Huldigung einige Gäste ungeniert nach den eigenartigen Früchten griffen, steckten auch wir sie in unsere Servietten zum Mitnehmen; namentlich ich konnte kaum genug kriegen, um den Bausch am Gewand meines lieben Giton damit auszustopfen. Unterdessen traten drei Knaben mit hochgeschürzter weißer Tunika herein, zwei setzten die Bilder der Laren Der Hausgötter. auf den Tisch, der dritte trug eine Schale Wein zur Spende mit dem Ruf: »Seid gnädig, ihr Götter!« Trimalchio aber sagte, die Namen der Knaben seien: Gewinnbringer, Glückbringer und Profitbringer. Schließlich wurde auch des Trimalchio Porträt in Gold getrieben herumgereicht; da alle es küßten, scheuten wir uns, uns auszuschließen.

Als sich nun alle guten Verstand und gute Gesundheit gewünscht hatten, sah Trimalchio zu Nikeros hinüber und sagte: »Du pflegtest sonst ein angenehmerer Gast zu sein. Warum sitzst du nur heute so still und muckst dich nicht? Wenn du mich glücklich machen willst, so erzähle, bitte, etwas, was du selbst erlebt hast.« Durch diese leutselige Ansprache beglückt, erwiderte der sofort: »Ich will mein Lebtag kein gut Geschäft mehr machen, wenn ich nicht schon lange vor Pläsier platze, weil ich dich so glücklich sehe. Darum wollen wir nur recht fidel sein, wenn ich auch fürchte, daß die studierten Herrn da drüben lachen mögen. Aber mögen sie! Ich erzähle doch. Denn was tut mir's, wenn einer lacht. Es ist immerhin angenehmer, belacht als ausgelacht zu werden.« Als er die Rede getan, begann er folgende Geschichte:

»Als ich noch Sklave war, wohnten wir in einer engen Gasse, in dem Haus, das jetzt der Gavilla gehört. Damals verliebte ich mich, wie es die Götter ja so fügen, in die Frau des Schankwirts Terentius. Ihr kanntet ja die Melissa aus Tarent, ein allerliebstes Dickerchen. Und doch verkehrte ich wahrlich nicht der fleischlichen Liebeslust wegen mit ihr, sondern wegen ihrer anständigen Gesinnung. Brachte sie einen As beiseite, so hatte ich einen halben, und niemals hat sie mich betrogen. Da starb ihr Mann, während sie draußen auf dem Land waren. Ich setzte Schild und Schwert daran und trachte mit allen Sinnen danach, zu ihr hinauszukommen. Nun ja, in der Not zeigen sich die wahren Freunde. Zufällig war unser Herr gerade nach Capua gegangen, um seinen Kram loszuschlagen. Diese Gelegenheit benutze ich, einen unserer Mieter zu beschwatzen, er solle mich bis zum fünften Meilenstein begleiten. Er war Soldat und stark wie ein Höllenknecht. Wir setzen uns also ums Hahnenkrähen in Bewegung, der Mond schien so hell, als wäre es Mittag. Wir kamen zu den Grabmälern an der Straße – mein Mann macht sich an ihnen zu schaffen. Ich summe im Weiterschreiten ein Liedchen vor mich hin und zähle die Grabmäler. Wie ich mich aber nach meinem Begleiter umsehe, hat der alle seine Kleider ausgezogen und in den Straßengraben gelegt. Mir fuhr fast die Seele aus dem Leibe, und ich stand da wie ein Toter. Jener aber pißte rings um seine Kleider herum und verwandelte sich dann im Augenblick in einen Wolf. Glaubt nicht, daß ich scherze, nicht das größte Vermögen könnte mich zu einer Lüge verleiten. Doch, wie ich oben sagte, als jener zum Wolf geworden war, brüllte er und lief in den Wald. Ich wußte erst gar nicht, wo ich war. Dann ging ich hin, um seine Kleider an mich zu nehmen; aber die waren zu Stein geworden. Wer da halbtot vor Angst war, das war ich. Doch zog ich mein Schwert und focht auf dem ganzen Weg tapfer mit den Geistern, bis ich zum Landgut meiner Freundin kam. Aber ich kam selbst an wie ein Gespenst; fast hatte ich meine Seele ausgehaucht, der Schweiß lief mir in Strömen über den Rücken herunter, meine Augen waren halb erloschen. Nur mit Mühe kam ich wieder zu mir. Meine Melissa wunderte sich, daß ich noch so spät lustwandelte. ›Wenn du früher gekommen wärest, so hättest du uns wenigstens beistehen können. Ein Wolf ist in der Villa eingebrochen und hat alles Vieh angefallen. Wie ein Metzger hat er es angezapft. Aber er hat uns doch keinen Possen gespielt, wenn er auch entflohen ist. Unser Sklave hat ihm den Hals mit einer Lanze durchbohrt.‹ Als ich dies hörte, konnte ich kein Auge mehr zubringen, sondern lief, da es schon heller Tag war, bis zum Hause unseres Gaius wie ein bestohlener Schankwirt. Als ich an den Ort kam, wo jenes Kleider zu Stein geworden waren, fand ich nichts als eine große Blutlache. Wie ich aber nach Hause kam, lag mein Soldat im Bett, blutend wie ein Stier, und ein Arzt verband ihm den Hals. Da merkte ich denn, daß er ein Werwolf war, und habe später kein Stück Brot mit ihm zusammen essen können – nicht, wenn man mich totgeschlagen hätte. Mögen andere zusehen, was sie davon halten. Habe ich aber gelogen, so möge ich mir den Zorn eurer Schutzgeister zuziehen.«

