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Wie über den Ort, so haben sich auch über das Jahr seiner Geburt Zweifel erhoben. Allgemein wurde das Jahr 1498 dafür genommen, bis Charles Patin mit der Behauptung auftrat, Holbein müsse drei Jahre älter, und wenigstens 1495 geboren seyn, weil er schon 1514 und 1516 solche Geschicklichkeit in seiner Kunst bewiesen habe, die nur durch reifen Verstand und lange Uebung erreicht werden könneStultitiae laus, Des. Erasmi Rot. decl. 8°. Bas. 1676. in vita Holb.: Cum eam jam artis peritiam ostenderit, quae non nisi a judicio maturo et harum rerum usu subacto proficisci potuit.. Andre schrieben dem um so viel eher Glauben zu, weil Sandrart (der ihm übrigens auch wie van Mander 1498 zum Geburtsjare gibt) so gar noch 36 ältere Bildnisse von 1512 anführt, die von dem jungen Holbein gezeichnet und eigenhändig unterschrieben worden seyn sollen. Möge nun die Aechtheit dieser Bildnisse zweifelhaft seyn, so ist doch gewiß, daß auch auf der öffentlichen Bibliothek in Basel aus der ehemaligen Feschischen Kunstkammer das Bild Bernhard Meyers (der später Bürgermeister wurde) von Hans Holbein 1513 in Oehlfarbe zu sehen ist, das, wenn auch noch etwas schwach in Farben und hart in Umrissen, doch schon so klar und zart gemalt ist, daß man den vorzüglichen Künstler darin nicht verkennen kann. Desgleichen ist auch daselbst eine vortreffliche Zeichnung, drei mit Hellebarten versehene Nachtwächter vorstellend, mit dem Monogramm , 1513. Damals war der 1498 geborne Holbein fünfzehn Jahre alt, und kann also allerdings frühzeitig heißen. Aber ist denn diese Frühzeitigkeit ein solches Wunder, daß man blos deswegen die Altersangabe um mehrere Jahre zurücksetzen müsse? Lucas von Leyden war noch drei Jahre jünger, als er die Geschichte des heiligen Hubertus zum Erstaunen aller Kenner gemalt, und war nicht fünfzehn Jahre alt, als er schon zwei berühmte Kupferplatten gestochen hatte. – Nicht zu gedenken der großen Menge andrer Künstler aus der Deutschen und Italiänischen Geschichte, die noch in jüngern Jahren als Holbein sich zu einer glänzenden Höhe 37 der Kunst aufgeschwungen, so hätte doch Patin wissen können, daß sein Landsmann Le Brün noch als Knabe schon vortreffliche Dinge gemalt, und alle seine Mitschüler, selbst seinen Meister Vouet übertroffen hatte. Am meisten aber muß es auffallen, daß Patin hier nicht an sein eignes Beispiel gedacht hat, da er doch selbst umständlich erzählt, wie er schon im vierzehnten Jahre vor dem Apostolischen Nuntius, vor vier und dreißig Bischöfen und einer Menge hoher Standespersonen, griechische und lateinische Thesen, die ganze Weltweisheit umfassendTotam continentes philosophiam. – Lyceum Patavinum per Car. Patinum. 4°. Patavii. 1682., in beiden Sprachen fünf Stunden lang vertheidigt, und damit den philosophischen Lorbeer errungen habe. Hielt er das für nichts gegen das was Holbein leistete, so wäre es eine übertriebene Bescheidenheit, die sich nicht reimen würde mit der Behaglichkeit, womit er seiner Vorzüge gedenkt; oder meinte er, man sollte das frühe Erwachen geistiger Kräfte nicht zu geschwind anerkennen, damit die Sache nicht zu gemein werde, und dieser Adel nicht unter die Menge komme? – Wie dem auch sey, diese Berichtigung eines bis dahin allgemein angenommenen Umstandes hat mehr gegen als für sich, und ist aus dem Eiteln, wie so manche leichtgewagte 38 Verbesserung von Traditionen, Zahlen und Buchstaben schon gewesen und ferner seyn wird.
Auf die Jahrzahl 1498 führen auch die ersten gemalten und gestochenen Bildnisse Holbeins. So besaßNach Mechels Angabe, Msc. ein Rathsherr Werdemann in Basel ein kleines Rundgemälde von des Künstlers Kopf, mit kurzem Bart und Mütze, wo dessen Namenszug , das Alter 45, und die Jahrzahl 1543 angegeben seyn sollen. Ein ähnliches Bild in einer kleinen Rundung, von Wenzel Hollar 1647 gestochen, und aus der Arundelischen Sammlung nach Holbeins eignem Gemälde (dessen auch Walpole erwähnt) genommen, ist mit seinem Monogramm, dem Alter und der Jahrzahl bezeichnet, wie oben. So gleicher Weise das von L. Vorstermann gestochene Portrait des Künstlers. Auch Iselin (Lexikon), der doch in manchem dem Patin folgte, nimmt ohne Rücksicht auf jene Conjectur das Jahr 1498 als Geburtsjahr an.
