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Ein Mann saß allein auf der Veranda eines Gebäudes, das wie ein Krankenhaus, Sanatorium oder so etwas aussah. Er lag zurückgelehnt in seinem Sessel, und die Arme hingen auf den Verandaboden herab; seine Augenbrauen waren gerunzelt, und er starrte hartnäckig zum Augusthimmel hinauf, wo rundliche Wolken hinzogen, weiblich schwellend und weiß, wie es die Wolken im August sind. Bald glich eine von ihnen einem Rubensschen Frauentorso, bald schwoll sie an wie der gerundete Steven einer seiner Lustgaleeren; jetzt kam eine ganze Flottille solcher weißer Galeeren, von einer dunklen Regenwolke eskortiert wie von einem drohenden Kriegsschiff. Das blaue Lustmeer war vor lauter Schiffahrt kaum noch zu sehen. Es war August. Die Blätter hatten schon zu fallen begonnen, die Astern knospten in der feuchten Erde der Beete; die Birnen schwollen zwischen den Blättern der Spalierbäume. Die Luft war lau und regenschwer, mit etwas wie Treibhausduft.
Der Mann auf der Veranda (er mochte wohl fünfunddreißig Jahre zählen und schien ein Ausländer zu sein) hatte vier englisch abgefaßte Telegramme auf seinen Knien liegen. Hie und da blätterte er zerstreut in ihnen, aber ohne näher nachzusehen, was darin stand. Wahrscheinlich wußte er sie auswendig, und es sah aus, als hätte er keine besondere Freude daran.
Das erste Telegramm lautete:
Newyork, 20. Juni.
Bedauere Mitteilung über mißglücktes entomologisches Experiment. Suchet den Urheber zu diskreditieren. – S.
Im zweiten stand:
Newyork, 1. Juli.
Bedauere sehr Ausgang der philatelistischen Affäre. Sorget, daß bald etwas geschieht. Freie Hand, aber alles diskret. Veränderte Adresse mitteilen. – S.
Das dritte lautete:
Newyork, 16. Juli.
Bedauere auf das tiefste, daß Radaffäre mißlungen, auch in Ihrem Interesse. S. krank, erregt über Ihre Mitteilung. Handelt. – D.
Das vierte:
Newyork, 29. Juli.
Warum keine Nachrichten? Wurde pyrotechnischer Anschlag auch vereitelt? Bedenket: größte Eile. Die Folgen sich selbst zuschreiben. – S.
Der Mann auf der Veranda faltete die Telegramme zusammen, steckte sie alle in die Tasche und nahm seine Betrachtung des Augusthimmels wieder auf. Eine blaue Straße hatte sich zwischen den Wolkenflottillen geöffnet; es war, als hätten sie sich getrennt, um sich eine Schlacht zu liefern, aber sie waren zu weiß und friedlich. Bald zeigte es sich, daß die blaue Gasse eine Triumphstraße war, aus der eine einsame weiße Rokokowolke als Anführerin zwischen den zwei Reihen Figuranten eines zierlichen Tanzes herauskam. Einige Augenblicke stand sie still; dann gab sie ein unsichtbares Zeichen; die beiden Reihen schlossen sich, und die weiße Rokokowolke verschwand im Tanze. Der laue Wind, der einen Augenblick geruht hatte, erhob sich und schüttelte schwere Tropfen aus den dunklen Kronen der Obstbäume; hie und da fiel ein unreifer Apfel dumpf auf die aufgeweichte Erde. Es raschelte wie von verstohlenem Flüstern, wenn die Blätter der Spalierbäume sich im Windhauch begegneten. Plötzlich brach die Sonne aus einem Wolkenspalt und färbte die weißen Verandasäulen aus Holz rheinweingelb. Der Mann auf der Veranda zog einige Briefe aus seiner Brusttasche und begann darin zu blättern, fast ebenso uninteressiert wie früher in den Telegrammen.
Die Briefe waren vier an der Zahl wie die Telegramme, mit rosa Kuverten und rosa Papier, sorgsam von einer sehr ungeübten Hand kalligraphiert. Die Kuverte hatten eine Menge Nachsendeadressen. Der Mann auf der Veranda lächelte ein unbeschreibliches Lächeln, als er hier und dort ein paar Worte las:
Liber Adolf
Warum bist du denn so geschwint ford. du glaubst gar nicht wie daß ich mich gegrängt habe, daß ich dich nicht mehr hab sehen können und am Abend war das noch ein Durcheinander mit dem grauslichen Karl-Bertil jetz ist er aber fordgeradelt mit die zwei anderen aber bitte schreib nur ja balt deiner
dreuen Axeline.
Liber Adolf
Ich hab mich so gefreut mit deinem Briff und weil du nicht bist wie sonst die Männer du denkst noch an ein Mädl nachher und ich dank dir für deinen Brif ich hoffe du kommst aber jetzt balt wieder in die Gegent und kann ich es schon nicht mehr erwarten bis du da bist. Mit die Buben ist das schon nicht mehr schön kommen mit lauter so Räubergeschichten und die Frau ist so dumm glaubt alles war sogar der Amtman da und hat mich um alles gefragt ja schmecks das geht ihn einen schmaren an schreib nur wieder deiner gelibten
Axeline.
Liber Adolf
Tausentmal dancke ich dir für deinen schönen Brif ich hab mich so gefreut wie du gar nicht glauben kannst das du wiederum herkommst du mußt nur schreiben dann komm ich schon und da kann sich die Frau von mir aus auf den Kopf stelen hier ist jetzt so ein Kraval indem die andere Frau Geburztag hat und da machen diese grauslichen Mistbuben ein Feierwerg jetzt haben sie einen Hunt gefunden und wollen ich soll ihm Fressen richten da können sie aber lang warten das kennt mir noch felen komm jetzt ser balt gelibter Adolf ich schreibe an die Adrese die du geschrieben hast bei bestem Wolsein hofendlich du auch
deine dich libende Axeline.
Liber Adolf
Warum kommst du denn gar nicht ich hab schon so Sehnsucht das ich gar nimmer aushalten kan hir ist immer das gleiche am Geburztag von der Frau haben die grauslichen Buben ein schönes Maler ankstelt mir wären balt alle in die Luft geflogen solchene Lausbuben jetzt wollen sie wieder Krebsen fischen und da gehns mit dem alten Teppen in Wald Eichkatzln schißen als Keder aber warum kommst du gar nicht gelibter Adolf ich bin schon ganz grank vor lauter Sehnsucht hofe das dieser Brif dich gesunt trift schike ihn an die lezte Adrese komm balt zu deiner dreuten gelibten
Axeline.
Der letzte Brief war der einzige, den der Mann auf der Veranda mit einiger Aufmerksamkeit durchlas, und dabei runzelte sich seine Stirn mehr denn je. Er schien nach einer Idee zu suchen, die nicht kommen wollte. Es war, als runzelte das Himmelsgewölbe über ihm in Sympathie ebenfalls die Brauen: schwere abendgraue Wolken wogten darüber hin; und die Blätter der Bäume standen schwarz gegen den Himmel. Plötzlich spaltete sich der Himmel im Westen, und die Sonne erschien einen Augenblick am Horizont wie eine blutig explodierende Granate. Im selben Augenblick erhob sich der Mann auf der Veranda mit zusammengekniffenen Lippen aus dem Liegesessel, steckte die Briefe zu sich und ging hinein. Seine Augenbrauen waren noch immer gerunzelt, aber, wie es schien, nicht mehr in Unschlüssigkeit.