Alle saßen starr vor Staunen. Da sagte Trimalchio: »Ohne deiner Erzählung zu nahe zu treten, bei meiner Ehre, mir haben sich die Haare auf dem Kopf gesträubt. Denn ich weiß, daß Nikeros keine Flausen erzählt, im Gegenteil, er ist absolut zuverlässig und kein Schwätzer. Nun will ich euch ebenfalls eine gruselige Geschichte erzählen. Der Esel auf dem Dach! Vielleicht eine Anspielung auf eine Babriusfabel, in der ein Esel, um den Affen nachzuahmen, aufs Dach klettert und dabei alle Ziegel entzweitritt. So ungeschickt kommt sich Trimalchio neben Nikeros vor. Als ich noch langes Haar trug – ich habe ja von Jugend auf üppig gelebt wie ein Chier Diese waren durch ihre Weichlichkeit berüchtigt. –, starb unsers Herrn Liebling, wahrlich eine auserlesene Perle und vollkommen in allen Stücken. Als ihn nun seine arme Mutter beweinte und wir in ziemlicher Anzahl traurig dabeistanden, fingen plötzlich vor der Türe die Unholdinnen zu schwirren an – es klang, als wenn ein Hund einen Hasen jagte. Wir hatten damals einen langen Kappadokier unter uns, einen Menschen von nicht geringem Mut und auch von starken Kräften, er konnte einen wilden Ochsen in die Höhe heben. Dieser zückte sein Schwert und lief kühn hinaus, wickelte die linke Hand sorgfältig in den Mantel und durchstach das Weib ungefähr an dieser Stelle – möge das, was ich berühre, gesund bleiben! – durch und durch. Wir hören einen Schrei, aber sie selbst – ich will durchaus nicht lügen – haben wir nicht gesehen. Unser Tölpel aber kommt zurück und wirft sich auf das Bett. Sein ganzer Körper war grün und blau, als wäre er gegeißelt worden – es hatte ihn eben die böse Hand berührt. Wir schließen die Tür und gehen an unsere Geschäfte. Wie aber die Mutter die Leiche ihres Sohnes umarmen will, schließt sie nur ein Bündel Stroh in ihre Arme. Es hatte kein Herz, keine Eingeweide, überhaupt nichts. Den Knaben hatten eben die Hexen entführt und diesen Wechselbalg von Stroh untergeschoben. Ich bitte euch, glaubt daran, es gibt wissende Weiber, Nachthexen, die das Oberste zu unterst kehren. Übrigens bekam unser langer Riese seine natürliche Farbe nicht wieder, sondern nach einigen Tagen verfiel er in Raserei und starb.«

Wir hören dies voll gläubigen Staunens an, küssen den Tisch und beten zu den Unholdinnen, sie möchten doch ja zu Hause bleiben, wenn wir vom Mahle heimkehrten.

Und schon begann ich die Lampen doppelt zu sehen, und das Speisezimmer kam mir merkwürdig verändert vor, da veranlaßte Trimalchio den Plokamus, auch etwas zur allgemeinen Heiterkeit beizutragen. Der zierte sich erst, dann aber legte er die Hand an den Mund und pfiff irgend etwas Schauderhaftes, von dem er nachher behauptete, es sei eine griechische Melodie gewesen. Nun ahmte seinerseits Trimalchio einen Posaunenbläser nach. Dann sah er zufällig zu seinem Lieblingsknaben hinüber, dem triefäugigen Jungen mit ganz schwarzen Zähnen, den er Kroesus nannte. Der umwickelte gerade eine schwarze Schoßhündin, die schon unanständig dick war, mit einer grünen Binde und fütterte sie auf seinem Polster mit einem halben Brötchen, obgleich das Tier nicht mochte und widerstrebte. Hierdurch sah sich Trimalchio auch an seine Pflichten erinnert und befahl, den Skylax hereinzubringen »ihn, des Hauses Schützer und der Bewohner«. Sofort wurde ein riesiger Hund an der Kette hereingeführt und kuschte sich auf einen Tritt des Pförtners, der ihn hereinbrachte, vor den Tisch des Trimalchio. Der warf ihm Weißbrot vor und sagte: »Niemand im ganzen Hause liebt mich mehr wie dieser.« Nun ward Kroesus ärgerlich, daß der Herr den Skylax so übermäßig lobte, setzte seine Hündin auf den Boden und hetzte sie gegen den Köter. Der benahm sich ganz nach Hundeart, erfüllte den Speisesaal mit häßlichem Gebrüll und riß den ›Edelstein‹ des Kroesus fast in Stücke. Aber dabei blieb der Unfug nicht. Skylax warf auch einen Kandelaber um, der alle Kristallgefäße zertrümmerte und einige der Gäste mit dem siedenden Öl bespritzte. Um nicht über den Schaden ärgerlich zu erscheinen, küßte Trimalchio den Jungen und hieß ihn, ihm auf den Rücken steigen. Der Junge ließ sich das nicht zweimal sagen, spielte »Pferdchen« mit ihm und schlug ihm wiederholt mit flacher Hand auf die Schulter und rief lachend: »Backe, Backe, wieviel Finger?«