Von der Holbeinischen Familie giebt Christian von MechelIn einem handschriftlichen Aufsatz. folgende Stammtafel: 39
Alle diese Männer waren MalerIn einer Schrift von Remigius Fesch, dem Sammler der berühmten Kunstkammer in Basel: Humanae industriae monumenta etc. Msc. in Fol., die auf der dortigen Bibliothek aufbewahrt wird, woraus auch Patin seine besten Nachrichten gezogen hat, liest man: Ao 1651 Mense Aug. cum admissus essem ad inspectionem Musaei Amerbachiani ab haeredibus audivi, in schedis Amerbachianis reperiri, tres fuisse fratres Holbenios, pictores omnes, hunc Johannem, Ambrosium, Brunonem..
Von dem ältern Meister Hansen sind wohl noch Werke übrig geblieben, aber keine Lebensnachrichten. MechelK. K. Bildergallerie in Wien. und MannlichBeschr. der Gemäldesamml. in München &c. I. Thl. lassen ihn 1450 zu Augsburg geboren werden. AndreHeinr. Fueßli's Künstlerlexikon; aber zufolge einer mißverstandenen Stelle aus Patin's Vita Holb. – und nach ihm Fiorillo, Gesch. der zeichn. Künste in Deutschl. II. 381 – und nach diesem wieder andre. nehmen gar zwei verschiedene 40 ältere Hans Holbeine als Maler an, aber bisher ohne bestimmte Gewißheit. – Er mag ein wanderndes Leben geführt habenIn Göthe's Kunst und Alterth. I. 60 heißt es, er sey einige Jahre von den Carmeliten zu Frankfurt a. M. bewirthet worden: es sollen daselbst in einer Sammlung mehrere seiner Gemälde zu sehen seyn.. Selbst in Basel sind keine anerkannten Oehlgemälde von ihm zu finden, aber auf dortiger Bibliothek fünf und fünfzig Stücke größrer Handzeichnungen, deren Basilius Amerbach in dem Kunstinventarium seines Vaters erwähnt, und ihn Hans Holbein Senior nennt. Deßgleichen zwei Duodezbüchlein, angefüllt mit Studien voll Wahrheit und Leben; in einem derselben steht hinten geschrieben: Depictum per magistrum Johannem Holpain Augustensem 1502. – Auch der Ort, wo er gestorben, ist unbekannt. Walpole berichtet, daß in den Kirchenbüchern von Wells»In the register's office of Wells.« Anecd. of painting in Engl. Lond. 1786. I. 79. eines Holbeins Meldung geschehe, der zur Zeit Heinrichs VII in England gelebt habe und daselbst gestorben sey. Er meint, dieß könnte 41 der Vater oder noch eher Sigmund, der Oheim Holbeins gewesen seyn; das geht aber nicht an, weil Sigmund in Bern lebte und starb. Es sollen auch, zufolge einer Beschreibung der Merkwürdigkeiten in Wilton-house, Gemälde der drei Kinder Heinrichs VII daselbst zu sehen seyn, Arthur, Heinrich und Margareth, die Hans Holbein dem Vater zugeschrieben werden. Dieß sind jedoch schwankende Angaben.
Nach MechelBildergallerie in Wien., der aber Geburtsjahre und Namen oft willkührlich austheilt, muß Ambrosius beträchtlich älter als Hans gewesen seyn; er läßt ihn 1484 geboren werden. Von ihm fanden sich in dem Nachlasse Bonifacius AmerbachsNach dem Verzeichniß seines Sohnes Basilius auf der Bibliothek zu Basel. drei Oehlgemälde, von denen später Meldung geschehen wird, und vier Handzeichnungen, die noch auf der Basler Bibliothek aufbewahrt werden. Eine derselben, ein mit Farben gezeichneter Kopf, etwa drittels Lebensgröße, hat ganz Holbeinische Art, und ist mit bezeichnet. Dasselbe Monogramm, welches Christ und Heller als unbekannt anführen, und das sich auf alten Holzschnitten aus Basel mit der Jahrzahl 1517 findet, möchte demnach wohl auf diesen Ambros Holbein passen. – Es zeiget sich auch in dem alten Malerzunftbuch in Basel, daß 1517 auf St. Matthis Tag Ambroß Holbein Mahler von Augsburg die Zunft empfangen habeOchs Gesch. v. Basel. V. 394.. Zwei Jahre später that dieß auch Hans der Jüngere.