*
O Augustmonde früherer Zeiten! Augustmonde der reifenden Birnen, Augustmonde der elternverbotenen Entenjagd, Augustmonde des Krebsfanges! Bei dem Gedanken an euch wässert uns der Mund nach mühsam herabgeschüttelten Birnen, flatternde Enten fliegen aus dichtem Röhricht auf; es ist, als ob Eichhörnchenschwänze kitzelnd um unseren Hals hingen, die Schwänze der Eichhörnchen, die geschossen wurden, um die Krebse ins Verderben zu locken.
Es bedarf großer List, um Krebse ins Verderben zu locken – nota bene, wenn es geschieht, wie es sich gehört, nach wissenschaftlichen Methoden. Ein jeder kann hingehen und ein Stück verdorbenes Fleisch oder einen sauren Hering an eine Schnur binden, ihn vor die Scheren des Krebses hinlegen und ihn dann, wenn er seine Mahlzeit begonnen hat, aufziehen – aber das ist der Krebsfang des Steinzeitmenschen; jedesmal ein Tier, lange Zwischenräume, wenig Ausbeute. Etwas mehr Wissenschaft liegt schon in der Netzfischerei, auf derselben Grundlage basiert, wie die Schnurfischerei. Aber der wirkliche Krebsfang, der seinen Mann nährt und der modernen Zeit würdig ist, ist die Korbfischerei. Wieviel schlaue Berechnung liegt nicht schon in der Form der Körbe! Die Außenseite muß im richtigen Winkel abfallen, der es den Tieren gestattet, ohne zuviel Mühe hinaufzuklettern, und ohne ihr Mißtrauen zu erregen; der nach innen gekehrte Rand am oberen Ende des Korbes muß aus bestem solidem Birkenholz bestehen, einerseits um dem Wasser und den Fluchtversuchen des Krebses Widerstand zu leisten, anderseits weil man solchen Tieren jede Aufmerksamkeit schuldig ist. Und dann erst der Köder drinnen im Korbe! Es gibt Menschen, die sich nicht entblöden, ihnen Abfälle aus der Küche zu bieten, Därme, Kuhschwänze, saure Heringe und dergleichen! Möge ihre Strafe im Verhältnis zu ihrer Unverfrorenheit stehen und ihr Name von jedem Gerechten vergessen werden. Der Krebs, dieses edelste der Schaltiere, gegen den die Krevette ein niedlicher Zwerg ist, die Krabbe ein gedunsener Allesfresser, der Krebs läßt sich nicht herab, solche Kost zu verspeisen. Tut er es, dann tut er es aus Verachtung für den Fänger, um ihm ökonomischen Verlust zuzufügen und um nicht mit nüchternem Magen in den Tod zu gehen. Nur den Fänger, dessen Korb er mit Eichhörnchenfleisch, das bereits Hautgout hat, versehen findet, schätzt er. Beruhigt durch das Bewußtsein, mit einem ebenso großen Epikureer wie er selbst Bekanntschaft gemacht zu haben, verspeist er langsam sein letztes Mahl und geht in den Tod, ohne zu erbleichen, sicher, auf seiner letzten Fahrt von der richtigen Anzahl Salzkörner und Dillenblätter geleitet zu werden.
Was man auch von Assessor Waldemar Hambeck vom moralischen Gesichtspunkt aus sagen kann, ein Epikureer war er. Zugegeben, daß sein Epikureertum zuweilen in allzu viele Whiskygrogs ausartete, es machte ihn dafür aber auch anderseits rücksichtsvoller gegen alles, was zu dessen Beförderung beitrug. Nie, nie wäre es ihm eingefallen, seinen Burgunder in Wasser zu wärmen oder seinen Champagner so eisgekühlt zu servieren, daß er seinen Geschmack von Blumentau eingebüßt hätte. Nie ließ er das Fleisch des Ochsen auf seinen Tisch kommen, bevor es nicht lange genug in seiner Vorratskammer gehangen hatte; nie ließ er ein Lamm für seine Rechnung schlachten, ohne daß es mit den besten und würzigsten Kräutern, die sich nur auftreiben ließen, gemästet worden war. Getreulich folgte er dem Gang des Kalenders durch den Tierkreis, um das zu wählen, was sich für jede Jahreszeit eignete – Austern, Lammfleisch, Spargel, jedes nach seiner Jahreszeit. Und im August Krebse!
Assessor Hambeck liebte Krebse. Er liebte sie zu essen, aber auch sie zu fangen, wohl wissend, daß keine Speise besser mundet, als die, deren Zubereitung man selbst überwacht hat. Als darum Assessor Hambeck sich aus seinem Kalender überzeugt hatte, daß der siebente Tag des August angebrochen war, lud er vor dem Frühstück sein Gewehr, und nachdem er fertig war, sagte er:
»Heute beginnt die Krebsenzeit! Wie ist es, Frau Bencke, sind die Körbe in Ordnung?«
»Die habe ich aber wirklich vergessen,« sagte Frau Benke. »Aber sie werden ja noch vom vorigen Jahre dastehen. Wollen Sie fischen, Herr Assessor?«
»Haben Henning und ich je eine Krebsensaison versäumt?« fragte der Assessor, nicht ohne einen gewissen Nachdruck.
»Nicht, daß ich mich erinnern könnte. Aber da nun Henning heuer nicht zu Hause ist …«
»Aber Tante, wir sind doch hier!« schrie Karl-Bertil.
»Wir können doch dem Herrn Assessor helfen!« rief Lal.
»Da ersauft ihr alle miteinander,« träufelte Johann Schlangengift in ihre Ohren. »Der einzige, der sich da nützlich machen kann, bin ich.«
»Was sagen Sie selbst, Herr Assessor?« sagte Frau Bencke. »Sie sind Ihnen wohl nur im Wege?«
»Das glaube ich allerdings,« sagte der Assessor; und vier Augen fixierten ihn unheilverkündend. – »Aber wir können ja sehen, wozu sie taugen. In meinem Gerichtssprengel wird niemand ungehört verurteilt.«
Vier Augen betrachteten ihn wieder mit Wohlwollen. Der Assessor fuhr fort:
»Ich habe mein Gewehr schon geladen. Gibt es heuer viele Eichhörnchen, wißt ihr das, junge Naturfreunde?«
»Eichhörnchen?« fragten Lal und Karl-Bertil.
