Ulrich Hegner
Hans Holbein der Jüngere
Ulrich Hegner

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Holbeins Frau und Kinder.

Er muß frühe in unüberlegsamer Jugend geheirathet haben, später hätte er sich vielleicht länger besonnen; das Beyspiel andrer, das in diesem Punkte nicht schwer aufzufinden ist, hätte ihm zeigen können, daß Haussorgen einem Künstler, der nicht reich ist, so wie jedem, der mit Geistesarbeit sein Brod verdienen muß, schwer auf dem Halse liegen. Auch das weibliche Wesen, das sich ihm ergab, hätte dieß bedenken können, wenn nicht gerade der bedenkliche Schritt am wenigsten bedacht würde. Denn die Verbindung war nicht glücklich, und daß sie frühe statt gehabt habe, erhellet aus dem Familiengemälde seiner Frau und zweier Kinder, das auf der Basler Bibliothek aufbehalten, und der Zeitangabe nach, bevor er nach England, 1526, ging, gemalt worden ist. Nun scheint aber der Knabe wenigstens vier bis fünf Jahre zu haben, wonach die 111 Verehelichung Holbeins nicht weit über sein zwanzigstes Jahr fälltIn Murr's Beschr. der Merkw. von Nürnberg. S. 532. kömmt aus dem Dietschischen Cabinete vor: Hans Holbeins Frau und Kinder, 1519. – Das wäre doch gar zu frühe. Vermuthlich aber hat es mit diesem Gemälde die Bewandniß, wie mit einem andern in der Hagenischen Kunstsammlung (S. 500.) angegeben: Hans Holbein von ihm selbst gemalt, etatis sue XX. 1518, auf Holz. Welche Angabe Murr selbst nachher im Journal zur Kunstgeschichte XIII. 105. zurücknahm, und das Bild ein unbekanntes Porträt, von Hans Burgmair gemalt, nannte..

Die Frau soll ein böses Weib gewesen seyn, mit der er niemals in Ruh' und Frieden habe leben können, melden die Berichtsteller van ManderEr nennt sie Korselhoofdigh. und Patin, auch Sandrart, der sonst nicht leicht Böses nachredet. Wenn aber der Mann nur halb so leichtsinnig gewesen wäre, wie ihn hauptsächlich Patin schildert, so ließen sich die bösen Stunden der Hausfrau auch begreifen. Da man jedoch keine besondern Umstände von ihr, nicht einmal ihren Namen kennt, und nichts hat, als dieß lebensgroße Bildniß, so mag wer es versteht, und wem damit gedient ist, aus ihren Gesichtszügen die Wahrheit der Beschuldigung entnehmen. Dumm sieht sie eben nicht aus, auch nicht besonders grämlich, jedoch nicht hübsch. Sie scheint auch, wenn man das Bildniß in den Anfang der 112 zwanziger Jahre jenes Jahrhunderts setzt, etwas älter gewesen zu seyn, als ihr MannIn Mechels Oevre de Holbein ist ein guter Kupferstich von diesem Bilde..