Von dem dritten Bruder Bruno, der auch ein Maler gewesen, kann wenig mehr in Erfahrung gebracht werden, und ist auch auf der Basler Bibliothek nichts zu finden; er muß auch nicht alt geworden seyn, und keine Nachkommen hinterlassen haben, so wenig als Ambros, denn Sigmund spricht in seinem Testament 1540 außer dem Bruderssohn Hans nur noch von Schwestern.
Vermochte nun aber auch die angestrengteste Forschung nicht, das Melchisedekische Dunkel, das über des hochberühmten Malers Herkommen, Geburt, Alter und Geschlecht schwebte, ganz zu enthüllen, so ergibt sich doch mit Zuverlässigkeit, was sich auch in der Folge noch mehr bestätigen wird, daß eine Holbeinische Malerfamilie aus Augsburg sich anfangs des XVI Jahrhunderts in Basel niedergelassen, zu welcher Hans Holbein der Jüngere gehörte, der sich auch unter den Seinigen vorzüglich hervorthat, und 43 daß die ersten unzweifelhaften Spuren seines Daseyns daselbst müssen gesucht werden. Vielleicht waren es Kriegsunruhen, oder Krankheiten, oder bessers Fortkommen, indem Augsburg damals schon mehrere ansehnliche Künstler nährteP. v. Stetten Kunst- u. s. w. Geschichte von Augsb. I. 275., was diese Kunstmänner nach dem nunmehr unter eidgenossischem Bunde blühenden Basel trieb. Oder Holbein der Vater war, nach einer alten Sage, zum Bau des Rathhauses berufen, wozu schon 1504 vom Rath an die Bauherren erneuerte Befehle für Plan und Anschlag, und daran keine Kosten zu sparen, ertheilt wurdenOchs, Gesch. v. Basel. V. 298..
Patin, der den Holbein außer der Kunst so gern in die Gemeinheit herunter ziehen möchte, ist der Meinung, die Armuth sey Schuld daran, daß diese ganze Familie sich der Kunst gewidmet habe, indem der Vater außer Standes gewesen, ein Lehrgeld anders wo für die Söhne zu bezahlenCura ita ferme in more positum sit parentibus rei familiaris inopia pressis, ut seu liberorum neglectu, seu impensarum metu, filios etiom duos pluresve, in id quod ipsi sectantur vitae genus inducant, neque alias facile plures fratres eandem artem addiscant. Vita Holb.. Allein da mag er sich irren; es war vielmehr in jenen (auch noch in folgenden) Zeiten so der 44 Brauch, daß Väter, die Künstler waren, und Beistand nöthig hatten, auch ihre Kinder zur Kunst erzogen. Dessen zur Bestätigung giebt die Geschichte einen Ueberfluß von Beispielen; hier nur einige:
Als Peter Vischer zu Nürnberg an dem Grabmahl St. Sebalds arbeitete, halfen ihm fünf Söhne, die alle mit Weib und Kindern bei ihm im Hause gewohntSandrart.. – Von den vier Brüdern Martin Schöns waren drei Goldschmiede und einer Maler, die in Colmar und Basel lebtenB. Pirckheimeri opp. Fol. Francof. 1610.. – Albrecht Dürers zwei Brüder waren auch Maler. – Nocolaus Glockenthon, Maler von Nürnberg, hatte zwölf Söhne, die er alle zu seiner Kunst anhieltTaschenbuch v. Nürnberg. 2r Thl. 181.. – Der Maler J. Chr. Dietzsch in Nürnberg hat fünf Söhne und zwei Töchter zur Malerei gebildet, die sie auch, namentlich mit Wasserfarben, in großer Vollendung ausübten, zugleich mit einander zusammen lebten, und über sechzig Jahre ein schönes Beispiel inniger Geschwisterliebe darbotenEbendaselbst. 172..« – Von Friedr. Boutats, einem 45 Kupferstecher aus Antwerpen, berichtet VertueCatalogue of Engravers in England, by Hor. Walpole. Lond. 1786. p. 220., er habe vier Töchter und zwanzig Söhne gehabt, von denen zwölf Kupferstecher gewesen; einer derselben, Philipp, habe wiederum von zwölf Söhnen viere zu seinem Fach angezogen. – Will man noch mehr, so darf man nur bei FiorilloGesch. der zeichn. Künste in Deutschl. &c. 2r und 3r Thl. über die Namen Floris, Frank, Bloemaert, Withoos, Roos, Rugendas, Tischbein, Bemmel, Preisler u. s. f. nachschlagen; es geht fort bis auf unsere Zeiten. 46