»Natürlich, Eichhörnchen, ihr Mostschädel,« sagte Johann. »Wißt ihr denn nicht …«
»Das Fleisch des Eichhörnchens«, sagte Assessor Hambeck, »ist auf Grund seines Eichelgeschmacks die beste Speise und der leckerste Köder für den Krebs. Und man muß dieselben Rücksichten auf den Krebs nehmen, die Kaiser Vitellius auf seine Aale nahm. Kaiser Vitellius, der ein großes Leckermaul war, ließ gewisse junge Sklaven ausschließlich mit Thymian, Petersilie und weißem Pfeffer mästen. Wenn diese Sklaven, die die ersten Vegetarianer der Welt waren, hinlänglich gewürzt waren, wurden sie in den Aalteich geworfen, wodurch die Aale des Kaisers …«
»Oh! Still! Das ist doch das Gräßlichste, was ich je gehört habe!« schrie Mrs. Everard beinahe.
»Aber Tacitus erzählt es in den »Zwölf Cäsaren«,« sagte der Assessor, der als Epikureer klassisch gebildet war.
»Schweigen Sie, ich will nichts mehr hören!«
»Ich habe geglaubt, die hat Suetonius geschrieben,« sagte Karl-Bertil. »Und hat es damals überhaupt weißen Pfeffer gegeben?«
»Das geht dich nichts an,« sagte der Assessor. »Auf jeden Fall hat es keine solche Jugend gegeben wie heutzutage, das weiß ich bestimmt.«
»Die hätte man doch schon längst den Aalen vorgeworfen, wenn sie so gewesen wären wie Karl-Bertil und Lal,« sagte Johann mit einem diabolischen Lachen, »dann wären sie doch wenigstens zu etwas gut gewesen. Ein Glück, daß Mr. Smith nicht hier regiert.«
»Johann! Willst du schweigen!« sagte Frau Bencke scharf. »Wollen Sie jetzt gleich auf die Jagd gehen, Herr Assessor?«
»Ich hatte es mir so gedacht,« sagte der Assessor, »falls diese hoffnungsvollen Jünglinge mir als Treiber behilflich sein wollen. Wir müssen für den Anfang wenigstens fünf bis sechs Eichhörnchen haben.
*
Eine Eichhörnchenjagd ist reich an spannenden Momenten, denn sie ist mühsam und wenig ergiebig, in so hohem Grade zeichnet sich dieser Nager durch Schlauheit und Gewandtheit aus.
Die Jagd begann jedoch unter den besten Auspizien. Unter einem der Birnbäume des Gartens lag ein Haufen geschälter Birnen, von denen nichts anderes als das Kerngehäuse berührt war. Assessor Hambeck guckte mit seinen kleinen pfefferbraunen Augen mißtrauisch zur Höhe; das Gewehr flog auf seine Achsel, pang! – knallte ein Schuß, und eine zappelnde Haarmasse segelte vor den Jungen durch die Luft herunter. Karl-Bertil und Lal betrachteten den Assessor mit scheuer Ehrfurcht, während Johann das tote Exemplar Sciurus vulgaris vom Boden aufhob.
»Ich werde euch schon lehren, Hennings Birnen ruinieren!« sagte der Assessor mit gerunzelten Brauen, offenbar von der Bewunderung der Jungen nichts ahnend.
»Das war ein riesig feiner Schuß!« sagte Karl-Bertil zu Lal.
»Ganz wie ein Cowboy,« sagte Lal. »Pang! und schon lag es da.«
»Ich möchte wissen, ob wir noch mehr solche Spitzbuben da haben,« sagte der Assessor grimmig, offenbar taub gegen das Lob, das von diesen zarten Lippen kam. Er ging ein paarmal um den Baum herum und klatschte in ganz bestimmter Weise in die Hände, um die Eichhörnchen, die eventuell noch da waren, aufzuscheuchen, aber keines zeigte sich. Johann steckte das erlegte Wildbret in die Jagdtasche und gab sie Karl-Bertil zum Tragen. Karl-Bertil nahm sie ohne Proteste entgegen. Es ging zum Strandwäldchen. Auf dem Wege dorthin begegneten sie Fischer Anders, der mit seinen Gerätschaften auf dem Weg zum Strand war.
Im Walde zeigte sich ihnen das Jagdglück weniger gewogen, trotzdem ein Hundeköter von unbestimmter Rasse sich der Gesellschaft freiwillig als Spürhund anschloß; jeder Baum, von dem man nur denken konnte, daß er ein Eichhörnchen beherberge, wurde resultatlos untersucht; als sie endlich eines erblickten, fehlte der Assessor es zweimal. Um das Maß des Verdrusses voll zu machen, hatte das Tier ungewöhnlich günstig dagesessen und sich erst nach dem zweiten Schuß gerührt; nach diesem verschwand es jedoch pfeilschnell. Der Assessor gab seiner Wut durch einen Steinwurf nach dem Köter Ausdruck, der diesen nur noch darin bestärkte, nicht von ihm zu weichen. Karl-Bertil und Lal fixierten einander schweigend. Die Cowboyglorie des Assessors begann zu verbleichen. Der Assessor, der dies seltsamerweise zu bemerken schien, begann von Jagdleistungen seiner Jugend zu erzählen. Karl-Bertil und Lal hörten höflich aber zerstreut zu. Der Assessor ging dazu über, Johann ein komisches Mißgeschick zu beschreiben, das ihm in einer Bar in England passiert war.
»Da kommt so ein Kerl heran, verstehst du, Johann, und sagt: ›Wollen Sie einen Drink mit mir nehmen?‹ ›Nein‹, sage ich. ›Dann werden Sie verhauen‹, sagt er. ›Schau, daß du weiterkommst!‹ sage ich, denn er war kaum größer als Karl-Bertil. Pang! ging er nicht auf mich los, und in einer halben Sekunde lag ich auf dem Boden. Ich sprang auf, und bums! lag ich schon wieder da. Noch einmal dasselbe Spiel! Ich wurde wütend und dachte: Was ist denn das für ein Schwindel? Als wir gerade zum viertenmal anfangen wollten, sagt der Kerl: ›Sie wissen vielleicht gar nicht, daß ich Leichtgewichtschampion von Europa bin?‹ ›Nein, das weiß ich nicht, und das hätten Sie mir wahrhaftig früher sagen können,‹ sage ich. ›Wollen wir also jetzt einen Drink nehmen?‹ sagt er. – › All right,‹ sage ich, und dann …«
»Herr Assessor, schießen Sie doch, da sitzt ein Eichhörnchen!« flüsterte Bertil.
Der Assessor riß das Gewehr hinauf und drückte ab. Klick! Klick! In seinem Erzählereifer hatte er zu laden vergessen. Das Eichhörnchen ließ ruhig und überlegen einen Tannenzapfen herunterfallen und verschwand mit einem graziösen Sprung aus dem Gesichtskreis. Der Assessor riß seinen Hut herunter, setzte sich auf einen Stein und fluchte. Der Köter setzte sich gleichzeitig zehn Meter weiter weg und beobachtete ihn gespannt.
»Teufel noch einmal, ist das eine Hitze! Jetzt rühre ich mich aber nicht mehr vom Fleck. Ihr kleinen Jungen könnt auf die Klappjagd gehen und sie mir hertreiben!«
»Können wir nicht das Gewehr haben?« riefen Lal und Karl-Bertil wie aus einem Munde.
»Das Gewehr! Ihr? Schaut, daß ihr weiterkommt!«
Die Jungen zogen ab, ganz im klaren über die Situation.