Nachdem Trimalchio sich das einige Zeit hatte gefallen lassen, befahl er, in einem großen Napf Wein zu mischen, und allen Sklaven, die zu den Füßen der Gäste saßen, einen Trank zu reichen. Er fügte hinzu: »Wenn einer ihn nicht nehmen will, so gieß es ihm über den Kopf. Bei Tag ernsthaft, jetzt fidel!« Auf diesen Beweis von Herablassung folgten Delikatessen, an die ich wahrhaftig heute noch mit Unbehagen denke. Denn statt der Krammetsvögel erhielt jeder eine Masthenne und Gänseeier in einer Teighülle. Währenddes schlug ein Liktor an die Tür des Speisesaals, und herein trat, umgeben von einem stattlichen Gefolge, ein Mann in weißer Gewandung, der offenbar schon von einem anderen Gelage kam. Mich verwirrte seine majestätische Erscheinung, und ich hielt ihn für den Prätor. Ich versuchte daher aufzustehen und mit den nackten Füßen den Erdboden zu erreichen. Agamemnon bemerkte mein Strampeln und lachte: »Bleib ruhig, du Tor! Das ist der Sevir Vorsteher der Vereine für den Kult des Augustus. Habinnas, nebenbei ein Steinmetz, der sehr gute Grabmäler liefern soll.« Hierdurch beruhigt, legte ich mich wieder hin und betrachtete den eintretenden Habinnas mit wachsendem Erstaunen. Er war schon betrunken und stützte sich auf die Schultern seiner Frau. Auf seinem Haupt saßen schief mehrere Kränze, und wohlriechendes Wasser lief ihm von der Stirn über die Augen. Er setzte sich ohne weiteres auf den Ehrenplatz und verlangte sofort Wein und warmes Wasser. Trimalchio freute sich seiner guten Laune und verlangte auch seinerseits einen größeren Pokal. Dann fragte er ihn, wie es dort gewesen sei. »Oh,« sagte der, »uns fehlte nichts als du, auch war meine Seele immer hier. Sonst war's fein, beim Herkules! Scissa gab am neunten Tage wie üblich das Leichenmahl für ihren armen Sklaven, den sie im Tode freigelassen hatte. Übrigens wird sie wohl mit der Steuer Scherereien haben; man schätzt den Gestorbenen auf 50 000. Sonst war's gemütlich. Wenn wir bloß nicht die Hälfte des Weins auf die Gebeine des armen Kerlchens hätten ausgießen müssen.« »Wie war das Menü?« fragte Trimalchio, und nun gab Habinnas, unterstützt von seiner Frau Scintilla, eine Kritik der einzelnen Gänge … »Aber bitte, sage mir, Gaius,« schloß er, »warum ist Fortunata nicht auch bei Tische?« »Du kennst sie schlecht. Ehe sie nicht das Silber beigeschlossen hat und die Reste an die Sklaven verteilt hat, nimmt sie keinen Schluck Wasser in den Mund.« »Nun, wenn sie sich nicht zu uns setzt,« entgegnete Habinnas, »schiebe ich wieder ab.« Und in der Tat wollte er aufstehen, wenn nicht auf ein Zeichen hin die ganze Sklavenschaft viermal und öfters Fortunata gerufen hätte. Sie kam also, mit einem gelben Gürtel so hochgeschürzt, daß man das kirschrote Untergewand, die gewundenen Beinspangen und die vergoldeten griechischen Schuhe sah. Sie wischte sich mit einem Schweißtuch, das sie am Halse trug, die Hände und lehnte sich an das Polster, auf dem Scintilla lag. Während diese in die Hände klatschte, küßte Fortunata sie und sagte: »Kriegt man dich auch einmal zu sehn?«

