Karl Henckell
Im Weitergehn
Karl Henckell

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Maifahrt

                Der frischen Buchenwälder grünes Licht
Sang ein verführerisches Lenzgedicht.

Wir fuhren lachend in den Sonnenmorgen:
Nun mag für uns der Gott der Finken sorgen!

Die Himmelsluft, das seebeglänzte Land
Sich wie ein zärtlich Liebespaar verband.

Am Brautfest waren wir zu Gast geladen,
Lichtkinder spielten auf den Blumenpfaden.

Von weißen Anemonen, zarter Spier
In ihrem Blondhaar hingen Kranz und Zier.

Sie neckten sich mit leichten Buchenzweigen
Und huschten kichernd in das Waldesschweigen.

Versteckten sich vor Pferd und Wagen flink
Und hüpften wieder vor, auf Zauberwink . . .

Wir stiegen aus und gingen weiter leise
Durchs weiche Moos . . . Lüstern auf Sonntagsspeise

Sprang mit gewiegtem Schwunge buschgeschwänzt
Eichhörnchen mitten durch, sein Äuglein glänzt.

Der Schäferhund schoß hinterdrein dem Kecken,
Vom Mißerfolg beschämt klein beizustecken.

Der muntre Klettrer späht von oben schon
Und knackt sich was, ätsch, ätsch! dem Hund zum Hohn.

Die Spechte hämmerten . . . Von Zeit zu Zeiten
Sah ich im Grund die grüne Waldbraut schreiten

Mit ihrem goldnen Strahlenbräutigam –
Wo sie verschwunden, schillert Scharlachschwamm . . .

. . . Plaudern und Scherzen. Die Fouragetasche
Barg Brot und Eier, Mettwurst, Rotweinflasche.

Auf breitem Baumstumpf welch ein köstlich Mahl!
Stümper Lukull, so schwelgt man genial!

Dann, daß der Genius abends sich erhole,
Waldmeister pflückten wir zur Maienbowle.

Kam jeder bald mit einer vollen Hand,
Das weiße Tuch die Kräuter fest umwand,

– Ein Lebewohl dem lichten Buchendome! –
Und mit dem Bündel würziger Arome

Zurück zum Wagen . . . Landwärts stundenlang
Ging nun die Fahrt mit Gott und Finkensang.


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