»Der Assessor ist giftig, was?« sagte Lal. » By gum! Glaubst du, der hat sich gerauft, anstatt einen Drink zu nehmen!«
»Er hat sich vielleicht seither verändert,« sagte Karl-Bertil, der sich erinnerte, was sie vor einiger Zeit in der Laube gesehen hatten, aber niemanden der Doppelzüngigkeit beschuldigen wollte.
»Hör einmal, wie sollen wir denn das machen, sie ihm hinzutreiben?«
Sie blieben stehen, um diese Frage zu erwägen.
»Zuerst müssen wir einmal ein Eichhörnchen aufspüren, was?« sagte Karl-Bertil.
Lal gab die Richtigkeit dieser Prämisse zu. Sie fuhren fort, in kleinen Halbkreisen unter den genau gemusterten Bäumen herumzugehen. Zuerst sah es aus, als sollte ihre Mühe erfolglos bleiben; aber dann erblickten sie plötzlich auf einem der niedrigsten Aeste eines Baumes ein Eichhörnchen. Mit vorsichtigen Schritten umstellten sie das Tier, und mit ein paar Steinwürfen brachten sie es dazu, in der gewünschten Richtung fortzuschnellen. Es ging über Erwarten gut. Sie wurden eifriger und eifriger und hatten weder Augen noch Ohren für etwas anderes als das Eichhörnchen. Plötzlich – pang! – Was war denn das?
Ja, was war das? Was war geschehen?
Karl-Bertil und Lal saßen zehn Meter voneinander entfernt auf dem Grunde eines Tümpels und sahen einander an wie zwei Clowns im Zirkus. Vom Jagdeifer geblendet waren sie in den Tümpel gepurzelt, soviel stand fest. Aber war das alles?
»Lal!« sagte Karl-Bertil.
»Ja?«
»Hast du was gehört?«
»Es hat jemand geschossen, Karl-Bertil,« sagte Lal. »Links von mir ist eine Kugel vorbeigeflogen, als ich gefallen bin.«
»Bist du sicher?«
»Hast du nichts gehört?«
»Doch …«
»Ich bin sicher, daß eine Kugel dicht an mir vorbeigeflogen ist.«
»Ich glaube, an mir auch.«
»Der Assessor wird das Eichhörnchen gefehlt haben.«
»Ja,« sagte Karl-Bertil langsam, »aber der Assessor schießt mit Schrot.«
Lal starrte ihn an.
»Vielleicht war es Schrot,« sagte er schließlich.
»Du hast doch gesagt, du weißt ganz sicher …«
»Vorgekommen ist es mir wohl, daß es eine Kugel war …«
»Mir auch. Warte, wir wollen gleich sehen!«
Karl-Bertil nahm seine Gymnasiastenmütze ab und befestigte sie auf einem Stock. Den hob er langsam über das wehende Gras am Rande des Tümpels. Lal sah mit weitgeöffneten Augen zu. Das war die List des Lederstrumpfs, in die Praxis umgesetzt. Aber ob nun der Feind seiner Wege gegangen war, oder ob er listiger war als der Lederstrumpf, es kam kein Schuß nach der Mütze, obwohl Karl-Bertil sie in den naturgetreuesten geschlängelten Wendungen hin und her führte. Nach einer Weile kroch er vorsichtig aus dem Tümpel (der ausgetrocknet war) hervor und lugte mit zusammengebissenen Lippen um sich. Dann machte er Lal, der demütig sein Signal abgewartet hatte, ein Zeichen. Die Luft war rein. Der Feind war verschwunden.
»Das ist aber komisch,« sagte Lal.
»Warte ein bißchen. Du hast doch auf jeden Fall einen Schuß gehört?«
»Ja, so sicher wie …«
»Das genügt. Ich auch. Wir wollen uns einmal diese Espen ein bißchen ansehen.«
Karl-Bertils Ton war männlich und kurz geworden, wie es dem Häuptling geziemt. Er sprang über den Tümpel zurück.
»Was willst du?« fragte Lal.
Ohne zu antworten, geheimnisvoll wie ein Detektiv, zeigte Karl-Bertil den Weg zu den erwähnten Espen. Er untersuchte sie lange und genau, kratzte und schnitt mit seinem Federmesser auf anderthalb Meter Höhe vom Boden an der Rinde herum. Schließlich steckte er mit gerunzelten Brauen die Hände in die Hosentaschen.
»Was ist es?« flüsterte Lal, atemlos vor Ehrfurcht.
Karl-Bertil hatte Erbarmen.
»Ich habe nach der Kugel gesucht, das kannst du dir doch denken. Du bist schräg vor diesem Baum niedergefallen, und der Schuß ist von links gekommen, also müßte die Kugel in der Rinde in der Höhe deines Kopfes sitzen. Aber da ist sie nicht. Auf jeden Fall bin ich sicher, daß nicht der Assessor geschossen hat.«
»Warum denn?« keuchte Lal beinahe.
»Weil er mit Schrot schießt, und den hätte man absolut sehen müssen.«
Lals Gefühle ließen keine Worte zu.
»Ich glaube, was ich glaube,« sagte Karl-Bertil. »Jetzt gehen wir zurück.«
Sie fanden den Assessor in vortrefflicher Laune. Nicht weniger als drei Eichhörnchen hatten die Lichtung, in der er saß, passiert und waren durch sie in die Ewigkeit eingegangen. Der enttäuschte Köter war verschwunden.
»Ihr seid ja ganz famose Treiber,« sagte der Assessor. »Mit vier kommen wir für den Anfang glänzend aus. Jetzt gehen wir nach Hause und sehen uns nach den Körben um.«
»Haben Sie einen Mann gesehen, Herr Assessor?« fragte Karl-Bertil.
»Außer mir selbst seit heute früh keinen,« sagte der Assessor in bester Laune. »Und du, mein junger Freund?«
»Du auch nicht, Johann?« fragte Karl-Bertil.
»Außer mir selbst seit heute früh keinen, mein Liebling,« sagte Johann. »Und du?«
Karl-Bertil schwieg und drückte Lals Hand warnend. Sie schritten heimwärts.
»Was glaubst du?« flüsterte Lal.
»Ich glaube, was ich glaube,« schnitt Karl-Bertil ab. »Aber merke dir, daß du zu niemand ein Wort sagst. Die lachen ja nur.«
Der Rest des Tages und der nächste Tag gingen damit hin, die Krebsenkörbe instand zu setzen. Die Eichhörnchen wurden an die Scheunenwand genagelt, Assessor Hambeck zog auf eigene Faust aus, um den Bestand zu vergrößern, aber ohne Erfolg. Am nächsten Abend sollten die Körbe zum erstenmal ausgeworfen werden.
Das Badehaus des Schwanseehofs, das auch seine Fischgerätschaften beherbergte, lag in einem Erlengestrüpp an einer Bucht des Schwansees. Gleich daneben hatte der alte Fischer Anders seines, voll Netze und anderen Gerätschaften. Davor standen seine Fischbottiche. Er hatte einen Holzbottich für gewöhnliche Fische und einen ziegelgemauerten Bottich für Aale. An dem Abend, an dem die Bewohner des Schwanseehofs hinunterkamen, um ihre Körbe auszuwerfen, war der Alte mit dem letzteren beschäftigt. Assessor Hambeck, der nach dem Mittagessen oft volksfreundliche Sympathien hatte, ging auf ihn zu und offerierte ihm eine Zigarre.