Es kam dann bald dahin, daß Fortunata von ihren gewaltig dicken Armen ihre Armspangen abstreifte, und sie der staunenden Scintilla zeigte. Zuletzt löste sie auch die Beinspangen und ihr Haarnetz, das, wie sie behauptete, von erstklassigem, in Feuer erprobtem Golde sei. Trimalchio bemerkte das, ließ sich den Schmuck bringen und sagte: »Da seht ihr die Weiberfesseln. So werden wir Tröpfe ausgeplündert. Sechs und ein halb Pfund muß sie haben. Nichtsdestoweniger habe ich noch ein Armband von 10 Pfund – das war der tausendste Teil einer Gabe, die ich einst Merkur weihte.« Und er ließ, um nicht als Aufschneider zu gelten, eine Wage kommen und herumreichen, um das Gewicht festzustellen. Scintilla benahm sich ebenso fein und nahm von ihrem Halse eine kleine goldene Kapsel, die sie ihren Glücksbringer nannte. Der entnahm sie zwei Ohrgehänge und reichte sie der Fortunata zur Betrachtung mit den Worten: »Dank meinem Eheherrn besitzt niemand schönere.« »Na ja«, sagte Habinnas, »du hast mich so lange bis aufs Blut gequält, daß ich dir die gläsernen Bohnen kaufen mußte. Wahrlich, wenn ich eine Tochter hätte, würde ich ihr die Ohren abschneiden. Wenn die Weiber nicht wären, würden wir alles um einen Dreck bekommen. Jetzt heißt es warm pissen und kalt trinken.« – Unterdes lachten die angezechten Weiber unter sich und verküßten sich in ihrer Betrunkenheit. Die eine renommierte mit ihrer Tüchtigkeit als Hausfrau, die andere klagte über die Liebhabereien und die Gleichgültigkeit ihres Mannes. Während sie so aneinander klebten, stand Habinnas heimlich auf, ergriff die Füße der Fortunata und legte sie auf das Polster hinauf. »Au, au!!« schrie jene, während ihr die Tunika bis über die Knie hinaufrutschte. Dann verkroch sie sich in den Schoß der Scintilla und barg ihr glühendrotes Gesicht hinter ihrem Schweißtuch … Nun wurde der Nachtisch aufgetragen, bei dem es ebenfalls hoch herging … Schon bekam Fortunata Lust zu tanzen, und Scintilla klatschte öfter in die Hände als daß sie sprach. Da sagte Trimalchio: »Philargyrus und Cario – du bist zwar als Parteigänger der Grünen im Zirkus Die Pferde und Wagenlenker bei den Wettfahrten im Zirkus gehörten 4 Gesellschaften (factiones) und trugen deren Farben (weiß, rot, grün und blau). Dementsprechend bildeten sich auch im Publikum Parteien, die sich leidenschaftlich bekämpften. bekannt –, ich erlaube euch, an der Tafel Platz zu nehmen, und sag's auch deiner Mitsklavin Menophila.« Kurz, wir wurden beinahe von den Polstern heruntergedrängt, in solchen Scharen machte sich die Sklavenschaft im Saale breit. Ich merkte bald, daß neben mir der Koch Platz genommen hatte, denn er stank nach Saucen und Gewürzen. Er war aber nicht damit zufrieden, daß er an der Tafel mittun durfte, sondern er begann sofort, den Tragöden Ephesus nachzuahmen. Dann forderte er seinen Herrn zu einer Wette heraus, ob nicht der Grüne bei den nächsten Zirkusspielen die Siegespalme davontragen würde. Trimalchio freute sich über die Heiterkeit der Seinen und sprach: »Ihr Freunde, auch die Sklaven sind Menschen und haben dieselbe Milch getrunken wie wir, wenn sie auch ihr Unstern deklassiert hat. Dennoch werden sie, wenn mir's gut geht, bald den Trank der Freiheit genießen. Kurz und gut, ich lasse sie alle in meinem Testament frei. Dem Philargyrus vermache ich außerdem ein Grundstück und seine Mitsklavin, dem Cario ein Miethaus und fünf Prozent und ein Bett mit allem Zubehör. Denn meine Fortunata mache ich zur Universalerbin und empfehle sie allen meinen Freunden. Das mache ich jetzt schon bekannt, damit mein Personal mich so liebe, als ob ich schon tot wäre.« Alle wollten nun ihrem Herrn für seine große Güte danken, da wurde er auf einmal ernst und ließ eine Abschrift seines Testaments herbringen. Das las er dann von der ersten bis zur letzten Silbe vor, während die Sklavenschaft laut stöhnte wie in einem Trauerhaus. Dann wandte er sich an Habinnas: »Wie steht's, teuerster Freund? Arbeitest du an meinem Grabmal, wie ich dir geheißen? Ich bitte sehr, daß du zu meinen Füßen einen Schoßhund anbringst und außerdem Kränze und Salben und alle Kämpfe des Petraites. So wird deine Güte mir ewiges Leben verleihn. Übrigens soll das Grabmal an der Front hundert Fuß lang sein und in der Tiefe zweihundert. Alle Arten von Obstbäumen sollen meine Urne umgeben, besonders reichlich jedoch Weinreben. Denn es ist ganz falsch, daß man die Behausungen der Lebenden schmückt, sich aber um die nicht kümmert, in denen wir länger wohnen müssen. Daher soll vor allen Dingen an meinem Grab stehn: »Dies Denkmal geht nicht auf den Erben über.« Außerdem werde ich daran denken, in meinem Testament dafür zu sorgen, daß man mich nicht noch im Tode schändet. Ich werde einen meiner Freigelassenen mit der Bewachung betrauen, damit nicht das ganze Volk zu meinem Grabmal läuft, um dort zu kacken. Außerdem bitte ich, daß du auf meinem Grabmal Schiffe darstellst, die mit vollem Winde segeln, dann mich, wie ich auf einer Tribüne sitze, in die Prätexta gekleidet und mit fünf goldenen Ringen am Finger, und vor aller Augen Gold aus einem Sack schütte. Denn du weißt, daß ich dem Volk eine Mahlzeit gegeben habe, zu zwei Denaren [Mk. 1.50] die Person. Man kann auch, wenn du meinst, Eßtische anbringen und darstellen, wie das ganze Volk sich daran gütlich tut. Zu meiner Rechten stelle die Statue meiner Fortunata mit einer Taube in der Hand, sie soll auch ein Schoßhündchen führen, das an ihren Gürtel angebunden ist. Dann mein kleines Kerlchen und große Amphoren, die sorgfältig mit Gips abgeschlossen sind, daß der Wein nicht ausläuft. Dann kannst du auch eine zerbrochene Urne aushauen und darüber meinen weinenden Knaben. In die Mitte soll eine Sonnenuhr, so daß jeder, der nach der Stunde sehen will, er mag wollen oder nicht, meinen Namen liest. Dann überlege sorgfältig, ob diese Inschrift dir passend erscheint. »Hier ruht Gaius Pompeius Trimalchio Maecenatianus. Ihm ist das Sevirat in seiner Abwesenheit zuerkannt worden. Er wäre in Rom zu allen Dekurien Die Subalternbeamten, die meist aus den Freigelassenen genommen wurden, waren in Dekurien organisiert. zugelassen worden, hat aber nicht gewollt. Er war anhänglich, tapfer und treu. Er fing klein an, hat aber dreißig Millionen Sesterzen hinterlassen und niemals einen Philosophen gehört. Lebe wohl, Wanderer. ›Und auch du, lebe wohl!‹.«

Nachdem Trimalchio so gesprochen, begann er zu heulen. Nun weinte auch Fortunata, nun weinte auch Habinnas, nun weinte auch die ganze Sklavenschar. Der Speisesaal hallte von ihrem Stöhnen wider, als ob sie zu einem Leichenbegängnis geladen wären. Schließlich wollte auch ich zu weinen anfangen, als Trimalchio sagte: »Also, da wir wissen, daß wir sterben müssen, warum wollen wir uns nicht des Lebens freuen? So wahr ich euch glücklich sehen möchte – stürzen wir uns alle ins Bad. Auf meine Verantwortung. Es wird euch nicht reuen. Es ist heiß wie ein Backofen.« »Jawohl, jawohl!« sagte Habinnas, »aus einem Tage zwei machen, das ist mir das Allerliebste.« Und er stand mit nackten Füßen auf und folgte dem Trimalchio.