Dieß häusliche Bild mag er in einer gemüthlichen Stunde vor seiner Abreise nach England zum Andenken gemacht haben, denn Frau und Kinder erscheinen darin nicht im Putze, wie man gewöhnlich zu vorbedachten Porträten sitzt, sondern im alltäglichen gemeinen HausgewandeJedoch nicht en lambeaux, wie Patin schreibt, noch weniger als »Bilder des Mitleids, aus deren blassen Gesichtern Dürftigkeit und Elend sprechen, u. s. w.« wie das Modenjournal 1824. 4. berichtet. Sie sehen im Gegentheil gut und wohlgenährt aus. Wer wird wohl Holbein den Unsinn zutrauen, seine eigne Familie als einen Gegenstand bettelhaften Elends darstellen zu wollen!, und das Bild ist nur auf Papier gemalt, das nachher auf Holz gezogen worden. Es ist angeblich 2 Fuß, 5 Zoll hoch, und 2 Fuß breit, und wird für eines der schönsten Gemälde des Meisters in Basel gehalten; verdient auch, blos als Malerei betrachtet, diese Ehre. Es ist nur ein Kniestück, wo die Mutter mit der Linken das Mädchen auf ihrem Schoße hält, und die Rechte auf dem vor ihr stehenden Knaben ruhen läßt. Holbeins zarter Pinsel, der nichts bedeutendes vergaß, ist darin sichtbar, und man 113 bewundert die Tizianische Wahrheit und Fülle des Fleisches. Die Köpfe sind, wie in allen guten Holbeinischen Bildern, voll athmender Lebendigkeit und Natur. Nicht das idealisirende Streben neuer Kunstgeweihten, die Großheit des Charakters anbringen zu müssen glauben, wo keine ist, nicht das geistreiche Lächeln galanter Hofmaler, auch keine gesuchte Nachlässigkeit, kein auffallendes Licht- und Schattenspiel, sondern reines, gesundes, anmaßungsloses Leben zeichnet dieses Kunstwerk aus. Holbein, der alles malte, wie er's sah, und er sah sehr gut, malte auch so das Gewand, und ging hier schon ganz von den steifen, gebrochenen Falten der alten Schule ab. Was man an dem Stücke tadelt, da ohne Tadel nichts besteht, ist der röthlich gelbe Ton am Gewande des Kindes, der nicht genugsam gegen die Farbe des Fleisches abgesetzt sey. Eben so möchte man es fehlerhaft finden, daß die Figuren, so gut sie auch gruppirt sind, sich nicht unterhalten, in keiner geistigen Verbindung stehen. Das Mädchen sieht und streckt die Hand nach etwas außer dem Gemälde, der Knabe schaut in die Höhe und die Mutter untheilnehmend vor sich hin, alle in verschiedener Richtung. Und so schön auch der Hals der Mutter gemalt ist, so möchte man ihr doch über das weit ausgeschnittene Gewand ein Tuch legen, denn dieser breite mütterliche Busen 114 ist kein Gegenstand der Schönheit mehr. Patin scheint beinahe zu zweifeln, ob das Bild Holbeins Gattin vorstelleIndex operum J. Holbenii, 10. sagt er, der sonst gern bejahend spricht: Illam dicunt Holbenii conjugem, hos vero liberos. – Es giebt Copien davon mit der Aufschrift:
        Liebe latein heißt caritas
        Ein guter Christ tragt niemand Haß.
; allein in dem Inventarium Amerbachs, der es besser wissen konnte, steht es als Holbeins Frau und Kinder oben an. Wer könnte auch wohl in so lässiger Tracht im gemalten Bilde erscheinen, als die Familie des Künstlers selbst!

So wenig man von seiner Frau weiß, fast eben so wenig hat bisher von seinen Kindern in Erfahrung gebracht werden können. Einige Spuren seiner Nachkommenschaft, außer dem oben angeführten Holbeinischen Geschlechte in Wien, mögen hier nicht am unrechten Orte stehen.

Ein Ruf, der 1532 von Bürgermeister und Rath in Basel an ihn erging, seine Rückkehr aus England zu beschleunigenOchs Geschichte. V. 395., spricht von »Weib und Kind.«

Ein ähnlicher Rathsbeschluß von 1538 setzt seiner zurückgelassenen Haushaltung einen Jahrgehalt bis zu seiner Rückkunft ausAuf der öffentlichen Bibliothek aufbewahrt..

115 Ein Schreiben des ehemaligen Baslerischen Antistes Merian an Mecheln, von 1779Nach Mechels handschriftlichem Nachlaß., sagt: »In den Taufregistern, die ich in Verwahrung habe, ist von der Holbeinischen Familie nicht die geringste Spur zu finden. – Laut des 1727 in Regensburg gedruckten Merianischen Stammbaums ist Christina Syffin, Rudolph Syf und Juditha Weissin Tochter, und Joh. Holbeins, des unvergleichlichen Mahlers, Enkelin (geb. 1597), den 17. Nov. 1616 mit Friedrich Merian, meines Großvaters Großvater und des ältern Kupferstechers Matth. Merians Bruder, copuliret worden.«

Die Holzschnitte in Münsters Cosmographie, die das Zeichen H. H. mit einem Messerchen tragen und von Papillon, Christ und Andern Holbein zugeschrieben werden, können sowohl der Zeitangabe, als der schlechten Kunst halber, nicht von ihm seyn. Eher, wenn das H doch Holbein bedeuten soll, könnte sie ein Sohn desselben gemacht haben, wenn man etwas von einem solchen, der die Kunst des Vaters fortgesetzt habe, wüßte.

 


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