»Dank schön, dank schön, Herr Assessor, das ist aber zuviel …«
»Rauchen Sie sie in Gesundheit, rauchen Sie sie in Gesundheit! Was glauben Sie, Anders, wie steht's denn heuer mit den Krebsen?«
»O je, von dem Dreck wird schon genug da sein.«
»Sagen Sie Dreck von Krebsen, Anders, schämen Sie sich doch!«
»Na, die sind aber doch wirklich ein rechter Dreck. Die leben ja nur von toten Tieren und Menschen. Ja, so ist's.«
»Na, und die Aale? Wovon leben denn die?
»Na ja, das ist ja auch ein Glumpert, das schon. Da schaun Sie nur her, Herr Assessor, was ich für einen Deckel auf den Bottich geben muß, damit sie mir nicht auskommen.«
Assessor Hambeck besichtigte den Deckel des Aalbottichs, der wirklich ungewöhnlich solide war, aus zolldicker Eiche und mit einem Riegel versehen.
»Das ist doch unglaublich! Brauchen Sie wirklich einen solchen Deckel, um sie drinnen zu halten? Ich hätte gedacht, der Bottich ist tief genug.«
»Na ja, das schon, aber so ein Aal, der hupft auch aus einem Brunnen, wann er will. Da muß man schon aufpassen.«
»Haben Sie viele Aale drinnen?«
»Na ja, etliche schon, denn mehr als zweimal in der Woche kann ich sie ja nicht in die Stadt bringen, Herr Assessor.«
»Freilich, freilich. Na, hübsch anzusehen sind sie aber nicht, Ihre Aale, mein lieber Anders.«
Der Assessor blickte mit gerümpfter Nase in den Bottich, wo sich die Aale im Wasser durcheinanderschlängelten.
»Pfui Teufel, wie die Schlangen schauen sie aus. Aber schmecken tun sie gut, das schon.«
Der Assessor schnalzte mit der Zunge.
»Ja, adieu Anders. Wenn wir in unseren Körben Fische finden sollten, können Sie sie haben.«
Fischer Anders brummte etwas, das vermutlich eine Danksagung sein sollte, und der Assessor und die Jungen fuhren mit dem Kahn ab.
Unter Karl-Bertils und Lals atemlosem Interesse warfen sie die Körbe aus. Sie hatten noch nie einer solchen Operation beigewohnt. Johann und der Assessor arbeiteten mit der sicheren Ruhe alter Fischer, wobei sie kurzgefaßte Ansichten austauschten. Endlich waren alle zwölf Körbe an den Punkten ausgeworfen, die der Assessor und Johann in gemeinsamer Beratung als die strategisch richtigsten befunden hatten. Und man ruderte in der Dämmerung heim. Karl-Bertil und Lal betrachteten Johann mit neuerwachtem Respekt.
Dieser Respekt verringerte sich etwas, als die Körbe zeitig am nächsten Morgen herausgezogen wurden. Sie enthielten summa summarum drei Schock Krebse, von denen das eine Schock vom Assessor sofort als untauglich für menschliche Nahrung erklärt wurde.
»Nicht einmal um einen Schnaps dazu zu nehmen!« sagte er bitter, »wenn man überhaupt auf einen Lust hätte. Scheint ja ein nettes Krebsenjahr zu werden. Und dabei hat man ihnen noch Eichhörnchen geschossen und alles mögliche!«
Die Undankbarkeit der Krebse verstimmte ihn sichtlich.
»Sollen wir die hier herausnehmen und kochen?« fragte Karl-Bertil.
»Die paar! Was zum Teufel sollen wir mit zwei Schock Krebsen für sechs Personen? Oder willst du sie am Ende allein aufessen?«
»Aber nein,« sagte Karl-Bertil höflich. »Gewiß nicht.«
»Schmeiß sie in den Bottich,« befahl der Assessor. »Wir müssen heute abend die Körbe noch einmal auswerfen.«
Dieser Tag war einer jener milden grauverhängten Tage, die der Herbst zuweilen gleich Vorreitern in den August hinaussendet. Es war ganz ruhig. Ein spinnwebendünner Schleier lag über der Landschaft, wand sich um Bäume und Häuser und machte alle Konturen vage und unbestimmt. Der Berg und das Sanatorium verschwanden in einem grauen Nebel. Es tropfte ununterbrochen von den Bäumen, und in der windlosen Stille konnte man den Fall eines Tropfens aus weiter Ferne hören. Hie und da zeigte sich die Sonne in einer nebligen Wolkenspalte und verschwand, treibend wie ein verunglückter Ballon.
Karl-Bertil und Lal vertrieben sich den Tag mit Damespiel auf dem Heuboden, in welchem Spiel Lal ein Meister war; seine geräuschvollen Siegesproklamationen führten dreimal dazu, daß sie sich beinahe in die Haare gerieten. Endlich kam die Zeit, die Krebsenkörbe auszuwerfen.
Der Nebel hatte sich gegen Abend verdichtet, und der Park um den Schwanseehof stand wie eine unwirkliche Dekoration da. Die Zigarre des Assessors leuchtete im Nebel wie eine Signallaterne. Karl-Bertil und Lal waren in jener ausgelassenen Laune, in die Jungen kommen, wenn sie einen ganzen Tag eingesperrt gewesen sind und plötzlich herausgelassen werden. Sie umtanzten den Assessor in einem Indianertanz, um zu erfahren, wo die Körbe heute abend ausgeworfen werden sollten. Sie hatten eine Unzahl Vorschläge vorzubringen, aber vor allem einen, der ihnen besonders am Herzen lag: »Kümmern Sie sich nicht um Johann, Herr Assessor! Johann versteht nicht mehr von Krebsen als von Algebra! Werfen Sie die Körbe selbst aus, Herr Assessor!« Johann drückte seine eigene männliche Schert-euch-zum-Teufel-Ansicht aus und suchte sie durch Ohrfeigen zu bekräftigen. Es war ein entsetzlicher Radau. Der Assessor steckte sich die Finger in die Ohren und brüllte mit der Zigarre zwischen den Zähnen: »Verschwindet! Laßt mich in Frieden rauchen! Ich werde toll! Solche Ungeheuer wie euch hat weder das militärische Daunien in seinen Eichenwäldern gezüchtet noch Jubas Land, die Amme der Löwen! Sage, wo das steht, Karl-Bertil, dann darfst du und Lal jeder einen Korb auswerfen.«
»Das steht im Horaz, den habe ich im Frühling im geheimen gelesen,« schrie Karl-Bertil, »das ist wahr. Fragen Sie nur den Papa! Darum hat er mich ja hergeschickt, damit Johann mich lehren soll, nicht zuviel zu studieren!«
»Mir scheint, dazu brauchst weder du noch die anderen Buben einen Lehrer,« murrte der Assessor. »Aufgepaßt! Zehn Schritte hinter mir und keinen Lärm!«
Karl-Bertil und Lal fügten sich in die Order. Zehn Schritte genügten bei dem Nebel beinahe, damit Johann und der Assessor aus ihrem Gesichtskreis verschwanden. Karl-Bertil kam eine glänzende Idee:
»Jetzt mußt du sie verfolgen, dann werde ich dich verfolgen! Du darfst nicht näher kommen, als daß du sie gerade noch sehen kannst. Und ich darf wieder dir nicht näher kommen! Wenn du mich sehen kannst, darfst du auch meinen Korb auswerfen.«
»Aj aj, Sir! Wau-hu!«
Lal nahm seinen Platz mit wildem Kriegsgeschrei ein. Karl-Bertil wartete, bis er gerade noch sichtbar war, und begann dann seine Verfolgung mit lauerndem Gang.