Nun sah ich den Askyltos an und fragte ihn: »Was meinst du? Mich meinerseits rührt sofort der Schlag, sowie ich das Bad auch nur sehe.« »Drücken wir uns«, sagte jener, »im Gedränge, während jene ins Bad gehen.« Wir billigen den Vorschlag und kommen, da uns Giton führt, auch glücklich bis in die Säulenhalle und zur Haustür. Dort aber stürzte der Kettenhund mit solchem Gebrüll auf uns los, daß Askyltos vor Schreck in das Bassin fiel. Ich erschrak nicht minder, da ich mich schon vor einem gemalten Hund gefürchtet hatte. Aber wie ich in meiner Bezechtheit dem schwimmenden Askyltos die Hand reiche, zieht er auch mich zu sich in die Tiefe. Schließlich erscheint der Pförtner, beschwichtigt den Hund und rettet uns, die wir vor Kälte zitterten, aufs Trockne. Als wir ihn nun unter Zähneklappern baten, er solle uns aus der Tür lassen, sagte er: »Du irrst, wenn du glaubst, du dürftest durch die Tür weggehn, durch die du gekommen bist. Das ist noch keinem Gast widerfahren: durch die eine Tür tritt man ein, durch die andre geht man ab.« Was sollten wir Unseligen machen? Wir waren in einem neuen Labyrinth gefangen. So erschien uns ein Bad auf einmal höchst wünschenswert, und wir baten ihn, uns dorthin zu führen. Vorher zogen wir unsere nassen Kleider aus, die Giton am Eingang zu trocknen suchte. In dem Bad, das ganz eng war und wie die Zisterne eines Quellwasserbades aussah, fanden wir den Trimalchio aufrechtstehend vor. Aber auch hier konnte man seinen widerlichen Prahlereien nicht entgehn. Er sagte, es sei nichts angenehmer, als ohne Gedränge zu baden. Dann setzte er sich ermüdet nieder, riß aber gleich darauf, durch die gute Resonanz des Badegewölbes verführt, seinen betrunkenen Mund auf wie ein Scheunentor und begann die Arien des Menekrates zu mißhandeln. So sagten wenigstens die, die seine Sprache verstanden. Die übrigen Gäste tanzten, einander an der Hand fassend, um das Becken in der Mitte herum und brüllten »Euoi! euoi! juchheissa hei!« Andre versuchten mit auf dem Rücken verschränkten Armen Ringe mit den Zähnen vom Boden aufzunehmen oder knieend den Nacken so weit zurückzubeugen, daß sie die Zehenspitzen berührten. Während sie sich derart belustigten, stiegen wir in die Badewanne, in der das Wasser für Trimalchio gemischt wurde.

Nachdem wir so unsern Rausch abgeschüttelt hatten, wurden wir in ein anderes Speisezimmer geführt, wo Fortunata alle ihre Herrlichkeiten an Bronzegefäßen, Bechern, Leuchtern, Statuetten aufgestellt hatte. Man sah darunter die wunderbarsten Stücke. Nun sprach Trimalchio: »Ihr Freunde, heute feiert einer meiner Sklaven sein Bartfest, ein anständiger Mensch – unberufen! – so ein rechter Krümchenaufleser. Daher wollen wir uns die Kehlen baden und bis zum Tagesanbruch weiter tafeln.« Während er noch so sprach, krähte ein Hahn. Bei diesem Laut fuhr Trimalchio zusammen und ließ Wein unter den Tisch gießen und auch die Lampe mit ungemischtem Wein besprengen. Er selbst zog seinen Ring von der linken Hand und steckte ihn an die rechte und sagte: »Dieser Trompeter hat nicht ohne Grund sein Signal gegeben. Entweder muß es einen Brand geben, oder irgendwer aus der Nachbarschaft wird seine Seele aushauchen. Möge es weit von uns bleiben! Wer mir aber diesen Anzeiger beibringt, wird ein gutes Trinkgeld erhalten.« Kaum hatte er das gesagt, so ward auch schon aus der Nachbarschaft der Hahn herbeigeschleppt. Trimalchio befahl, ihm den Hals umzudrehen, und ihn in einem ehernen Kessel zu kochen. Sofort wurde er von jenem Tausendkünstler von Koch zerlegt und in den Tiegel geworfen. Während der Koch eine siedende Brühe machte, zerrieb Fortunata auf einer Mühle von Buchsbaum den Pfeffer.

Als wir nun diese Delikatessen genossen hatten, sah Trimalchio sich die Sklaven an und sagte: »Was? Ihr habt noch nicht gegessen? Fort mit euch, und laßt andre antreten!« Sofort rückte nun eine andere Abteilung vor. Die einen riefen: »Lebe wohl, Gaius!«, die andern »Sei gegrüßt, Gaius!« Jetzt aber erlitt unsere Fröhlichkeit die erste gründliche Störung. Unter den Antretenden war nämlich auch ein recht hübscher Junge. Sofort fiel Trimalchio über diesen her und küßte ihn gründlich ab. Daher fing Fortunata nach dem Grundsatz: »Gleiches Recht für alle!« an, den Trimalchio zu schmähen. Sie nannte ihn einen Schandkerl und Schmutzfleck, der seine Begierden nicht zu zügeln vermöge. Schließlich fügte sie gar noch hinzu: »Du Hund!« Nun wurde auch Trimalchio wild über diese Schimpfreden und warf der Fortunata seinen Becher ins Gesicht. Diese schrie auf, als hätte sie ein Auge verloren, und bedeckte das Gesicht mit ihren zitternden Händen. Auch Scintilla erschrak und zog die bebende Freundin an ihre Brust und schlang ihr Gewand um sie. Selbst der schuldige Knabe hielt ihr diensteifrig einen kleinen kühlen Krug an die Wange. Fortunata legte das Gesicht auf diesen und fing an zu stöhnen und zu jammern. Trimalchio aber brach los: »Was? Diese Seiltänzerin hat wohl gar kein Gedächtnis? Ich habe sie von dem Gerüst auf dem Sklavenmarkt heruntergeholt und erst zu einem Menschen gemacht. Aber sie bläht sich auf wie ein Frosch und spuckt nicht demütig in ihren eigenen Busen Abergläubischer Brauch, um den Neid der Gottheit abzuwenden.. Ein Stück Holz, keine Frau! Ja, wer in einer Baracke geboren ist, träumt nicht von einem Palast. Aber, so wahr mir mein Schutzgeist gnädig sein möge! – ich werde dafür sorgen, daß diese hochtrabende Theaterprinzeß gebändigt wird. Und ich Dummkopf, der nicht für zwei Pfund Verstand hat, hätte eine mit 10 Millionen haben können! Du weißt, ich lüge nicht. Agatho, der Parfümerielieferant der Hausbesitzerin von nebenan, nahm mich auf die Seite und sprach zu mir: ›Sorge doch, daß dein Geschlecht nicht ausstirbt.‹ Aber ich, weil ich ein guter Kerl bin und den Vorwurf der Flatterhaftigkeit scheue, ich habe mir selbst die Axt ins Bein gehauen. Schon recht! Ich will dafür sorgen, daß du mich mit den Nägeln wieder aus der Erde kratzen möchtest. Und damit du auf der Stelle erkennst, was du dir selbst zugezogen hast: Höre, Habinnas, ich will nicht, daß du ihre Statue an meinem Grabmal anbringst. Im Tod wenigstens will ich meine Ruhe haben. Ja, daß sie erfährt, daß ich ihr wehe tun kann: sie soll mich nach dem Tod nicht küssen dürfen.«