Sie waren jetzt ins Strandwäldchen gekommen, wo sie vor ein paar Tagen Eichhörnchen gejagt hatten, durch dieses schlängelte sich der Pfad zum Badehaus hinunter. Wie seltsam der Wald im Nebel aussah! Der kam den Boden entlanggeströmt wie der Rauch von einem feuchten Lagerfeuer; er schlang sich um Baume und Büsche und verdichtete sich auf den Zweigspitzen zu schweren Wassertropfen. Hier und dort leuchtete ein welkes Blatt wie eine matte Feuerzunge. Jetzt kam ein Föhrengehölz mit einer einzigen dünnen, aufragenden Tanne in der Mitte; sie sah aus, wie eine lange magere Lehrerin inmitten einer Schar Schülerinnen in weiten Röcken! Es war seltsam still; Karl-Bertil hörte das Aufklappen seiner eigenen Schuhe auf dem Pfad nicht! Wo war Lal? War das er, der dort vorne schlich? Er mußte es wohl sein; er schwang drohend die Arme gegen den unsichtbaren Assessor und Johann und drückte imaginäre Mohikanerpfeile ab. Von Zeit zu Zeit drehte er sich um, um Karl-Bertil zu überraschen, aber Karl-Bertil war ihm zu geschwind und verschwand jedesmal wie ein Schatten in den Wacholdersträuchen am Wegesrand. Es war überaus spannend. Jetzt fehlte nur noch, daß jemand Karl-Bertil verfolgte! … Karl-Bertil zuckte in demselben Augenblick, in dem ihm die Idee kam, zusammen. Man denke, wenn das jemand tat! Man denke, wenn eine Kugel durch den Nebel gesaust käme, wie dieser Tage im Walde … Er hatte diese Kugel beinahe ganz vergessen! Jetzt war an ihm die Reihe, plötzlich stehenzubleiben und sich umzusehen. Was war denn das, ganz weit rückwärts? Hatte er da nicht etwas in die Büsche verschwinden gesehen? Er hätte beinahe darauf schwören können. Am besten, List mit List zu begegnen, am besten, sich in die Büsche zu schlagen und den Verfolger zu verleiten, sich zu verraten, wenn es einen Verfolger gab … Er tauchte zwischen zwei Wacholderbüsche und blickte vorsichtig zurück. Nichts war zu sehen. Er legte das Ohr an den Boden – das war naß und recht unbehaglich – um den Laut der Schritte des Feindes nach der Methode der Buschmänner aufzufangen. Hörte er etwas, oder hörte er nichts? Es klang wie vorsichtige Schritte …
Eine kleine Weile blieb er mit dem Kopfe auf der Erde liegen und äugte verschiedene Male heraus, bevor er überzeugt war, daß seine Phantasie ihm einen Streich gespielt hatte. Als er wieder aufstehen wollte, passierte ihm ein Malheur. Er glitt auf dem feuchten Gras aus, kippte mit dem rechten Fuß um und verstauchte ihn, so daß er fast geschrien hätte.
Jetzt war er in ganz derselben Situation wie der edle Unkas, als er einsam und verwundet die Huronenbande verfolgte! Trat er ganz leicht mit der großen Zehe auf, so tat es nicht so arg weh, aber setzte er den ganzen Fuß auf den Boden, dann stach es ganz verteufelt. Er hüpfte den Pfad entlang wie ein zuschanden geschossener Hase. Konnte er Lal und die anderen einholen? Sie waren jetzt wohl sicherlich unten am Strande, und er hatte noch zehn Minuten Weg hin. Er konnte Gift darauf nehmen, daß sie ohne ihn fortrudern würden, und daß er nicht dazu kommen würde, den Korb auszuwerfen, den er gewonnen hatte … Au, zum Geier, wie es in seinem Fuß stach, wenn er zu laufen versuchte.
Er mußte wieder zum gewöhnlichen Marsch übergehen. Jetzt war er an dem Gatter von Eks Seewiese; dann waren nur mehr fünf Minuten, dort war das verwachsene Erlengestrüpp. Wie scharf die Erlen heute abend rochen! Er stieß einen Signalruf aus, aber niemand antwortete vom Ufer. Na, da war endlich das Badehaus. Die Türe stand offen – keine Körbe natürlich, und das Boot war fort! Sie waren wirklich abgefahren, ohne auf ihn zu warten, pfui Teu – pfui – das war doch das Gemeinste, was ihm je untergekommen war – ihn um seinen Korb zu bringen, den er ehrlich gewonnen hatte – nicht zehn Minuten hatten sie warten können – er stieß einen neuen Ruf aus, der von Enttäuschung und Erbitterung halb erstickt war. Es kam ebensowenig eine Antwort darauf wie auf den früheren. Und er drehte sich auf seinem gesunden Fuß herum, um zu gehen. Seine Unterlippe zitterte.
Es fehlte nicht viel, und er hätte vor Empörung geweint. Daß Lal auch …
Er hielt mitten in seinen aufgebrachten Gedanken inne. Fünf Schritte vor ihm stand ein Mann und sah ihn an.
Ein Mann, ja, ein untersetzter Mann in Sportmütze und mit aufgekrempelten Hosen. Er hatte eine Pfeife im Munde und stand mit den Händen in den Hosentaschen da. Und er hatte kreisrunde Augengläser, durch die seine Augen Karl-Bertil unverwandt fixierten, kalt und drohend wie die einer Kobra. Diesmal war kein Zweifel möglich … als Karl-Bertil endlich die Sprache wiederfand, war es um zu flüstern:
»Mr. Smith!«
Mr. Smith fuhr fort ihn vollkommen schweigend zu fixieren. Erst jetzt sah Karl-Bertil, daß er auf Fischer Anders' Boden stand, gerade neben dem Aalbottich. Es sah aus, als hätte er ihn eben untersucht, denn der schwere Deckel war zurückgeschlagen, und Fischer Anders selbst vergaß nie, ihn zuzuklappen, bevor er ging. Karl-Bertil wiederholte mechanisch:
»Mr. Smith!«
Was er in diesem Augenblick dachte und fühlte, wußte er nicht. Hatte er Angst? Wohl möglich, aber vorerst empfand er hauptsächlich eine Art Triumph. Er hatte recht gehabt! Mr. Smith war nicht fort. Er hatte sich in der Gegend herumgetrieben, um …
Mr. Smith zog die Uhr aus der Westentasche und öffnete nun zum erstenmal den Mund:
»Jetzt sind sie eine ganze Viertelstunde fort. Sie haben Pech. Je weiter sie sich vom Lande entfernen … Aber warum bist du nicht mit im Boot, Kal-Burtil? Das ist schade.«
Er sprach langsam, mit der Pfeife im Munde, und seine Stimme klang wie das Schnurren einer Katze. Karl-Bertil räusperte sich, um seine Kehle freizubekommen. Im selben Augenblick, in dem Mr. Smith zu sprechen begonnen hatte, gab es keinen Zweifel mehr über seine Gefühle. Er hatte Angst, unheimliche Angst.