Auf dieses Donnerwetter hin bat Habinnas, er solle doch nun aufhören zu grollen. »Wir sündigen ja alle, denn wir sind Menschen und keine Götter.« Das bestätigte auch Scintilla unter Tränen und beschwor den Gaius bei seinem Schutzgeist, er solle nachgeben. Nun hielt auch Trimalchio die Tränen nicht länger zurück und rief aus: »Habinnas, ich bitte dich, so wahr du dein Vermögen zu genießen wünschest, wenn ich unrecht gehandelt habe, so spucke mir ins Gesicht. Ich habe diesen kreuzbraven Jungen geküßt, nicht weil er schön ist, sondern eben, weil er brav ist. Er kann mit 10 dividieren, er liest Buchschrift glatt herunter, er hat sich von seinen Ersparnissen ein Gladiatorenkostüm gekauft und einen Lehnsessel und zwei Näpfe. Und der soll nicht mein Augapfel sein? Nein, Fortunata will's nicht haben. Wirklich, du Stelzengängerin? Ich rate dir, iß die Suppe, die du dir eingebrockt hast, allein aus, du Raubvogel, und bring mich nicht in Hitze, mein Liebchen. Sonst sollst du meinen Sinn kennen lernen. Du weißt, was ich beschlossen habe, steht fest als wäre es angenagelt. – Aber wir wollen wieder an die Gegenwart denken. Laßt's euch wohl sein, meine Freunde. Auch ich war einst nicht mehr als ihr, aber durch meine Tüchtigkeit bin ich so groß geworden. Das bißchen Grütze im Kopf macht den Menschen, alles andere ist dummes Zeug. ›Gut kaufen, gut verkaufen‹ ist meine Devise – andere werden euch einen andern Rat geben. Ich platze schier vor Glück. Du aber heulst immer noch, Schnarchliese? Ja, ich werde schon dafür sorgen, daß du Grund hast, dein Schicksal zu beweinen. Aber, wie ich eben sagte, mich hat meine Bravheit zu meinem Vermögen gebracht. Ich war nicht größer wie dieser Kandelaber, als ich aus Asien kam. Ja, ich pflegte mich alle Tage an ihm zu messen, und um schneller einen bärtigen Schnabel zu haben, bestrich ich mir die Lippen mit Lampenöl. Dennoch blieb ich bis zum vierzehnten Jahr der Liebling meines Herrn. Denn es ist nie schimpflich, was der Herr befiehlt. Daneben aber befriedigte ich auch die Herrin. Ihr wißt schon, was ich meine. Ich schweige, denn ich zähle nicht zu den Prahlern. Schließlich wurde ich nach dem Willen der Götter selbst Herr im Hause – seht an, jetzt war ich der, der für ihn denken mußte. Kurz und gut, er setzte mich neben dem Kaiser zum Erben ein, und ich erhielt ein Vermögen wie ein Senator. Aber niemand ist mit nichts zufrieden. Ich bekam Lust, zu spekulieren. Kurz und gut, ich baute fünf Schiffe, belud sie mit Wein – und der war damals Goldes wert –, und schickte sie nach Rom. Aber – als hätte ich's just so befohlen – alle fünf Schiffe gingen unter. Tatsache, keine Fabel! An einem Tag verschlang Neptun 30 Millionen. Du meinst, ich hätte den Mut verloren? Beim Herkules, ich habe den Verlust kaum gespürt. Ich baute, als wäre nichts geschehen, andere, größere, bessere und glücklichere, so daß mich jeder einen forschen Kerl nannte. Ihr wißt, ein großes Schiff hat großen Schneid. Ich lud wieder Wein, Speck, Bohnen, Salben, Sklaven. Und hier gab Fortunata eine Probe anständiger Gesinnung; sie verkaufte all ihren Goldschmuck und alle ihre Gewänder und gab mir 100 Goldstücke in die Hand. Das war der Sauerteig meines Vermögens. Schnell geschieht, was Götter wollen. Mit dieser einen Fahrt machte ich rund 10 Millionen. Sofort kaufte ich alle Grundstücke meines früheren Herrn auf. Ich baute ein Haus, kaufte Sklaven, Wagen und Pferde; was ich nur anrührte, wuchs wie ein Pilz. Wie ich allmählich mehr hatte als meine ganze Vaterstadt – Hand von der Kiste! Ich zog mich vom Geschäft zurück und trieb nur noch Geldgeschäfte durch meine Freigelassenen. Eigentlich wollte ich den Handel ganz lassen, aber da redete mir ein Sterndeuter zu, der zufällig in unsre Pflanzstadt gekommen war, so ein kluges Griechlein, so einer, der auch die Götter hätte beraten können; Serapa hieß er. Der hat mir auch das gesagt, was ich selbst vergessen hatte – alles auf Haar und Faden, es fehlte nur noch, daß er mir mitteilte, was ich gestern gegessen hatte. Gerade als ob er immer bei mir gehaust hätte. Erinnerst du dich nicht, Habinnas? Du warst ja wohl dabei: ›Du hast aus Kleinem heraus dir dein großes Haus geschaffen. Du bist wenig glücklich in der Wahl deiner Freunde. Niemand dankt dir, wie du es verdienst. Du nährst eine Schlange an deinem Busen.‹ Und – warum soll ich es euch nicht sagen? –, daß ich jetzt noch 30 Jahre, 4 Monate und 2 Tage zu leben habe. Außerdem werde ich bald eine Erbschaft machen. So will's mein Fatus Einer der vielen – sonst in der Übersetzung nicht berücksichtigten – Sprachfehler: fatus für fatum.. Wenn's mir also noch glückt, meine Besitzungen bis Apulien auszudehnen, werd ich's im Leben weit genug gebracht haben. Unterdessen habe ich mit Merkurs Hilfe dies Haus erbaut. Ihr wißt, früher war's eine Baracke, jetzt ist's ein Tempel. Es hat 4 Speisesäle, 20 Zimmer, 2 mit Marmor ausgelegte Wandelhallen, droben noch ein Speisezimmer, mein Schlafzimmer, das Wohnzimmer für diese Schlange, eine sehr anständige Kammer für den Pförtner. Auch die Gastzimmer haben reichlich Raum für die Gäste. Kurz und gut: wenn Skaurus hierher kam, wollte er nirgends anders absteigen. Und dabei hatte er von seinem Vater ein Absteigequartier am Meer geerbt. Und da ist noch vieles andere, was ich euch sogleich zeigen werde. Glaubt mir: Besitzst du einen As, so giltst du einen As; hast du was, so giltst du was. So ist euer Freund, der einst ein Frosch war, nun ein König geworden. Einstweilen, Stichus, hole einmal das Totengewand, in dem ich bestattet sein will. Bringe auch die Salben mit und eine Probe zum Kosten aus der Amphora, aus der einst meine Gebeine gewaschen werden sollen.« Unverzüglich brachte Stichus einen weißen Teppich und eine Toga mit Purpurbesatz ins Speisezimmer. Trimalchio hieß sie uns befühlen, ob auch der Wollstoff gut sei. »Sieh zu, Stichus,« sagte er, »daß nicht die Mäuse und die Motten daran kommen, sonst lasse ich dich lebend verbrennen. Glanzvoll soll meine Bestattung werden, so daß das ganze Volk mir Segenswünsche nachruft.« Sofort öffnete er die Flasche mit Nardenöl und salbte uns alle damit. »Möge das meiner Leiche ebenso wohltun, wie mir jetzt«, sprach er dazu. Auch den Totenwein hatte er schon in den Weinbehälter gießen lassen und sagte: »Denkt euch, ihr wäret zu meiner Leichenfeier eingeladen.«

Die Sache war jetzt so, daß man hätte seekrank werden mögen. Trimalchio war geradezu widerlich betrunken und ersann nun einen neuen Ohrenschmaus. Er ließ Hornbläser hereinkommen, stopfte sich eine Menge Kissen unter den Nacken, streckte sich dann bis über den Rand des Lagers aus und sagte: »Stellt euch vor, ich wäre tot. Laßt etwas Schönes hören.« Die Hornbläser bliesen unisono einen Trauermarsch. Namentlich ein Sklave jenes Leichenbestatters, der immerhin noch der anständigste unter den Gästen war, blies so gewaltig, daß er die ganze Nachbarschaft aufschreckte. So glaubten die Feuerwehrleute vom nächsten Bezirk, das Haus des Trimalchio brenne. Daher schlugen sie die Türe ein und veranstalteten mit Beilen und Wasserstrahlen die übliche Verwirrung. Eine bessere Gelegenheit konnte es nicht geben, wir ließen den Agamemnon sitzen und stürzten mit aller Macht davon, als ob es hinter uns wahrhaftig brenne.

 

II. Die Matrone von Ephesus

(Die beiden Freigelassenen, denen sich der Dichter Eumolpos angeschlossen hat, treffen auf einem Schiff alte Feinde, die Tryphaina, die in den Sklaven Giton verliebt ist, und den Lichas. Sie versuchen zuerst sich durch Verkleidung unkenntlich zu machen. Das mißlingt, und es kommt erst zu einer Prügelei, dann zu feierlicher Versöhnung.)

Eumolpos wollte durch lustige Schwänke die gute Stimmung nicht einschlafen lassen und begann auf die Leichtfertigkeit der Weiber zu sticheln. Sie verliebten sich im Handumdrehen, vergäßen aufs schnellste die eigenen Kinder, keine Frau sei so keusch, daß sie sich nicht durch die Leidenschaft für einen fremden Mann bis zum Wahnsinn fortreißen lasse. Dabei denke er nicht an alte Tragödien, an Namen, die seit Jahrhunderten in aller Mund seien, sondern an ein Faktum, das sich zu seiner Zeit ereignet habe und das er, wenn wir es wünschten, uns gern erzählen wolle. Aller Augen und Ohren wandten sich ihm zu, und er hub also an:

In Ephesus war eine Matrone von so stadtkundiger Keuschheit, daß sie selbst von den Frauen der Nachbarorte angestaunt wurde. Als diese nun ihren Mann bestatten mußte, war sie nicht damit zufrieden, wie andere das tun, mit aufgelöstem Haar hinter der Leiche einherzuschreiten oder die entblößte Brust vor aller Augen mit Händen zu schlagen. Nein, sie folgte dem Toten bis zur Gruft nach und schickte sich an, dort die Leiche, die nach griechischer Sitte in einem unterirdischen Grabmal beigesetzt war, Tag und Nacht unter Tränen zu bewachen. Wie sie sich so abhärmte und aus Todessehnsucht jede Speise zurückwies, konnten nicht ihre Eltern, nicht ihre Verwandten und Freunde sie umstimmen; schließlich kam auch der Magistrat hinaus und erfuhr ebenfalls eine Abweisung. Die ganze Stadt beweinte dies Musterbild von einer Frau, die nun schon den fünften Tag ohne Nahrung dahinsiechte. Bei der Armen saß ihre treue Magd, die diensteifrig mit ihren Tränen die trauernde Herrin unterstützte und die Lampe im Grabmal neu anzündete, wenn sie erlosch. Der Vorfall war das alleinige Tagesgespräch der ganzen Stadt, und Leute aller Stände bekannten, dies sei das einzige glänzende Beispiel wahrer keuscher Liebe.