»Ich habe mir unterwegs den Fuß verstaucht,« sagte er mit nicht ganz sicherer Stimme. »Was haben Sie mit ihnen gemacht, Mr. Smith?«
»Mit ihnen gemacht? Was meinst du eigentlich, Kal-Burtil?«
»Sagen Sie, was Sie mit ihnen gemacht haben!« rief Karl-Bertil ganz hoch im Diskant. »Haben Sie sie ertränkt? Ich weiß ganz gut all das andere, das Sie getan haben.«
Mr. Smith lachte.
»Sie ertränkt, what an idea! Du bist dumm, Kal-Burtil! Glaubst du, ich bin so stark, daß ich drei Personen ertränken kann?«
»Ich weiß ganz gut, was Sie alles getan haben,« sagte Karl-Bertil jetzt mit ruhiger Stimme. »Sie haben damals meine und Lals Radkette durchgefeilt und das andere Mal wollten Sie Lal mit dem Schmetterlingsnetz töten.«
»Ah!« sagte Mr. Smith, »sonst nichts? Ich habe geglaubt, du hättest mit mehr aufzuwarten.«
Ein Gedanke schlug blitzartig in Karl-Bertil ein:
»Sie haben dieser Tage im Walde nach uns geschossen,« schrie er, »und vielleicht sind Sie auch damals dagewesen und haben etwas ins Feuerwerk gelegt! Das ist mir noch nicht eingefallen, nein, das ist mir noch nicht …«
Er unterbrach sich und starrte den Amerikaner sprachlos an. Mr. Smith steckte beide Hände in die Hosentaschen und sah ihn an.
»Es ist wirklich schade, daß du nicht mit im Boot bist, Kal-Burtil. Jetzt weiß ich nicht, was ich mit dir anfangen soll. Ich operiere so ungerne direkt. Fein und unbemerkt, so daß niemand es beweisen kann, das ist meine Art. Ich bringe es kaum übers Herz … Du bist in deiner Art ein prächtiger Junge. Du gefällst mir beinahe.«
»Ich gefalle Ihnen, Ihnen!« schrie Karl-Bertil. »Pfui, pfui, oh, pfui Teufel! Sagen Sie mir, was Sie mit den anderen getan haben, aber gleich, hören Sie!«
Mr. Smith öffnete halb den Mund, wie um besser zu hören, und drehte den Kopf nach dem See.
»Warte,« sagte er, »du wirst gleich hören, Kal-Burtil, jetzt kann es ja nicht lange dauern, bis …«
Wie um seinen Satz zu ergänzen, wurde die Stille in diesem Augenblick unterbrochen. Der stumme graue Nebel wurde für eine Sekunde von einem gelbroten Lichtblitz gespalten; ein paar Sekunden darauf kam ein dumpfer Knall, ungefähr so, wie wenn ein Stein auf einen Lehmboden fällt.
Karl-Bertil starrte mit angstgeweiteten Augen auf den See hinaus, während sein Herz ihm in der Brust so klopfte wie ein Hammer. Er glaubte ein Aufplätschern und ein paar leise Rufe zu hören. Im selben Augenblick war es, als strömte ihm eine heiße Welle vom Kopf bis zu den Füßen. Er sah Mr. Smith in seiner lauschenden Stellung dastehen, den Mund halb geöffnet wie zu einem befriedigten Lächeln. Was hatte er mit Lal und den anderen getan? Karl-Bertil vergaß seinen verstauchten Fuß und alles andere; er hörte und sah nichts. Wie ein Foxterrier einen Bulldogg anspringt, so stürzte er sich auf Mr. Smith. Der Amerikaner konnte nicht einmal die Hände aus den Hosentaschen ziehen, als er schon Karl-Bertils geballte Hände, eine im Gesicht und eine im Bauch verspürte. Er taumelte zurück, und seine Mundwinkel strammten sich bösartig. Aber er fand keine Gelegenheit, seine bösartigen Gedanken in die Tat umzusetzen. Mit dem einen Absatz stieß er an die Kante von Fischer Anders' gemauertem Aalbottich. Er schwankte, fiel nach rückwärts, schlug mit dem Kopf an die andere Kante des Bottichs und verschwand darin. In derselben Sekunde war Karl-Bertil herbeigestürzt; und ohne auch nur zu denken, was er tat, schmetterte er den schweren Eichendeckel zu und schob den Riegel vor. Und dann begann er schluchzend das Ufer entlang zu laufen in der Richtung, in der er die Explosion gehört hatte.
Was hatte Mr. Smith mit ihnen getan? Hatte er Dynamit in das Boot gelegt? Armer, armer Lal … Und Johann, natürlich, und der Assessor, aber vor allem Lal … Der elende, der niederträchtige Mr. Smith … Waren sie alle tot? Karl-Bertil blieb stehen, um zu rufen, aber es kam keine Antwort. Er lief weiter, obwohl sein Fuß von dem Auftreten auf die spitzen Steine des Strandes schmerzte und brannte. Er hatte den Knall doch aus dieser Richtung gehört? Er blieb wieder stehen; die Luft stach ihm in die Lungen, so war er gelaufen; er rief, ohne Antwort zu bekommen, und setzte seinen Eilmarsch fort. Schließlich konnte er nicht weiter. Er war jetzt bis zur Wolfsinsel gekommen, der kleinen Halbinsel, wo er und Lal einmal im Juni die jungen Enten gefangen hatten. Wenn man wenigstens etwas sehen könnte, wenn der Nebel nicht so dicht wäre …
»Lal!« schrie er. »Lal!«
Seine Kehle war so trocken, daß er kaum mehr rufen konnte.
»Lal!«
Noch immer keine Antwort.
»Johann! Herr Assessor!«
Was war das? Hatte man nicht etwas von der Wolfsinsel gehört?
»Lal! Lal! Lal!«
Jetzt! Was war das? Es konnte doch nicht – es konnte doch nicht – ja, doch! Es war eine Antwort gekommen, oder jedenfalls hatte er etwas gehört … Er horchte atemlos, dann schluckte er und rief wieder:
»Lal! Johann! Herr Assessor!«
Diesmal kam eine Antwort und nicht genug damit. Aus dem Nebel tauchten zwei Gestalten auf. Sie kamen den sumpfigen Strand der Wolfsinsel entlang gehumpelt, ohne Mützen, und patschnaß vom Kopf bis zu den Füßen. Sie trugen eine dritte kleine Gestalt keine Frage, das war Lal!