Inzwischen befahl nun der Statthalter der Provinz, etliche ertappte Räuber ans Kreuz zu schlagen, und zwar gerade neben dem unscheinbaren Bauwerk, in dem die Matrone ihren frischen Verlust beweinte. In der folgenden Nacht bemerkte nun der Soldat, der an den Kreuzen Wache hielt, damit keiner eine Leiche abnehme und bestatte, zwischen den Grabmälern ein sehr helles Licht und hörte trauriges Klagen. Neugierig, wie wir Menschen nun einmal alle sind, wollte er wissen, wer da sei und was er treibe. Er stieg also in die Gruft hinab, und als er das wunderschöne Weib sah, blieb er zuerst erschrocken stehn, als hätte sich ihm ein Gespenst aus der Unterwelt gezeigt. Als er aber die Leiche am Boden, die Tränen der Frau und ihre zerkratzten Wangen bemerkte, ahnte er die Wahrheit, daß es eine Witwe sei, die die Sehnsucht nach ihrem abgeschiedenen Gatten nicht ertragen könne. Er trug daher sein bißchen Essen in das Grabmal hinein und ermahnte die Trauernde, sie solle nicht in nutzlosem Schmerz verharren und nicht ihre Schönheit durch sinnloses Jammern und Klagen entstellen. Unser alle warte ja das gleiche Schicksal und die gleiche Ruhestatt, und was dergleichen Redensarten sind, mit denen man überreizte Gemüter zur Fassung zurückzuführen sucht. Aber jene ward durch den Zuspruch eines Fremden nur noch mehr erregt, schlug sich nur noch wilder die Brust und bestreute die Leiche mit den eigenen ausgerauften Haaren. Doch der Soldat wich nicht und suchte durch ähnliche Ermahnungen das arme Weibchen dazu zu bringen, Speise zu sich zu nehmen, bis sich schließlich die Magd, wohl vom süßen Duft des Weins verführt, besiegt gab und die menschenfreundliche Einladung annahm. Als sie sich an Speise und Trank gestärkt, begann auch sie den Sturm auf den starren Sinn ihrer Herrin: »Was wird es dir nützen, wenn du vom Hunger entkräftet zu Boden sinkst und dich selbst lebendig begräbst? Wenn du, ehe es das Geschick verlangt, schuldlos deinen Geist aushauchst? Glaubst du, es freuten sich dessen die abgeschiedenen Toten? Zitat aus Vergil Aeneis IV 34. Willst du nicht wieder aufleben? Willst du nicht den Irrtum abschütteln, der dein weiblich zages Gemüt umstrickt, und solange es dir gestattet ist, die Freuden des Lichtes genießen? Die Leiche selbst, die hier ruht, sollte dich ermahnen zu leben!« Niemand sieht es ungern, wenn man ihn zwingt zu leben und zu genießen. So ließ das Weib, das durch das mehrtägige Fasten ganz erschöpft war, es geschehen, daß ihr Trotz gebrochen wurde, und sättigte sich nicht minder gierig an der Speise als die Magd, die sich zuerst hatte umstimmen lassen. Nun wißt ihr ja, was für Gelüste einen satten Menschen anzuwandeln pflegen. Wie der Soldat mit Schmeicheleien in der Matrone die Lust am Leben wieder erweckt hatte, so setzte er auch mit Schmeicheleien ihrer Keuschheit zu. Auch erschien der keuschen Frau der Jüngling selbst ganz hübsch und beredt, und auch die Magd riet ihr zur Dankbarkeit, indem sie gelegentlich einwarf:

»… bekämpfe die Liebe nicht, wo sie erlaubt ist.
Oder vergaßest du ganz, in wessen Gefilden du hausest?« ebenda 38, 39.

Was soll ich euch länger hinhalten? Auch dieser körperlichen Lust enthielt sich das Weib nicht, und der siegreiche Soldat beschwatzte sie zu beidem. So ruhten sie beieinander, nicht nur die Nacht der Hochzeitsfeier, sondern auch den zweiten und dritten Tag. Vorher hatten sie freilich die Pforten des Grabmals verschlossen, so daß Bekannte wie Unbekannte, die zum Grabmal kamen, glaubten, die keuscheste aller Frauen habe über der Leiche ihres Gatten ihren Geist ausgehaucht. Weiterhin kaufte der Soldat, der an der schönen Frau und dem süßen Geheimnis Spaß fand, so viel Leckereien zusammen, als ihm seine Mittel gestatteten, und brachte das, sobald es dunkel wurde, in die Gruft. Wie nun die Verwandten eines der Gekreuzigten sahen, daß die Bewachung laxer geworden sei, hingen sie bei Nacht den Gehängten ab und erwiesen ihm die letzten Ehren. So ward der Wächter hintergangen, während er seinen Dienst versäumte. Als er nun am nächsten Tag ein Kreuz der Leiche beraubt sah, bekam er Angst vor der Strafe und erzählte den Vorgang der Frau. Er werde den Richterspruch nicht abwarten, sondern mit dem eigenen Schwert sich für seine Saumseligkeit bestrafen. Sie solle ihm, der sterben wolle, ein Plätzchen gönnen und das verhängnisvolle Grabmal dem Mann und dem Freund zugleich erschließen. Aber die Frau war ebenso barmherzig wie züchtig und sprach: »Das mögen die Götter verhüten, daß ich zu gleicher Zeit die Leichen der beiden Männer vor mir sehe, die mir die liebsten gewesen sind. Ich will lieber den Toten aufhängen als den Lebenden töten.« Nach dieser Rede hieß sie ihn den Leichnam ihres Gatten aus dem Sarkophag heben und an das leere Kreuz heften. Der Soldat benutzte den Einfall der klugen Frau, und am andern Tage wunderten sich die Leute, wie nur der Tote ans Kreuz gewandert sei.

Die Schiffer nahmen das Märchen mit beifälligem Gelächter auf, Tryphaina aber ward über und über rot und verbarg ihr Antlitz lieblich an Gitons Halse. Aber Lichas lachte nicht, sondern schüttelte erzürnt sein Haupt und sagte: »Wäre der Statthalter gerecht gewesen, so hätte er die Leiche des Gatten ins Grab zurückbringen und das Weib ans Kreuz schlagen lassen müssen.«


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