»Lal!« stieß Karl-Bertil hervor. »Was ist mit dir?«
Erst jetzt bemerkten sie ihn. Der Assessor fuhr sich über die Stirn und starrte Karl-Bertil an.
»Du!« sagte er, »was tust du hier?«
»Ich habe die Explosion gehört,« sagte Karl-Bertil, »und da bin ich hierhergelaufen, so rasch ich konnte. Was ist mit Lal?«
»Er wollte eben einen Korb auswerfen, als die Explosion kam. Er wurde von irgend etwas getroffen. Es ist mir unbegreiflich. Das Boot flog in die Luft, und ein Teil davon liegt hier draußen. Wir schwammen ans Land, Johann und ich – ich, so alt ich bin, und ganz angekleidet! Wenn Johann nicht gewesen wäre, ich weiß nicht, wie es mit dem Kleinen gegangen wäre.«
Der Assessor sprach stakkato, wie jemand, der kaum selbst das glauben kann, was er sagt. Karl-Bertil packte Johanns freie Hand, ohne ein Wort zu sagen. Sieben mal siebenzig Sünden waren im Handumdrehen von seinem Schuldkonto gelöscht. Der Assessor strich sich noch einmal über die Stirne und schien sich auf etwas zu besinnen.
»Woher wußtest du, daß es eine Explosion war?« sagte er.
»Das will ich später sagen, wir müssen Lal sofort nach Hause bringen. Sehen Sie nicht, daß er blutet?«
*
Durch all die Unruhe und die Sorgen um Lal dauerte es einige Zeit, bis Karl-Bertil sich an seine Geschichte erinnerte. Lal war bewußtlos und hatte hohes Fieber. Der Doktor wurde in fliegender Eile aus Schwansee geholt, und auf seine Order mußten sich der Assessor und Johann sofort zu Bett begeben, um einer Lungenentzündung vorzubeugen. Frau Bencke telephonierte die Beschreibung, die der Assessor von dem Unglücksfall gegeben, dem Amtmann. Erst zwei Tage später war Lal so weit besser, daß man die Gefahr als überwunden ansehen konnte. Karl-Bertil hatte den größten Teil der Zeit bei ihm gewacht. Und es war derselbe Tag, an dem Amtmann Wessén kam, um mitzuteilen, daß Mr. Smith gefunden worden war – und wie.
»Vollkommen unbegreiflich. Der Mann lag da in dem Aalbottich mit einer klaffenden Wunde am Kopf, und der Deckel war zugeschlagen und versperrt. Heute früh hat Fischer Anders ihn gefunden. Er muß ganz einfach ermordet worden sein.«
Sie saßen im Wohnzimmer, Frau Bencke, der Assessor und Amtmann Wessén. Nach den letzten Worten des Amtmanns hörte man drüben von der Türe einen Laut. Sie blickten auf. Karl-Bertil war hereingekommen, ohne daß sie es bemerkt hatten, und stand nun mit weitgeöffneten Augen und brennenden Wangen da. Er hatte Mr. Smith vergessen, er hatte ihn ganz vergessen … Er hatte ihn ermordet … Der Amtmann hatte es gesagt. Ermordet …
Sein Aussehen war so eigentümlich, daß der Amtmann auf ihn zueilte.
»Was ist denn los, Junge?«
Karl-Bertil fand seine Selbstbeherrschung wieder. Er richtete sich auf und sah dem Amtmann in die Augen. Am besten, die Wahrheit zu sagen.
» Ich habe es getan,« sagte er, aber es fiel ihm schwer, seine eigene Stimme zu erkennen.
»Was redest du da zusammen?«
»Ich habe ihn – ihn ermordet,« sagte Karl-Bertil, und es schien ihm selbst, daß seine Stimme aus weiter Ferne kam.
Und nun bekamen sie seine Geschichte zu hören, er erzählte sie vollkommen automatisch, ohne Abweichungen, nur ganz klar über eines: Er hatte einen Menschen ermordet. Der Amtmann nötigte ihn auf einen Sessel, ohne daß er sich dessen überhaupt bewußt wurde. Er sah nur sechs Augen, die ihn anstarrten.
Schließlich war er zu Ende, und es wurde ganz still im Zimmer, leer und still, so, als wäre die Luft rings um ihn herum ausgepumpt worden. Plötzlich stand der Amtmann auf und legte ihm die Hand auf die Schulter. Jetzt werde ich arretiert, dachte Karl-Bertil. Aber der Amtmann klopfte ihm auf die Schulter und sagte:
»Sei ohne Sorge, mein Junge, selbst wenn du das, was du getan hast, mit reiflicher Ueberlegung getan hättest, so wäre ihm nur das zuteil geworden, was er verdient hat, ja nicht einmal das. Ich habe gestern draußen auf der Wolfsinsel eine Untersuchung vorgenommen. Ein Teil des Bootes und zwei der Körbe, die noch nicht ausgeworfen wurden, sind von der Explosion auf die kleine Klippe dort draußen geschleudert worden. Ich habe die Körbe untersucht, und in einem derselben fand ich diese Maschine.«
Er zog etwas aus seiner Tasche. Es war ein Metallzylinder, ungefähr von der Größe eines Serviettenringes. Frau Bencke und die anderen starrten ihn atemlos an.
»Das hier«, sagte der Amtmann, »ist nichts anderes, als ein Duplikat von Herrn Smiths Höllenmaschine. Er hat offenbar befürchtet, daß die andere versagen könnte. Ich habe sie, so gut ich konnte, untersucht. In diesem Ende enthält sie ein weißes Pulver, das an Karbid erinnert und vermutlich ähnliche Eigenschaften hat. Sobald Karbid in Berührung mit Wasser kommt, entwickelt es Azetylengas, und wenn es heftig geschieht, braucht es nur einen Funken, damit es zur Explosion kommt. Es sollte mich nicht wundern, wenn dieses weiße Pulver hier noch um etliches explosiver ist als Karbid. Wie Sie sehen, sind in dem Zylinder zwei Oeffnungen. Die eine läßt das Wasser zu dem weißen Pulver durch, und wenn das Wasser durch die andere eindringt, schließt sich automatisch ein elektrischer Strom.«
Der Assessor erhob sich zähneklappernd von seinem Stuhl. »Pfui Teufel,« sagte er. »Darf ich eines fragen? Er ist doch ein paar Tage im Bottich gelegen?«
»Ja.«
»Und die Aale! Ich vermute, sie sind ihren Gepflogenheiten treu geblieben und haben es nicht verschmäht …«
»Sch! Still!« rief Frau Bencke.
»Ich frage nur Fischer Anders' wegen. Er darf diese Aale nicht verkaufen, wenn sie auch nach der Methode des Kaisers Vitellius gemästet worden sind. Die Leute, die sie äßen …«
»Schweigen Sie,« rief Frau Bencke. »Mir wird schlecht. Was wollten Sie sagen, Herr Amtmann?«
»Nur, daß die Geschichte noch nicht zu Ende ist. Ich habe in Herrn Smiths Taschen etliche Briefe und Telegramme gefunden.«